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»Was haben Sie?« fragte Helen, als sie plötzlich das finstere Gesicht des jungen Mannes sah.
»Woher stammt dieses Blatt Papier?« fragte er. Er zeigte ihr die maschinengeschriebene Seite.
»Ich kann es nicht sagen, es war unter diesen Blättern. Aber wie ich sehe, gehört es nicht zu ›Roselle‹.«
»Ist das der Titel des Films, in dem Sie jetzt spielen?« fragte er schnell. »Wer kann mir über dieses Blatt Auskunft geben?«
»Mr. Knebworth.«
»Wo ist er jetzt?«
»Gehen Sie durch diese Tür«, antwortete sie. »Sie werden ihn im Atelier treffen.«
Er verlor kein Wort weiter und ging schnell ins Haus. Ohne daß er fragte, wußte er, wer der Mann war, den er suchte. Als Jack Knebworth den Fremden sah, schaute er ihn von unten herauf mit einem unfreundlichen Blick an. Privatbesuch während der Geschäftsstunden konnte er durchaus nicht leiden. Aber bevor er den Fremden um Aufklärung bitten konnte, war Mike schon an seiner Seite.
»Habe ich die Ehre mit Mr. Knebworth?«
»Ja, der bin ich.«
»Würden Sie mir erlauben, zwei Minuten mit Ihnen zu sprechen?«
»Ich habe jetzt keine Zeit, auch nur eine Minute lang mit irgendwem zu schwatzen!« brummte Jack. »Aber sagen Sie mal, wer sind Sie denn eigentlich, und wie kamen Sie hier herein?«
»Ich bin Mike Brixan, ein Detektiv im Dienste des Außenministeriums«, sagte er mit leiser Stimme.
Jack schaute verdutzt auf und wurde mit einemmal freundlicher.
»Ist hier irgend etwas passiert?« fragte er, als er den Detektiv in sein Büro geleitete.
Mike legte das maschinengeschriebene Blatt Papier auf den Tisch.
»Wer hat das geschrieben?« fragte er.
Jack Knebworth sah sich das Blatt an und schüttelte den Kopf.
»Habe ich bis jetzt noch nicht gesehen – was soll damit sein?« fragte er.
»Hatten Sie es noch nie in der Hand?«
»Nein, ich kann einen Eid darauf leisten – aber mein Dramaturg muß das wissen, ich werde ihn einmal rufen.«
Er drückte auf die Klingel, und als der Sekretär hereinkam, sagte er: »Bitten Sie Mr. Lawley Foß, daß er schnell zu mir kommt.«
»Die Prüfung der Manuskripte, Entwürfe und des ganzen Materials für die Filme liegt in der Hand meines Dramaturgen«, sagte er. »Ich bekomme ein Manuskript erst zu sehen, wenn er es geprüft und für gut befunden hat. Und auch dann ist es noch fraglich, ob es angenommen werden kann. Wenn der Stoff nicht geeignet ist, bekomme ich den Entwurf überhaupt nicht zu sehen. Es ist allerdings möglich, daß das eine oder andere gute Manuskript mir, auf diese Weise entgeht, weil Foß – « er zögerte einen Augenblick –, »weil wir manchmal nicht derselben Ansicht sind. Also, Mr. Brixan, worum handelt es sich denn eigentlich?«
Mit einigen Worten erklärte Mike die unheimliche Bedeutung des Papiers.
»Der Kopfjäger!« Jack pfiff vor sich hin.
Von der Tür her hörte man ein Klopfen, und Lawley Foß kam herein. Er war ein Mann von hagerer Gestalt und dunkler Gesichtsfarbe. Seine Augen gingen schnell von einer Seite zur andern. Tiefe Falten zogen sich durch sein düsteres Gesicht, und er machte den Eindruck, als ob er an einer chronischen Krankheit litte. Aber das war nicht der Fall. Lawley Foß war nur durch und durch verbittert und mit der ganzen Welt zerfallen. Früher gab es einmal eine Zeit, in der er glaubte, daß die Welt ihm zu Füßen läge. Er hatte zwei Filme geschrieben, die auch gedreht und aufgeführt wurden und sich sogar einige Zeit auf dem Spielplan gehalten hatten, aber später war er umsonst von Filmgesellschaft zu Filmgesellschaft gelaufen. Er wurde vom Unglück verfolgt, und niemand öffnete auch nur seine braun eingebundenen Manuskripte, um einen Blick hineinzuwerfen. Da es ihm schlecht ging, kam er, wie viele andere Leute in der gleichen Lage, auf den Gedanken, sich durch Spekulationen Geld zu verschaffen. Aber weder auf der Börse noch beim Rennen hatte er Erfolg, und so wurden seine Verhältnisse immer zerrütteter.
Er sah argwöhnisch auf Mike, als er eintrat.
»Ich möchte Sie gern sprechen, Foß« sagte Jack Knebworth. »Dieses Stück Papier lag zwischen den Blättern des Manuskripts der ›Roselle‹. – Kann ich Mr. Foß den Zusammenhang klarmachen?« wandte er sich an Mike.
Der Detektiv zögerte einen Augenblick. Irgendeine Stimme in seinem Innern warnte ihn, den Zusammenhang mit dem Kopfjäger preiszugeben. Aber gegen seine Überzeugung nickte er.
Lawley Foß hörte anscheinend gleichgültig zu, als ihm der alte Direktor erklärte, wie wichtig dieses Blatt Papier sei und welche Bewandtnis es damit habe. Foß nahm das Schreiben in die Hand und überflog es kurz. Aber sein Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte.
»Ich bekomme so viele Manuskripte und Entwürfe, daß ich im Augenblick nicht in der Lage bin, dieses Fragment irgendwo einzuordnen, aber ich werde es in mein Büro mitnehmen und anhand meiner Bücher und Listen versuchen, es zu identifizieren.«
Mike zögerte wieder. Er mochte nicht gern dieses Beweisstück aus der Hand geben, aber schließlich war es ohne Bestätigung und ohne Vergleich mit anderen Schriften im Augenblick ziemlich wertlos. So stimmte er denn zögernd zu.
»Was halten Sie von dem Menschen?« fragte Jack Knebworth, als sich die Tür hinter dem Dramaturgen geschlossen hatte.
»Ich habe eine Antipathie gegen den Mann«, sagte Mike offen. »Mein erster Eindruck von ihm ist entschieden ungünstig, aber es ist möglich, daß ich dem armen Menschen damit unrecht tue.«
Jack Knebworth seufzte. Mit Foß hatte er immer Schwierigkeiten, manchmal sogar mehr als mit der temperamentvollen Mendoza.
»Sicherlich ist er ein ziemlich seltsamer Mensch«, sagte er. »Er
ist höllisch schlau. Ich kenne kaum jemanden, der ein so großes Arbeitspensum, so spielend erledigen könnte wie Lawley Foß aber er ist schwer zu behandeln.«
»Das habe ich mir gleich gedacht«, sagte Mike trocken.
Sie gingen zum Atelier, und Mike suchte Helen auf, um sein unhöfliches Benehmen zu entschuldigen. Als er sich ihr näherte, bemerkte er Tränen in ihren Augen. Sie war durch sein Verhalten vollständig verwirrt und konnte ihre Gedanken nicht auf das Manuskript konzentrieren. Immer wieder mußte sie daran denken, was es wohl zu bedeuten hatte, daß er ein Blatt des Manuskriptes genommen hatte.
»Es tut mir furchtbar leid«, sagte er zerknirscht. »Ich wünschte, ich wäre nicht hierhergekommen.«
»Das wünschte ich auch«, sagte sie, lächelte aber trotzdem, »Warum haben Sie das Stück Papier weggenommen – sicher sind Sie ein Detektiv.«
»Das gebe ich zu«, sagte Mike jetzt unbekümmert.
»Haben Sie denn auch die Wahrheit gesagt, als Sie mir erklärten, daß mein Onkel...« Sie brach ab, da sie nicht wußte, wie sie fortfahren sollte.
»Nein, das habe ich nicht getan«, erwiderte Mike ruhig. »Ihr Onkel ist tot, Miss Leamington.«
»Tot?« rief sie erschreckt.
Er nickte.
»Er wurde unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermordet.«
Plötzlich verfärbte sie sich.
»War er etwa das Opfer, dessen Kopf in Esher gefunden wurde?«
»Woher wissen Sie das?«
»Es stand in der heutigen Morgenzeitung«, sagte sie, und er verwünschte den Bluthund von Reporter, der auf die Spur dieser Tragödie gekommen war. Aber früher oder später hätte sie es doch erfahren müssen, mit diesem Gedanken tröstete er sich.
Foß kam in diesem Augenblick zurück, und das enthob ihn weiterer Erklärungen. Der Dramaturg sprach leise mit Jack Knebworth, und Mike sah, wie der Direktor ihn heranwinkte.
»Foß kann das Manuskript nicht identifizieren«, sagte er, als er ihm das Blatt zurückgab. »Es ist möglich, daß es nicht zu einem Manuskript gehörte, sondern nur eine Probeseite war, die uns ein Autor geschickt hat. Es könnte außerdem von meinem Vorgänger herrühren – ich habe nämlich das ganze Atelier von einer Filmgesellschaft übernommen, die in Konkurs geriet. Da sind viele Manuskripte liegengeblieben, die wir einfach übernommen haben.«
Der Direktor schaute ungeduldig nach der Uhr.
»Mr. Brixan, können Sie mich jetzt entbehren? Ich muß einige Szenen aufnehmen, etwa zehn Kilometer von hier entfernt. Dazu kommt noch, daß Sie meine Schauspielerin durch Ihr Erscheinen durcheinandergebracht haben. Sie können sich denken, daß das meine Arbeit nicht gerade fördert.«
Mike folgte einem plötzlichen Einfall.
»Würden Sie gestatten, daß ich zu den Aufnahmen mitfahre? Ich verspreche Ihnen hoch und heilig, daß ich niemandem im Weg sein werde.«
Der alte Jack sah ihn einen Augenblick an und brummte. Dann aber nickte er zustimmend, und zehn Minuten später saß Mike Brixan neben dem jungen Mädchen in dem großen Autobus, der sie zu dem Ort brachte, wo die Aufnahmen stattfinden sollten. Und als er nun mit den Künstlern hinausfuhr, war er froh, daß er seinen Willen durchgesetzt hatte und nicht bescheiden zurückgeblieben war.