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Wie Ulrich seinen Finger abschlug, und sandte ihn seiner Frauen.
So schied mein Bote von ihr und kam zu mir zurück; da ich ihn kommen sah, sprach ich: nun, lieber Bote, sage mir endlich. was mir die Süße durch dich entbietet, vielleicht werde ich hochgemuth. – Nichts entbietet sie Euch und hat mir sehr verboten, daß ich ihr von Euch nichts mehr sage, sie spricht, daß sie mit Recht drum zürnen müsse, weil Ihr sprecht, Ihr hättet Euren Finger um sie verloren, und es sei doch nicht wahr, sie wisse daß Ihr den Finger noch habt, und daß Ihr nur ein wenig wund geworden; mit losen Worten hätte ich ihr von Euch gelogen, und darum haßt sie mich; zwar gönnt sie Euch den Finger wohl, nur ist sie über die Lüge erzürnt.«
Ich dachte: will mir meine Frau um meinen Finger gehaß sein, dann kann wohl Rath werden, da er mir doch etwas gekrümmt ist, ich schlage ihn ab und sendte ihn ihr, so müßt sie es doch wohl glauben, daß er verloren sei, wenn sie ihn selbst sieht.
Da ging ich von den Boten weg, wo ich einen biedern Mann fand, der Herr Ulrich von Hasendorf genannt war, der war mir immer zu Diensten bereit, den bat ich um seine Treue, daß er mir meinen Finger abschlüge.
Er sprach: Nein, Herr, so wäre ich wohl ohne Sinne, und thäte ich eine große Missethat, übereilt Euch nicht, Euch so zu verderben. Ich sprach: ich lasse es nicht, wie ich auch daran zu Schaden komme, bin ich Euch aber je lieb gewesen, so sollt Ihr es jetzt erzeigen und mir den Finger abschlagen, denn ich habe ihn ungern; thut es darum, denn es ist ein Freundes Dienst. – »Ich thu alles, was Ihr wollt, denn ich habe Euch mir zum Freund erwählt und bin Euch mit Diensten unterthan.«
Da nahm ich sein Messer und setzt' es auf meinen Finger und sprach: nun schlage zu, biedrer Mann! Er schlug, und der Finger sprang ab. Die Wunde blutete kräftig, da kam mein züchtereicher Bote zu mir und sprach: was thut Ihr? Ihr habt Euch den Finger abgeschlagen? O weh, so muß ich trauern, daß ich jemals ein Wort zu Euch gesprochen habe. – »Freund, zürne nicht und bringe ihr meinen Finger und sage ihr von mir, daß ich ihr alle meine Jahre mit rechten Treuen diene, und will sie mir es nicht danken, daß ich sie vor allen Frauen zur Liebe habe erkohren, so ist es eine Missethat.« – »Mir ist leid, daß Ihr es gethan habt, da es aber einmal geschehen ist, so richtet eine Botschaft mit süßen Worten und sendet sie ihr, und auch den Finger durch mich, ich gehe gern, und Gott gebe, daß es Euch wohl gerathe.« –
Alsbald begann ich zu dichten ein viel gefüges Büchlein, mit diesem sandt' ich den Finger hin, wo die Süße war, man band das Büchel in einen grasgrünen Sammt, dann ließ ich von einem Goldschmied zwei goldene Bretlein wirken, darin band man das Büchel, und was die Sperre sollte sein, das waren zwei kleine Hände gar löblich gemacht, und darein machten wir den Finger. Hierauf bat der Bote Urlaub, er ritt von mir, und als er zu der Guten kam, nahm er heimlich das Büchlein und ging mit großen Sorgen zu ihr hin.
Sie sprach: ich will dich doch grüßen, wie du mich auch erzürnt hast, und hast du etwas Neues zu sagen, so erlaube ich es dir. – Ja, Fraue, sprach der Bote, mein Herr hat Euch hier ein kleines Büchlein gesandt, das auch seinen Finger bringt.
Der Bote gab ihr das Büchlein, und da sie den Finger ersah, sprach die reine Gute: O weh, das ist eine große Geschicht! die Dummheit hätt' ich ihm nicht zugetraut, daß je ein verständiger Mann so was thun würde. Sie machte das Büchel auf und fand darin geschrieben, wie ich ihr immer mit Treue dienen wollte: Ihr sollt hören wie es sprach.
Das zweite Büchlein. |
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O weh, Minne, wo ist dein Rath? War aber ihm dort gescheh'n »Und könnte ich, wie dein Kummer staht, Nu klagest du aber den Boten dein, Also beraubt ihr, Minne, mich Viel werthe Minne, nu bitt' ich dich »Gut Ritter, Freund, glaube das, |
Da sie das Büchlein gelesen, sprach sie: Bote, was soll ich dir sagen? Mir thut das Sterben des Fingers weh, doch nicht aus Liebe zu deinem Herrn, sondern nur, weil er so spricht, er habe ihn durch meine Schuld verloren.« – »Als ich neulich von Euch schied, Frau, und ihm sagte, daß Ihr mir darum gehaß wäret, weil ich Euch gelogen, daß er um Euch seinen Finger verloren, da ging er alsbald von mir und bat einen Ritter. daß er ihm den Finger aus der Hand schlug.« – »Nun reite zurück und sage ihm, er möchte den Frauen nur noch das dienen, als da er den Finger noch hatte, den will ich hier in meiner Lade behalten, daß ich ihn alle Tage sehe; und sage ihm, höfischer Knabe, daß ich den Finger hier behalte, das thue ich nicht auf solchen Muth, als wenn ihm sein Dienst gegen mir auch nur um ein Haar helfen sollte, denn wenn er mir tausend Jahr diente, so wäre sein Dienst doch verloren.«
Mit dieser Rede kam er zu mir, und da ich diese Botschaft vernahm, hatte ich hohe Freude, daß sie meinen Finger dort behalten. Ich sprach zum Boten: ich muß darum von Herzen froh sein, denn wenn die Gute den Finger sieht, so muß sie doch an mich gedenken. Nun sollst du mir rathen, Bote, wie ich ihr wieder diene, daß es sie gut dünke, und gewiß thut sie mir aus ihrer Güte endlich noch Gnade. Ich sage dir, was ich erdacht habe. In der Weise einer Frauen will ich um sie nach Preis ringen, und so will ich mit Ritterschaft fahren von dem Meere bis nach Böheim, ich will mich aus dem Lande fortstehlen und meine Fahrt vor allen Leuten verbergen, und das soll in diesem Winter sein, als ein demüthiger Pilger will ich fahren, der um Gott nach Rom geht, dann zu Venedig so lange verborgen sein, bis des Maien Schein wieder kommt, und dort will ich mich bereiten, recht wie eine Königin soll, minnigliche Frauenkleid will ich anlegen, und nach St. Georgen Tage will ich mich am andern Morgen auf die Fahrt machen von dem Meer zu Meisters; welcher Ritter dann mit mir ein Speer versticht um seine Frauen, dem will ich ein Fingerlein von Gold geben, auf den Muth, daß er es der gebe, die ihm die Liebste sei. – »Herr, verendet Ihr die Fahrt an Leib und Gut glücklich, so wisset, daß nie Ritters Leib bas fuhr; es wird eine ritterliche Fahrt, nur sollt Ihr das wohl verhüten, daß Euch Niemand unterwegen kenne.« –
»Bote, ich will wohl die Fahrt so fahren, daß Niemand wissen soll, wer ich bin, ich will wie ein Weib gekleidet sein, und Niemand soll mich seh'n, denn ich will mich so verbinden, daß nimmer Jemand meinen bloßen Leib beschaut, mein Antlitz und meine Hände sollen ganz verborgen sein. Fahre du aber, Bote, zu meiner Frau und sage ihr, wie ich um sie fahren wolle, bitte sie, daß sie mir erlaube, ihr so zu dienen, wie ich den Willen habe.«
Der Bote fuhr zu meiner Frau, er erzählte ihr meine Fahrt und sprach: wenn Euch sein ritterlicher Dienst nicht behagt, so ist das groß Unbilde. Sie sprach: Bote, diese Fahrt ist ihm gut, er wird solchen Lohn d'rum haben, daß ihm die Biedern hold werden, wenn es ihm auch nicht gegen mich frommt, so ist es ihm doch löblich.
Der Bote kam mit Freuden zu mir zurück. Da fand er mich bei der Muhr zu Liechtenstein, ich freute mich als ich ihn sah und sprach: wohlgezogner Knabe, sage mir ob meine herzgeliebte Frau wohl ist, so bin ich fröhlich. Er sprach: sie ist schön und wohl und entbietet Euch, die Fahrt sei Euch gut, wenn sie Euch auch nicht gegen ihr zu statten kommt, sie ist Euch sonst löblich und ehrenreich. Ich war über diese Botschaft froh, daß ihr meine Fahrt gefiel. Ich war sehr bald bereitet zu der ritterlichen Fahrt, ich hub mich als ein Pilgrim vom Lande und nahm Tasche und Stab von einem Priester, als wenn ich wollte nach Rom fahren.