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Drei Monate waren ins Land gegangen, seitdem die schrecklichen Geheimnisse von Dower House enthüllt worden waren. Sir Gregory Penne hatte inzwischen Zeit genug gehabt, sich zu erholen und einen der sechs Monate Zuchthaus abzusitzen, zu denen man ihn verurteilt hatte. Die Guillotine war am Ufer der Themse in einem Geheimmuseum für junge Polizisten und Kriminalstudenten aufgestellt worden.
Mike schien dieses Abenteuer schon viele Jahre zurückzuliegen, als er in Jacks Atelier auf einem Tisch saß. Er hörte gerade dem Direktor zu, wie er vollständig verzweifelt dem verärgerten Reggie Connolly beibringen wollte, wie man sich bei Liebesszenen zu verhalten habe. Neben ihm stand Helen Leamington. Der Film ›Roselle‹ war ein großer Erfolg geworden und hatte sie berühmt gemacht.
Außerhalb des Bereichs der Kamera stand Stella Mondeza, elegant wie immer, eine Zigarette zwischen den Fingern.
»Ich möchte doch bemerken, daß mir niemand zu erzählen braucht, Mr. Knebworth«, sagte Reggie aufgebracht, »wie man ein Mädchen halten soll!«
»Es ist mir ja auch furchtbar egal, wie Sie Ihr Mädchen halten«, fuhr ihn Jack an. »Ich sage Ihnen hier, wie Sie mein Mädchen anfassen sollen. Bei meinem Film gibt es eben nur eine Möglichkeit, die Liebe zu erklären, und die ist so, wie ich sie Ihnen vorschreibe. Darauf habe ich das Patent. Legen Sie den Arm noch einmal um sie, heben Sie den Kopf, neigen Sie das Kinn ein wenig! Noch mehr, das Kinn noch etwas herunter – lächeln – wollen Sie wohl lächeln? Nicht so steif«, schrie er.
»Also, noch einmal die Szene –.«
Er beobachtete, probte, und schließlich sagte er resigniert:
»Taugt alles nichts – aber wir müssen jetzt aufnehmen! Licht!«
Die großen Jupiterlampen flammten auf. Der ganze Raum war in blendendes Licht getaucht. Wieder wurde die Szene geprobt. Dann rief Jack:
»Aufnahme!«
Die Kamera begann zu surren.
»So, für heute haben Sie Ihr Pensum erledigt, Connolly«, sagte Jack. »Nun Miss Mendoza –«
Helen kam zu Mike Brixan und setzte sich neben ihn.
»Mr. Knebworth hat vollkommen recht«, sagte sie. »Reggie Connolly weiß nicht, wie man sich in Liebesszenen verhält.«
»Wer könnte das denn auch mit Ausnahme des richtigen Mannes wissen?« sagte Mike.
»Aber er glaubt doch, daß er der richtige Mann ist«, fuhr sie fort, »und noch mehr, man hält ihn für den besten jugendlichen Liebhaber im englischen Film.«
Mike lachte sarkastisch.
Sie schwieg einige Zeit.
»Warum sind Sie eigentlich noch hier? Ich dachte, Ihre Arbeit in diesem Teil der Welt wäre nun beendet?«
»Noch nicht ganz«, sagte er heiter. »Ich muß leider noch eine Verhaftung vornehmen.«
Sie schaute schnell zu ihm auf.
»Noch eine Verhaftung?« fragte sie. »Ich dachte, als Sie den armen Sir Gregory festnahmen –«
»Den armen Sir Gregory?« meinte er höhnisch. »Der kann von Glück sagen. Sechs Monate Zuchthaus waren gerade das, was ihm zukam, und er kann froh sein, daß man ihn nicht verurteilt hat, weil er den unglücklichen Diener tötete, sondern nur, weil er dessen Tod verheimlichte.«
»Wen wollen Sie denn jetzt festnehmen?«
»Ich weiß noch nicht genau, ob ich sie verhaften werde.«
»Ach, es ist eine Frau?«
Er nickte.
»Was hat sie getan?«
»Die Anklage ist noch nicht genau festgelegt«, sagte er ausweichend. »Aber ich glaube, es sind mehrere Punkte. Erstens hat sie alles in Verwirrung gebracht und zweitens mit Vorbedacht das öffentliche Wohl gefährdet, wenigstens die Gesundheit eines öffentlichen Beamten. Dann hat sie arglistig die Gefühle verwundet –«
»Ach so, da meinen Sie sich damit!«
Sie lachte leise.
»Das ist wohl ein Teil Ihrer Fieberphantasien in der Nacht im Hospital? Oder sollten es meine Träume sein? Da aber andere Leute sahen, wie Sie mich küßten, sind es doch wohl Ihre Phantasien. Ich glaube nicht, daß ich heiraten werde«, sagte sie gedankenvoll. »Ich bin –«
»Sagen Sie nur nicht, daß Sie mit Ihrer Kunst verheiratet sind«, seufzte er, »das sagen sie nämlich alle!«
»Nein, das habe ich auch nie behaupten wollen, ich habe nur den brennenden Wunsch, meinen besten Freund vor einem großen Irrtum zu bewahren. Sie haben noch eine große Karriere vor sich, Mike, und wenn Sie mich heiraten, würde Sie das nur hindern. Man würde denken, daß Sie nicht bei Verstand sind, Und wenn dann erst die Scheidung kommt –«
Beide mußten herzlich lachen.
»Wenn Sie vernünftig sein und nicht wie eine alte Jungfer reden wollen, dann möchte ich Ihnen doch etwas verraten«, sagte Mike. »Ich habe Sie vom ersten Augenblick an geliebt.«
»Natürlich haben Sie das getan, Mike. Das ist für Sie auch die einzig mögliche Art, eine Frau zu lieben. Wenn man sich erst drei Tage besinnen muß, so kann es nicht Liebe sein. Daher weiß ich auch, daß ich Sie nicht liebe. Das erstemal, als ich Sie traf, ärgerte ich mich über Sie, das zweitemal war ich wütend, und seither habe ich Sie eben geduldet. Warten Sie, bis ich mich abgeschminkt habe.«
Sie ging zu ihrem Ankleideraum, und Mike schlenderte durch das Atelier, um den verärgerten Jack Knebworth zu beruhigen.
»Helen – oh, mit der geht es gut. Sie hatte wirklich ein Angebot aus Amerika – nicht von Hollywood, sondern von einem Atelier im Osten. Ich habe ihr aber den Rat gegeben, es noch nicht anzunehmen, bis sie sich etwas mehr eingelebt hat. Trotzdem glaube ich nicht, daß sie meinen Rat braucht. Sie wird nicht beim Film bleiben.«
»Warum glauben Sie denn das, Knebworth?«
»Sie wird sich verheiraten«, sagte er verdrießlich. »Es sind schon Anzeichen dafür da. Ich habe Ihnen ja früher erzählt, daß etwas Ungewöhnliches an ihr ist. Sie wird sich verheiraten und den Film für immer verlassen, und das ist eben Veranlagung.«
»Und wen wird sie Ihrer Meinung nach heiraten?« fragte Mike.
Der alte Jack lachte laut auf. »Reggie Connolly wird es nicht sein, das kann ich Ihnen versprechen!«
»Dagegen würde ich mich auch schön verwahren«, sagte der junge Reggie entrüstet. Er hatte merkwürdig scharfe Ohren.
»Ich werde mich nie verheiraten. Die Ehe verdirbt einen Künstler. Eine Frau ist wie ein Mühlstein um seinen Hals. Man kann dann seine Persönlichkeit nicht mehr entwickeln. Und weil wir nun gerade davon sprechen, Mr. Knebworth, glauben Sie, daß man mich deswegen tadeln müßte? Haben Sie es denn nicht bemerkt – ich will nichts gegen das liebe Mädchen sagen – haben Sie es denn nicht bemerkt, daß Miss Leamington – wie soll ich gleich sagen – noch nicht reif für die Liebe ist...? Das ist der richtige Ausdruck!«
Stella Mendoza trat dazu. Sie war wieder auf den Schauplatz ihrer früheren Tätigkeit zurückgekehrt, und es hatte fast den Anschein, als ob sie bald ihre alte Stellung wieder einnehmen würde.
»Ich glaube, da haben Sie nicht recht, Reggie«, sagte sie.
»Ich habe sicher recht«, sagte Reggie gekränkt. »Ich habe mehr Mädchen geliebt als fünf andere Filmstars zusammen, und ich sage Ihnen, daß Miss Leamington durchaus unreif ist!«
Helen erschien am Ausgang des Ateliers und grüßte die Gesellschaft durch ein liebenswürdiges Kopfnicken. Mike ging mit ihr.
»Sie sind durchaus unreif für die Liebe«, sagte er.
»Das klingt nach Reggie. Es ist einer seiner Lieblingsausdrücke.«
»Er sagte, daß Sie nichts von Liebe verstünden«, brummte er.
»Vielleicht hat er auch recht«, meinte sie kurz.
Ihr Ton war so ärgerlich, daß er keinen Mut hatte, das Gespräch fortzusetzen, bis sie zu der langen, dunklen Straße kamen, in der sie wohnte.
»Die einzig richtige Art zu lieben ist«, sagte er und war nicht wenig erstaunt über seine eigene Kühnheit, »die Geliebte in die Arme zu schließen –«
Plötzlich lag sie an seiner Brust, und ihr kühles Gesicht schmiegte sich an das seine.
»Du hast recht«, flüsterte sie, und er schloß ihr mit einem Kuß den Mund.