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54. Kapitel / Chapter 54

Der Sonntag nach der Schlacht / Sunday After the Battle

Das Haus Sir Pitt Crawleys in der Great Gaunt Street hatte gerade begonnen, sich für den Tag zu rüsten, als Rawdon in seinem Abendanzug, den er jetzt schon zwei Tage lang trug, an der erschrockenen Frau, die die Treppe scheuerte, vorübereilte und seines Bruders Studierzimmer betrat. Lady Jane war noch im Morgenrock oben in der Kinderstube und überwachte die Toilette ihrer Kinder und lauschte den Morgengebeten, die die kleinen Geschöpfe an ihrem Knie aufsagten. Jeden Morgen tat sie das mit ihnen allein noch vor der allgemeinen Andacht, die Sir Pitt leitete und zu der sich alle Bewohner des Hauses versammeln mußten. Rawdon setzte sich im Studierzimmer an den Tisch des Baronets, der mit schön geordneten Parlamentsberichten und Briefen, sauber beschrifteten Rechnungen, symmetrisch gestapelten Broschüren, verschlossenen Rechnungsbüchern und Depeschenkästen bedeckt war. Die Bibel, die »Quarterly Review« und der Adelskalender standen alle wie zur Parade, als ob sie die Besichtigung durch ihren Herrn erwarteten.

 

The mansion of Sir Pitt Crawley, in Great Gaunt Street, was just beginning to dress itself for the day, as Rawdon, in his evening costume, which he had now worn two days, passed by the scared female who was scouring the steps and entered into his brother’s study. Lady Jane, in her morning-gown, was up and above stairs in the nursery superintending the toilettes of her children and listening to the morning prayers which the little creatures performed at her knee. Every morning she and they performed this duty privately, and before the public ceremonial at which Sir Pitt presided and at which all the people of the household were expected to assemble. Rawdon sat down in the study before the Baronet’s table, set out with the orderly blue books and the letters, the neatly docketed bills and symmetrical pamphlets, the locked account-books, desks, and dispatch boxes, the Bible, the Quarterly Review, and the Court Guide, which all stood as if on parade awaiting the inspection of their chief.

Ein Buch mit Familienpredigten, von denen Sir Pitt am Sonntagmorgen jeweils eine seiner Familie vorzulesen pflegte, lag auf dem Schreibtisch bereit und erwartete seine fachkundige Wahl. Neben dem Predigtbuch lag der »Observer«, noch feucht und sauber gefaltet, zu Sir Pitts Privatgebrauch. Sein Kammerdiener ergriff als einziger die Gelegenheit, die Zeitung durchzusehen, bevor er sie seinem Herrn auf den Tisch legte. Ehe er sie an diesem Morgen in das Studierzimmer gebracht hatte, hatte er darin einen glühenden Bericht unter dem Titel »Festlichkeiten im Gaunt-Haus« gelesen mit den Namen aller von Marquis Steyne geladenen hervorragenden Persönlichkeiten, die Seine Königliche Hoheit getroffen hatten. Nachdem er im Zimmer der Haushälterin mit ihr und ihrer Nichte seinen Frühstückstee und Röstbrot mit Butter eingenommen und dabei die Kommentare zu dem Fest vorgelesen hatte (er gab auch seiner Verwunderung Ausdruck, wovon die Crawleys denn bloß leben mochten), befeuchtete und faltete er die Zeitung von neuem, so daß sie dem Herrn des Hauses ganz frisch und unschuldig erscheinen mußte.

 

A book of family sermons, one of which Sir Pitt was in the habit of administering to his family on Sunday mornings, lay ready on the study table, and awaiting his judicious selection. And by the sermon-book was the Observer newspaper, damp and neatly folded, and for Sir Pitt’s own private use. His gentleman alone took the opportunity of perusing the newspaper before he laid it by his master’s desk. Before he had brought it into the study that morning, he had read in the journal a flaming account of “Festivities at Gaunt House,” with the names of all the distinguished personages invited by tho Marquis of Steyne to meet his Royal Highness. Having made comments upon this entertainment to the housekeeper and her niece as they were taking early tea and hot buttered toast in the former lady’s apartment, and wondered how the Rawding Crawleys could git on, the valet had damped and folded the paper once more, so that it looked quite fresh and innocent against the arrival of the master of the house.

Der arme Rawdon nahm das Blatt und versuchte zu lesen, bis sein Bruder kommen würde. Aber die Buchstaben ergaben ihm keinen Sinn, und er hatte keine Ahnung von dem, was er las. Die Regierungsnachrichten und Ernennungen (die mußte Sir Pitt als Mann des öffentlichen Lebens lesen, denn sonst hätte er keine Sonntagszeitung in seinem Hause geduldet), die Theaterkritiken, der Boxkampf um hundert Pfund zwischen dem »Kläffenden Schlächter« und dem »Liebling von Tutbury«, sogar die Berichte vom Gaunt-Haus, die eine sehr schmeichelhafte, wenn auch vorsichtige Beschreibung der berühmten Scharaden und ihrer Heldin Mrs. Becky brachten – all das zog wie im Nebel an ihm vorüber, als er saß und das Familienoberhaupt erwartete.

 

Poor Rawdon took up the paper and began to try and read it until his brother should arrive. But the print fell blank upon his eyes, and he did not know in the least what he was reading. The Government news and appointments (which Sir Pitt as a public man was bound to peruse, otherwise he would by no means permit the introduction of Sunday papers into his household), the theatrical criticisms, the fight for a hundred pounds a side between the Barking Butcher and the Tutbury Pet, the Gaunt House chronicle itself, which contained a most complimentary though guarded account of the famous charades of which Mrs. Becky had been the heroine — all these passed as in a haze before Rawdon, as he sat waiting the arrival of the chief of the family.

Pünktlich mit dem schrillen Klang der schwarzen Marmoruhr auf dem Kaminsims, die gerade neun schlug, erschien Sir Pitt, frisch, sauber, glattrasiert, mit wächsernem Gesicht und steifem Hemdkragen, das spärliche Haar sorgfältig gekämmt und pomadisiert. Er kam majestätisch mit gestärkter Krawatte und im grauen Flanellschlafrock die Treppe herab und schnitt sich die Nägel – ein echter englischer Gentleman, das Musterbeispiel von Sauberkeit und Korrektheit. Als er in seinem Studierzimmer den armen Rawdon in unordentlichen Kleidern, mit blutunterlaufenen Augen und in das Gesicht hängenden Haaren erblickte, fuhr er zurück. Er glaubte, sein Bruder sei nicht nüchtern und habe die ganze Nacht bei irgendeiner Orgie verbracht. »Guter Gott, Rawdon«, rief er bestürzt. »Was führt dich in dieser Morgenstunde hierher? Warum bist du nicht zu Hause?«

 

Punctually, as the shrill-toned bell of the black marble study clock began to chime nine, Sir Pitt made his appearance, fresh, neat, smugly shaved, with a waxy clean face, and stiff shirt collar, his scanty hair combed and oiled, trimming his nails as he descended the stairs majestically, in a starched cravat and a grey flannel dressing-gown — a real old English gentleman, in a word — a model of neatness and every propriety. He started when he saw poor Rawdon in his study in tumbled clothes, with blood-shot eyes, and his hair over his face. He thought his brother was not sober, and had been out all night on some orgy. “Good gracious, Rawdon,” he said, with a blank face, “what brings you here at this time of the morning? Why ain’t you at home?”

»Zu Hause!« entgegnete Rawdon mit wildem Lachen. »Keine Angst, Pitt. Ich bin nicht betrunken. Mach die Tür zu, ich muß mit dir sprechen.«

 

“Home,” said Rawdon with a wild laugh. “Don’t be frightened, Pitt. I’m not drunk. Shut the door; I want to speak to you.”

Pitt schloß die Tür und trat an den Tisch. Er ließ sich in dem zweiten Armstuhl nieder, der dort für seinen Verwalter, seinen Beauftragten oder sonstige Besucher bereitstand, die mit dem Baronet vertrauliche Geschäfte abzuschließen hatten. Heftiger als je schnitt er an seinen Nägeln herum.

 

Pitt closed the door and came up to the table, where he sat down in the other arm-chair — that one placed for the reception of the steward, agent, or confidential visitor who came to transact business with the Baronet — and trimmed his nails more vehemently than ever.

»Pitt, es ist alles aus!« sagte der Oberst nach einer Pause. »Ich bin erledigt.«

 

“Pitt, it’s all over with me,” the Colonel said after a pause. “I’m done.”

»Ich habe es immer gesagt, daß es noch dazu kommen würde«, rief der Baronet ärgerlich und trommelte mit seinen säuberlich geschnittenen Nägeln auf dem Tisch herum. »Ich habe dich tausendmal gewarnt. Ich kann dir nicht mehr helfen. Die Verwendung von jedem Shilling meines Geldes ist festgelegt. Selbst die hundert Pfund, die Jane dir gestern gebracht hat, waren meinem Rechtsanwalt für morgen früh versprochen, und daß sie mir jetzt fehlen, bringt mich in große Verlegenheit. Ich meine damit nicht, daß ich dir schließlich nicht doch helfen will. Aber wenn ich alle deine Gläubiger befriedigen sollte, so könnte ich ebensogut wünschen, die Staatsschuld bezahlen zu können. Es ist Wahnsinn, reiner Wahnsinn, daran auch nur zu denken. Du mußt zu einem Vergleich kommen, es ist schmerzlich für die Familie, aber alle tun es. George Kitely, Lord Raglands Sohn, hat vorige Woche vor Gericht gestanden und sich, glaube ich, mit seinen Gläubigern verglichen. Lord Ragland wollte keinen Shilling für ihn bezahlen, und ...«

 

“I always said it would come to this,” the Baronet cried peevishly, and beating a tune with his clean-trimmed nails. “I warned you a thousand times. I can’t help you any more. Every shilling of my money is tied up. Even the hundred pounds that Jane took you last night were promised to my lawyer to-morrow morning, and the want of it will put me to great inconvenience. I don’t mean to say that I won’t assist you ultimately. But as for paying your creditors in full, I might as well hope to pay the National Debt. It is madness, sheer madness, to think of such a thing. You must come to a compromise. It’s a painful thing for the family, but everybody does it. There was George Kitely, Lord Ragland’s son, went through the Court last week, and was what they call whitewashed, I believe. Lord Ragland would not pay a shilling for him, and — ”

»Ich brauche kein Geld«, unterbrach ihn Rawdon. »Ich komme nicht meinetwegen. Kümmere dich nicht darum, was aus mir wird «

 

“It’s not money I want,” Rawdon broke in. “I’m not come to you about myself. Never mind what happens to me "

»Worum handelt es sich denn?« fragte Pitt, etwas erleichtert.

 

“What is the matter, then?” said Pitt, somewhat relieved.

»Es geht um den Jungen«, antwortete Rawdon mit heiserer Stimme. »Ich möchte gern, daß du mir versprichst, dich seiner anzunehmen, wenn ich nicht mehr da bin. Deine liebe, gute Frau ist immer gut zu ihm gewesen, und er liebt sie mehr als seine ... Verdammt! Sieh mal, Pitt, du weißt, daß ich Miss Crawleys Geld haben sollte. Ich bin nicht wie ein jüngerer Bruder erzogen worden, und man hat mich stets zu Verschwendung und Müßiggang ermuntert. Ohne das hätte ich ein ganz anderer Mensch werden können. Ich habe meine Pflichten beim Regiment nicht schlecht erfüllt. Du weißt, wie ich in bezug auf das Geld ausgebootet worden bin und wer es dann erhalten hat.«

 

“It’s the boy,” said Rawdon in a husky voice. “I want you to promise me that you will take charge of him when I’m gone. That dear good wife of yours has always been good to him; and he’s fonder of her than he is of his . . . — Damn it. Look here, Pitt — you know that I was to have had Miss Crawley’s money. I wasn’t brought up like a younger brother, but was always encouraged to be extravagant and kep idle. But for this I might have been quite a different man. I didn’t do my duty with the regiment so bad. You know how I was thrown over about the money, and who got it.”

»Nach den Opfern, die ich dir brachte, und der Art, wie ich dir beigestanden habe, halte ich diese Art von Vorwürfen für sinnlos«, sagte Sir Pitt. »Deine Heirat war dein Werk, nicht meins.«

 

“After the sacrifices I have made, and the manner in which I have stood by you, I think this sort of reproach is useless,” Sir Pitt said. “Your marriage was your own doing, not mine.”

»Das ist jetzt vorbei«, sagte Rawdon. »Das ist jetzt vorbei!« Die Worte entrangen sich ihm mit einem Stöhnen, und sein Bruder erschrak.

 

“That’s over now,” said Rawdon. “That’s over now.” And the words were wrenched from him with a groan, which made his brother start.

»Guter Gott, ist sie tot?« fragte Sir Pitt mit einem Ton wirklicher Unruhe und echten Mitleids.

 

“Good God! is she dead?” Sir Pitt said with a voice of genuine alarm and commiseration.

»Ich wünschte, ich wäre es«, entgegnete Rawdon. »Wenn es nicht um den kleinen Rawdon ginge, so hätte ich mir heute früh die Kehle durchgeschnitten – und dem verdammten Schurken dazu.«

 

“I wish I was,” Rawdon replied. “If it wasn’t for little Rawdon I’d have cut my throat this morning — and that damned villain’s too.”

Sir Pitt erriet augenblicklich die Wahrheit und mutmaßte, daß Lord Steyne derjenige sei, dem Rawdon das Leben zu nehmen wünschte. Der Oberst erzählte seinem älteren Bruder kurz und in abgerissenen Sätzen die näheren Umstände. »Es war ein regelrechter Plan zwischen dem Schuft und ihr«, sagte er, »sie haben die Gerichtsdiener auf mich gehetzt: und mich festnehmen lassen, als ich Steynes Haus verließ. Als ich sie im Brief um Geld bat, schrieb sie, sie liege krank im Bett, und vertröstete mich auf den nächsten Tag. Als ich dann nach Hause kam, fand ich sie, von Diamanten strahlend, allein mit dem Schurken.« Er beschrieb darauf kurz den persönlichen Streit mit Lord Steyne. »Wie die Sache nun liegt«, meinte er, »gibt es natürlich nur einen Ausweg.« Nach der Unterredung mit seinem Bruder wolle er weggehen und die nötigen Anordnungen für die unvermeidliche Begegnung treffen. »Und da es verhängnisvoll für mich ausgehen kann«, sagte Rawdon mit gebrochener Stimme, »und da der Junge keine Mutter hat, so muß ich ihn bei dir und Jane lassen, Pitt. Es wäre mir ein großer Trost, wenn du mir versprechen wolltest, sein Freund zu sein.«

 

Sir Pitt instantly guessed the truth and surmised that Lord Steyne was the person whose life Rawdon wished to take. The Colonel told his senior briefly, and in broken accents, the circumstances of the case. “It was a regular plan between that scoundrel and her,” he said. “The bailiffs were put upon me; I was taken as I was going out of his house; when I wrote to her for money, she said she was ill in bed and put me off to another day. And when I got home I found her in diamonds and sitting with that villain alone.” He then went on to describe hurriedly the personal conflict with Lord Steyne. To an affair of that nature, of course, he said, there was but one issue, and after his conference with his brother, he was going away to make the necessary arrangements for the meeting which must ensue. “And as it may end fatally with me,” Rawdon said with a broken voice, “and as the boy has no mother, I must leave him to you and Jane, Pitt — only it will be a comfort to me if you will promise me to be his friend.”

Der ältere Bruder war sehr bewegt und schüttelte Rawdon die Hand mit einer Herzlichkeit, die man bei ihm nur selten bemerkte. Rawdon fuhr sich mit der Hand über die buschigen Augenbrauen. »Danke, Bruder«, sagte er, »ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann.«

 

The elder brother was much affected, and shook Rawdon’s hand with a cordiality seldom exhibited by him. Rawdon passed his hand over his shaggy eyebrows. “Thank you, brother,” said he. “I know I can trust your word.”

»Ich verspreche es, auf meine Ehre«, erwiderte der Baronet. So war mit wenigen Worten der Handel zwischen ihnen abgeschlossen.

 

“I will, upon my honour,” the Baronet said. And thus, and almost mutely, this bargain was struck between them.

Rawdon zog nun die kleine Brieftasche hervor, die er in Beckys Schreibpult entdeckt hatte, und entnahm ihr ein Bündel Banknoten. »Hier sind sechshundert«, sagte er. »Du hast nicht gewußt, daß ich so reich bin. Ich möchte, daß du das Geld der Briggs gibst, die es uns geliehen hat. Sie ist so freundlich zu dem Jungen gewesen, und ich habe mich immer geschämt, daß ich das Geld von der armen alten Frau genommen habe; und hier ist noch etwas – ich habe nur ein paar Pfund zurückbehalten –, das kann Rebekka bekommen, damit sie für den Anfang etwas hat.« Während er sprach, ergriff er die übrigen Banknoten, um sie seinem Bruder zu geben, aber seine Hände zitterten, und er war so erregt, daß ihm die Brieftasche entglitt und die Tausendpfundnote, der letzte Gewinn der unglücklichen Rebekka, herausfiel.

 

Then Rawdon took out of his pocket the little pocket-book which he had discovered in Becky’s desk, and from which he drew a bundle of the notes which it contained. “Here’s six hundred,” he said — "you didn’t know I was so rich. I want you to give the money to Briggs, who lent it to us — and who was kind to the boy — and I’ve always felt ashamed of having taken the poor old woman’s money. And here’s some more — I’ve only kept back a few pounds — which Becky may as well have, to get on with.” As he spoke he took hold of the other notes to give to his brother, but his hands shook, and he was so agitated that the pocket-book fell from him, and out of it the thousand-pound note which had been the last of the unlucky Becky’s winnings.

Pitt bückte sich und hob sie auf, erstaunt über solchen Reichtum. »Die nicht«, sagte Rawdon. »Ich hoffe, daß ich dem Mann, dem sie gehört, eine Kugel in den Leib jagen kann.« Er hatte sich gedacht, es wäre eine feine Rache, eine Kugel in die Banknote zu wickeln und Steyne damit zu töten.

 

Pitt stooped and picked them up, amazed at so much wealth. “Not that,” Rawdon said. “I hope to put a bullet into the man whom that belongs to.” He had thought to himself, it would be a fine revenge to wrap a ball in the note and kill Steyne with it.

Nach diesem Gespräch schüttelten sich die Brüder noch einmal die Hände und schieden. Lady Jane hatte von der Anwesenheit des Obersten vernommen und erwartete ihren Mann im anstoßenden Speisezimmer. Ihr weiblicher Instinkt ließ sie nichts Gutes ahnen. Die Tür stand zufällig offen, und als die beiden Brüder das Studierzimmer verließen, trat sie natürlich aus dem Speisezimmer heraus. Sie streckte Rawdon die Hand entgegen und sagte, sie freue sich, daß er zum Frühstück gekommen sei, obwohl sie aus seinem verstörten, unrasierten Gesicht und dem finsteren Blick ihres Mannes ersah, daß beiden wenig am Frühstück gelegen war. Rawdon murmelte ein paar Entschuldigungen wegen einer Verabredung und preßte die furchtsame kleine Hand, die ihm seine Schwägerin hinhielt. Ihr fragender Blick konnte nichts als Unheil in seinem Gesicht lesen, aber er ging weg, ohne ein Wort zu sagen. Sir Pitt gab ihr ebenfalls keine Erklärung. Die Kinder kamen, um ihn zu begrüßen, und er küßte sie in seiner gewohnten kalten Art. Die Mutter hielt beide eng an sich gepreßt und nahm sie bei der Hand, als sie zum Gebet niederknieten, das Sir Pitt ihnen und den Dienstboten vorlas, die im Sonntagsstaat auf den Stühlen neben der zischenden Teemaschine saßen. Infolge der erwähnten Verzögerung fand das Frühstück an jenem Tag so spät statt, daß die Kirchenglocken schon zu läuten anfingen, als sie noch aßen. Lady Jane erklärte, es gehe ihr zu schlecht, um in die Kirche gehen zu können. Ihre Gedanken waren schon während der Familienandacht in weite Ferne gewandert.

 

After this colloquy the brothers once more shook hands and parted. Lady Jane had heard of the Colonel’s arrival, and was waiting for her husband in the adjoining dining-room, with female instinct, auguring evil. The door of the dining-room happened to be left open, and the lady of course was issuing from it as the two brothers passed out of the study. She held out her hand to Rawdon and said she was glad he was come to breakfast, though she could perceive, by his haggard unshorn face and the dark looks of her husband, that there was very little question of breakfast between them. Rawdon muttered some excuses about an engagement, squeezing hard the timid little hand which his sister-in-law reached out to him. Her imploring eyes could read nothing but calamity in his face, but he went away without another word. Nor did Sir Pitt vouchsafe her any explanation. The children came up to salute him, and he kissed them in his usual frigid manner. The mother took both of them close to herself, and held a hand of each of them as they knelt down to prayers, which Sir Pitt read to them, and to the servants in their Sunday suits or liveries, ranged upon chairs on the other side of the hissing tea-urn. Breakfast was so late that day, in consequence of the delays which had occurred, that the church-bells began to ring whilst they were sitting over their meal; and Lady Jane was too ill, she said, to go to church, though her thoughts had been entirely astray during the period of family devotion.

Mittlerweile war Rawdon Crawley aus der Great Gaunt Street geeilt. Er klopfte an das große bronzene Medusenhaupt, das am Portal vom Gaunt-Haus steht, und der purpurne Silen in rotsilberner Weste erschien, der im Palast die Rolle des Portiers spielt. Der Mann war über das unordentliche Aussehen des Obersten ebenfalls erschrocken und vertrat ihm den Weg, als ob er befürchtete, daß der andere ihn erzwingen wollte. Oberst Crawley zog jedoch nur eine Karte hervor und legte dem Diener ans Herz, sie Lord Steyne zu bringen, die darauf geschriebene Adresse zu beachten und zu sagen, daß Oberst Crawley nach ein Uhr den ganzen Tag im Regent-Klub in der St. James' Street anzutreffen sei - also nicht zu Hause. Der dicke Mann mit dem roten Gesicht blickte dem Davonschreitenden erstaunt nach, ebenso die Leute in Sonntagskleidern, die so früh schon auf der Straße waren, die Waisenknaben mit glänzenden Gesichtern, der Gemüsehändler, der an seiner Tür lehnte, und der Wirt, der im Sonnenschein seine Fensterläden schloß, da der Gottesdienst begann. Am Droschkenstand machten die Leute sich über sein Aussehen lustig, als er einen Wagen nahm und dem Kutscher zurief, er solle ihn zu den Knightsbridge-Kasernen fahren.

 

Rawdon Crawley meanwhile hurried on from Great Gaunt Street, and knocking at the great bronze Medusa’s head which stands on the portal of Gaunt House, brought out the purple Silenus in a red and silver waistcoat who acts as porter of that palace. The man was scared also by the Colonel’s dishevelled appearance, and barred the way as if afraid that the other was going to force it. But Colonel Crawley only took out a card and enjoined him particularly to send it in to Lord Steyne, and to mark the address written on it, and say that Colonel Crawley would be all day after one o’clock at the Regent Club in St. James’s Street — not at home. The fat red-faced man looked after him with astonishment as he strode away; so did the people in their Sunday clothes who were out so early; the charity-boys with shining faces, the greengrocer lolling at his door, and the publican shutting his shutters in the sunshine, against service commenced. The people joked at the cab-stand about his appearance, as he took a carriage there, and told the driver to drive him to Knightsbridge Barracks.

Alle Glocken läuteten, als er sein Ziel erreichte. Wenn er hinausgeblickt hätte, hätte er seine alte Bekannte, Amelia, auf ihrem Weg von Brompton zum Russell Square sehen können. Trupps von Schulkindern marschierten zur Kirche. Das glänzende Pflaster und die Kutschendächer in den Vorstädten waren voll von Leuten, die sich ein Sonntagsvergnügen machen wollten. Der Oberst hatte es aber viel zu eilig, um von alldem Notiz zu nehmen, und als er in der Kaserne ankam, begab er sich schleunigst in das Zimmer seines alten Freundes und Kameraden Macmurdo, den er glücklicherweise in der Kaserne antraf.

 

All the bells were jangling and tolling as he reached that place. He might have seen his old acquaintance Amelia on her way from Brompton to Russell Square, had he been looking out. Troops of schools were on their march to church, the shiny pavement and outsides of coaches in the suburbs were thronged with people out upon their Sunday pleasure; but the Colonel was much too busy to take any heed of these phenomena, and, arriving at Knightsbridge, speedily made his way up to the room of his old friend and comrade Captain Macmurdo, who Crawley found, to his satisfaction, was in barracks.

Hauptmann Macmurdo, ein alter Offizier und Waterlookämpfer, der beim Regiment sehr beliebt war (nur der Mangel an Geld hinderte ihn, zu hohen Würden aufzusteigen), genoß den ruhigen Vormittag im Bett. Er hatte den Abend bei einer lustigen Gesellschaft verbracht, die der ehrenwerte Hauptmann George Cinqbars in seinem Haus am Brompton Square mehreren jungen Offizieren des Regiments und einer Anzahl Damen von einer Balletttruppe gegeben hatte. Der alte Mac, der mit Leuten jeden Alters und Standes vertraut war und mit Generalen, Hundezüchtern, Ballettänzerinnen, Boxern, kurz, allen Arten von Menschen verkehrte, ruhte sich, da er dienstfrei hatte, von den Anstrengungen der Nacht im Bett aus.

 

Captain Macmurdo, a veteran officer and Waterloo man, greatly liked by his regiment, in which want of money alone prevented him from attaining the highest ranks, was enjoying the forenoon calmly in bed. He had been at a fast supper-party, given the night before by Captain the Honourable George Cinqbars, at his house in Brompton Square, to several young men of the regiment, and a number of ladies of the corps de ballet, and old Mac, who was at home with people of all ages and ranks, and consorted with generals, dog-fanciers, opera-dancers, bruisers, and every kind of person, in a word, was resting himself after the night’s labours, and, not being on duty, was in bed.

An den Wänden seines Zimmers hingen Box-, Jagd- und Tanzbilder, die ihm seine Kameraden geschenkt hatten, wenn sie aus dem Regiment ausschieden, sich verheirateten oder sich in ein ruhiges Leben zurückzogen. Da er nun beinahe fünfzig war und vierundzwanzig Jahre seines Lebens beim Korps zugebracht hatte, so besaß er ein einzigartiges Museum. Er war einer der besten Schützen Englands und für einen Mann von seiner Körperfülle ein guter Reiter. Tatsächlich waren er und Crawley Rivalen, als dieser noch bei der Armee war. Kurz und gut, Mr. Macmurdo – ein ehrwürdiger, borstiger Krieger mit einem kleinen Kopf und kurzgeschnittenem grauem Haar, einer seidenen Nachtmütze, rotem Gesicht und ebensolcher Nase und einem mächtigen, gefärbten Schnurrbart, lag im Bett und las in »Bell's Life« den Bericht über den schon erwähnten Kampf zwischen dem »Liebling von Tutbury« und dem »Kläffenden Schlächter«.

 

His room was hung round with boxing, sporting, and dancing pictures, presented to him by comrades as they retired from the regiment, and married and settled into quiet life. And as he was now nearly fifty years of age, twenty-four of which he had passed in the corps, he had a singular museum. He was one of the best shots in England, and, for a heavy man, one of the best riders; indeed, he and Crawley had been rivals when the latter was in the Army. To be brief, Mr. Macmurdo was lying in bed, reading in Bell’s Life an account of that very fight between the Tutbury Pet and the Barking Butcher, which has been before mentioned — a venerable bristly warrior, with a little close-shaved grey head, with a silk nightcap, a red face and nose, and a great dyed moustache.

Als Rawdon dem Hauptmann sagte, er brauche einen Freund, da wußte dieser sofort, welcher Freundschaftsdienst von ihm erwartet wurde, denn er hatte schon Dutzende solcher Affären mit größter Klugheit und Geschicklichkeit für seine Freunde erledigt. Seine Königliche Hoheit, der verstorbene, allgemein betrauerte Oberbefehlshaber der Armee, hatte in dieser Hinsicht die größte Achtung für Macmurdo gehegt, und Herren, die sich in Schwierigkeiten befanden, suchten bei ihm Rat und Hilfe.

 

When Rawdon told the Captain he wanted a friend, the latter knew perfectly well on what duty of friendship he was called to act, and indeed had conducted scores of affairs for his acquaintances with the greatest prudence and skill. His Royal Highness the late lamented Commander-in-Chief had had the greatest regard for Macmurdo on this account, and he was the common refuge of gentlemen in trouble.

»Worum dreht sich denn der Streit eigentlich, Crawley, mein Junge?« fragte der alte Krieger. »Etwa Spielgeschichten, wie damals, als wir Hauptmann Marker erschossen?«

 

“What’s the row about, Crawley, my boy?” said the old warrior. “No more gambling business, hay, like that when we shot Captain Marker?”

»Es geht um – um meine Frau«, entgegnete Crawley, schlug die Augen nieder und wurde rot.

 

“It’s about — about my wife,” Crawley answered, casting down his eyes and turning very red.

Der andere gab einen Pfiff von sich. »Ich habe ja schon immer gesagt, sie wird dir noch einmal davonlaufen«, begann er. Tatsächlich hatten die Welt und Rawdons Kameraden Mrs. Crawleys Charakter so geringgeschätzt, daß man im Regiment und in den Klubs bereits Wetten über Oberst Crawleys mutmaßliches Schicksal abschloß. Als Macmurdo jedoch den wütenden Blick bemerkte, mit dem Rawdon diese Meinungsäußerung beantwortete, hielt der Alte es für besser, sich nicht weiter darüber auszulassen.

 

The other gave a whistle. “I always said she’d throw you over,” he began — indeed there were bets in the regiment and at the clubs regarding the probable fate of Colonel Crawley, so lightly was his wife’s character esteemed by his comrades and the world; but seeing the savage look with which Rawdon answered the expression of this opinion, Macmurdo did not think fit to enlarge upon it further.

»Gibt es keinen anderen Ausweg, alter Junge?« fuhr der Hauptmann in ernstem Ton fort. »Ist es nur ein Verdacht? Oder – oder was ist es? Hast du Briefe? Kannst du es nicht in aller Stille abmachen? Man schlägt doch wegen so einer Angelegenheit keinen Lärm, wenn es sich vermeiden läßt.« Merkwürdig, daß er erst jetzt dahintergekommen ist, dachte der Hauptmann bei sich, und ihm fielen hundert ausführliche Unterhaltungen in der Offiziersmesse ein, bei denen Mrs. Crawleys Ruf in Fetzen gerissen worden war.

 

“Is there no way out of it, old boy?” the Captain continued in a grave tone. “Is it only suspicion, you know, or — or what is it? Any letters? Can’t you keep it quiet? Best not make any noise about a thing of that sort if you can help it.” “Think of his only finding her out now,” the Captain thought to himself, and remembered a hundred particular conversations at the mess-table, in which Mrs. Crawley’s reputation had been torn to shreds.

»Es gibt nur einen Ausweg«, entgegnete Rawdon, »und einer von uns muß auf der Strecke bleiben, Mac – verstehst du das? Mich hat man aus dem Weg geräumt, festgenommen, ich überraschte die beiden, als sie allein zusammen waren. Ich sagte ihm, er sei ein Lügner und Feigling, und dann schlug ich ihn zu Boden und verprügelte ihn.«

 

“There’s no way but one out of it,” Rawdon replied — "and there’s only a way out of it for one of us, Mac — do you understand? I was put out of the way — arrested — I found ’em alone together. I told him he was a liar and a coward, and knocked him down and thrashed him.”

»Geschah ihm recht«, erwiderte Macmurdo. »Wer ist es denn?«

 

“Serve him right,” Macmurdo said. “Who is it?”

Rawdon antwortete, daß es Lord Steyne sei.

 

Rawdon answered it was Lord Steyne.

»Zum Henker! Ein Marquis! Man erzählte doch, er ... das heißt, man erzählte, du ...«

 

“The deuce! a Marquis! they said he — that is, they said you — ”

»Was, zum Teufel, meinst du eigentlich!« brüllte Rawdon. »Willst du etwa damit sagen, daß du jemals gehört hast, wie ein Kerl die Tugend meiner Frau bezweifelte, und du hast mir nichts davon erzählt, Mac?«

 

“What the devil do you mean?” roared out Rawdon; “do you mean that you ever heard a fellow doubt about my wife and didn’t tell me, Mac?”

»Die Welt ist äußerst kritisch, alter Junge«, erwiderte der andere. »Was, zum Henker, hätte es genützt, wenn ich dir erzählt hätte, was ein paar Narren schwatzen?«

 

“The world’s very censorious, old boy,” the other replied. “What the deuce was the good of my telling you what any tom-fools talked about?”

»Das war verdammt unkameradschaftlich, Mac«, sagte Rawdon, ganz überwältigt. Er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, und nun übermannte ihn die Erregung. Bei diesem Anblick konnte selbst der alte Haudegen sein Mitgefühl ihm gegenüber nicht verbergen. »Kopf hoch, alter Junge«, sagte er. »Vornehm oder nicht – wir werden ihm doch eine Kugel in den Leib jagen, dem verdammten Kerl. Und was die Weiber angeht – die sind alle so.«

 

“It was damned unfriendly, Mac,” said Rawdon, quite overcome; and, covering his face with his hands, he gave way to an emotion, the sight of which caused the tough old campaigner opposite him to wince with sympathy. “Hold up, old boy,” he said; “great man or not, we’ll put a bullet in him, damn him. As for women, they’re all so.”

»Du weißt nicht, wie lieb ich diese eine hatte«, sagte Rawdon kaum vernehmlich. »Verdammt, ich bin ihr nachgelaufen wie ein Lakai. Ihretwegen habe ich alles aufgegeben. Ich bin ein Bettler, bloß weil ich sie unbedingt heiraten mußte. Beim Zeus, ich habe meine eigene Uhr versetzt, um ihre Launen zu befriedigen, und sie – sie hat die ganze Zeit in ihren eigenen Beutel gewirtschaftet, und für mich hat sie nicht einmal hundert Pfund gehabt, um mich aus dem Loch zu befreien.« Hierauf erzählte er wutschnaubend und unzusammenhängend in einer Erregung, die sein Ratgeber bei ihm nicht kannte, die ganze Geschichte. Macmurdo fiel ihm ab und zu ins Wort. »Trotz alledem kann sie doch unschuldig sein«, meinte er. »Sie sagt es jedenfalls. Steyne ist vorher hundertmal allein mit ihr im Hause gewesen.«

 

“You don’t know how fond I was of that one,” Rawdon said, half-inarticulately. “Damme, I followed her like a footman. I gave up everything I had to her. I’m a beggar because I would marry her. By Jove, sir, I’ve pawned my own watch in order to get her anything she fancied; and she she’s been making a purse for herself all the time, and grudged me a hundred pound to get me out of quod.” He then fiercely and incoherently, and with an agitation under which his counsellor had never before seen him labour, told Macmurdo the circumstances of the story. His adviser caught at some stray hints in it. “She may be innocent, after all,” he said. “She says so. Steyne has been a hundred times alone with her in the house before.”

»Schon möglich«, entgegnete Rawdon traurig, »aber das sieht nicht sehr nach Unschuld aus.« Und damit zeigte er dem Hauptmann die Tausendpfundnote, die er in Beckys Brieftasche gefunden hatte. »Das hat er ihr gegeben, Mac, und sie hat sie vor mir versteckt; und mit diesem Geld im Haus hat sie mir ihre Hilfe versagt, als ich eingesperrt war.« Der Hauptmann mußte zugeben, daß das Verheimlichen des Geldes sehr häßlich wirkte.

 

“It may be so,” Rawdon answered sadly, “but this don’t look very innocent”: and he showed the Captain the thousand-pound note which he had found in Becky’s pocket-book. “This is what he gave her, Mac, and she kep it unknown to me; and with this money in the house, she refused to stand by me when I was locked up.” The Captain could not but own that the secreting of the money had a very ugly look.

Während sie sich noch berieten, schickte Rawdon Hauptmann Macmurdos Diener in die Curzon Street mit dem Auftrag an die Dienstboten, ihm einen Beutel mit Kleidungsstücken zu schicken, welche der Oberst notwendig brauchte. Als der Diener fort war, verfaßten Rawdon und sein Sekundant mit großer Mühe und unter Zuhilfenahme von Johnsons Wörterbuch, das ihnen sehr gute Dienste leistete, einen Brief, den der Hauptmann an Lord Steyne abschicken sollte. Hauptmann Macmurdo habe die Ehre, dem Marquis von Steyne in bezug auf Oberst Rawdon Crawley seine Aufwartung zu machen, und erlaube sich anzudeuten, daß er von dem Oberst bevollmächtigt sei, alle Vorkehrungen für die Begegnung zu treffen, auf die der Marquis zweifellos bestehen würde und die durch die Ereignisse des Morgens unvermeidlich geworden sei. Hauptmann Macmurdo bitte Lord Steyne höflich, einen Freund zu nennen, mit dem er (Hauptmann M.) sich ins Einvernehmen setzen könne, und er wünsche, daß das Treffen so bald wie möglich stattfinden möge.

 

Whilst they were engaged in their conference, Rawdon dispatched Captain Macmurdo’s servant to Curzon Street, with an order to the domestic there to give up a bag of clothes of which the Colonel had great need. And during the man’s absence, and with great labour and a Johnson’s Dictionary, which stood them in much stead, Rawdon and his second composed a letter, which the latter was to send to Lord Steyne. Captain Macmurdo had the honour of waiting upon the Marquis of Steyne, on the part of Colonel Rawdon Crawley, and begged to intimate that he was empowered by the Colonel to make any arrangements for the meeting which, he had no doubt, it was his Lordship’s intention to demand, and which the circumstances of the morning had rendered inevitable. Captain Macmurdo begged Lord Steyne, in the most polite manner, to appoint a friend, with whom he (Captain M.M.) might communicate, and desired that the meeting might take place with as little delay as possible.

In einer Nachschrift stellte der Hauptmann fest, daß sich in seinem Besitz eine Banknote von sehr hohem Wert befinde, die, wie Oberst Crawley wohl mit Recht vermute, Eigentum von Lord Steyne sei, und im Auftrag des Obersten wünsche er sehr, dem Eigentümer die Note zurückzugeben.

 

In a postscript the Captain stated that he had in his possession a bank-note for a large amount, which Colonel Crawley had reason to suppose was the property of the Marquis of Steyne. And he was anxious, on the Colonel’s behalf, to give up the note to its owner.

Als der Brief abgefaßt war, kehrte der Diener des Hauptmanns von seinem Botengang zum Hause von Oberst Crawley in der Curzon Street zurück, aber ohne Reisetasche und Beutel, die er doch hatte holen sollen, und mit sehr verdutztem Gesicht.

 

By the time this note was composed, the Captain’s servant returned from his mission to Colonel Crawley’s house in Curzon Street, but without the carpet-bag and portmanteau, for which he had been sent, and with a very puzzled and odd face.

»Die wollen nichts rausgeben«, sagte der Mann. »Es ist ein ordentlicher Spektakel im Haus, und alles geht drunter und drüber. Der Hauswirt ist gekommen und hat alles beschlagnahmt. Die Bedienten saßen im Salon und tranken. Sie sagten – sie sagten, Sie wären mit dem Silber auf und davon, Oberst.« Nach einer Pause fuhr der Mann fort: »Einer von den Dienern ist schon weg, und Trotter, der Kammerdiener, der wirklich ziemlich laut und betrunken war, sagte, es soll ihm nichts aus dem Haus, bis er seinen Lohn hat.«

 

“They won’t give ’em up,” said the man; “there’s a regular shinty in the house, and everything at sixes and sevens. The landlord’s come in and took possession. The servants was a drinkin’ up in the drawingroom. They said — they said you had gone off with the plate, Colonel" — the man added after a pause — "One of the servants is off already. And Simpson, the man as was very noisy and drunk indeed, says nothing shall go out of the house until his wages is paid up.”

Dieser Bericht von der kleinen Revolution in Mayfair verwunderte die beiden Offiziere höchlich und brachte etwas Heiterkeit in ihre sonst so traurige Unterhaltung. Sie lachten über Rawdons Mißerfolg.

 

The account of this little revolution in May Fair astonished and gave a little gaiety to an otherwise very triste conversation. The two officers laughed at Rawdon’s discomfiture.

»Ich bin froh, daß der Kleine nicht zu Hause ist«, sagte Rawdon und kaute an den Nägeln. »Erinnerst du dich an ihn, in der Reitschule, Mac? Wie er sich auf dem ausschlagenden Pferd festhielt, weißt du noch?«

 

“I’m glad the little ’un isn’t at home,” Rawdon said, biting his nails. “You remember him, Mac, don’t you, in the Riding School? How he sat the kicker to be sure! didn’t he?”

»Ja, ganz genau, alter Junge«, sagte der gutmütige Hauptmann.

 

“That he did, old boy,” said the good-natured Captain.

Der kleine Rawdon saß gerade zu dieser Zeit unter fünfzig anderen Stiftsschülern in der Kapelle der Whitefriars-Schule; aber er dachte nicht an die Predigt, sondern daran, daß er nächsten Sonnabend nach Hause fahren dürfe und daß sein Vater ihm sicher Geld geben und ihn vielleicht auch mit ins Theater nehmen würde.

 

Little Rawdon was then sitting, one of fifty gown boys, in the Chapel of Whitefriars School, thinking, not about the sermon, but about going home next Saturday, when his father would certainly tip him and perhaps would take him to the play.

»Er ist wirklich ein Prachtkerl, der Junge«, fuhr der Vater fort, der in Gedanken noch immer bei seinem Sohn war. »Hör mal, Mac, wenn es schiefgehen sollte – wenn ich nicht zurückkomme – möchte ich dich bitten – zu ihm zu gehen, weißt du, und ihm zu sagen, daß ich ihn sehr liebgehabt habe und so weiter. Und – zum Henker – alter Junge, gib ihm diese goldenen Manschettenknöpfe, es ist alles, was ich habe.« Er bedeckte das Gesicht mit den schwarzen Händen, und als die Tränen darüberrollten, zogen sie weiße Furchen. Mr. Macmurdo sah sich ebenfalls genötigt, seine seidene Nachtmütze abzunehmen und sich damit über die Augen zu fahren.

 

“He’s a regular trump, that boy,” the father went on, still musing about his son. “I say, Mac, if anything goes wrong — if I drop — I should like you to — to go and see him, you know, and say that I was very fond of him, and that. And — dash it — old chap, give him these gold sleeve-buttons: it’s all I’ve got.” He covered his face with his black hands, over which the tears rolled and made furrows of white. Mr. Macmurdo had also occasion to take off his silk night-cap and rub it across his eyes.

»Geh hinunter und bestelle ein Frühstück«, befahl er seinem Bedienten mit lauter, munterer Stimme. »Was möchtest du, Crawley? Sagen wir, geröstete Nieren und einen Hering! Und, Clay, suche etwas zum Anziehen für den Oberst heraus. Wir sind immer ungefähr gleich groß gewesen, Rawdon, mein Junge, und keiner von uns beiden ist mehr so leicht zu Pferde wie damals, als wir in das Korps kamen.« Mit diesen Worten kehrte sich Macmurdo zur Wand, damit sich der Oberst umkleiden könne. Er setzte seine Lektüre in »Bell's Life« fort, bis sein Freund fertig war und er selbst sich umziehen konnte.

 

“Go down and order some breakfast,” he said to his man in a loud cheerful voice. “What’ll you have, Crawley? Some devilled kidneys and a herring — let’s say. And, Clay, lay out some dressing things for the Colonel: we were always pretty much of a size, Rawdon, my boy, and neither of us ride so light as we did when we first entered the corps.” With which, and leaving the Colonel to dress himself, Macmurdo turned round towards the wall, and resumed the perusal of Bell’s Life, until such time as his friend’s toilette was complete and he was at liberty to commence his own.

Da der Hauptmann einem Lord begegnen sollte, machte er besonders sorgfältig Toilette, wichste seinen Schnurrbart, daß er glänzte, und legte eine enge Krawatte und eine hübsche Weste an. In der Messe, wohin ihm Crawley schon vorangegangen war, machten ihm alle jungen Offiziere wegen seines Aussehens beim Frühstück Komplimente und fragten, ob er an diesem Sonntag heiraten wolle.

 

This, as he was about to meet a lord, Captain Macmurdo performed with particular care. He waxed his mustachios into a state of brilliant polish and put on a tight cravat and a trim buff waistcoat, so that all the young officers in the mess-room, whither Crawley had preceded his friend, complimented Mac on his appearance at breakfast and asked if he was going to be married that Sunday.


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