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Ulrich findet einen andern Boten.
So hatte ich den Turney aus Neid abgewendet und schied nun von dannen in das reine, süße Land, worinne meine Fraue war, ich wollte da einen Boten werben, den ich ihr senden könnte. Ich mochte aber niemals einen finden, wovon ich sehr traurig wurde. Auch thät mir mein Finger weh, den man mir zweimal des Tages verband, so daß meine Hand bluten mußte, am meisten aber klagte ich, daß ich keinen Boten haben konnte.
Da war im Lande ein Knecht, deß Zucht und Treue groß waren, der war mein Freund, er ritt zu mir und beklagte sehr meinen Finger. Gott weiß es wohl, sprach er, daß es mir um Eure Schmerzen leid thut, ich hätte es gerne an meinem Leibe für Euch erlitten, wenn es hätte sein mögen. Ich sprach: Freund, ich vertraue es dir wohl, denn du bist mir immer hold gewesen; am meisten aber leidet mein Herz Jammer um ein Weib, der ich nicht kund thun kann, wie ganz ich ihrem Dienst ergeben bin. – »Herre, mein Freund, darf ich es sagen, so kenne ich sie wohl, wie Ihr sie auch nie genennt habt, und weiß, daß sie Euch nicht gehaß ist.« – Nur, wolle Gott nicht, sprach ich, daß sie Jemand bekannt sei; sage an, wer sie ist, wenn du es weißt. –
Da nannte er sie mir und sprach: ich weiß wohl, daß Eure Freude an ihr liegt, daß sie Eures Herzens Maienzeit ist. Indem er dieses Wort aussprach, geschahe mir ein Minne-Wunder, mein Haupt sank nieder, mein Herz seufzte, mein Mund schwieg. Er sprach; wie ist Euch? Warum seid Ihr so unfroh worden? Ihr Name hat Euch todt gemacht, wenn das Euer Leid ist, daß ich sie kenne, so ist es ohne Noth, denn es ist Euch wohl eher gut, ich bin Euch so hold und habe auch wohl so gute Sinne, daß ich Euch bei ihr dienen kann.
Ich sprach: Geselle, du sollt mir die recht Wahrheit sagen, wer hat dir meiner Frauen Namen kund gethan? Ist es durch meine Schuld geschehen, so muß ich mich des immer schämen, und sie soll mir dann künftig immer fremde sein.
»Nein, Herr, Ihr seid ganz unschuldig, es ist jetzt fast dritthalb Jahr, daß mich meine Frau zu Euch sandte, damals wurde es mir bekannt, ich erfuhr es von meiner Niftel, der ich theuer schwur, daß es von mir allen Leuten verschwiegen bliebe.« – »Sage an, wenn dich deine Fraue zu meiner Frauen sendet, läßt man dich dann die Werthe sehen? Magst du heimlich mit ihr sprechen? Ist das, so bin ich noch ein seliger Mann.« – »Wahrlich, man läßt mich mit ihr reden, so viel oder so wenig ich will, und ich bin ihr immer willkommen, wenn meine Frau mich sendet.« – Ich sprach: Wohl mir, daß du mir immer bist hold gewesen, da es so steht, daß du mit ihr reden kannst, so sollst du, mein lieber Freund, mein Bote zu meiner Frauen sein. – »Ich bin Euer treuer Bote und sage ihr alles, was Ihr entbietet, und welche Antwort sie mir gibt, die bringe ich Euch zurücke. – »Freund, Gott müsse dir lohnen, daß du mein Bote sein willst, nun sage meiner lieben Frauen, daß sie mir lieb ist vor allen Dingen, daß meine Treue unwandelbar, und daß ich vor Kurzem um sie einen Finger verloren habe, der ihr zu Dienst geboren war, der ist von einer Tyost hinweg; aber Verlust und Gewinn will ich für sie immer mit Freude und mit Klage tragen; bitte sie, daß sie mich lasse ihren Ritter sein, und bitte sie um ihre große Würdigkeit, daß sie mir durch dich etwas entbiete, wovon mein Herz getröstet werde. Bringe ihr auch diese Lied und gib sie ihr züchtiglich und sage ihr, daß ich ihrer an keinem Tage vergaß, sie liegt allezeit in meinem theuern Herzen gefangen, nimmermehr kommt sie daraus, und Gott gebe, daß es mir wohl ergeh.« –
Er nahm Urlaub und ritt hin zur Guten. Meine Frau hieß ihn willkommen, sie sprach: Freund, du sollt mir sagen, wie es deiner Frauen geht; das sage mir, wohlgezogener Knabe. Der Knappe sprach züchtiglich: schöne Frau, da ich die Wahrheit sprechen soll, so muß ich sagen, daß ich sie nicht gesehen habe, ein Ritter hat mich her gesandt, dessen Kummer Ihr wohl kennt, der entbietet Euch mit treuen diensthaften Muth; er ist vor Kurzem in Eurem Dienste wund geworden, ein Finger ist ihm aus der Hand gestochen, der Euch zu Dienste geboren war, er hat Euch zur Frauen auserkoren mit so ganzer Treue, daß er nimmer froh werden kann, Ihr wollet ihm denn gnädig sein. – »Sage an, wer hat dir solche Rede zu mir erlaubet? die finde ich, weiß Gott, nicht gut. Wer ist denn so dummlich, daß er dich her zu mir gesandt hat? Nun nenne mir seinen Namen und wisse, es verdrießt mich gar sehr, daß du dich solcher Dinge unterfangen hast.« –– »Frau, ich nenne Euch seinen Namen, dessen er sich nicht schämen darf, er heißt von Lichtenstein Herr Ulrich, er dient Euch mit ganzer Treue, und sollte er, liebe Fraue, heimlich bei Euch sein, dafür nähme er nicht den Gral, den Parzifal mit so ritterlicher Arbeit erstritten hat, Euer minniglicher Leib ist sein Paradies und Himmelreich.« – »Nun sage ihm von mir, höf'scher Knabe, daß er die Rede gegen mich lasse, denn sie gefällt mir nicht, er soll seinen Muth dahin wenden, wo es ihm geziemt, ich will also alt werden, daß mir das nimmer bekannt wird, was sie heimliche Minne heißen; auch habe ich ihm das schon selbst gesagt, daß mir nicht gefällt, was er so dummlich an mich begehrt, er müht sich umsonst, denn die Dummheit wird nie geschehen, daß ich seinen Dienst annehme und meine Ehre kränke.« – »Nein, Frau, um Eure Tugend und hochgelobte Jugend, um Euren reinen, süßen Muth, seid ihm doch gnädig, lasset es ihn genießen, daß Ihr seines Herzens Maienzeit seid, denn Ihr allein, selige Fraue, seid seine Wonne und sein Heil, Ihr seid seiner Freuden Trost; wenn Ihr wollt, ist er freudenreich, Ihr verschwendet ihm die sehnende Klage, ja wahrlich, Euch wird nie wieder ein Ritter bekannt, der jemals ein Weib so liebte. Er hat Euch Lied durch mich hergesandt, die Ihr gern hören sollt, denn sie sind gut, sie werden Euch fröhlich machen, die Worte sind gut, die Weise ist neue, er bat mich, daß ich sie Euch singen sollte; nun hört nur: ich kann die Lied:
8) Eine Tanz-Weise. |
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Wohl mir, es ist ergangen, Sie soll mir Freude und Ehre, Wie kleine sie's empfinde, Mitten in mein sehnendes Herze Hoffnung mag sie wohl behalten Du minnigliche Gute, Ihre weibliche Güte machet |
Da sie die Lied gehört, sprach die reine Süße: die Lied sind wahrlich minniglich, aber ich nehme mich ihrer nicht an, das sage ihm von mir, das sollst ihn bitten, daß er mich alles Gewerbes frei lasse, und thut er es nicht, so füge ich es ihm so, daß er immer Schaden davon hat; sage ihm, er sei ein dummer Mann, daß er mir auf solchen Wahn dient, der einem Könige wohl zu viel wäre, denn es ward nie Mann so hoch geboren, von dem solche Rede mich nicht erzürnte, und ich verwundre mich, daß er den Muth dazu gewann.« – »Ich sage ihm alles, Frau, doch kenne ich ihn so, daß er seinen Dienst gegen Euch nicht läßt, denn daraus kann ihn nur der Tod vertreiben.« –
So nahm er Urlaub, und ritt zu mir zurück. Da ich den gefügten Boten sah, rief ich, sei mir willkommen, du höfischer, gefüger Bote! Nun sage mir, wie gehabt sich meine Fraue? – »Sie gehabt sich wohl, sie hat es Euch also entboten: daß Ihr sie Dienstes frei lasset, thut Ihr es nicht, so fügt sie Euch solchen Schaden, den Ihr immer beklagen müßt; es gefällt ihr nicht, daß Ihr die Dinge an sie begehrt, die noch kein Mann an sie begehrt hat.« – »Nun wisse, Freund, wie sie mir auch thut, so will ich Ihr doch immer dienen bis an meinen Tod, auch verzage ich darum nicht, daß sie mir widersagt, ist sie mir heut gehaß, so will ich besser dienen, daß sie mir werde hold. Sollte mich denn ein Wörtlein verjagen von meiner hohen Hoffnung? Das wäre ein unmännlicher Muth. Rathe mir nun, Freund; da der Sommer hin ist, so will ich in wenig Tagen nach Rom fahren, sage mir, ob meine Fahrt dir gefällt. – »Herr, die Fahrt soll Euch Niemand verleiden, sie gefallt mir sehr wohl, denn es ist ein ritterlicher Muth, daß man auch dem etwas diene, von dem man alles hat, Gut, Seele Leib, Weib, Kind und lieben Freund. – »Freund, da es dir wohl gefällt, so sei auch unverzagt, denn du fährst mit mir dahin.« – »Das thu ich gerne, wenn ihr es wollt.« – »Ja ich gebe dir genug dazu.« –
So fuhr der kluge Knappe mit mir. Ich war sechszig Tage zu Rom, nach Ostern schied ich von dannen und sang wieder neue Lied von meiner Frauen. Die Lied sprachen so:
9) Eine Sing-Weise. |
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Nun schauet, wie des Maien Zeit Der Maie tröstet, was da lebt, Der hohe Minne gehrnde Mann Sie sprechen, ich sollt auf Gottes Wege |
Die Lied sang ich auf dem Wege, mein Bote aber war so ferne, daß ich sie meiner Frauen nicht senden konnte. Zu dieser Zeit kam ich mit Freuden in das Steyerland, wo damals viel Turnierens war, da band ich um meine liebe Frau den Helm oft zu Haupt.
So war der Sommer mit Freuden hingegangen, darauf bat ich fleißig meinen Boten, daß er die Gute sehen möchte, er sprach: ich will gern dahin und Ihr Euren Willen sagen und Eure sehnende Leid.
Ich empfahl ihm mit Worten meine Botschaft und sandte ihr wieder Lied. Als er zu meiner Frauen kam, hieß sie ihm willkommen sein. Gnade, sprach er, Fraue, wolle Gott, daß ihr besser gemut seid, als damals, da ich Euch zuletzt sah. Die tugendreiche Süße sprach: sag' an, was thäte ich dir Leides? Ich bin dir immer hold gewesen. – »Frau, Gott mag Euch das lohnen, ich bin wieder ein Bote: der, der Gnade von Euch begehrt, hat mich wieder zu Euch gesandt, er entbietet Euch Gruß und alle Dienste, treue Minne, und was er nur immer entbieten und dienen kann, dazu ist er Euch bereit mit ritterlicher Treue; auch hat er schon so viel für Euch gethan, daß Ihr, wenn ich mit Huld so sprechen darf, es ihm wohl lohnen solltet, denn nie gewann jemals ein Weib einen so treuen Dienstmann, der weder Nacht noch Tag von sehnender Arbeit ruht; und seid Ihr ihm nicht gnädig, so hat sein Leben in kurzer Zeit ein Ende: er hat manche Ritterthat für Euch gethan, auch hat er Euch neue Lied durch mich gesandt, die Ihr gerne hören mögt, sie sprechen so:
10) Eine Tanz-Weise. |
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Wie kannst du Minne, »Was klagest du, Dummer, Will sie's bedenken, »Du darfst nicht sorgen, Mag sie viel Reine »Mit stetem Muthe, |
Da sie die Lied vernommen sprach sie: ich bin ihm immer gram, ich will ihm immer feind sein, ich entbot ihm das schon durch dich, daß ich ihm gehaß sei; hast du nun, höf'scher Knabe, ihm das nicht gesagt, so hast du übel daran gethan. – »Viel hochgelobte Fraue, ich habe ihm alles gesagt, da sprach der unverzagte Mann: was sie auch sprechen mag, ich lasse sie darum doch nicht, ich diene ihr bis an meinen Tod, was mir auch darum geschehen mag.« – »Ihr könnt beide viel lose Worte, aber eins will ich dir noch sagen; du sagst mir, und darum bin ich zornig, daß er in meinem Dienst einen Finger verloren hätte, und das ist nicht wahr, er hat ihn noch, wie man mir gesagt hat, darum thut mir dein Lügen leid.« – »Fraue, er hat den Finger wohl, aber er ist ihm ganz erkrummt, so daß er ihn wenig brauchen kann, doch hebt er wohl noch in Eurem Dienst manches große Speer damit. – »Ich gönne ihm wohl seinen Finger, nur soll er nicht vorlügen, und weil du das gethan, will ich mit dir nicht mehr reden: nun fahr zurück und thu dich, höf'scher Knabe meinetwillen der Botschaft ab.« –