Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14

Jack sah den Detektiv erstaunt an.

»Sie machen wohl Spaß?« fragte er.

»Im Gegenteil, ich meine es sehr ernst«, sagte Brixan. »Aber es ist noch ein großer Unterschied, ob man nur weiß, wer der Kopfjäger ist, oder ob man ihm auch seine Verbrechen nachweisen kann.«

Jack Knebworth saß mit den Händen in den Hosentaschen an seinein Schreibtisch. Er konnte das nicht glauben.

»Ist es einer von meiner Filmgesellschaft?« fragte er.

Brixan mußte laut lachen.

»Ich habe nicht das Vergnügen, alle Leute Ihrer Gesellschaft zu kennen«, sagte er liebenswürdig. »Aber machen Sie sich auf keinen Fall Gedanken wegen des Kopfjägers. – Was werden Sie mit Mr. Reggie Connolly anfangen?«

Der Direktor zuckte die Achseln.

»Der meint das nicht so, ich hätte nicht gleich wütend werden sollen«, sagte er. »Diese Einfaltspinsel haben überhaupt keine Meinung. Wenn Sie ihn auf der Leinwand sehen, dann spielt er zärtliche Liebe, strotzt von Kraft, Tugend und Männlichkeit und ist doch nur ein armer Gimpel ohne Witz und Verstand. Die Mendoza ist weit gefährlicher, die verdiente...« Dabei machte er eine nicht mißzuverstehende Geste.

Miss Stella Mendoza war nicht in der Gemütsverfassung, ihre Entlassung so ohne weiteres hinzunehmen. Sie hatte sich aus kleinsten Anfängen mühsam emporgearbeitet und wollte nicht ohne Kampf den Platz räumen. Sie hatte Geld – so viel Geld, daß sie nicht mehr zu arbeiten brauchte. Außer ihrem sehr reich bemessenen Gehalt besaß sie noch andere Einnahmequellen. Es war aber besser für sie, daß man nicht zu genaue Nachforschungen hierüber anstellte. Sie mußte auch fürchten, daß Knebworth es nicht allein bei ihrer Entlassung bewenden ließe, sondern weitere Schritte gegen sie unternehmen würde.

Zuerst machte sie sich auf, um Helen Leamington zu besuchen, die, wie sie erst heute morgen erfuhr, ihre Stelle eingenommen hatte. Als sie entdeckte, daß Helen bereits ihren Ankleideraum innehatte, wurde sie wütend. Man denke doch nur, den Raum, der von alters her nur für Stella Mendoza reserviert war! Sie zwang sich aber zur Ruhe und klopfte an die Tür: Daß sie, Stella Mendoza, an die Tür klopfen sollte, die doch von Rechts wegen zu ihrem eigenen Zimmer führte, war überhaupt nicht auszudenken!

Helen saß an ihrem Ankleidetisch und erschrak etwas, als sie die Mendoza hereinkommen sah. Der Raum war vornehm ausgestattet mit großen Spiegeln. Vielerlei Lampen und Leuchter waren angebracht. Man hatte einen Blick auf den langen Verbindungsgang, der als Garderobe eingerichtet war und in dem eine Anzahl schöner Kostüme hing, Als sie zu ihrer Besucherin aufschaute, wurde sie rot.

»Miss Leamington – Sie sind es doch?« fragte Stella mit ihrer süßesten Stimme. »Darf ich hereinkommen?«

»Bitte«, sagte Helen und stand schnell auf.

»Aber bitte, behalten Sie doch Platz«, sagte Stella. »Es ist ein sehr unbequemer Stuhl, aber hier sind ja fast alle Stühle nichts wert. Ich habe gehört, daß der Direktor Sie als Stellvertreterin für mich genommen hat und manche Szenen doppelt drehen will.«

»Als Stellvertreterin?« fragte Helen erstaunt.

»Ja, Mr. Knebworth sagte, daß Sie ein paar Szenen für mich spielen würden. Sie verstehen doch, was ich meine? Wenn eine Künstlerin nicht auftreten kann, dann nimmt man manchmal einen Ersatz in Szenen, wo die Personen nicht deutlich auf dem Film erscheinen. Großaufnahmen dagegen –«

»Aber Mr. Knebworth hat auch davon mehrere von mir gemacht«, sagte das Mädchen ruhig. »Außerdem hat er gerade die Hauptszenen mit mir gedreht.«

Miss Mendoza verbarg ihren Ärger und seufzte. »Der arme alte Kerl, er war sehr ärgerlich auf mich, und tatsächlich habe ich ihm etwas Anlaß dazu gegeben. Aber morgen komme ich zurück, das wissen Sie doch?« Helen wurde blaß. »Das ist allerdings sehr unangenehm für Sie – ich verstehe das am besten. Aber wir haben das alle früher einmal durchmachen müssen. Die Kolleginnen im Atelier werden alle sehr nett zu Ihnen sein.«

»Aber das ist doch unmöglich!« sagte Helen. »Mr. Knebworth sagte, daß ich die Rolle in diesem Film von Anfang bis zu Ende spielen solle.«

Die Mendoza schüttelte lächelnd den Kopf.

»Sie können sich nicht darauf verlassen, was die Leute Ihnen sagen. Gerade im Augenblick hat er mir mitgeteilt, daß ich mich für morgen vormittag bereit halten soll, um bei den Aufnahmen in den South Downs zu spielen.«

Helens Mut sank. Sie wußte, daß morgen dort gespielt werden sollte. Aber sie hatte natürlich nicht erfahren, daß Stella Mendoza ihre Informationen von dem verärgerten Connolly erhalten hatte.

»Natürlich ist es sehr peinlich für Sie«, fuhr Stella vorsichtig fort. »Ich an Ihrer Stelle würde so lange zur Stadt gehen und mich einige Wochen fernhalten, bis die ganze Sache vorüber ist. Ich fühle, daß ich eigentlich die Schuld trage, daß Sie so Unannehmlichkeiten haben, und wenn ich durch Geld die Sache wieder gutmachen könnte –.«

Bei diesen Worten öffnete sie ihre Tasche und nahm einen dicken Stoß Banknoten heraus. Sie zählte vier davon ab und legte sie auf den Tisch.

»Wofür soll das sein?« fragte Helen kalt.

»Nun ja, meine Liebe. Sie werden doch Ausgaben haben –«.

»Wenn Sie sich einbilden, daß ich nach London gehe, ohne Mr. Knebworth zu sprechen und ohne mich davon zu überzeugen, ob Sie die Wahrheit reden –«

Stella Mendozas Gesicht wurde feuerrot.

»Glauben Sie etwa, daß ich lüge?«

Sie ließ ihre freundliche Maske fallen und stand wie eine Xanthippe da, die Arme in die Seiten gestemmt. Mit dunkelrotem Gesicht schaute sie Helen an.

»Ich weiß nicht, ob Sie lügen oder ob Sie nur falsch unterrichtet sind«, sagte Helen. Sie machte sich wenig aus Stellas Toben und war nicht erschrocken über die Nachrichten, die sie soeben vernommen hatte. »Für heute ist dies mein Zimmer, und ich bitte Sie, den Raum sofort zu verlassen.«

Sie öffnete die Tür. Einen Augenblick sah es so aus, als ob Stella Mendoza die Hand gegen Helen erheben wolle, aber die starke, breitschultrige irische Ankleidefrau, die stumm, aber interessiert von draußen zugehört hatte, schob ihre dicke Gestalt dazwischen und drängte den wütenden Star in den Korridor.

»Ich werde Sie da schon herausbringen«, schrie Stella über die Schulter der Frau zurück. »Jack Knebworth hat in der Gesellschaft noch lange nicht alles zu sagen! Mein Einfluß ist groß genug, daß ich ihn hinauswerfen kann!«

Es folgte noch eine Flut von Schimpfworten, die man nicht wiederholen kann. Aber Helen Leamington hörte sie in stillem Zorn an. Sie war sehr erleichtert, denn die ohnmächtige Wut der anderen verriet die Wahrheit zu deutlich. Sie wußte jetzt, daß Stella sie belogen hatte. Im ersten Augenblick hatte sie sich allerdings täuschen lassen und ihr geglaubt. Sie war überzeugt, daß Knebworth keinen Augenblick zögern würde, sie sofort fallenzulassen und ein anderes Mitglied an ihre Stelle zu setzen, wenn er dadurch die Güte des Films heben könnte.

Knebworth war allein, als ihm seine frühere Diva gemeldet wurde. Zuerst hatte er die Absicht, Stella überhaupt nicht zu empfangen. Sie ließ ihn aber gar nicht erst zu einem Entschluß kommen, sondern überfiel ihn einfach in seinem Zimmer, während er noch überlegte, was er tun sollte. Einen Augenblick sah er sie durchbohrend an, dann winkte er sie mit einem Kopfnicken herein. Als sie die Tür geschlossen hatte, sagte er:

»Ich habe früher schon Gelegenheit gehabt, vieles an Ihnen zu bewundern, Stella, nicht zuletzt Ihre Zähigkeit, aber wenn Sie mir jetzt sagen wollen, daß Vergangenes vergangen sein soll, sind Sie bei mir an die falsche Adresse gekommen. Sie werden in dem Film nicht mehr mitspielen, und wahrscheinlich überhaupt in keinem Film mehr, den ich drehe.«

»So?« fragte sie gedehnt. Dabei setzte sie sich ohne Einladung in einen Sessel und nahm eine Zigarettendose aus ihrer Tasche.

»Ich weiß schon, Sie sind hierhergekommen, um mir zu sagen, daß Sie großen Einfluß bei einer Anzahl von Aktionären haben«, sagte Jack. Stella war verärgert. Beinahe hätte sie geglaubt, daß eine telefonische Verbindung zwischen dem Ankleideraum und dem Büro bestünde, aber sie wußte genau, daß eine solche nicht vorhanden war.

»Ich habe schon mit vielen Damen zu tun gehabt in meinem Beruf«, fing er wieder an. »Und jedesmal, wenn ich eine hinausgesetzt habe, hat sie den Präsidenten, den Vizepräsidenten oder den Schatzmeister in Bewegung gebracht und gegen mich ausspielen wollen. Aber alle haben es nicht fertiggebracht, mich aus der Gesellschaft herauszubringen. Leute, die finanziell an der Gesellschaft interessiert sind – mögen sie Sie persönlich noch so gern haben und bis über beide Ohren in Sie verliebt sein –, müssen doch vor allem Geld verdienen, um Sie lieben zu können. Und wenn ich keine Filme drehe, die verkäuflich sind, ist auch ein gewisser Aktionär nicht in der Lage, Ihnen Brillantkolliers zu schenken.«

»Nun gut, wir wollen sehen, ob Sir Gregory auch so denkt«, sagte sie überheblich.

Jack Knebworth grinste.

»Gregory Penne? Sieh einmal an – ich wußte gar nicht, daß er auch Ihr Freund ist. Stimmt, der ist auch Aktionär unserer Gesellschaft, aber er hat nicht genug Anteile, um irgendwie seine Meinung durchsetzen zu können. Vielleicht hat er Ihnen nur gesagt, daß er es könnte. Und selbst, wenn er neunundneunzig Prozent aller Anteile hätte, würde sich der alte Jack Knebworth nicht darum kümmern, denn der hat einen Vertrag in der Tasche, der ihm in solchen Dingen Vollmacht gibt. Ich kann meine Stelle nur dann verlieren, wenn ich dauernd Filme drehe, die unverkäuflich sind. Meine Stellung können Sie nicht erschüttern, Stella! In dem Punkt irren Sie sich, meine Gnädige!«

»Wollen Sie mich denn auch auf die schwarze Liste setzen?« fragte sie verdrießlich.

Vor dieser Strafe hatte Stella die größte Angst – daß Jack Knebworth allen Filmgesellschaften mitteilen würde, daß sie ihn mitten in einem Film hatte sitzenlassen.

»Ich habe schon daran gedacht«, sagte er und nickte. »Aber ich will nicht rachsüchtig sein, ich will Sie laufenlassen, und wir können ja sagen, daß die Rolle Ihnen nicht lag und daß Sie deswegen austraten. Im Grunde genommen ist es ja ganz egal, was Sie für, Flausen machen. Gehen Sie mit Gott, Stella – ich glaube ja nicht, daß Sie diesen Weg einschlagen werden, weil Sie nicht so veranlagt sind, aber immerhin!«

Er verabschiedete sie, und sie ging um vieles bescheidener weg, als sie gekommen war. Draußen traf sie Lawley Foß und erzählte ihm das Resultat ihrer Unterhaltung.

»Das ist gerade so, als ob Sie gar nichts mehr bedeuteten«, sagte er. »Ich würde ja gern für Sie eintreten, Stella, aber im Moment muß ich für mich selbst sprechen«, fügte er bitter hinzu. »Der Gedanke, daß ein Mann von meiner Begabung sich solch einem verdammten alten Yankee unterordnen muß, ist sehr beschämend.«

»Sie müßten eigentlich Direktor einer eigenen Gesellschaft sein, Lawley«, sagte sie. Foß war das nichts Neues, das hatte sie mindestens schon ein dutzendmal zu ihm gesagt. »Sie schreiben die Filme, und ich spiele die Hauptrollen. Dann würden Sie großen Erfolg haben. Durch Ihre Konkurrenz können Sie Kneb einfach totmachen. Ich weiß das, Lawley. Ich war drüben in Amerika an der einzigen Stelle auf der ganzen Erde, wo man wirklich Kunst schätzt, und ich kann Ihnen sagen, daß ein solcher Stümper wie Jack Knebworth sich nicht eine Lichtmeile lang in Hollywood halten könnte!«

»Eine Lichtmeile lang«, war ein Ausdruck, den sie von einem Verehrer angenommen hatte, der wissenschaftlichen Kreisen angehörte. Sie gebrauchte ihn gar zu gern. Erstens klang es großartig, und dann mußten die anderen immer erst um eine Erklärung fragen. Aber zu ihrem nicht geringen Ärger wußte Foß genügend mit den Anfangsgründen der Physik Bescheid und fragte sie nicht danach.

»Ist er jetzt im Büro?« fragte er.

Sie nickte. Ohne ein Wort zu verlieren, klopfte Lawley Foß an die Tür. Es war ihm nicht recht wohl dabei.

»Mr. Knebworth, ich wollte Sie um eine Gefälligkeit bitten.«

»Geld?« fragte Jack, indem er ihn unter seinen buschigen Augenbrauen von unten herauf ansah.

»Ja, tatsächlich, Geld. Ein oder zwei kleine Rechnungen habe ich übersehen, und der Gerichtsvollzieher ist hinter mir her. Ich muß heute nachmittag bis zwei Uhr fünfzig Pfund auftreiben.« Jack zog eine Schublade seines Schreibtisches auf, nahm ein Scheckbuch heraus und schrieb einen Scheck aus, aber nicht über fünfzig sondern über achtzig Pfund.

»So, hier haben Sie ein Monatsgehalt im voraus«, sagte er. »Bis heute haben Sie ja das Geld bekommen. In Ihrem Vertrag ist vorgesehen, daß Sie einen Monat Kündigungsfrist haben, oder daß Ihnen das Gehalt für einen Monat im voraus ausgezahlt werden muß. Das war Ihr letztes Gehalt.«

Foß wurde dunkelrot. »Soll das bedeuten, daß ich entlassen bin?« fragte er mit lauter Stimme.

Jack nickte.

»Ich habe Sie entlassen – nicht, weil Sie immer Geld brauchen, und nicht, weil es furchtbar schwer ist, mit Ihnen umzugehen, sondern wegen Ihrer Handlungsweise gestern abend.«

»Was meinen Sie damit?« fragte Foß fassungslos.

»Ich bin Brixans Ansicht, daß Sie die weiße runde Marke am Fenster von Miss Learningtons Zimmer angebracht haben, um einem Beauftragten von Sir Gregory Penne ein Zeichen zu geben. Nun wohl, der kam auch und hätte beinahe meine Diva geraubt.«

Foß lächelte verächtlich.

»Sie werden pathetisch, Knebworth«, sagte er. »Ihre Diva entführen? So etwas mag vielleicht in Amerika vorkommen in England gibt es das nicht.«

»Machen Sie, daß Sie hinauskommen!« sagte Jack, der sich wieder seiner Arbeit zuwandte.

»Lassen Sie mich Ihnen doch erklären«, begann Foß.

»Ich lasse Sie gar nichts mehr erklären«, fuhr Knebworth auf. »Ich gestatte auch nicht mehr, daß Sie Lebewohl sagen. Hinaus!«

Als die Tür hinter seinem Besucher zugeschlagen war, klingelte der Direktor, und als sein Hilfsregisseur eintrat, sagte er:

»Bitte, lassen Sie Miss Leamington zu mir kommen, ich möchte endlich einmal einen liebenswürdigen Menschen um mich sehen!«


 << zurück weiter >>