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Wie Ulrich in Gestalt eines Aussätzigen zu seiner Frauen kam.
Samstages früh hub ich mich auf meine Fahrt selb dritte, Niemand wußte, wohin ich fuhr; am Samstage ritt ich sechsunddreißig Meilen und von meiner großen Tageweite und Eile ward ich sehr müde, zwei meiner Pferde lagen mir auf der Straße todt. Die Nacht war ich in einer Stadt, wo ich mir Näpfe bereiten ließ, wie sie die Aussätzigen haben und schwache Kleid, die legte ich am Morgen an und dergleichen auch mein Bote, lange Messer nahmen wir zu uns, wenn unser Leib in Gefahr kommen sollte.
Sonntags Morgens ritt ich von dannen, zwei Meilen, so schwachlich gekleidet, dann ließ ich wo die Pferde verborgen stehn und ich und mein Bote gingen zwei Meilen für eine wunnigliche Burg, worauf die Tugendreiche mit Hause saß. Vor der Burg fand ich viel arme Leute, es saßen da wohl dreißig Aussätzige, denen ihr Siechthum weh that. Ich mußte zu ihnen sitzen, was ich lieber nicht gethan hätte, aber mein Bote wies mich hin, als wenn ich auch unkräftig wäre. Die Siechen grüßten uns und ich saß im Grase zu ihnen nieder. Da fragten sie alle, von wannen wir hergekommen wären, die Frage that mir leid, ich sprach: wir sind zween Gäste und sind noch nie hie gewesen, unsre Armuth rieth uns hieher, ob uns Jemand wohl hie Gutes thäte.
Sie sprachen: Ihr seid recht hieher gekommen, wir wissen nicht, ob Ihr gehört habt, daß die Hausfrau jetzt siech hier liegt, davon gibt man uns hie oft Pfennige und Speise genug, eine Jungfrau bringt uns immer Brot und Wein und wüßte man, daß Ihr hie wärt, man gäbe Euch etwas. Ihr mögt wohl anklopfen und nach armer Leute Art bitten, so bringt man Euch Wein und Brot und wenn man Euch heut keine Pfennige gibt, so geschieht es morgen.
Da ging ich von den Siechen gegen ein Fenster, wofür ein guter Teppich gehängt war, wie man wohl oft vor ein Fenster thut, wenn man den Wind abhalten will oder das Licht; da nahm ich meinen Napf und klopfte sehr laut an, zugleich bat ich viel jämmerlich, daß man mir Brot geben möchte, weil mir der Hunger weh thäte. Da sah eine Jungfrau aus dem Fenster her und da sie uns zween abgesondert von den andern stehen sah, that sie das Fenster wieder zu und ging zu ihrer Frauen hin und sagte, daß wir da wären. Da ging die Jungfrau aus dem Thor, sie gab den Siechen allen jeglichem einen Pfennig, als sie zu uns kam, sprach die Süße: sagt an, wenn seid Ihr hergekommen, ich sah doch Euch hier noch nicht.
Ich sprach mit verkehrter Stimme, daß wir von Ungemach, Siechthum und Armuth Kummer litten; wer uns und Gott Gutes thut, wirkt sein ewiges Heil. Sie ging uns näher und sprach: Ihr sollt mich wissen lassen, wer Ihr seid, ich darf bei Euch nicht länger sein, seid Ihr um meine Frau gekommen, so sagt es mir schnell.
Da sprach ich: wahrlich, Eure Frau hieß mich her kommen, ich bin der, der ihr immer bis an seinen Tod dienen will. Da sprach die Magd: ihr seht aber einem solchen sehr ungleich, der um Frauengunst im Tyostiren Speere verschwendet hat; ich will meiner Frauen sagen, daß Ihr um sie hergekommen seid, ich komme dann wieder und sage Euch, wie Ihr hie gebaren sollt.
Damit ging die Magd von mir, wo sie die Gute fand, der sagte sie, daß ich da sei, da sprach die reine Süße; des bin ich froh, sag' ihm, daß er mir willkommen sei, gehe wieder zu ihm und bringe ihm etwas und sage ihm, daß er von dem Berge gehe und sich vor dem Vermelden wohl bewahre, damit er meiner Ehre hüte. Am Abend soll er dann wieder herauf kommen, so will ich ihn dann wissen lassen, was er thun soll, trage ihm jetzt nur Speise hin, Hühner, Brot und Wein.
Die Magd kam wieder, wo ich noch wartend stand, sie und eine andre Jungfrau brachten mir Speise und des Weins genug, da ich sie selbander kommen sah, setzte ich den Napf sehr ferne hin und sprach: da legt es hinein, denn ich bin leider sehr siech. So stund die eine Jungfrau still und die andre kam mir näher und sprach: ich scheue mich vor dem Siechthum nicht; Euch heißt meine Frau willkommen sein, sie will Euch gerne sehen, wenn es sich fügen möge, Ihr sollt schnell vom Berge gehn und Euch vor dem Vermelden hüten und dann zu Abend wieder herauf kommen, so will ich Euch meiner Frauen Muth wissen lassen, der ist gewiß gegen Euch gut, denn so hold war sie noch keinem Ritter. Damit ging die Jungfrau von mir.
Da nahm ich die Speise und das Trinken und trug es zu den Aussätzigen, ich sprach: meine Fraue hat uns heute genug gegeben, nie empfing ich so große Almosen und will es mit Euch theilen, was wir empfangen, sollen wir gemeine haben und so thut Ihr uns dasselbe, wenn man Euch gute Speise gibt. Sie sprachen: ja, das soll sein, wir theilen alles mit einander und leben geselliglich. So saßen wir alle zu Ringe und setzten die Speise in die Mitte, aber mir grausete vor den Siechen und meine Zucht erlaubt mir nicht zu sagen, welch Unflath und Krankheit ich da sah und ich hätte nicht mit ihnen gegessen, wenn ich die Ehre meiner Frauen nicht hätte hüten müssen. Damit die Siechen mich nicht erkennen sollten, hatte ich mir mit Wurzen auch ein krankes Ansehn gegeben, denn ich weiß eine Wurz, nimmt man die in den Mund, so schwillt man und bekommt bleiche Farbe, diese brauchte ich damals, auch hatte ich mein Haar grau gefärbet, was ich jetzt nicht mehr dürfte, weil ich jetzt fast grau bin von meinen Sorgen, denn vor Alter sollte ich es noch nicht sein, so hatte Minne und ander Leid mein Haar zum zweiten Mal bekleidet. Minne und ungetreuer Rath haben mein Haupt grau gefärbt: welcher Mann viel der Minne dient und die Minne ihm dann nicht lohnt, der muß viel Ungemuthe haben, wenn er Niemand, als seiner Frauen, sein Leid klagen darf: so hat mir auch ungetreuer Rath vielen Schaden gefügt, das will ich aber jetzt hier verschweigen und nur das Mähr weiter sagen.
Da wir Siechen gegessen, ging ich bald von dem Berge in das Dorf und bat als ein Siecher um Almosen, man gab mir viel Stücklein, die ich um meine Fraue nahm, ich trug es fort und legte es in einer Zeile nieder, ich weiß nicht, wer es von da weggenommen hat. So ging ich durch Kurzeweile betteln, bis die Sonne unterging und als es bald Abend werden wollte, ging ich wieder für die Burg und saß an meiner Stelle unter den Siechen nieder. Ich fragte sie, ob man schon gegessen habe, sie sagten: jetzt ist die Zeit, daß man uns Abends das Almosen gibt und jeglicher dann in die Herberge geht. Nach einer guten Weile kam die Magd wieder zu uns und brachte uns Wein und Speise, sie sprach zu mir: Ihr sollt hinabgehn und früh zur Essenszeit wieder kommen. Ich sprach: was frommt es meiner Frauen, daß ich auf so wunderliche Art hier bin, daß ich sie nicht heimlich sehen soll? Die Magd sprach: das kann bis morgen Nacht nicht geschehen, sie sieht Euch, ehe Ihr von hinnen fahrt, hütet Euch nur vor dem Vermelden.
Als die Jungfrau fort war, aß ich sehr ungern in Gesellschaft der Siechen, hernach bat mich jeder von ihnen zu sich nach Hause, da sprach ich: einer meiner Gesellen liegt sehr unkräftig, dahin will ich gehen und die Nacht um Gottes Willen bei ihm sein. Da ging ich von der Burg ferne in ein Feld, wo das Korn dick und hoch gewachsen war, darein floh ich vor den Leuten, ich und mein Geselle, das Korn mußte unsre Herberge sein. Da gewann ich eine sehr böse Nacht, denn als es finster wurde, erhub sich ein großer Wind und ungefüge goß der Regen, da mußt' ich großes Ungemach leiden, ein elender Rock und schlechtes Mäntelein waren mein Dach gegen den Regen, ich starb fast vor Frost. Herzlich froh war ich, als ich den Schein des Tages ersah, da lief ich so lange herum, bis ich warm wurde. Als Ereck in Enitens Armen lag, da war ihm baß, als mir in dieser Nacht. Hätte ich nicht auf lieben Wahn da gelebt, ich wäre nicht genesen, die süße Hoffnung erhielt mich.
Als die Sonne hoch stand, ging ich wieder vor die Burg und bat mit Klopfen, daß man mir etwas gäbe; was ich an hatte, war alles naß. Da kam die Jungfrau und brachte wieder viele Speise mit sich: ich dachte, meine Fraue will mich wohl gerne siech machen, die Magd sprach zu mir, wo seid Ihr heut gewesen? Ihr habt gewiß vom Wetter Noth gelitten, wenn Ihr ohne Dach gewesen seid. Ich sprach: viel Ungemach hab' ich erlitten und fast wäre ich todt gewesen vor Frost, aber alles dulde ich gern, wenn die Gute mir Gnade thut. Sie sprach: esset und geht dann wieder vom Berge, kommt aber zu Abend wieder her, denn meine Fraue will Euch in dieser Nacht sehen.
Damit schied sie von mir und ging zu den Siechen, mit denen mußte ich wieder essen. Nachher ging ich in einen Wald, wo viele Vögel sangen, da setzte ich mich in die Sonne und vergaß des Frostes, mein Geselle klubte hier und dort und brachte mit dieser Kunst den Tag hin, aber kein Tag ist mir so lang geworden. Als der Abend anging, stand ich auf und ging im hohen Muthe von dannen, ich saß wieder vor der Burg, war aber zu früh gekommen, ich freute mich, daß ich hier meine Fraue sehen sollte. Da kam die züchtige Magd wieder zu mir und sprach: Ihr habt klug gethan, daß Ihr seid so früh gekommen, einer von den Siechen spricht, Ihr währt kein Aussätziger, Ihr trüget so gute linnene Unterkleid, daß sie wohl ein Edelmann führen dürfte, ich weiß nicht, wie er sie gesehen hat, er hat aber so zu mir gesprochen, nur fürchte ich, daß er es andern auch noch sage. Ich sprach: wenn ich vermeldet werde, so ist es nur meiner Frauen Schuld, warum wollte sie, daß ich hier saß und alle Tage herging? Rathet nun, Frau, was ich thue. Sie sprach: Ihr sollt nicht lange hie bleiben und wieder hinab gehen und wenn sich Tag und Nacht scheidet, so kommt wieder und verbergt Euch dort gut in dem Graben und merkt wohl: seht Ihr dort jenes hohe Fenster? Wenn man dort heraus ein Licht hält, so säumt Euch nicht länger, Ihr kommt schnell daher und findet Leilachen hangen, zusammen gebunden, womit man Euch dann hinauf ziehen soll.