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62. Kapitel / Chapter 62

Am Rhein / Am Rhein

Nach den obenerwähnten Alltagsbegebenheiten waren ein paar Wochen vergangen. Das Parlament hatte Ferien, der Sommer war schon vorgerückt, und die bessere Gesellschaft Londons stand im Begriff, die Stadt zu verlassen und ihre jährliche Reise zum Vergnügen oder zur Erholung anzutreten. Eines schönen Morgens verließ der Dampfer »Batavier« mit einer zahlreichen Gesellschaft von Englandflüchtigen die Anlegestelle bei den Tower Stairs. Das Zelt über dem Achterdeck war gespannt, und auf den Bänken und in den Gangways tummelten sich Dutzende rosiger Kinder, geschäftige Kindermädchen, Damen in den hübschesten rosa Hauben und Sommerkleidern, Herren in Reisemützen und Leinenjacken und mit Schnurrbärten, die für die bevorstehende Tour gerade zu keimen anfingen, und mit gestärkten Halstüchern und säuberlich gebürsteten Hüten, dicke, nette, alte Veteranen, wie sie Europa seit Ende des letzten Krieges überschwemmten, um ihren Nationalpatriotismus in jede Stadt des Kontinents zu tragen. Die Ansammlung von Hutschachteln, verschließbaren Schreibpulten und Toilettenkästen war ungeheuer. Da waren elegante junge Studenten von Cambridge, die mit ihrem Tutor eine Studienreise nach Nonnenwerth oder Königswinter antraten. Da waren irische Herren mit prächtigen Backenbärten und Juwelen, die ununterbrochen von Pferden sprachen und ungeheuer höflich gegenüber den jungen Damen an Bord waren, die wiederum mit mädchenhafter Scham die Cambridger und ihren bleichgesichtigen Tutor mieden. Da waren Müßiggänger von der Pall Mall, die nach Ems oder Wiesbaden zu einer Brunnenkur fuhren, um die Diners der Saison hinwegzuspülen, und zu einem Spielchen Roulette oder Rot und Schwarz, um den Kreislauf zu beleben. Da war der alte Methusalem, der eine junge Frau geheiratet hatte, und Hauptmann Papillon von der Garde, der ihren Sonnenschirm und ihre Reiseführer trug. Da war der junge May, der mit seiner jungen Frau eine Vergnügungsreise machte (sie war eine ehemalige Mrs. Winter und mit Mays Großmutter zur Schule gegangen). Da waren Sir John und seine Lady mit einem Dutzend Kindern und den entsprechenden Kindermädchen, und da war die zahlreiche adlige Familie Bareacres, die ganz für sich in der Nähe des Steuerrades saß, alle anstarrte und mit niemandem sprach. Ihre Wagen mit den Grafenkronen, auf denen sich glänzende Gepäckkästen häuften, standen eingezwängt zwischen einem Dutzend anderer derartiger Fahrzeuge, so daß es schwer war, an sie heranzukommen, und die armen Insassen der Vorderdeckkabinen sich kaum rühren konnten. Dort wohnten einige prächtig gekleidete Herren aus Houndsditch, die ihren eigenen Proviant mitbrachten, doch die Hälfte der lustigen Menschen im großen Salon hätten auskaufen können; dann ein paar ehrliche Burschen mit Schnurrbärten und Mappen, die sich ans Skizzieren machten, noch ehe sie eine halbe Stunde an Bord waren. Es wohnten dort auch einige französische Zofen, die schon schrecklich seekrank waren, ehe der Dampfer Greenwich passiert hatte, und weiterhin zwei, drei Reitknechte, die sich in der Nähe der ihnen anvertrauten Pferde umhertrieben oder neben den Schaufelrädern über die Reling lehnten und besprachen, wer wohl beim Sankt-Leger-Pferderennen starten dürfe und was man beim Goodwood-Pokal gewinnen oder verlieren könnte.

 

The above everyday events had occurred, and a few weeks had passed, when on one fine morning, Parliament being over, the summer advanced, and all the good company in London about to quit that city for their annual tour in search of pleasure or health, the Batavier steamboat left the Tower-stairs laden with a goodly company of English fugitives. The quarter-deck awnings were up, and the benches and gangways crowded with scores of rosy children, bustling nursemaids; ladies in the prettiest pink bonnets and summer dresses; gentlemen in travelling caps and linen-jackets, whose mustachios had just begun to sprout for the ensuing tour; and stout trim old veterans with starched neckcloths and neat-brushed hats, such as have invaded Europe any time since the conclusion of the war, and carry the national Goddem into every city of the Continent. The congregation of hat-boxes, and Bramah desks, and dressing-cases was prodigious. There were jaunty young Cambridge-men travelling with their tutor, and going for a reading excursion to Nonnenwerth or Konigswinter; there were Irish gentlemen, with the most dashing whiskers and jewellery, talking about horses incessantly, and prodigiously polite to the young ladies on board, whom, on the contrary, the Cambridge lads and their pale-faced tutor avoided with maiden coyness; there were old Pall Mall loungers bound for Ems and Wiesbaden and a course of waters to clear off the dinners of the season, and a little roulette and trente-et-quarante to keep the excitement going; there was old Methuselah, who had married his young wife, with Captain Papillon of the Guards holding her parasol and guide-books; there was young May who was carrying off his bride on a pleasure tour (Mrs. Winter that was, and who had been at school with May’s grandmother); there was Sir John and my Lady with a dozen children, and corresponding nursemaids; and the great grandee Bareacres family that sat by themselves near the wheel, stared at everybody, and spoke to no one. Their carriages, emblazoned with coronets and heaped with shining imperials, were on the foredeck, locked in with a dozen more such vehicles: it was difficult to pass in and out amongst them; and the poor inmates of the fore-cabin had scarcely any space for locomotion. These consisted of a few magnificently attired gentlemen from Houndsditch, who brought their own provisions, and could have bought half the gay people in the grand saloon; a few honest fellows with mustachios and portfolios, who set to sketching before they had been half an hour on board; one or two French femmes de chambre who began to be dreadfully ill by the time the boat had passed Greenwich; a groom or two who lounged in the neighbourhood of the horse-boxes under their charge, or leaned over the side by the paddle-wheels, and talked about who was good for the Leger, and what they stood to win or lose for the Goodwood cup.

Nachdem die Reisediener auf dem Schiff herumgeklettert waren und ihre verschiedenen Herren in den Kajüten oder auf dem Deck untergebracht hatten, versammelten sie sich und begannen zu schwatzen und zu rauchen. Die hebräischen Herren gesellten sich zu ihnen und sahen sich die Wagen an. Darunter befand sich Sir Johns große Kutsche, die dreizehn Personen aufnehmen konnte, Lord Methusalems Kutsche, drei verschiedene Wagen von Lord Bareacres, die bezahlen mochte, wer Lust hatte. Es war nur ein Wunder, wo Mylord das Bargeld hernahm, um seine Reisekosten zu bestreiten. Die hebräischen Herren wußten, wie er dazu gekommen war. Sie wußten, wieviel Geld der Lord in diesem Augenblick in der Tasche hatte und wieviel Zinsen er dafür bezahlte und wer es ihm gegeben hatte. Schließlich befand sich unter den Kutschen auch ein sehr hübscher Reisewagen, über den die Herren ihre Vermutungen austauschten.

 

All the couriers, when they had done plunging about the ship and had settled their various masters in the cabins or on the deck, congregated together and began to chatter and smoke; the Hebrew gentlemen joining them and looking at the carriages. There was Sir John’s great carriage that would hold thirteen people; my Lord Methuselah’s carriage, my Lord Bareacres’ chariot, britzska, and fourgon, that anybody might pay for who liked. It was a wonder how my Lord got the ready money to pay for the expenses of the journey. The Hebrew gentlemen knew how he got it. They knew what money his Lordship had in his pocket at that instant, and what interest he paid for it, and who gave it him. Finally there was a very neat, handsome travelling carriage, about which the gentlemen speculated.

»A qui cette voiture là?« fragte ein herrschaftlicher Diener mit einer großen Saffiangeldtasche und Ohrringen einen anderen, ebenfalls mit Ohrringen und einer großen Saffiangeldtasche.

 

“A qui cette voiture la?” said one gentleman-courier with a large morocco money-bag and ear-rings to another with ear-rings and a large morocco money-bag.

»C'est à Kirsch je bense – je l'ai vu tout à l'heure – qui brenalt des sangviches dans la voiture«, erwiderte dieser im schönsten Sächsisch-Französisch.

 

“C’est a Kirsch je bense — je l’ai vu toute a l’heure — qui brenoit des sangviches dans la voiture,” said the courier in a fine German French.

Kirsch tauchte kurz darauf aus dem Schiffsraum auf, wo er den Matrosen, die das Reisegepäck verstauten, mit vielsprachigen Flüchen gewürzte Instruktionen gegeben hatte. Er gab nun seinen Dolmetscherkollegen selbst einen Bericht. Er sagte ihnen, der Wagen gehöre einem ungeheuer reichen Nabob aus Kalkutta und Jamaika, der ihn für die Reise angestellt habe. In diesem Augenblick erweckte ein junger Herr ihre Aufmerksamkeit. Er war von der Brücke zwischen den Schaufelrädern vertrieben worden und hatte sich von dort auf das Verdeck von Lord Methusalems Wagen herabgelassen. Von da aus kletterte er über die anderen Wagen und Gepäckkästen, bis er sich auf seine eigene Kutsche geschwungen hatte, und nun stieg er unter dem Beifall der zuschauenden Diener durch das Fenster in das Wageninnere.

 

Kirsch emerging presently from the neighbourhood of the hold, where he had been bellowing instructions intermingled with polyglot oaths to the ship’s men engaged in secreting the passengers’ luggage, came to give an account of himself to his brother interpreters. He informed them that the carriage belonged to a Nabob from Calcutta and Jamaica enormously rich, and with whom he was engaged to travel; and at this moment a young gentleman who had been warned off the bridge between the paddle-boxes, and who had dropped thence on to the roof of Lord Methuselah’s carriage, from which he made his way over other carriages and imperials until he had clambered on to his own, descended thence and through the window into the body of the carriage, to the applause of the couriers looking on.

»Nous allons avoir une belle traversée, Monsieur George«, sagte der Kurier mit einem Grinsen und lüftete seine goldbetreßte Mütze.

 

“Nous allons avoir une belle traversee, Monsieur George,” said the courier with a grin, as he lifted his gold-laced cap.

»Zum Teufel mit Ihrem Französisch«, erwiderte der junge Herr. »Wo ist denn der Zwieback, he?«, worauf ihm Kirsch auf englisch, oder jedenfalls in einer Nachahmung dieser Sprache, wie er gerade dazu fähig war, antwortete. Denn wenn Herr Kirsch auch mit allen Sprachen vertraut war, so beherrschte er doch keine einzige und sprach alle gleich geläufig und fehlerhaft.

 

“D — - your French,” said the young gentleman, “where’s the biscuits, ay?” Whereupon Kirsch answered him in the English language or in such an imitation of it as he could command — for though he was familiar with all languages, Mr. Kirsch was not acquainted with a single one, and spoke all with indifferent volubility and incorrectness.

Der herrschsüchtige junge Gentleman, der an seinen Zwiebäcken kaute (es war tatsächlich höchste Zeit, daß er sich etwas erquickte, denn er hatte vor nunmehr drei langen Stunden in Richmond gefrühstückt), war unser junger Freund George Osborne. Onkel Joseph und seine Mama saßen auf dem Achterdeck zusammen mit einem Herrn, den sie sehr häufig um sich hatten, und die vier hatten gerade eine Sommerreise angetreten.

 

The imperious young gentleman who gobbled the biscuits (and indeed it was time to refresh himself, for he had breakfasted at Richmond full three hours before) was our young friend George Osborne. Uncle Jos and his mamma were on the quarter-deck with a gentleman of whom they used to see a good deal, and the four were about to make a summer tour.

Joseph saß in diesem Augenblick an Deck unter dem Zelt und ganz nahe dem Grafen Bareacres und seiner Familie, deren Tun und Treiben die Aufmerksamkeit des Bengalen fast völlig in Anspruch nahm. Das edle Paar sah bedeutend jünger aus als in dem ereignisreichen Jahre 1815, als Joseph sie in Brüssel gesehen hatte. (In Indien hatte er stets erzählt, er sei eng mit der Familie befreundet.) Lady Bareacres' Haar, damals dunkel, hatte jetzt eine schöne goldbraune Farbe, und Lord Bareacres' Backenbart, früher rot, war gegenwärtig schön schwarz und schimmerte purpurn und grün im Licht. Aber bei allen Veränderungen beschäftigte Joseph das Tun und Treiben des edlen Paares stark. Die Gegenwart eines Lords hielt ihn gefangen, und er konnte seine Blicke nicht abwenden.

 

Jos was seated at that moment on deck under the awning, and pretty nearly opposite to the Earl of Bareacres and his family, whose proceedings absorbed the Bengalee almost entirely. Both the noble couple looked rather younger than in the eventful year ’15, when Jos remembered to have seen them at Brussels (indeed, he always gave out in India that he was intimately acquainted with them). Lady Bareacres’ hair, which was then dark, was now a beautiful golden auburn, whereas Lord Bareacres’ whiskers, formerly red, were at present of a rich black with purple and green reflections in the light. But changed as they were, the movements of the noble pair occupied Jos’s mind entirely. The presence of a Lord fascinated him, and he could look at nothing else.

»Die Leute dort scheinen dich sehr zu interessieren«, meinte Dobbin, der ihn beobachtet hatte, lachend. Amelia lachte ebenfalls. Sie trug einen Strohhut mit schwarzen Bändern und war auch sonst in Trauer, aber die harmlose Geschäftigkeit und die Ferienstimmung während der Reise gefielen ihr und regten sie an, und sie sah sehr glücklich aus.

 

“Those people seem to interest you a good deal,” said Dobbin, laughing and watching him. Amelia too laughed. She was in a straw bonnet with black ribbons, and otherwise dressed in mourning, but the little bustle and holiday of the journey pleased and excited her, and she looked particularly happy.

»Was für ein himmlischer Tag!« sagte Emmy und fügte etwas naiv hinzu: »Ich hoffe, wir werden eine ruhige Überfahrt haben.«

 

“What a heavenly day!” Emmy said and added, with great originality, “I hope we shall have a calm passage.”

Joseph winkte verächtlich ab und warf einen verstohlenen Blick auf die vornehmen Leute ihm gegenüber. »Wenn du solche Seereisen mitgemacht hättest wie wir«, antwortete er, »dann würdest du dich nicht um das Wetter sorgen.« Aber trotz seiner großen Erfahrungen als Seereisender verbrachte er die Nacht, entsetzlich krank, in seinem Wagen, und sein Diener mußte ihn mit Kognak, Grog und anderen Delikatessen pflegen.

 

Jos waved his hand, scornfully glancing at the same time under his eyelids at the great folks opposite. “If you had made the voyages we have,” he said, “you wouldn’t much care about the weather.” But nevertheless, traveller as he was, he passed the night direfully sick in his carriage, where his courier tended him with brandy-and-water and every luxury.

Zur festgesetzten Zeit landete die glückliche Gesellschaft im Hafen von Rotterdam, und von dort brachte sie ein anderer Dampfer nach Köln. Hier wurden Wagen und Familie an Land gebracht, und Joseph fühlte sich nicht wenig geschmeichelt, seine Ankunft in den Kölner Zeitungen als »Herr Graf Lord von Sedley nebst Begleitung aus London« angezeigt zu sehen. Er hatte seinen Galaanzug mitgebracht und darauf bestanden, daß auch Dobbin seine Offiziersutensilien mitnehmen sollte. Er erklärte, er habe die Absicht, sich an einigen ausländischen Höfen vorstellen zu lassen und den Herrschern der Länder, die er mit seinem Besuch beehrte, seine Aufwartung zu machen.

 

In due time this happy party landed at the quays of Rotterdam, whence they were transported by another steamer to the city of Cologne. Here the carriage and the family took to the shore, and Jos was not a little gratified to see his arrival announced in the Cologne newspapers as “Herr Graf Lord von Sedley nebst Begleitung aus London.” He had his court dress with him; he had insisted that Dobbin should bring his regimental paraphernalia; he announced that it was his intention to be presented at some foreign courts, and pay his respects to the Sovereigns of the countries which he honoured with a visit.

Wo immer die Gesellschaft Aufenthalt hatte und sich eine Gelegenheit bot, gab Joseph seine und des Majors Visitenkarte bei »unserem Gesandten« ab. Es gelang nur mit großer Mühe, ihn davon abzubringen, dem englischen Botschafter in der Freien Stadt Judenstadt in Dreispitz und engen Beinkleidern seine Aufwartung zu machen, als dieser gastfreundliche Beamte unsere Reisenden zum Diner lud. Er schrieb ein Reisetagebuch, in dem er die Mängel oder Vorzüge der verschiedenen Gasthäuser, in denen er abstieg, und der Weine und Gerichte, die er genoß, sorgfältig aufzeichnete.

 

Wherever the party stopped, and an opportunity was offered, Mr. Jos left his own card and the Major’s upon “Our Minister.” It was with great difficulty that he could be restrained from putting on his cocked hat and tights to wait upon the English consul at the Free City of Judenstadt, when that hospitable functionary asked our travellers to dinner. He kept a journal of his voyage and noted elaborately the defects or excellences of the various inns at which he put up, and of the wines and dishes of which he partook.

Emmy war sehr glücklich und vergnügt. Dobbin trug stets ihren Malerstuhl und ihr Skizzenbuch und bewunderte die Zeichnungen der gutmütigen kleinen Künstlerin, wie sie noch niemals bewundert worden waren. Sie saß auf Dampferdecks und zeichnete Felsen und Schlösser, oder sie bestieg Esel und ritt zu alten Raubritterburgen hinauf, und stets wurde sie von ihren beiden Adjutanten, Georgy und Dobbin, begleitet. Sie lachte über die drollige Figur, die der Major auf dem Esel abgab, wenn seine langen Beine die Erde berührten, und er stimmte ein. Er spielte den Dolmetscher für die Gesellschaft, da er vom Militär her gut Deutsch konnte, und kämpfte mit dem begeisterten George noch einmal die Feldzüge am Rhein und in der Pfalz. Im Laufe weniger Wochen machte Georgy durch beharrliche Unterhaltung mit Herrn Kirsch auf dem Kutschbock große Fortschritte im Deutschen, und er sprach mit den Kellnern und Postillionen in einer Weise, die seine Mutter entzückte und seinen Vormund amüsierte.

 

As for Emmy, she was very happy and pleased. Dobbin used to carry about for her her stool and sketch-book, and admired the drawings of the good-natured little artist as they never had been admired before. She sat upon steamers’ decks and drew crags and castles, or she mounted upon donkeys and ascended to ancient robber-towers, attended by her two aides-de-camp, Georgy and Dobbin. She laughed, and the Major did too, at his droll figure on donkey-back, with his long legs touching the ground. He was the interpreter for the party; having a good military knowledge of the German language, and he and the delighted George fought the campaigns of the Rhine and the Palatinate. In the course of a few weeks, and by assiduously conversing with Herr Kirsch on the box of the carriage, Georgy made prodigious advance in the knowledge of High Dutch, and could talk to hotel waiters and postilions in a way that charmed his mother and amused his guardian.

Joseph nahm an den Nachmittagsausflügen seiner Reisegefährten kaum teil. Nach dem Essen schlief er viel oder sonnte sich in den schönen Wirtshausgärten. Oh, die herrlichen Rheingärten. Liebliche Bilder des Friedens und Sonnenscheins! Ihr majestätischen rotglühenden Berge, deren Gipfel sich in dem prächtigen Strom spiegeln – wer hat euch je gesehen und bewahrte nicht ein dankbares Andenken an diese Szenen freundlicher Ruhe und Harmonie? Die Feder niederzulegen und nur an das schöne Rheinland zu denken macht schon glücklich. An diesen Sommerabenden kommen die Kühe in Scharen mit Gebrüll und Glockengeschepper von den Bergen in die alte Stadt mit ihren alten Gräben und Toren und Türmen und den Kastanienbäumen, die lange blaue Schatten über das Gras werfen. Der Himmel und der Fluß zu unseren Füßen flammen goldrot, und der Mond steht bereits am Himmel und blickt blaß auf den Sonnenuntergang. Die Sonne versinkt hinter den hohen burggekrönten Bergen, und plötzlich bricht die Nacht herein; der Fluß wird dunkler und dunkler, Lichterschein aus den Fenstern in den alten Wällen fällt zitternd aufs Wasser, und friedliches Licht schimmert auch in den Dörfern am Fuße des Berges am anderen Ufer.

 

Mr. Jos did not much engage in the afternoon excursions of his fellow-travellers. He slept a good deal after dinner, or basked in the arbours of the pleasant inn-gardens. Pleasant Rhine gardens! Fair scenes of peace and sunshine — noble purple mountains, whose crests are reflected in the magnificent stream — who has ever seen you that has not a grateful memory of those scenes of friendly repose and beauty? To lay down the pen and even to think of that beautiful Rhineland makes one happy. At this time of summer evening, the cows are trooping down from the hills, lowing and with their bells tinkling, to the old town, with its old moats, and gates, and spires, and chestnut-trees, with long blue shadows stretching over the grass; the sky and the river below flame in-crimson and gold; and the moon is already out, looking pale towards the sunset. The sun sinks behind the great castle-crested mountains, the night falls suddenly, the river grows darker and darker, lights quiver in it from the windows in the old ramparts, and twinkle peacefully in the villages under the hills on the opposite shore.

Joseph schlief also viel, sein indisches Taschentuch über das Gesicht gebreitet, und ließ es sich gut gehen. Er las alle Neuigkeiten aus England und jedes Wort in Galignanis bewundernswerter Zeitschrift (möge der Segen aller Engländer, die je im Ausland gewesen sind, mit den Gründern und Eigentümern dieses Raubdrucks sein!). Er wurde weder wach noch schlafend von seinen Freunden sehr vermißt. Ja, sie waren sehr glücklich. Abends gingen sie oft in die Oper – in die schmucken, anspruchslosen lieben alten Opernhäuser in den deutschen Städten, wo auf der einen Seite der Adel weinend und strümpfestrickend sitzt und die Bürgerschaft auf der anderen und wo Seine Durchlaucht der Herzog und die durchlauchtige Familie, alle sehr dick und gutmütig, die große Loge in der Mitte einnehmen und wo das Parkett voll ist von den elegantesten Offizieren mit schlanker Taille und strohgelben Schnurrbärten und einer Tagesgage von siebzehn Pfennig bei vollem Sold. Die Oper bereitete Emmy besonderes Entzücken, und hier wurde sie zum erstenmal in die Wunderwelt Mozarts und Cimarosas eingeweiht. Wir haben schon früher die Vorliebe des Majors für die Musik erwähnt und sein Flötenspiel gerühmt. Sein größtes Vergnügen in der Oper bestand jedoch darin, zu beobachten, wie Emmy von den Klängen hingerissen wurde. Eine neue Welt der Liebe und Schönheit brach über sie herein, als sie diesen göttlichen Kompositionen lauschte. Sie besaß ein feines, empfindliches Gefühl, wie konnte sie daher gleichgültig bleiben, wenn sie Mozart hörte? Die zärtlichen Stellen im »Don Giovanni« riefen eine so heftige Begeisterung in ihr hervor, daß sie sich beim Abendgebet fragte, ob es nicht gottlos sei, so viel Freude zu spüren, wie sie »Vedrai carino« und »Batti, batti« in ihrem sanften kleinen Herzen erweckten. Der Major, den sie als ihren theologischen Ratgeber darüber befragte und der selbst eine fromme und ergebene Seele besaß, erklärte ihr jedoch, daß ihn selbst alles Schöne in der Kunst und in der Natur dankbar und glücklich mache und daß das Vergnügen, das wir empfinden, wenn wir gute Musik hören, die Sterne am Himmel betrachten oder eine schöne Landschaft oder ein wertvolles Bild, eine Gnade sei, für die wir dem Himmel ebenso dankbar sein müßten wie für jede andere weltliche Segnung. Mrs. Amelia erhob einige schwache Einwände, die aus gewissen theologischen Werken wie die »Apfelfrau von Finchley« und anderen dieser Geistesrichtung stammten, mit denen sie während ihres Lebens in Brompton versorgt worden war. Als Antwort erzählte ihr der Major die orientalische Fabel von der Eule, die glaubte, der Sonnenschein sei unerträglich für die Augen und die Nachtigall werde von allen überschätzt. »Es liegt eben in der Natur des einen, zu singen, und in der des anderen, zu heulen«, sagte er lachend. »Bei der süßen Stimme, die Sie selbst haben, müssen Sie ja zur Partei der Nachtigallen gehören.«

 

So Jos used to go to sleep a good deal with his bandanna over his face and be very comfortable, and read all the English news, and every word of Galignani’s admirable newspaper (may the blessings of all Englishmen who have ever been abroad rest on the founders and proprietors of that piratical print! ) and whether he woke or slept, his friends did not very much miss him. Yes, they were very happy. They went to the opera often of evenings — to those snug, unassuming, dear old operas in the German towns, where the noblesse sits and cries, and knits stockings on the one side, over against the bourgeoisie on the other; and His Transparency the Duke and his Transparent family, all very fat and good-natured, come and occupy the great box in the middle; and the pit is full of the most elegant slim-waisted officers with straw-coloured mustachios, and twopence a day on full pay. Here it was that Emmy found her delight, and was introduced for the first time to the wonders of Mozart and Cimarosa. The Major’s musical taste has been before alluded to, and his performances on the flute commended. But perhaps the chief pleasure he had in these operas was in watching Emmy’s rapture while listening to them. A new world of love and beauty broke upon her when she was introduced to those divine compositions; this lady had the keenest and finest sensibility, and how could she be indifferent when she heard Mozart? The tender parts of “Don Juan” awakened in her raptures so exquisite that she would ask herself when she went to say her prayers of a night whether it was not wicked to feel so much delight as that with which “Vedrai Carino” and “Batti Batti” filled her gentle little bosom? But the Major, whom she consulted upon this head, as her theological adviser (and who himself had a pious and reverent soul), said that for his part, every beauty of art or nature made him thankful as well as happy, and that the pleasure to be had in listening to fine music, as in looking at the stars in the sky, or at a beautiful landscape or picture, was a benefit for which we might thank Heaven as sincerely as for any other worldly blessing. And in reply to some faint objections of Mrs. Amelia’s (taken from certain theological works like the Washerwoman of Finchley Common and others of that school, with which Mrs. Osborne had been furnished during her life at Brompton) he told her an Eastern fable of the Owl who thought that the sunshine was unbearable for the eyes and that the Nightingale was a most overrated bird. “It is one’s nature to sing and the other’s to hoot,” he said, laughing, “and with such a sweet voice as you have yourself, you must belong to the Bulbul faction.”

Ich verweile gern bei diesem Lebensabschnitt Amelias und freue mich, daß sie heiter und glücklich war. Bekanntlich hatte sie bisher noch nicht viel von diesem Leben gespürt und noch keine Mittel und Wege gefunden, ihren Geschmack oder Verstand zu bilden. Bis jetzt wurde sie von kleinen Geistern beherrscht. Das ist das Los mancher Frau, und da jede vom schönen Geschlecht die Rivalin ihrer Artgenossinnen ist, so gilt Schüchternheit als Torheit in ihrem barmherzigen Urteil und Sanftmut als Dummheit, und besonders Schweigsamkeit findet keine Gnade in den Augen der weiblichen Inquisition, denn diese Eigenschaft ist doch die schüchterne Absage an die lästige Anmaßung der Herrschenden und ein stummer Protest. Wenn also, mein lieber gesitteter Leser, du und ich heute abend in eine Gesellschaft von Grünkramhändlern gerieten, so würde unsere Unterhaltung wahrscheinlich kaum brillant werden. Wenn sich andererseits ein Gemüsehändler in deiner gebildeten, eleganten Teetischrunde einfinden würde, wo jedermann geistreich redet und alle die angesehenen Leute von Welt ihre Freunde auf reizende Art in Stücke zerreißen, so wäre der Fremde möglicherweise auch nicht sehr gesprächig und würde weder interessiert noch interessant scheinen.

 

I like to dwell upon this period of her life and to think that she was cheerful and happy. You see, she has not had too much of that sort of existence as yet, and has not fallen in the way of means to educate her tastes or her intelligence. She has been domineered over hitherto by vulgar intellects. It is the lot of many a woman. And as every one of the dear sex is the rival of the rest of her kind, timidity passes for folly in their charitable judgments; and gentleness for dulness; and silence — which is but timid denial of the unwelcome assertion of ruling folks, and tacit protestantism — above all, finds no mercy at the hands of the female Inquisition. Thus, my dear and civilized reader, if you and I were to find ourselves this evening in a society of greengrocers, let us say, it is probable that our conversation would not be brilliant; if, on the other hand, a greengrocer should find himself at your refined and polite tea-table, where everybody was saying witty things, and everybody of fashion and repute tearing her friends to pieces in the most delightful manner, it is possible that the stranger would not be very talkative and by no means interesting or interested.

Wir müssen auch bedenken, daß die arme Dame bis zum Augenblick noch keinem wahren Gentleman begegnet war. Wahrscheinlich findet man die seltener, als mancher von uns annimmt. Wer von uns kann in seinem Kreis viele davon aufweisen? Männer, die nur edle Ziele verfolgen, Männer, die standhaft, aufrichtig und treu sind, Männer, die schlicht und einfach sind, weil ihnen alles Gemeine fremd ist, und die der Welt ehrlich ins Angesicht blicken, mit gleicher männlicher Sympathie für das Große wie für das Kleine. Wir alle kennen hundert, die gutgearbeitete Kleider tragen, und ein Dutzend mit ausgezeichneten Manieren und ein paar Glückliche, die sich in den sogenannten innersten Kreisen bewegen und in der vornehmen Welt das Zentrum der Scheibe getroffen, ins Schwarze geschossen haben. Aber wie viele wahre Gentlemen sind darunter? Nehmen wir jeder ein Stückchen Papier und schreiben wir eine Liste.

 

And it must be remembered that this poor lady had never met a gentleman in her life until this present moment. Perhaps these are rarer personages than some of us think for. Which of us can point out many such in his circle — men whose aims are generous, whose truth is constant, and not only constant in its kind but elevated in its degree; whose want of meanness makes them simple; who can look the world honestly in the face with an equal manly sympathy for the great and the small? We all know a hundred whose coats are very well made, and a score who have excellent manners, and one or two happy beings who are what they call in the inner circles, and have shot into the very centre and bull’s-eye of the fashion; but of gentlemen how many? Let us take a little scrap of paper and each make out his list.

Meinen Freund, den Major, setze ich ohne Zögern auf meine. Er hatte sehr lange Beine, ein gelbes Gesicht und lispelte ein wenig, was ihn auf den ersten Blick etwas lächerlich erscheinen ließ. Seine Gedanken aber waren rechtschaffen, sein Verstand klar, sein Leben ehrlich und lauter und sein Herz warm und bescheiden. Sicher, er hatte sehr große Hände und Füße, die die beiden George Osbornes verspottet und belacht hatten, und vielleicht lenkten auch ihre Neckereien und ihr Lachen die kleine Emmy von seinen wahren Werten ab. Sind wir aber nicht schon alle hinsichtlich unserer Helden irregeführt worden, und haben wir nicht unsere Ansichten hundertmal geändert? Emmy stellte in dieser glücklichen Zeit fest, daß ihre Meinung über die Verdienste des Majors eine gründliche Änderung erfuhr.

 

My friend the Major I write, without any doubt, in mine. He had very long legs, a yellow face, and a slight lisp, which at first was rather ridiculous. But his thoughts were just, his brains were fairly good, his life was honest and pure, and his heart warm and humble. He certainly had very large hands and feet, which the two George Osbornes used to caricature and laugh at; and their jeers and laughter perhaps led poor little Emmy astray as to his worth. But have we not all been misled about our heroes and changed our opinions a hundred times? Emmy, in this happy time, found that hers underwent a very great change in respect of the merits of the Major.

Vielleicht war es die glücklichste Zeit im Leben beider, wenn sie es nur gewußt hätten – aber wer weiß das schon? Wer von uns kann mit dem Finger darauf deuten und sagen: Dies war der Höhepunkt, der Gipfel menschlicher Freude? Auf jeden Fall war aber das Paar ganz zufrieden und genoß eine so angenehme Sommerreise wie nur irgendein Paar, das England in diesem Jahre verließ. George war immer mit im Theater, aber es war der Major, der Emmy hinterher den Schal umlegte, und bei den Spaziergängen und Ausflügen eilte der kleine Bursche stets voraus und kletterte auf einer Turmtreppe herum oder saß auf einem Baum, während das gesetztere Paar unten blieb, der Major beharrlich und seelenruhig seine Zigarre rauchte und Amelia die Landschaft oder die Ruine zeichnete. Es geschah auf dieser Reise, daß ich, der Verfasser dieser wortwörtlich wahren Geschichte, das Vergnügen hatte, sie zum erstenmal zu sehen und ihre Bekanntschaft zu machen.

 

Perhaps it was the happiest time of both their lives, indeed, if they did but know it — and who does? Which of us can point out and say that was the culmination — that was the summit of human joy? But at all events, this couple were very decently contented, and enjoyed as pleasant a summer tour as any pair that left England that year. Georgy was always present at the play, but it was the Major who put Emmy’s shawl on after the entertainment; and in the walks and excursions the young lad would be on ahead, and up a tower-stair or a tree, whilst the soberer couple were below, the Major smoking his cigar with great placidity and constancy, whilst Emmy sketched the site or the ruin. It was on this very tour that I, the present writer of a history of which every word is true, had the pleasure to see them first and to make their acquaintance.

In der kleinen gemütlichen großherzoglichen Stadt Pumpernickel (derselben, in der sich Sir Pitt Crawley als Attache ausgezeichnet hatte; das war aber lange, lange vorher, noch ehe die Nachricht von der Schlacht bei Austerlitz eintraf und als alle englischen Diplomaten in Deutschland rechtsum kehrtmachen mußten) sah ich Oberst Dobbin und seine Gesellschaft zum erstenmal. Sie waren mit dem Wagen und dem Reisediener angekommen und im »Erbprinz«, dem besten Hotel der Stadt, abgestiegen, und die ganze Gesellschaft speiste an der Table d'hôte. Alle bemerkten sofort das majestätische Wesen Josephs und die Kennermiene, mit der er den Johannisberger, den er zum Diner bestellt hatte, schlürfte oder vielmehr einsaugte. Auch der kleine Knabe bezeigte einen guten Appetit und verspeiste Schinken und Braten und Kartoffeln und Preiselbeermarmelade und Salat und Pudding und gebratenes Huhn und Zuckerwerk mit einer Tapferkeit, die seiner Nation alle Ehre machte. Nach etwa fünfzehn Gängen beendigte er das Mahl mit dem Dessert, von dem er sogar noch etwas mit hinausnahm. Einige junge Herren am Tisch hatten ihn nämlich veranlaßt, von seiner Kaltblütigkeit und seinem unbekümmerten Wesen amüsiert, eine Handvoll Makronen in die Tasche zu stecken, die er dann auf dem Wege zum Theater verspeiste. Dahin gingen alle in dem heiteren, geselligen deutschen Städtchen. Die Dame in Schwarz, die Mama des Knaben, lachte und errötete und blickte abwechselnd erfreut und betreten drein, als das Diner immer weiterging und ihr Sohn seine verschiedenen Heldenstückchen und Eulenspiegeleien verübte. Ich erinnere mich noch, wie der Oberst – denn das wurde er bald darauf – den Knaben mit ernsthaftem Gesicht aufzog, ihm Gerichte zeigte, die er noch nicht gekostet hatte, und ihn bat, seinem Appetit keine Zügel anzulegen, sondern von diesem oder jenem noch einmal zu nehmen.

 

It was at the little comfortable Ducal town of Pumpernickel (that very place where Sir Pitt Crawley had been so distinguished as an attache; but that was in early early days, and before the news of the Battle of Austerlitz sent all the English diplomatists in Germany to the right about) that I first saw Colonel Dobbin and his party. They had arrived with the carriage and courier at the Erbprinz Hotel, the best of the town, and the whole party dined at the table d’hote. Everybody remarked the majesty of Jos and the knowing way in which he sipped, or rather sucked, the Johannisberger, which he ordered for dinner. The little boy, too, we observed, had a famous appetite, and consumed schinken, and braten, and kartoffeln, and cranberry jam, and salad, and pudding, and roast fowls, and sweetmeats, with a gallantry that did honour to his nation. After about fifteen dishes, he concluded the repast with dessert, some of which he even carried out of doors, for some young gentlemen at table, amused with his coolness and gallant free-and-easy manner, induced him to pocket a handful of macaroons, which he discussed on his way to the theatre, whither everybody went in the cheery social little German place. The lady in black, the boy’s mamma, laughed and blushed, and looked exceedingly pleased and shy as the dinner went on, and at the various feats and instances of espieglerie on the part of her son. The Colonel — for so he became very soon afterwards — I remember joked the boy with a great deal of grave fun, pointing out dishes which he hadn’t tried, and entreating him not to baulk his appetite, but to have a second supply of this or that.

Es gab einen sogenannten Gastrollenabend im Königlich-Großherzoglichen Hoftheater zu Pumpernickel, und Madame Schröder-Devrient, damals in der Blüte ihrer Schönheit und Kunst, spielte die Heldin in der wundervollen Oper »Fidelio«. Von unseren Sperrsitzplätzen aus konnten wir unsere vier Freunde von der Table d'hôte in der Loge sehen, die Schwendler, der Wirt vom »Erbprinz«, für seine besten Gäste gemietet hatte, und mir fiel sofort ins Auge, wie die herrliche Sängerin und die Musik auf Mrs. Osborne wirkten (so hatten wir den korpulenten Herrn mit Schnurrbart die Dame nennen hören). Während des wunderbaren Gefangenenchores, über den sich die prachtvolle Stimme der Sängerin in hinreißenden Harmonien erhob, nahm ihr Gesicht solch einen Ausdruck staunenden Entzückens an, daß es selbst dem kleinen Fipps, dem blasierten Attaché, auffiel und er, sein Theaterglas auf sie gerichtet, näselte: »Boi Gott, ös tut oinem wörklich wohl, oin Woib zu sehen, das oiner solchen Begoisterung fähig öst.« In der Gefängnisszene, wo Fidelio auf ihren Gatten zustürzt und ruft: »Nichts, nichts, mein Florestan!«, verlor sie die Beherrschung und bedeckte ihr Gesicht mit dem Taschentuch. Sämtliche Damen im Hause schnüffelten bei dieser Szene, und ich nehme an, daß sie mir nur deshalb besonders auffiel, weil es mir bestimmt war, ihre Memoiren zu schreiben.

 

It was what they call a gast-rolle night at the Royal Grand Ducal Pumpernickelisch Hof — or Court theatre — and Madame Schroeder Devrient, then in the bloom of her beauty and genius, performed the part of the heroine in the wonderful opera of Fidelio. From our places in the stalls we could see our four friends of the table d’hote in the loge which Schwendler of the Erbprinz kept for his best guests, and I could not help remarking the effect which the magnificent actress and music produced upon Mrs. Osborne, for so we heard the stout gentleman in the mustachios call her. During the astonishing Chorus of the Prisoners, over which the delightful voice of the actress rose and soared in the most ravishing harmony, the English lady’s face wore such an expression of wonder and delight that it struck even little Fipps, the blase attache, who drawled out, as he fixed his glass upon her, “Gayd, it really does one good to see a woman caypable of that stayt of excaytement.” And in the Prison Scene, where Fidelio, rushing to her husband, cries, “Nichts, nichts, mein Florestan,” she fairly lost herself and covered her face with her handkerchief. Every woman in the house was snivelling at the time, but I suppose it was because it was predestined that I was to write this particular lady’s memoirs that I remarked her.

Am nächsten Tage führte man ein anderes Werk von Beethoven, »Die Schlacht bei Vitoria«, auf. Es fängt mit dem Spottlied auf Marlborough an, um das schnelle Vorrücken des französischen Heeres anzudeuten. Dann kommen Trommeln, Trompeten, Kanonendonner und das Ächzen der Sterbenden und schließlich in einem großartigen anschwellenden Schluß die englische Nationalhymne »Gott schütz den König«.

 

The next day they gave another piece of Beethoven, Die Schlacht bei Vittoria. Malbrook is introduced at the beginning of the performance, as indicative of the brisk advance of the French army. Then come drums, trumpets, thunders of artillery, and groans of the dying, and at last, in a grand triumphal swell, “God Save the King” is performed.

Es mochte ein reichliches Dutzend Engländer im Theater sein, und beim Erklingen dieser geliebten und bekannten Musik erhoben sich alle Briten, wir jungen Burschen im Parkett, Sir John und Lady Bullminster (die in Pumpernickel ein Haus gemietet hatten, um ihre neun Kinder zu erziehen), der dicke Herr mit dem Schnurrbart, der lange Major in den weißen Leinenhosen und die Dame mit dem kleinen Knaben, denen er soviel Aufmerksamkeit bewies, ja selbst der Diener Kirsch auf der Galerie, von ihren Plätzen und bekannten sich als Angehörige der guten alten britischen Nation. Tapeworm, der Legationssekretär, stand ebenfalls in seiner Loge auf und verbeugte sich und lächelte geziert, als ob er das ganze Königreich repräsentieren wollte. Tapeworm war der Neffe und Erbe des alten Marschalls Tiptoff, der in dieser Geschichte als General Tiptoff kurz vor Waterloo erwähnt worden ist. Er war Oberst des ...ten Regiments, in dem Major Dobbin diente, und starb in diesem Jahr ehrenvoll an einem Gericht von Kiebitzeiern in Aspik. Daraufhin übergab Seine Majestät das Regiment gnädig dem Befehl von Oberst Sir Michael O'Dowd, Komtur des Bath-Ordens, der es durch viele ruhmvolle Schlachten geführt hatte.

 

There may have been a score of Englishmen in the house, but at the burst of that beloved and well-known music, every one of them, we young fellows in the stalls, Sir John and Lady Bullminster (who had taken a house at Pumpernickel for the education of their nine children), the fat gentleman with the mustachios, the long Major in white duck trousers, and the lady with the little boy upon whom he was so sweet, even Kirsch, the courier in the gallery, stood bolt upright in their places and proclaimed themselves to be members of the dear old British nation. As for Tapeworm, the Charge d’Affaires, he rose up in his box and bowed and simpered, as if he would represent the whole empire. Tapeworm was nephew and heir of old Marshal Tiptoff, who has been introduced in this story as General Tiptoff, just before Waterloo, who was Colonel of the — th regiment in which Major Dobbin served, and who died in this year full of honours, and of an aspic of plovers’ eggs; when the regiment was graciously given by his Majesty to Colonel Sir Michael O’Dowd, K.C.B. who had commanded it in many glorious fields.

Tapeworm mußte Major Dobbin im Hause des Vorgesetzten des Obersten, des Marschalls, getroffen haben, denn er erkannte ihn an diesem Abend im Theater, und der Gesandte Seiner Majestät kam mit der größten Herablassung aus seiner Loge und drückte dem neuen Freund öffentlich die Hand.

 

Tapeworm must have met with Colonel Dobbin at the house of the Colonel’s Colonel, the Marshal, for he recognized him on this night at the theatre, and with the utmost condescension, his Majesty’s minister came over from his own box and publicly shook hands with his new-found friend.

»Seht nur den verteufelten Schlauberger von Tapeworm an«, flüsterte Fipps, als er seinen Vorgesetzten vom Parkett aus beobachtete. »Wo sich eine hübsche Frau zeigt, da schleicht er sich sofort ein.« Nun, ich möchte wissen, wozu denn Diplomaten da sind, wenn nicht dafür.

 

“Look at that infernal sly-boots of a Tapeworm,” Fipps whispered, examining his chief from the stalls. “Wherever there’s a pretty woman he always twists himself in.” And I wonder what were diplomatists made for but for that?

»Habe ich die Ehre, mit Mrs. Dobbin zu sprechen?« fragte der Sekretär mit schmeichlerischem Grinsen.

 

“Have I the honour of addressing myself to Mrs. Dobbin?” asked the Secretary with a most insinuating grin.

George brach in lautes Gelächter aus und sagte: »Beim Zeus, das ist ein guter Witz.« Emmy und der Major erröteten; wir beobachteten sie von unseren Plätzen aus.

 

Georgy burst out laughing and said, “By Jove, that was a good ’un.” Emmy and the Major blushed: we saw them from the stalls.

»Diese Dame ist Mrs. George Osborne«, sagte der Major, »und dies ist ihr Bruder, Mr. Sedley, ein hervorragender Beamter im bengalischen Zivildienst. Erlauben Sie mir, ihn Eurer Lordschaft vorzustellen.«

 

“This lady is Mrs. George Osborne,” said the Major, “and this is her brother, Mr. Sedley, a distinguished officer of the Bengal Civil Service: permit me to introduce him to your lordship.”

Bei dem bezaubernden Lächeln des Lords verlor Joseph beinahe das Gleichgewicht. »Wollen Sie sich längere Zeit in Pumpernickel aufhalten?« fragte der Lord. »Es ist ein langweiliges Nest, und wir brauchen nette Leute. Wir werden versuchen, es Ihnen so angenehm wie möglich zu machen. Mr. – ehem – Mrs. – oho – ich werde die Ehre haben, Ihnen morgen in Ihrem Hotel meine Aufwartung zu machen.« Er ging weg mit einem sieghaften Lächeln und einem Blick, der Mrs. Osborne seiner Meinung nach völlig erledigen mußte.

 

My lord nearly sent Jos off his legs with the most fascinating smile. “Are you going to stop in Pumpernickel?” he said. “It is a dull place, but we want some nice people, and we would try and make it so agreeable to you. Mr. — Ahum — Mrs. — Oho. I shall do myself the honour of calling upon you to-morrow at your inn.” And he went away with a Parthian grin and glance which he thought must finish Mrs. Osborne completely.

Nach Schluß der Vorstellung trieben sich die jungen Leute im Foyer herum, und wir sahen die höheren Gesellschaften aufbrechen. Die Herzoginwitwe fuhr in ihrer klappernden alten Kutsche ab, begleitet von zwei treuen, verwelkten alten Hofdamen und einem kleinen, verdrießlichen, dürrbeinigen Kammerherrn in einer braunen Perücke und einem grünen, ordenbedeckten Rock, auf dem der Stern und das gelbe Band des Sankt-Michaels-Ordens von Pumpernickel besonders ins Auge fielen. Die Trommeln wirbelten, die Wache präsentierte, und die alte Kutsche fuhr ab.

 

The performance over, the young fellows lounged about the lobbies, and we saw the society take its departure. The Duchess Dowager went off in her jingling old coach, attended by two faithful and withered old maids of honour, and a little snuffy spindle-shanked gentleman in waiting, in a brown jasey and a green coat covered with orders — of which the star and the grand yellow cordon of the order of St. Michael of Pumpernickel were most conspicuous. The drums rolled, the guards saluted, and the old carriage drove away.

Dann kam Seine Durchlaucht der Herzog mit der durchlauchtigen Familie nebst seinen hohen Staats- und Hofbeamten. Er verbeugte sich gelassen gegen jedermann, und inmitten der salutierenden Wachen und der flackernden Fackeln, die von purpurgekleideten Lakaien getragen wurden, fuhren die durchlauchtigen Kutschen nach dem alten Herzogschloß mit seinen Türmen und Zinnen auf dem Schloßberg. In Pumpernickel kannte jeder jeden. Kaum war ein Fremder aufgetaucht, so begab sich auch schon der Minister des Auswärtigen oder auch irgendein hoher oder niedriger Staatsbeamter zum »Erbprinzen« und erkundigte sich nach dem Namen des Neuankömmlings.

 

Then came his Transparency the Duke and Transparent family, with his great officers of state and household. He bowed serenely to everybody. And amid the saluting of the guards and the flaring of the torches of the running footmen, clad in scarlet, the Transparent carriages drove away to the old Ducal schloss, with its towers and pinacles standing on the schlossberg. Everybody in Pumpernickel knew everybody. No sooner was a foreigner seen there than the Minister of Foreign Affairs, or some other great or small officer of state, went round to the Erbprinz and found out the name of the new arrival.

Wir sahen auch sie das Theater verlassen. Tapeworm war gerade fortgegangen. Er war in seinen Mantel gehüllt, mit dem ihn sein riesiger Diener stets erwartete, und glich, soweit es ihm möglich war, Don Juan. Die Gemahlin des Ministerpräsidenten hatte sich soeben in ihre Sänfte gequetscht, und ihre Tochter, die bezaubernde Ida, hatte Kapuze und Galoschen angelegt, als die Engländer herauskamen. Der Knabe gähnte entsetzlich, der Major gab sich die größte Mühe, den Schal über Mrs. Osbornes Kopf am Rutschen zu hindern, und Mr. Sedley sah großartig aus mit dem Klapphut auf einem Ohr und der Hand in der Tasche seiner umfangreichen weißen Weste. Wir zogen den Hut vor unseren Bekannten von der Table d'hôte, und die Dame dankte uns mit einem Lächeln und einem kleinen Knicks. Jeder von uns konnte froh darüber sein. Die Kutsche des Gasthofs, unter der Aufsicht des geschäftigen Herrn Kirsch, stand bereit, um die Gesellschaft fortzubringen. Der dicke Herr erklärte jedoch, er wolle zu Fuß gehen und auf dem Heimweg seine Zigarre rauchen; so fuhren die anderen drei mit einem Kopfnicken und Lächeln für uns ohne Mr. Sedley ab, und Kirsch folgte mit dem Zigarrenetui der Spur seines Herrn.

 

We watched them, too, out of the theatre. Tapeworm had just walked off, enveloped in his cloak, with which his gigantic chasseur was always in attendance, and looking as much as possible like Don Juan. The Prime Minister’s lady had just squeezed herself into her sedan, and her daughter, the charming Ida, had put on her calash and clogs; when the English party came out, the boy yawning drearily, the Major taking great pains in keeping the shawl over Mrs. Osborne’s head, and Mr. Sedley looking grand, with a crush opera-hat on one side of his head and his hand in the stomach of a voluminous white waistcoat. We took off our hats to our acquaintances of the table d’hote, and the lady, in return, presented us with a little smile and a curtsey, for which everybody might be thankful. The carriage from the inn, under the superintendence of the bustling Mr. Kirsch, was in waiting to convey the party; but the fat man said he would walk and smoke his cigar on his way homewards, so the other three, with nods and smiles to us, went without Mr. Sedley, Kirsch, with the cigar case, following in his master’s wake.

Wir gingen miteinander und erzählten dem dicken Herrn von den Vergnügungen des Ortes. Das Leben war sehr angenehm für Engländer. Es gab Jagden und ganz speziell Treibjagden und eine Menge von Bällen und Unterhaltungen an dem gastfreien Hof. Die Gesellschaft war im allgemeinen gut, das Theater vortrefflich und das Leben nicht teuer.

 

We all walked together and talked to the stout gentleman about the agremens of the place. It was very agreeable for the English. There were shooting-parties and battues; there was a plenty of balls and entertainments at the hospitable Court; the society was generally good; the theatre excellent; and the living cheap.

»Und unser Gesandter scheint ein sehr angenehmer und leutseliger Mensch zu sein«, meinte unser neuer Freund. »Bei so einem Repräsentanten und – und einem tüchtigen Arzt stelle ich mir vor, daß es sich in dieser Stadt gut leben läßt. Gute Nacht, meine Herren.« Und damit stieg Joseph die knarrende Treppe hinauf, in Richtung auf sein Bett, gefolgt von Kirsch mit dem Leuchter. Wir hofften, daß sich die hübsche Frau bewegen lassen würde, einige Zeit in der Stadt zu verweilen.

 

“And our Minister seems a most delightful and affable person,” our new friend said. “With such a representative, and — and a good medical man, I can fancy the place to be most eligible. Good-night, gentlemen.” And Jos creaked up the stairs to bedward, followed by Kirsch with a flambeau. We rather hoped that nice-looking woman would be induced to stay some time in the town.


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