Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Siebentes Capitel.

Wie Ulrich seinen Finger verlor.

Ich ritt auch in hohem Muthe zu meiner Niftel hin, die mir freundlichen Willkommen bot, ich sprach: an deiner Hülfe liegt meine einzige Freude. – »Was ich dir dienen kann, thu ich gerne, ich will drum meinen Boten deinetwegen wieder zu meiner Frau senden und ihr entbieten, daß es zu Frisach Niemand besser als du gethan habe.« – »Niftel, ich danke dir immer dafür, so sende ihr auch diese Lied hier, sie dünken wohl der Guten gut.« – Also sprachen die Lied:

 
4) Eine Tanz-Weise.
       

In dem Walde süße Töne
Singen kleine Vögelein,
Auf der Haide Blumen schöne
Blühen gegen des Maien Schein:
Also blüht mein hoher Muth
Mit Gedanken gegen ihre Güte,
Die mir reich macht mein Gemüte,
Wie der Traum den Armen thut.

Es ist Hoffnung nicht geringe,
Die ich zu ihrer Tugend trage,
Daß es mir noch an ihr gelinge,
Daß ich Selde an ihr erringe,
Dieser Hoffnung bin ich froh,
Gott gebe, daß ich's wohl verende,
Daß sie mir den Wahn nicht wende,
Der mich freut so rechte hoh.

Sie viel Süße, Wohlthane,
Frei vor allem Wandel gar,
Lasse mich in liebem Wahne,
Bis ein Bess'res mir wird wahr,
Daß die Freude lange währe,
Daß ich weinend nicht erwache,
Daß ich zu dem Troste lache,
Den ich von ihrer Huld begehre.

Wünschen und Wohl-Gedenken
Das ist die meiste Freude mein,
Muß sie doch den Trost mir schenken,
Daß ich kann der Ihre sein,
Mit den beiden nahe bei,
Will sie das mit Willen leiden,
Gönnt sie mir den Hort der Freuden,
Daß sie selig immer sei!

Selig Maie, du alleine
Tröstest all die Welt nun gar,
Du und all die Welt gemeine
Freut mich minder dann ein Haar:
Die möchtet ihr mir Freude geben
Ohne die viel lieben zarten?
Von der soll ich Trost erwarten,
Ihres Trostes muß ich leben.

»Die Lied hat mancher Ritter zu Frisach vernommen, welcher sprach, sie wäre gut, auch ist die Weise neu, die Worte sind süß und dazu wahr.« – »Neffe, gieb sie her, ich sende sie hin.« – »Niftel, thu mir durch deine Güte baldigst kund, was meine Frau dir entboten hat.« –

So schied ich von ihr und fuhr allenthalben hin, wo ich Turniren fand, um meiner Frauen damit zu dienen. Meine Niftel nahm Lied und Brief und sandte sie sogleich fort. Als die Hochgelobte den Boten sah, sprach sie, du sollst mir willkommen sein, wie lebt deine Frau? Der Bote sprach, sie gehabt sich wohl, sie entbietet Euch ihre Dienste und hat Euch diesen Brief gesandt, den les't und laßt mich balde wiederkehren, denn meine Frau hat mir schnelle Rückkunft anbefohlen. Sie nahm den Brief in ihre weiße Hand und ging hin, wo sie ihn heimlich las, der Brief sagte also: ich entbiete Euch, meine Frau, meinen Gruß und meine Dienste, merket, was ich Euch sage: zu Frisach ist eine Ritterschaft gewesen, da hat Euer getreuer Dienstmann, mein Neffe, Ulrich von Lichtenstein das Beste gethan, um Euch, Frau, hat er mehr denn hundert Speer verstochen, er hat Euch so gedienet, daß ich dessen bin froh geworden, er dient Euch treu und wird Euch immer mit Ritterschaft dienen, sein Herze hat Euch lieb, das sei meine Selde Pfand.

Da die Gute den Brief gelesen hatte, schrieb sie selbst einen andern Brief, dann sprach sie zum Boten: Sage deiner Frauen meinen Dienst und führe ihr hin das Briefelein und sage Ihr von mir offenbar, sie habe mir nicht wahr entboten.

Als meine gute Niftel den Brief erhielt, sandte sie ihn mir alsbald, ihr Bote fand mich zu Kibenz, wo ein gut Turney war, drei hundert hochgemuthe Ritter waren da zusammen gekommen. Ich empfing den Boten freundlich und ging mit ihm in ein Zimmer, wo er mir das Brieflein gab, wofür ich meiner Niftel dankte, denn ich wähnte, es stünde etwas drin, wodurch meinem Sehnen bas würde, es enthielt aber etwas, das alle meine Freude brach, es sagte so: du lobest mir sehr deinen Neffen, das mag wohl von wegen der Sippe sein, die Fremden loben ihn aber nicht, darum kann dein Lob nicht gelten, und lobest du ihn gar zu hoch, so muß ich es für Thorheit achten.

Da ich den Brief hörte, konnte mir nimmer leider sein, ich schämte mich der Botschaft und dachte: sie muß mir wegen der Ritterthat noch hohes Lob sprechen, oder Leib, Gut, Sinne und Leben wird verloren. Da fuhr ich weit in die Land, wo Jemand nur Ritterschaft übte zu Schimpf oder zu Ernst, ich verzehrte mein Gut und wagte willig meinen Leib. So trieb ich mich den ganzen Sommer in den Landen um, so wie ein Ritter soll, der hohe Minne zum Lohn begehrt.

Nun war auch der kalte Winter gekommen, der grüne Wald war verdorben, die Vögelein schwiegen, da ritt ich zu meiner Niftel und klagte ihr mein Leid. Sie sprach zu mir: ich kann meinen Boten ihr nicht mehr hinsenden, denn sie fürchtet, daß man es merke, und darum hat sie es mir untersagt, es wäre auch zu große Dummheit von mir, wenn ich ihn ihr gegen ihren Willen senden wollte. Ich sprach: viel liebe Niftel, so muß auch ich verdorben sein und an allen Freuden todt; wie ist mir so mein Bote genommen? ist es denn durch meine Schuld? – »Neffe, du sollt mir glauben, deine Frau ist dir nicht gehaß, sie hat es nur darum gethan, daß es Niemand merken möchte, mein Bote reitet zu oft zu ihr, und darum ist sie in Angst, auch wohnt sie mir zu ferne und ist so sehr behütet, darum rathe ich dir, Neffe, suche dir einen andern Boten.« – »Niftel, da dein Bote nicht mehr reisen kann, muß ich einen andern haben, sei es zu Schaden oder Frommen; was du mir Gutes gethan hast? danke ich dir.« – So nahm ich Urlaub von ihr, und dichtete, wie mein sehnendes Herze mir gebot, diese neuen Lied.

 
5) Eine Tanz-Weise.
       

Sommer ist nun gar zergahn,
Geschweiget sind die Vögelein,
Drum muß ich viel traurig stahn,
Und in dem Herzen jammernd sein,
Winter und ein ander Leid
Die geben mir ofte sehnenden Muth und führen beide mit mir bittern Streit.

Sommers soll man sein erfreut,
So mag ein Mann der Frauen sein
Wohl mit Dienste sein bereit,
Viel selig sei sein lichter Schein,
Winter, ich bin dir gehaß,
Dabei der Sommer-Wonne hold, da mag man werten Frauen dienen bas.

Schnell ginge wohl der Winter hin,
Und auch darzu seine lange Nacht,
Doch die da ist mein Freudensinn,
Die hat das leider nicht gedacht,
Daß sich ende so mein Krieg,
Wie einem, dem so wohl geschieht, der nahe bei Liebe lieblich liegt.

Da mein Leid nach Liebe hat,
So soll auch Lieb nach Leide ergahn,
Mein Leib noch in Leide staht,
Drum ist mir endelos mein Wahn;
Fraue, du wendest so mein Leid,
Daß mir nach Leide Lieb gescheh, mein Herz hat Jammer bei der Seligkeit.

Fraue, liebe Fraue mein,
Warum bist du mir gehaß?
Ich war stets der Diener dein,
Das weiß wohl Gott und Niemand bas,
Daß ich von dir meinen Muth
Noch niemals wandte seit der Zeit, daß ich verstünd beide Übel und Gut.

Den Winter ritt ich nun in die Land, um Frauen zu sehen, treu war zu der Holden mein Herz, und ich sann nur immer, woher ich einen Boten zu ihr nähme. Ich konnte mir aber keinen Boten überall das Land erspähen und erfinden, darum mußte mein sehnendes Herze trauern. Nun kam auch der Sommer mit seiner Schöne wieder und brachte manchen heitern Tag, ich dachte: ich will meiner Frauen heuer wieder dienen, ob ich ihr vielleicht bas gefalle.

Ich war bald bereit mit Wappenkleid und Rossen und fuhr nach Kärnthen und Krain, und dann gen Ysterreich, denn in Triest hatte der ehrenreiche von Görz eine Ritterschaft gelegt. Da that der Grafe Meinhard sehr wohl, wie er schon sonst und auch seitdem gethan hat, es wurden wohl fünfhundert Speer da verstochen. Ich verstach da fünfzehn Speer viel ritterlich. Indem that man mir einen andern Turney zu Brixen kund, da fuhr ich gleich ritterlich hin, um meiner lieben Frauen zu dienen.

Da ich zu Brixen kam, empfingen mich die Ritter nach Ritters Sitten, ich war ihnen ein lieber Gast, ich dankte ihren Grüßen mit frohem Gemüth. Der Turney war getheilet, und wir zogen des Morgens früh auf ein Feld, die Murre genannt. Wohl hundert Ritter übten sich an dem Tage in ritterlicher Arbeit. Als sich der Turney zerließ, bat mich der Herr Ulschalch von Botzen, um meine Frau ein Speer mit ihm zu verstechen, ich band meinen Helm alsbald auf, und so auch er, und mit zween starken Speeren rannten wir auf einander, es geschah ein schöner Tyost, aber der hochgelobte Ulschalch stach mir einen Finger aus der Hand. Als ich die Wunde fühlte, band ich den Helm ab und mußte das Stechen lassen.

Alle Ritter beklagten gar sehr meinen Schaden, ich sprach: Ihr sollt das lassen, denn ich bin dessen froh, weil es mir ist um ein Weib geschehen, die meinen Dienst daran erkennen muß. Wir zogen wieder in die Stadt, und ich ließ mir einen Meister kommen; da er die Wunde besah, und wie der Finger nur noch an der Hand hing, sprach er: er wird wieder heil, wenn man Euch so thut, wie man soll. Des Trostes war ich von Herzen froh und sprach: betrügt mich nicht und seid mir getreu, so geb' ich Euch mit gutem Willen so kräftiges Gut, daß Ihr dessen immer Freude habt. Er unterwand sich mein und verband mir den Finger. Bis an den sechsten Tag lag ich in Banden, und als er nun die Wunde besehen wollte, war sie ganz schwarz, dessen ich und der Meister erschrak. Da sprach ich: wie, Meister, ich mag wohl versäumt sein mit Eurer Meisterschaft, die Wunde ist so häßlich. Er schwieg und sprach kein Wort, nur daß er jämmerlich sah, in großen Sorgen saß er bei mir, ich sprach: nun fahrt durch Gottes Haß als ein Bösewicht von mir, Ihr seid ein Mann gar ohne Sinn, daß Ihr Euch keines biedern Mannes annehmen dürft mit Arznei, denn Ihr könnt es nicht.

Mein Herz war ungemuth, da hört' ich, daß ein guter Meister zu Botzen wäre, dahin ritt ich, man tröstete mich, daß, wenn ich bald hin käme, er mir den Finger mit seiner Meisterschaft gesund machte. Ich ritt alsbald hin, und auf dem Wege verschwand mir zum Theil mein Leid, ich dachte: ich mag wohl froh sein, daß ich der Werthen dienen soll. Da rieth mir mein Herz von meiner Frauen diese Lied zu singen.

 
6) Eine Tanz-Weise.
       

    Weh, daß mir die Gute,
So fernet ihre Minne,
Des bin ich in dem Muthe
    Viel ofte unfroh,
Soll mir nicht gelingen
An ihr die ich da minne,
So muß mein Herze ringen
    Mit Trauern so,
Daß ich nimmermehre
Zu Freuden gesinne,
Die hat das wenig Ehre
    Steht mein Herze unhoh.

    Schöne bei der Güte
Steht viel wohl den Weiben,
So steht auch hoch Gemüthe
    Den Mannen wohl,
Hoch Gemüthe wollte
Viele gerne beleiben
Bei mir, wär' sie mir holde,
    Von der ich hol
Herzigliche Schwere,
Davon muß ich meiden
Viel Freude, der mir wäre
    Sonst mein Herze voll.

    Nun mahne ich viel sehre,
Fraue, deine Güte,
Daß du mich durch deine Ehre
    Bedenkest bas,
Laß mich Gnade finden,
Daß dich Gott behüte,
An dir so muß mir schwinden
    Der Minne Haß,
Die quält mich zu sehre,
Davon mein Gemüte
Ist viel freudenleere,
    Gut Weib, wende das!

Als ich nun zu Botzen gekommen, kam der Meister zu mir, er schaute meine Wunde an und sprach: Ihr sollt ohne Angst sein, ich mache Euch bald gesund. Er verband meine Wunde schön und meisterlich, und als ich sieben Tage da lag, schickte eine Frau ihren Boten zu mir, der mir sagen mußte, daß sie mein Leid beklage, sie habe gehört, ich sei der Frauen Dienstmann, davon müsse jedes werthe Weib um meinen Kummer Sorge haben. Der Bote sprach ferner: meine Frau hat Euch hier vier Büchlein gesandt, da sollt Ihr Eure Weile mit kürzen, sie spricht, es sei gute Rittersitte, gern lesen und Gesang zu hören, was schon zuvor biedre Männer und werthe Frauen gethan haben. Ich sprach: ich neige ihr auf ihren Fuß und muß ihr immer dienen, daß sie so ihre Zucht gegen mich gethan hat, sage deiner Frau, daß ich für ihre Güte bis an meinen Tod dienend sein will. Am andern Tage, als ich mich, um zu ruhen, auf ein Bett gelegt hatte, kam er wieder, recht um Mittentag, er sprach: Ich bin wieder Bote zu Euch, denn meine Fraue hat mich hergesandt, um Euch eine Weise zu bringen, die im deutschen Lande noch unbekannt ist, sie bittet Euch, daß Ihr sie deutsch singen möchtet. Ich lernte gleich die Weise und sang darin: so wie sie mich hieß, die Würdigkeit der Frauen, denen ich immer mit Treue bis zu meinem Tode dienen will. Also sprechen diese Lied.

 
7) Eine Singweise.
   

Weh, warum soll'n wir sorgen?
Freude ist gut,
Von den Weiben soll man borgen
Hohen Muth,
Wohl ihm, der ihn kann gewinnen
Von ihnen, der ist ein selig Mann,
Freude soll man durch sie minnen,
Denn da liegt viel Ehren an.

Wir soll'n tanzen, singen, lachen,
Durch die Weib,
Damit mag ein Mann wohl machen,
Daß sein Leib
Würdig wird, wenn er mit Treuen
Dienet guter Weibe Gruß,
Wem sein Dienen will gereuen,
Dem wird selten Kummer Buß.

Mit dem Wasser man das Feuer
Löschet gar,
Finstre ist der Sonnen theuer,
Beide wahr
Sind die Mähre, ihr höret mehre,
Habet fürwahr auf meinen Leib
Rechter Mann von Herzens-Schwere
Scheidet Niemand als die Weib.

O weh, o weh, Fraue Minne,
Mir ist weh!
Greife her, wie sehr ich brinne;
Kalter Schnee
Müßte von der Hitze brinnen,
Die mir in dem Herzen schneidt,
Kannst du, Minne, Treue minnen,
So hilfst du mir noch bei Zeit.

Als man die Lied aufgeschrieben, blieb der Bote nicht länger, sondern er brachte sie seiner Frauen. Als sie sie las, sprach sie: die Lied sind gut, nun bringe ihm dieß Hündelein von mir, das solle sein Lohn sein. Der Bote gab mir das Hündelein, und ich muß Euch sagen, daß ich niemals schönern Hund sah. Ich neigte Ihr mit Dank für ihr Geschenk.

Nun kam mir von Heime ein Bote, der mir fürwahr sagte, daß von dem am zwölften Tage ein Turney zu Frisach gelegt wäre: davon kam mein Herz in große Sorge, daß ich nicht dabei sein sollte, da sprach mein Meister: Herr, nicht wahr, Ihr wolltet gern den Turney sehen? – »Ja, Meister, gerne, wenn es sein möchte.« – »So fahrt hin, wenn Ihr es gern thut.« – »Aber vielleicht taugt es mir nicht.«– »Es soll Euch nicht schaden, denn ich will selber mit Euch fahren.« –

Ueber die Rede ward ich von Herzen froh und ritt gleich mit ihm von dannen in das Kärnther-Land, meine Freunde hießen mich willkommen, und mein Finger wurde viel von ihnen beklagt. Wohl dritthalb hundert Ritter waren hingekommen, und der Turney war schon vor meinem Ankommen getheilt worden, ich war traurig, daß ich kein Wappenkleid für meine Frau führen konnte. Ich dachte: da ich hier nicht Ritter sein kann, wie könnte ich doch immer den Turney hindern? Hie ist so mancher biedre Mann, der zu Felde Ritterthaten thun wird, und wenn ich keiner davon sein kann, so muß ich immer traurig stehen. Ich nahm das schöne Hündelein und Gürtel, Fingerl und Heftelein, das wohl gegen dreißig Mark werth war, und bat alle Ritter kommen. Als sie da waren, schwur ich ihnen, ich wäre der Bote einer Frauen; und sie hat durch mich Euch dieß Kleinod gesandt, welcher Ritter hie den Preis erjagt, dem soll es von der Guten werden. Alle Ritter waren froh, und mancher dachte: mir muß das Kleinod beschert sein. Da wurde großer Neid um Ehre, der wollte so, und jener so, wovon die Turney ganz zerging, denn sie konnten ihn nie wieder so vereinen, wie er vor war getheilt gewesen, alle Scharen waren zerrissen, und der Turney zerging.


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