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Helen hastete den Fahrweg entlang. Sie hatte nur den einen Gedanken, diesem schrecklichen Haus zu entkommen. Das Tor war geschlossen und die Pförtnerloge dunkel. Sie versuchte verzweifelt, die eisernen Riegel zu öffnen, aber sie waren zu schwer. Als sie rückwärts blickte, sah sie in dem Schein des Lichtes, das aus der offenen Halle drang, eine Gestalt, die heimlich auf einem der Grasstreifen entlangschlich, die den Fahrweg einsäumten. Einen Augenblick dachte sie, es sei Gregory Penne. Aber dann erkannte sie die scheußliche Gestalt. Sie war beinahe vor Schrecken gelähmt. Es war Bhag!
Sie bewegte sich so ruhig wie nur möglich die Mauer entlang, indem sie von Strauch zu Strauch kroch, aber er hatte sie schon gesehen und kam hinter ihr her. Er bewegte sich langsam und vorsichtig, als ob er nicht ganz sicher wäre, daß er sie verfolgen dürfe. Vielleicht gab es noch ein anderes Tor in der Mauer, dachte sie sich und schlich weiter. Von Zeit zu Zeit blickte sie zurück. Die Pistole hatte sie in der Hand. Angstschweiß trat auf ihre Stirn.
Jetzt verließ sie die schützende Wand und ging quer über die Wiese. Im ersten Augenblick glaubte sie, ihrem Verfolger entkommen zu sein, denn Bhag mied freie Plätze, aber jetzt sah sie ihn wieder. Er war auf gleicher Höhe mit ihr und trabte an der Wand entlang. Aber er eilte sich nicht. Sie hoffte, daß er am Ende die Verfolgung aufgäbe, wenn sie ruhig ihren Weg fortsetzte. Vielleicht war er ihr nur aus Neugierde gefolgt. Aber diese Hoffnung wurde bald zerstört. Sie stieg über einen niedrigen Zaun und kam auf einen Weg, der sie näher und näher zur Mauer brachte. Als sie dies merkte, wandte sie sich plötzlich von dem Weg ab und eilte durch hohes, taufeuchtes Gras. Nach den ersten Schritten war sie schon bis zu den Knien durchnäßt, aber in ihrer Aufregung bemerkte sie es nicht einmal. Bhag hatte die Mauer verlassen und folgte ihr jetzt ins Freie. Sie hätte gern gewußt, ob die Mauer das ganze Grundstück umgab, und war froh, als sie an einen niedrigen Zaun kam. Sie stolperte fast über eine Böschung, die offensichtlich die östliche Grenze des Geländes bildete. Sie lief, so schnell sie konnte, obgleich sie nicht wußte, wohin sie kam. Als sie sich umschaute, merkte sie zu ihrem Schrecken, daß Bhag immer noch hinter ihr war, doch blieb er immer gleich weit von ihr entfernt. In der Ferne sah sie die Lichter eines Hofes. Er schien gar nicht sehr weit abzuliegen, aber in Wirklichkeit waren es mehr als zwei Kilometer. Mit einem Seufzer der Erleichterung bog sie von der Straße ab und lief eine kleine Böschung hinauf, aber als sie die höchste Stelle erreicht hatte, sah sie zu ihrer Enttäuschung, daß die Lichter sehr weit entfernt waren. Sie wandte sich um und entdeckte Bhag. Sie konnte seine grünen Augen in der Dunkelheit funkeln sehen.
Wo mochte sie eigentlich sein? Sie blickte umher und erkannte die Gegend wieder. Vor ihr links erhob sich die massige Silhouette des alten Griff Tower. Plötzlich gab Bhag seine Rolle als Beobachter auf und sprang mit einem hundeähnlichen Knurren auf sie zu. Sie floh in der Richtung des Turmes. Ihr Herz klopfte so schnell, daß sie jeden Augenblick zusammenzubrechen drohte. Eine Hand faßte ihre Jacke und riß sie ihr herunter. Das brachte sie zur Besinnung. Sie mußte ihrem Feind entgegentreten, wenn sie nicht zugrunde gehen wollte.
Mit einer plötzlichen Bewegung wandte sie sich um und hob die Pistole. Sie stand jetzt Bhag Auge in Auge gegenüber. Er brummte und zerrte an der Jacke in seiner Hand. Wieder duckte er sich zum Sprung. Sie drückte ab. Der unerwartet laute Knall erschreckte sie so, daß sie beinahe die Pistole fallen ließ. Mit einem ängstlichen Heulen fiel Bhag hin und griff nach seiner verwundeten Schulter. Aber er richtete sich gleich wieder auf und zog sich langsam zurück. Trotzdem behielt er sie immer noch im Auge.
Was sollte sie tun? Der Affe konnte sich im Gebüsch wieder an sie heranschleichen und jeden Augenblick auf sie losgehen. Sie blickte nach dem Turm. Wenn sie nur oben auf die Mauer klettern könnte. Da erinnerte sie sich an die Leiter, die Jack Knebworth zurückgelassen hatte. Aber wahrscheinlich war sie inzwischen schon abgeholt worden. Sie schlich sich heimlich an den Turm und beobachtete dabei immer den Affen. Obgleich er ganz still dasaß, wußte sie doch, daß er ihr mit den Augen folgte. Als sie in der Nähe des Turmes in dem Gras suchte, fühlte sie eine Sprosse der Leiter. Sie konnte sie ohne viel Mühe aufrichten und gegen die Mauer lehnen.
Bhag war immer noch da. Der düstere Glanz seiner Augen war schrecklich anzusehen. In großer Hast stieg sie die Leiter hinauf und zog sie in die Höhe. Bhag kroch näher und näher, heran, bis er den Fuß der Mauer erreicht hatte. Dreimal machte er Anstrengungen, die Wand emporzuklettern, aber es gelang ihm nicht. Sie hörte, wie er vor Wut keuchte. Dann ließ sie die Leiter an der Innenseite des Turmes hinunter. Lange Zeit beobachteten die beiden einander. Schließlich entfernte sich Bhag. Sie verfolgte seine häßliche Gestalt mit den Augen, solange sie ihn sehen konnte. Als sie sicher war, daß er nicht wiederkehren würde, beschäftigte sie sich wieder mit der Leiter. Das untere Ende mußte sich in einem der Büsche verfangen haben. Sie zog dauernd, und als sie sich zum drittenmal mühte, die Leiter freizubekommen, gelang es ihr. Aber sie verlor dabei das Gleichgewicht. Einen Augenblick hielt sie sich noch mit der Hand oben an der Mauer fest, dann fiel sie halb gleitend nach unten. Atemlos richtete sie sich wieder auf. Sie hätte über ihr Mißgeschick lachen können, wenn sie sich nicht so entsetzlich einsam in ihrer neuen Umgebung gefühlt hätte. Sie versuchte, die Leiter aufs neue aufzustellen, aber im Dunkeln war es unmöglich, einen festen Standpunkt zu finden. Sie erinnerte sich, daß sie damals kleine Steine und Felsen hier unten gesehen hatte, und begann danach zu suchen. Sie erreichte den Boden der kreisförmigen Senkung und zog einen Zweig beiseite – mit den Füßen fühlte sie nach einem sicheren Halt und versuchte weiterzugehen. Plötzlich kam sie ins Gleiten und fiel durch einen schrägen Schacht in die Tiefe der Erde!