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»O nein, dies ist nicht das Zimmer«, entgegnete Mike ruhig. »Es liegt am anderen Ende des Ganges.«
Penne zögerte.
»Warum glauben Sie mir nicht?« fragte er mit fast freundlicher Stimme. »Was sind Sie für ein skeptischer Mensch! Kommen Sie jetzt, Brixan, wir wollen uns vertragen. Gehen wir hinunter und trinken etwas. Ich fühle mich elend.«
»Ich wünsche das Zimmer zu sehen«, sagte Mike unnachgiebig.
»Ich habe den Schlüssel nicht.«
»Dann holen Sie ihn«, sagte Mike scharf.
Schließlich fand der Baron einen Hauptschlüssel in seiner Tasche und öffnete widerstrebend die Tür.
»Es ging alles ein wenig schnell«, sagte er. »Sie war so krank, daß ich sie fortschaffen mußte.«
»Dann können Sir mir wahrscheinlich den Namen des Krankenhauses angeben, in das sie gekommen ist«, sagte Mike, als er das Licht anmachte. Ein Blick in das Zimmer sagte ihm, daß ein eiliger Aufbruch glaubhaft erschien. Aber trotzdem hatte das Mädchen den Raum nicht unter normalen Umständen verlassen. Das Bett war in Unordnung, das Kissen war blutig, und an der Wand sah man dunkelbraune Flecken. Ein Stuhl war zerbrochen, der Teppich trug merkwürdige Spuren, von denen eine von einem nackten Fuß herrühren mochte. Auf dem Laken war ein Abdruck, der nicht von einer menschlichen Hand sein konnte.
»Das sind Spuren des Affen«, sagte Mike und deutete darauf. »Das war Bhag!«
Der Baron biß sich auf die Lippen.
»Es hat ein Kampf hier stattgefunden«, sagte er. »Der Mann kam herauf und behauptete, die Dienerin sei seine Frau –«
»Was geschah mit ihm?«
Keine Antwort.
»Was geschah mit ihm?« fragte Mike mit unheimlicher Geduld.
»Ich ließ ihn gehen und die Frau mit sich nehmen. Es war einfacher so –«
Mit einem plötzlichen Ausruf bückte sich Mike und hob einen glänzenden Stahl auf, der hinter dem Bett lag. Es war die Hälfte eines Schwertes, in der Mitte entzweigebrochen und fleckenlos. Er betrachtete die Klinge und fand eine oberflächliche Einkerbung. Dann nahm er den Stuhl hoch, untersuchte das Bein und fand zwei tiefere Eindrücke darin.
»Ich werde Ihnen erzählen, was vorging. Sie und Ihr Bhag haben den Mann gefangen, nachdem er in diesem Zimmer war. Der Stuhl wurde im Kampf wahrscheinlich von Bhag zerbrochen. Der Mann floh aus dem Zimmer, lief in die Bibliothek, nahm das Schwert von der Wand, dann kam er wieder zu Ihnen herauf. Nun begann erst der richtige Kampf. Ich vermute, daß Sie hier einiges Blut verloren haben, Penne.«
»Einiges!« grollte der Baron. »Alles, verdammt noch einmal!«
Es folgte eine lange Pause.
»Verließ die Frau das Zimmer – lebend?«
»Ich glaube ja«, sagte Penne mürrisch.
»Verließ der Mann Ihre Bibliothek lebend?«
»Es wäre besser, wenn Sie das selbst herausbrächten – soweit ich weiß, ja ... Ich hatte für eine halbe Stunde das Bewußtsein verloren – Bhag kann ein Schwert gebrauchen –«
Brixan verließ das Haus nicht, bis er es von oben bis unten durchsucht hatte. Alle Diener waren versammelt, und er begann ein Verhör. Mit einer Ausnahme konnten sie holländisch sprechen, aber keiner von ihnen beherrschte die Sprache gut genug, um ihm richtig Auskunft geben zu können.
Er ging zur Bibliothek und drehte alle Lampen an.
»Ich wünsche Bhag zu sehen«, sagte er.
»Bhag ist fort, ich sagte es Ihnen ja. Wenn Sie mir nicht glauben –«
Penne ging zu dem Schreibtisch und drehte den Hebel. Die Tür öffnete sich, aber es kam niemand heraus.
Brixan zögerte einen Augenblick, dann ging er in den Raum, den Revolver in der einen, die Taschenlampe in der anderen Hand. Das Gelaß war ganz sauber, aber es herrschte ein strenger Tiergeruch in der Zelle. In der Ecke stand ein kleines Bett mit Matratzen, Bettüchern, einer Decke und einem Federkissen. Dort pflegte der Affe zu schlafen. Außerdem sah man einen kleinen Speiseschrank, der mit Nüssen gefüllt war, einen Wasserhahn und einen tiefen, abgenützten Sessel, wo sich der stumme Diener ausruhte. Drei Kricketbälle lagen darauf, die anscheinend das Spielzeug dieses sonderbaren Tieres waren.
Mike wurde es nun auch klar, auf welche Weise Bhag in das Haus kam und es wieder verließ. Ungefähr zwei Meter über dem Fußboden sah er eine quadratische Öffnung in der Mauer, in der weder Fenster noch Vorhang war. Drei eiserne Sprossen waren in gleichen Zwischenräumen zwischen Fenster und Boden in die Wand eingelassen und bildeten so für Bhag eine Art Leiter. An der Außenseite der Mauer fand Mike später die entsprechenden Sprossen.
Er konnte aber keine Blutspuren oder irgendein Zeichen dafür entdecken, daß Bhag an dem schrecklichen Kampf beteiligt gewesen war, der sich abgespielt haben mußte.
Er ging zur Bibliothek zurück und untersuchte alles, aber es war nichts zu finden. Erst als er in den kleinen Salon kam, in dem er sich in der vorigen Nacht verborgen hatte, sah er auf dem Fensterbrett Spuren genug. Da war der Abdruck eines nackten Fußes, und eine andere Stalle ließ erkennen, daß ein schwerer Körper durch das Fenster gezerrt worden war.
In diesem Augenblick kam sein Chauffeur mit den beiden Polizeibeamten zurück. Er hatte ihn bei seiner Ankunft nach Chichester geschickt, um sie zu holen. Die beiden halfen ihm bei seinen Nachforschungen auf dem Grundstück. Die Spur des Flüchtlings war leicht zu verfolgen. Blutflecken zogen sich quer über den Kies, die Pflanzen in dem runden Blumenbeet waren zertreten,, und in dem weichen Boden sah man deutlich die Abdrücke nackter kleiner Füße. Im Gemüsefeld verlor sich jedoch die Spur.
»Nun ist die Frage: wer hat wen getragen?« sagte Inspektor Lyle. Mike hatte ihm vorher mit einigen Worten alles erklärt, was er in Griff Towers gefunden hatte. »Mir scheint es so, als ob. die beiden Leute im Haus getötet und ihre Leichen von Bhag weggetragen wurden. In seinem Raum sind keine Blutspuren. Wahrscheinlich ist er nicht mehr dort gewesen, nachdem sie getötet worden sind. Wenn wir den. Affen finden, können wir die Geschichte ganz aufklären. Penne ist natürlich der Kopfjäger«, fuhr er fort.
»Ich habe mich gestern mit ihm unterhalten und habe bemerkt, daß etwas Fanatisches in seinem Charakter liegt.«
»Ich bin nicht so sicher«, sagte Mike langsam, »daß Sie recht haben. Vielleicht ist meine Ansicht etwas merkwürdig: Aber wenn Sir Gregory Penne wirklich der Mörder sein sollte, wäre ich sehr überrascht. Ich habe mich sehr gewundert«, gab er zu, »daß keine blutigen Fußspuren in Bhags Raum waren. Deswegen glaube ich auch, daß Ihre Vermutung soweit stimmt. Wir können jetzt weiter nichts tun, als das Haus beobachten, bis ich mich mit der Zentrale in Verbindung gesetzt habe.«
In diesem Augenblick kam der zweite Beamte zurück, der das Gemüsefeld bis zu seinen äußersten Grenzen durchsucht hatte. Er meldete, daß er die Spur nahe dem hinteren Ausgang wieder gefunden habe. Die Hinterpforte stand auf, sie eilten quer über das Feld und fanden seine Worte bestätigt. Sowohl innerhalb wie außerhalb des Tores bemerkten sie Blutflecken. In der Nähe des hinteren Ausganges lag ein großer Blätterhaufen, den der Gärtner dort zusammengeharkt hatte. Hier fanden sie den Abdruck eines menschlichen Körpers, als ob jemand an dieser Stelle seine Last ein wenig abgesetzt hätte, um sich auszuruhen. Aber auf den Feldern jenseits des Tores verlor sich die Spur wieder vollkommen.