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Es war im August. Mehrere Tage hintereinander hatte nicht ein Wölkchen am Himmel gestanden; die Sonne brannte unerträglich, und vom frühen Morgen an wehte ein heißer Wind, der in den Dünen und auf den Wegen Wolken glühenden Sandes emportrieb und durch die Luft über das Schilfrohr, die Bäume und die Dörfer ausstreute. Das Gras und das Laub der Bäume war mit Staub bedeckt; die Wege und Salzmoraste waren kahlgefegt und klingend hart. Das Wasser im Terek war längst gefallen und trocknete in den Gräben rasch ein. Am Teiche vor dem Dorfe waren die sumpfigen Ufer vom Vieh zertreten, und den ganzen Tag hörte man im Wasser das Plätschern und Schreien der Mädchen und Knaben. In der Steppe waren die Dünen und Schilfwiesen schon ganz trocken, und das Vieh lief am Tage brüllend auf die Felder. Das Wild war ins ferne Röhricht und in die Berge jenseits des Terek abgewandert. Mücken und Stechfliegen schwebten in ganzen Wolken über den Niederungen und Dörfern. Die Schneeberge hatten sich in graue Nebel gehüllt. Die Luft war dünn und von üblen Düften erfüllt. Die Abreken, erzählte man, waren über den seichten Fluß gesetzt und machten diesseits die Gegend unsicher. Die Sonne ging Abend für Abend in einem feuerroten Glutkreise unter. Es war die arbeitsvollste Zeit des Jahres. Die gesamte Bevölkerung der Dörfer wimmelte in den Melonenpflanzungen und Weingärten umher; die Gärten waren dicht verwachsen von rankendem Grün und lagen in kühlem, dunklem Schatten. Überall hoben sich von den breiten, durchschimmernden Blättern die reifen, schweren, dunklen Trauben ab. Auf dem Wege, der zu den Gärten führte, zogen knarrende Wagen, bis obenhin mit schwarzen Weintrauben beladen, daher. Weintrauben lagen auf dem von den Rädern durchfurchten staubigen Wege umher. Kleine Knaben und Mädchen liefen hinter den Müttern her, die Hemdchen ganz dunkel von Beerensaft, Trauben in den Händen und im Munde. Auf dem Wege traf man fortwährend Arbeiter in zerlumpten Kleidern, die auf den starken Schultern Körbe mit Weintrauben trugen. Junge Mädchen, deren Gesichter bis an die Augen mit Tüchern verhüllt waren, lenkten die Ochsen, die vor die hoch mit Weintrauben beladenen Wagen gespannt waren. Begegneten die Soldaten solch einem Wagen, so baten sie die Kosakinnen um Trauben, und diese stiegen während des Fahrens auf den Wagen, nahmen ganze Hände voll Weintrauben und schütteten sie den Bittenden in die hingehaltenen Rockschöße. Auf einigen Höfen wurden die Trauben bereits gekeltert. Der Duft der Weintreber erfüllte die Luft. Unter den Schuppen sah man blutrote Tröge, auf den Höfen nogajsche Arbeiter mit aufgestreiften Beinkleidern und rotgefärbten Waden. Die Schweine fraßen grunzend die ausgepreßten Schalen und wälzten sich darin. Die flachen Dächer der Milchkammern waren dicht mit schwarzen und bernsteinfarbigen Trauben belegt, die in der Sonne trockneten. Krähen und Elstern flogen Beeren naschend um die Dächer oder hüpften von einer Stelle zur andern.
Fröhlich erntete man die Früchte, welche die Arbeit des Jahres gezeitigt hatte, und in diesem Jahre fiel die Ernte besonders reich und gut aus.
In den schattigen grünen Gärten, mitten in diesem Meere von Weinlaub, hörte man von allen Seiten Lachen, Lieder, Fröhlichkeit und munter plaudernde Frauenstimmen, während überall die hellen, farbigen Kleider der Frauen schimmerten.
Um die Mittagstunde war's, als Marianka im Schatten eines Pfirsichbaumes im Garten ihres Vaters saß und unter dem Wagen, von dem die Ochsen ausgespannt waren, das Mittagessen für die Ihrigen hervorholte. Ihr gegenüber saß auf einer ausgebreiteten Pferdedecke der Fähnrich, der aus der Schule heimgekommen war, und wusch sich aus einem kleinen Kruge die Hände. Ein kleiner Knabe, ihr Bruder, der eben im Teiche ein Bad genommen hatte und sich mit den Ärmeln abtrocknete, sah in Erwartung des Mittagessens auf Mutter und Schwester und atmete dabei schwer. Die Alte hatte die Ärmel an den kräftigen braunen Armen emporgestreift und richtete auf einem niedrigen runden Tischchen, wie es die Tataren gebrauchen, Weintrauben, gedörrten Fisch, Quarkkäse und Brot an. Der Fähnrich trocknete sich die Hände, nahm die Mütze ab, bekreuzte sich und rückte näher an den Tisch heran. Der Knabe griff nach dem Kruge und begann gierig daraus zu trinken. Mutter und Tochter setzten sich mit untergeschlagenen Beinen an den Tisch. Selbst im Schatten noch war es unerträglich heiß. In der Luft über dem Garten war ein übler Geruch zu spüren. Der kräftige warme Wind, der durch den Garten strich, brachte keine Kühlung, sondern beugte nur gleichmäßig die Gipfel der über den Garten verteilten Birnbäume, Pfirsichbäume und Maulbeerbäume. Der Fähnrich betete nochmals, holte dann hinter seinem Rücken einen mit Weinlaub bedeckten kleinen Krug mit Rotwein hervor, trank aus dem dünnen Halse des Kruges und reichte diesen der Alten. Der Fähnrich saß ohne Rock da, das offene Hemd ließ die muskulöse, stark behaarte Brust sehen. Sein pfiffiges, feingeschnittenes Gesicht hatte einen heiteren Ausdruck. Weder in seiner Haltung noch in seiner Sprechweise war etwas von seiner sonstigen Geschraubtheit zu merken; er war heiter und natürlich.
»Bis zum Abend werden wir doch mit dem Stück hinter dem Heuschober fertig werden?« sagte er, während er sich den feuchten Bart abwischte.
»Ich denke doch,« antwortete die Alte, »wenn nur das Wetter gut bleibt. Die Demkins haben noch nicht die Hälfte eingebracht,« fügte sie hinzu. »Ustenjka muß ganz allein arbeiten, sie macht sich dabei zuschanden.«
»Wie sollten die Demkins auch schon fertig sein!« sagte die Alte in überlegenem Tone.
»Da, trink, Marianuschka!« sprach die Alte und reichte dem Mädchen den Krug. »So Gott will, wird's uns an Wein nicht fehlen, wenn wir die Hochzeit ausrichten.«
»Das hat noch gute Weile,« versetzte der Fähnrich mit leichtem Stirnrunzeln.
Das Mädchen senkte den Kopf.
»Warum soll man nicht davon reden?« sagte die Alte. »Die Sache ist doch abgemacht, und die Zeit nicht mehr fern.«
»Rede nicht weiter darüber,« sagte der Fähnrich wieder. »Jetzt heißt es mit der Arbeit fertig werden.«
»Hast du Lukaschkas neues Pferd gesehen?« fragte die Alte. »Das andere, das ihm Mitrij Andreïtsch geschenkt hat, hat er nicht mehr, er hat es umgetauscht.«
»Nein, ich habe es nicht gesehen. Ich habe aber heute mit dem Diener unseres Mieters gesprochen,« sagte der Fähnrich. »Er sagt, er habe wieder tausend Rubel zugeschickt bekommen.«
»Ein reicher Mann, das ist wirklich wahr,« bestätigte die Alte.
Die ganze Familie war sehr vergnügt und zufrieden.
Die Arbeit ging rasch vonstatten. Es gab weit mehr Trauben, und sie waren auch besser, als sie selbst erwartet hatten.
Nachdem Marianka zu Mittag gegessen hatte, warf sie den Ochsen Gras vor; dann rollte sie ihren Beschmet zusammen und legte sich, ihn als Kissen benutzend, auf das zerdrückte, saftige Gras unter dem Wagen. Sie trug nur das rotseidene Kopftuch und ein ausgebleichtes blaues Baumwollhemd, doch war ihr trotzdem unerträglich heiß. Ihr Gesicht glühte, die Beine kamen in keine rechte Lage, die Augen waren von Schlaf und Müdigkeit wie mit einem feuchten Schleier bedeckt; die Lippen öffneten sich unwillkürlich, und die Brust atmete schwer.
Die Ernte hatte schon vor zwei Wochen begonnen, und die schwere, ununterbrochene Arbeit füllte das ganze Leben des jungen Mädchens aus. Am frühen Morgen, sobald die Dämmerung anbrach, sprang sie auf, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, hüllte sich in ein Tuch und lief barfuß zum Vieh. Dann zog sie eilig die Schuhe und den Beschmet an, legte ein Stück Brot in ihr Bündel, spannte die Ochsen vor den Wagen und fuhr für den ganzen Tag in die Weingärten. Dort ruhte sie nur ein Stündchen aus, schnitt die Trauben ab, schleppte die Körbe und kehrte am Abend, die Ochsen an der Leine ziehend und mit einer langen Gerte antreibend, vergnügt und frisch ins Dorf zurück. Hatte sie in der Abenddämmerung das Vieh besorgt, so tat sie Melonenkerne in den weiten Hemdärmel und ging an die Straßenecke, um mit den Freundinnen zu plaudern und zu lachen. Kaum aber war das Abendrot entschwunden, so lief sie auch schon ins Haus zurück, aß in der dunklen Milchkammer mit den Eltern und dem Bruder heiter und sorglos zu Abend, ging in die Stube, setzte sich auf den Ofen und hörte, schon halb im Schlafe, die Gespräche des Mieters mit an. Sobald dieser fort war, warf sie sich auf ihr Bett und lag bis zum Morgen in tiefem, ruhigem Schlafe. Am folgenden Tage verlief ihr Leben ganz ebenso. Lukaschka hatte sie seit der Verlobung nicht mehr gesehen, sie wartete ruhig den Hochzeitstag ab. An den Mieter hatte sie sich gewöhnt, und es machte ihr Vergnügen, zu wissen, daß seine Blicke unverwandt auf sie gerichtet waren.