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Spät in der Nacht erst trat Olenin hinter Marianka und Ustenjka aus Bjelezkis Hause. Das weiße Kopftuch des Mädchens schimmerte auf der dunklen Straße. Der goldhelle Mond senkte sich nieder zur Steppe. Silberner Nebel lag über dem Dorfe, alles war still, nirgends war Licht zu sehen; nur die Schritte der sich entfernenden Mädchen vernahm man. Olenins Herz klopfte heftig. Sein glühendes Gesicht ward von der feuchten Nachtluft erfrischt. Er blickte zum Himmel auf und sah nach dem Hause zurück, das er eben verlassen: auch dort war das Licht erloschen, und er spähte wieder nach dem Schatten der davonschreitenden Mädchen. Das weiße Tuch verschwand im Nebel. Es war ihm furchtbar, allein zurückbleiben zu müssen. Er war so glücklich gewesen! Er sprang von der Freitreppe hinab und lief den Mädchen nach.
»Was fällt dir ein? Man wird uns noch sehen!« sagte Ustenjka.
»Was tut's denn?«
Olenin eilte auf Marianka zu und umarmte sie.
Marianka wehrte sich nicht.
»Habt ihr euch noch nicht sattgeküßt?« sagte Ustenjka. »Wenn du sie geheiratet hast, dann küsse sie, jetzt warte noch damit.«
»Leb' wohl, Marianka. Morgen komme ich zu deinem Vater und sage ihm alles selbst. Sprich nicht davon!«
»Was sollt' ich auch davon sprechen?« versetzte Marianka.
Die beiden Mädchen eilten rasch davon. Olenin ging allein weiter und rief sich alles, was geschehen war, ins Gedächtnis zurück. Er hatte den ganzen Abend mit ihr allein in der Ofenecke verbracht. Ustenjka war nicht einen Augenblick aus dem Zimmer gegangen und hatte mit den andern Mädchen und Bjelezki ihre Späße getrieben. Olenin hatte mit Marianka geflüstert.
»Wirst du mich heiraten?« hatte er gefragt.
»Du wirst mich betrügen, wirst mich nicht nehmen,« hatte sie heiter und ruhig geantwortet.
»Liebst du mich denn auch? Sprich, um Gottes willen!«
»Warum soll ich dich nicht lieben? Du bist doch kein Krüppel!« hatte sie lachend geantwortet und dabei mit ihren braunen Händen seine Hände gedrückt. »Was für Hände du hast – so weiß, so weiß, und so weich wie Quarkkäse,« hatte sie gesagt.
»Ich scherze nicht. Sag' mir: wirst du mich heiraten?«
»Warum soll ich dich nicht heiraten, wenn mein Vater mich dir gibt?«
»Glaub' mir's: ich verliere den Verstand, wenn du mich täuschst. Morgen sage ich es deinen Eltern und halte um dich an.«
Marianka hatte plötzlich laut aufgelacht.
»Was ist denn?«
»Nichts weiter, es ist mir so zum Lachen.«
»Ich spreche die Wahrheit: ich kaufe einen Garten, und ein Haus, und ich lasse mich unter die Kosaken aufnehmen ...«
»Daß du mir aber keine andern Weiber liebst! Das leide ich nicht!«
Olenin wiederholte sich in Gedanken alle diese Worte und schwelgte in Entzücken. Zuweilen durchzuckte es ihn schmerzlich bei diesen Erinnerungen, doch schon im nächsten Augenblick benahm ihm ein jähes Glücksgefühl wieder den Atem. Schmerz bereitete es ihm, daß sie, wenn er mit ihr sprach, immer ganz so ruhig blieb wie sonst. Die neue Lage der Dinge schien sie durchaus nicht besonders zu erregen. Sie traute ihm anscheinend noch nicht und dachte noch gar nicht an die Zukunft. Er hatte den Eindruck, als liebe sie ihn nur jetzt, für den Augenblick, als gebe es für sie keine Zukunft an seiner Seite. Glücklich aber fühlte er sich, weil alles, was sie sagte, ihm wahr erschien, und weil sie eingewilligt hatte, die Seine zu werden. »Ja,« sagte er sich – »dann erst werden wir einander verstehen, wenn sie ganz mein geworden ist. Eine solche Liebe bedarf nicht der Worte, sie verlangt ein Leben, ein ganzes Leben. Morgen wird alles sich klären. Ich kann nicht länger so weiterleben. Morgen sage ich alles ihrem Vater, und Bjelezki, und dem ganzen Dorfe ...«
Lukaschka hatte, nach zwei schlaflos verbrachten Nächten, zu Ehren des Feiertags so viel getrunken, daß er zum erstenmal in seinem Leben auf den Beinen schwankte. Die ganze Nacht brachte er in Jamkas Schenke zu.