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47. Kapitel / Chapter 47

Gaunt-Haus / Gaunt House

Die ganze Welt weiß, daß Steynes Stadtwohnung am Gaunt Square liegt. Dort mündet die Great Gaunt Street, wohin wir Rebekka zur Zeit des seligen Pit Crawley zuerst begleiteten. Wenn man über das eiserne Gitter und durch die geschwärzten Bäume in den Anlagen auf dem Platz blickt, dann sieht man ein paar ärmliche Gouvernanten mit blassen Schutzbefohlenen rund um den trübseligen Grasfleck gehen, in dessen Mitte sich die Statue von Lord Gaunt erhebt, der bei Minden gekämpft hat und eine Perücke mit drei Schwänzchen trägt, sonst aber wie ein römischer Kaiser gekleidet ist. Das Gaunt-Haus nimmt fast eine Seite des Platzes ein, die übrigen drei Seiten werden von Häusern begrenzt, deren Eigentümer meist adlige Witwen sind – hohe, düstere Häuser mit steinernen Fensterkreuzen, hinter denen selten Licht brennt, und Türen, von denen die Gastfreundschaft ebenso geflohen zu sein scheint wie die geschnürten Lakaien und Fackeljungen aus der alten Zeit, die ihre Fackeln in den blanken, eisernen Löschhörnern auszulöschen pflegten, die noch immer neben den Lampen über der Treppe hängen. Firmenschilder sind auf den Platz gedrungen: Ärzte – die Diddlesex-Bank, westliche Filiale – die englisch-europäische Reunionsgesellschaft und so weiter. Das bietet alles einen recht trübseligen Anblick, und Lord Steynes Palast sieht nicht weniger trübselig aus. Alles, was ich davon gesehen habe, ist die große Frontmauer – mit den Säulen am Haupttor, durch die zuweilen ein alter Portier mit fettem, düsterem, rotem Gesicht schaute – und über der Mauer die Fenster der Bodenkammern und Schlafzimmer und die Schornsteine, aus denen jetzt selten Rauch aufsteigt, denn der gegenwärtige Lord Steyne lebt in Neapel und zieht die Aussicht auf den Golf und Capri und den Vesuv dem trübseligen Anblick der Mauer am Gaunt Square vor.

 

All the world knows that Lord Steyne’s town palace stands in Gaunt Square, out of which Great Gaunt Street leads, whither we first conducted Rebecca, in the time of the departed Sir Pitt Crawley. Peering over the railings and through the black trees into the garden of the Square, you see a few miserable governesses with wan-faced pupils wandering round and round it, and round the dreary grass-plot in the centre of which rises the statue of Lord Gaunt, who fought at Minden, in a three-tailed wig, and otherwise habited like a Roman Emperor. Gaunt House occupies nearly a side of the Square. The remaining three sides are composed of mansions that have passed away into dowagerism — tall, dark houses, with window-frames of stone, or picked out of a lighter red. Little light seems to be behind those lean, comfortless casements now, and hospitality to have passed away from those doors as much as the laced lacqueys and link-boys of old times, who used to put out their torches in the blank iron extinguishers that still flank the lamps over the steps. Brass plates have penetrated into the square — Doctors, the Diddlesex Bank Western Branch — the English and European Reunion, &c. — it has a dreary look — nor is my Lord Steyne’s palace less dreary. All I have ever seen of it is the vast wall in front, with the rustic columns at the great gate, through which an old porter peers sometimes with a fat and gloomy red face — and over the wall the garret and bedroom windows, and the chimneys, out of which there seldom comes any smoke now. For the present Lord Steyne lives at Naples, preferring the view of the Bay and Capri and Vesuvius to the dreary aspect of the wall in Gaunt Square.

Ein paar Dutzend Meter weiter in der New Gaunt Street befindet sich ein kleines, bescheidenes Hinterpförtchen, das in Richtung der Stallgebäude führt und kaum von den übrigen Stalltüren zu unterscheiden ist. Manch ein verschlossener kleiner Wagen hat aber vor dieser Tür gehalten, wie mir mein Berichterstatter, der kleine Tom Eaves, der alles weiß und mir die Stätte gezeigt hat, erzählte. »Der Prinz und Perdita sind durch diese Tür ein und aus gegangen«, hat er mir oft erzählt; »Mary Ann Clarke ist dort mit dem Herzog von ... gewesen. Die Tür führt zu den berühmten petits appartements von Lord Steyne. Eins ist ganz in Elfenbein und weißem Atlas gehalten, ein anderes in Ebenholz und schwarzem Samt. Es gibt darin ein kleines Bankettzimmerchen nach dem Muster des Hauses von Sallust in Pompeji, von Cosway gemalt, und eine kleine Privatküche, in der jede Bratpfanne aus Silber und alle Spieße aus Gold sind. Hier war es, wo Philippe Egalité von Orleans Rebhühner röstete, an jenem Abend, wo er und der Marquis von Steyne von einer großen Persönlichkeit beim L'hombre hunderttausend Francs gewannen. Ein Teil des Geldes ging zur Französischen Revolution, mit einem weiteren wurde Lord Gaunts Marquiswürde und sein Hosenbandorden gekauft und das übrige ...« Es liegt jedoch nicht in unserer Absicht, zu berichten, was aus dem übrigen wurde. Der kleine Tom Eaves, der über anderer Leute Angelegenheiten Bescheid weiß, kann vorrechnen, wo jeder Shilling der Summe geblieben ist.

 

A few score yards down New Gaunt Street, and leading into Gaunt Mews indeed, is a little modest back door, which you would not remark from that of any of the other stables. But many a little close carriage has stopped at that door, as my informant (little Tom Eaves, who knows everything, and who showed me the place) told me. “The Prince and Perdita have been in and out of that door, sir,” he had often told me; “Marianne Clarke has entered it with the Duke of — . It conducts to the famous petits appartements of Lord Steyne — one, sir, fitted up all in ivory and white satin, another in ebony and black velvet; there is a little banqueting-room taken from Sallust’s house at Pompeii, and painted by Cosway — a little private kitchen, in which every saucepan was silver and all the spits were gold. It was there that Egalite Orleans roasted partridges on the night when he and the Marquis of Steyne won a hundred thousand from a great personage at ombre. Half of the money went to the French Revolution, half to purchase Lord Gaunt’s Marquisate and Garter — and the remainder — ” but it forms no part of our scheme to tell what became of the remainder, for every shilling of which, and a great deal more, little Tom Eaves, who knows everybody’s affairs, is ready to account.

Außer seinem Palast in der Stadt besaß der Marquis Schlösser und Paläste in verschiedenen Gegenden der drei Königreiche. In den Reisehandbüchern kann man die Beschreibung finden: Schloß Strongbow mit seinen Wäldern am Ufer des Shannon, Schloß Gaunt in Carmarthenshire, wo Richard II. gefangengenommen wurde, und Gauntly Hall in Yorkshire, wo es angeblich zweihundert silberne Teekannen für das Frühstück der Gäste des Hauses und allerlei entsprechend prächtige Sachen geben soll, und dann noch Stillbrook in Hampshire, der Privatbesitz des Lords, eine bescheidene Residenz, an deren wundervolle Einrichtung wir uns noch gut erinnern und die nach dem Ableben des Lords von einem berühmten Auktionator versteigert wurde.

 

Besides his town palace, the Marquis had castles and palaces in various quarters of the three kingdoms, whereof the descriptions may be found in the road-books — Castle Strongbow, with its woods, on the Shannon shore; Gaunt Castle, in Carmarthenshire, where Richard II was taken prisoner — Gauntly Hall in Yorkshire, where I have been informed there were two hundred silver teapots for the breakfasts of the guests of the house, with everything to correspond in splendour; and Stillbrook in Hampshire, which was my lord’s farm, an humble place of residence, of which we all remember the wonderful furniture which was sold at my lord’s demise by a late celebrated auctioneer.

Die Marquise von Steyne gehörte zu der berühmten alten Familie der Caerlyons, der Marquis von Camelot, die seit der Bekehrung des ehrwürdigen Druiden, ihres ersten Vorfahren, fest an ihrem alten Glauben gehangen haben und deren Stammbaum weit über die Zeit zurückgeht, da König Brutus auf den britischen Inseln landete. Der Titel des ältesten Sohnes des Hauses ist Pendragon. Die Söhne heißen seit undenklichen Zeiten stets Arthur, Uther und Caradoc; ihre Köpfe sind in mancher loyalen Verschwörung gefallen. Elisabeth schlug dem Arthur ihrer Zeit den Kopf ab, der Kammerherr bei Philipp und Maria gewesen war und Briefe zwischen der schottischen Königin und ihren Onkeln, den Guisen, hin- und hergetragen hatte. Ein jüngerer Sohn des Hauses war Offizier des großen Herzogs und zeichnete sich in der berühmten Bartholomäusnacht aus. Während der ganzen Gefangenschaft Maria Stuarts war das Haus Camelot mit ihr verschworen. Sie litten durch ihre Ausgaben für die Rüstung gegen die Spanier zur Zeit der Armada ebensoviel Schaden wie durch die Strafen und Beschlagnahmungen, die Elisabeth über sie verhängte, weil sie katholische Priester verbargen, hartnäckig den Religionseid verweigerten und papistische Vergehen begingen. Ein Renegat zur Zeit Jakobs I. wurde für kurze Zeit durch die Argumente dieses großen Theologen seinem Glauben abtrünnig, und die Vermögenslage der Familie besserte sich durch diese rechtzeitige Schwäche wieder etwas. Aber der Graf von Camelot kehrte unter der Regierung Karls I. wieder zum alten Glauben der Familie zurück, und sie fuhren fort, für diesen Glauben zu kämpfen und sich dafür zugrunde zu richten, solange es noch einen Stuart gab, der eine Rebellion leiten oder anstiften konnte.

 

The Marchioness of Steyne was of the renowned and ancient family of the Caerlyons, Marquises of Camelot, who have preserved the old faith ever since the conversion of the venerable Druid, their first ancestor, and whose pedigree goes far beyond the date of the arrival of King Brute in these islands. Pendragon is the title of the eldest son of the house. The sons have been called Arthurs, Uthers, and Caradocs, from immemorial time. Their heads have fallen in many a loyal conspiracy. Elizabeth chopped off the head of the Arthur of her day, who had been Chamberlain to Philip and Mary, and carried letters between the Queen of Scots and her uncles the Guises. A cadet of the house was an officer of the great Duke and distinguished in the famous Saint Bartholomew conspiracy. During the whole of Mary’s confinement, the house of Camelot conspired in her behalf. It was as much injured by its charges in fitting out an armament against the Spaniards, during the time of the Armada, as by the fines and confiscations levied on it by Elizabeth for harbouring of priests, obstinate recusancy, and popish misdoings. A recreant of James’s time was momentarily perverted from his religion by the arguments of that great theologian, and the fortunes of the family somewhat restored by his timely weakness. But the Earl of Camelot, of the reign of Charles, returned to the old creed of his family, and they continued to fight for it, and ruin themselves for it, as long as there was a Stuart left to head or to instigate a rebellion.

Lady Mary Caerlyon war in einem Pariser Kloster erzogen worden; die Dauphine Marie Antoinette war ihre Patin. In der Glanzzeit ihrer Schönheit war sie an Lord Gaunt verheiratet worden – verkauft, sagten manche –, der damals in Paris war und auf Banketten beim Herzog von Orleans dem Bruder der Dame riesige Summen abgewonnen hatte. Das berühmte Duell des Grafen Gaunt mit dem Grafen de la Marche von den Grauen Musketieren führte das Gerücht darauf zurück, daß sich dieser Offizier (er war Page gewesen und ein Liebling der Königin) um die Hand der schönen Lady Mary Caerlyon bemühte. Sie wurde an Lord Gaunt verheiratet, während der Graf noch an seinen Wunden daniederlag, zog ins Gaunt-Haus ein und spielte für kurze Zeit am glänzenden Hof des Prinzen von Wales eine Rolle. Fox trank auf ihre Gesundheit, Morris und Sheridan schrieben Lieder auf sie, Malmesbury machte ihr seine besten Verbeugungen, Walpole erklärte, sie sei bezaubernd, und Devonshire war fast eifersüchtig auf sie. Sie jedoch wurde durch die wilden Freuden und Vergnügungen, in die man sie hineingerissen hatte, abgeschreckt und zog sich nach der Geburt zweier Söhne in ein Leben frommer Abgeschiedenheit zurück. Kein Wunder, daß Lord Steyne, der Vergnügen und Lustigkeit liebte, nach der Heirat nicht oft an der Seite der ängstlichen, schweigsamen, abergläubischen, unglücklichen Lady zu sehen war.

 

Lady Mary Caerlyon was brought up at a Parisian convent; the Dauphiness Marie Antoinette was her godmother. In the pride of her beauty she had been married — sold, it was said — to Lord Gaunt, then at Paris, who won vast sums from the lady’s brother at some of Philip of Orleans’s banquets. The Earl of Gaunt’s famous duel with the Count de la Marche, of the Grey Musqueteers, was attributed by common report to the pretensions of that officer (who had been a page, and remained a favourite of the Queen) to the hand of the beautiful Lady Mary Caerlyon. She was married to Lord Gaunt while the Count lay ill of his wound, and came to dwell at Gaunt House, and to figure for a short time in the splendid Court of the Prince of Wales. Fox had toasted her. Morris and Sheridan had written songs about her. Malmesbury had made her his best bow; Walpole had pronounced her charming; Devonshire had been almost jealous of her; but she was scared by the wild pleasures and gaieties of the society into which she was flung, and after she had borne a couple of sons, shrank away into a life of devout seclusion. No wonder that my Lord Steyne, who liked pleasure and cheerfulness, was not often seen after their marriage by the side of this trembling, silent, superstitious, unhappy lady.

Der obenerwähnte Tom Eaves (der in unserer Geschichte nur auftaucht, weil er alle hohen Persönlichkeiten Londons und die Geschichte und die Geheimnisse jeder Familie kennt) hatte noch ein paar weitere Aufschlüsse über Lady Steyne zu geben, deren Wahrheit nicht verbürgt ist. »Die Demütigungen«, sagte Tom oftmals, »denen diese Dame in ihrem eigenen Hause ausgesetzt war, sind entsetzlich; Lord Steyne hat sie gezwungen, sich mit Frauen an einen Tisch zu setzen, mit denen ich Mrs. Eaves nicht verkehren ließe, und kostete es mich das Leben: Mit Lady Crackenbury, Mrs. Chippenham, mit Madame de la Cruche-cassée, der Frau des französischen Gesandtschaftssekretärs, kurz – mit seiner jeweiligen Geliebten.« Tom Eaves, der seine Frau ermordet hätte, wenn sie diese Damen auch nur gekannt hätte, war nur zu froh, ein Kopfnicken oder eine Einladung zum Essen von ihnen zu erhalten. »Glauben Sie etwa, daß diese Frau aus dieser Familie, die ebenso stolz ist wie die Bourbonen und gegen die die Steynes nur Lakaien, Emporkömmlinge von gestern sind, denn wenn man es recht betrachtet, so stammen sie nicht von den alten Gaunts, sondern von einer jüngeren, zweifelhaften Linie ab, glauben Sie denn etwa« – der Leser muß sich erinnern, daß immer noch Tom Eaves spricht –, »daß die Marquise von Steyne, die hochmütigste Frau Englands, sich ohne Ursache ihrem Mann unterworfen hätte? Pah! Ich sage Ihnen, sie hat geheime Gründe dazu; ich sage Ihnen, daß der Abbé de la Marche, der während der Emigration hier war und in die Quiberon-Affäre mit Pirisaye und Tinténiac verwickelt wurde, der Oberst der Grauen Musketiere war, mit dem sich Steyne im Jahre sechsundachtzig duelliert hatte. Er war wieder mit der Marquise zusammengetroffen, und erst als der ehrwürdige Oberst in der Bretagne erschossen worden war, begann Lady Steyne mit den strengen Andachtsübungen, denen sie sich jetzt unterwirft. Sie schließt sich täglich mit ihrem Beichtvater ein und geht jeden Morgen zum Gottesdienst am Spanish Place. Ich habe sie dort beobachtet, das heißt, ich bin zufällig dort vorbeigekommen, und Sie können sich darauf verlassen, daß irgendein Geheimnis dahintersteckt. Die Menschen sind niemals so unglücklich, wenn sie nicht etwas zu bereuen haben«, fügte Tom Eaves mit schlauem Kopfnicken hinzu; »und verlassen Sie sich darauf, diese Frau wäre nicht so unterwürfig, wenn der Marquis nicht ein Schwert über ihrem Haupte hielte.«

 

The before-mentioned Tom Eaves (who has no part in this history, except that he knew all the great folks in London, and the stories and mysteries of each family) had further information regarding my Lady Steyne, which may or may not be true. “The humiliations,” Tom used to say, “which that woman has been made to undergo, in her own house, have been frightful; Lord Steyne has made her sit down to table with women with whom I would rather die than allow Mrs. Eaves to associate — with Lady Crackenbury, with Mrs. Chippenham, with Madame de la Cruchecassee, the French secretary’s wife (from every one of which ladies Tom Eaves — who would have sacrificed his wife for knowing them — was too glad to get a bow or a dinner) with the reigning favourite in a word. And do you suppose that that woman, of that family, who are as proud as the Bourbons, and to whom the Steynes are but lackeys, mushrooms of yesterday (for after all, they are not of the Old Gaunts, but of a minor and doubtful branch of the house); do you suppose, I say (the reader must bear in mind that it is always Tom Eaves who speaks) that the Marchioness of Steyne, the haughtiest woman in England, would bend down to her husband so submissively if there were not some cause? Pooh! I tell you there are secret reasons. I tell you that, in the emigration, the Abbe de la Marche who was here and was employed in the Quiberoon business with Puisaye and Tinteniac, was the same Colonel of Mousquetaires Gris with whom Steyne fought in the year ’86 — that he and the Marchioness met again — that it was after the Reverend Colonel was shot in Brittany that Lady Steyne took to those extreme practices of devotion which she carries on now; for she is closeted with her director every day — she is at service at Spanish Place, every morning, I’ve watched her there — that is, I’ve happened to be passing there — and depend on it, there’s a mystery in her case. People are not so unhappy unless they have something to repent of,” added Tom Eaves with a knowing wag of his head; “and depend on it, that woman would not be so submissive as she is if the Marquis had not some sword to hold over her.”

Wenn Mr. Eaves recht berichtete, mußte diese Dame in hoher Stellung viele geheime Kränkungen erdulden und manchen stillen Kummer unter einem ruhigen Gesicht verbergen. Wir aber, meine Brüder, deren Namen nicht im Adelskalender stehen, können uns also mit dem angenehmen Gedanken trösten, wie unglücklich die, die über uns stehen, sein können und daß dem Damokles, der auf Seidenkissen sitzt und von goldenem Geschirr ißt, ein furchtbares Schwert über dem Kopf schwebt, in Gestalt eines Gerichtsdieners, einer Erbkrankheit oder eines Familiengeheimnisses, das von Zeit zu Zeit gespenstisch durch die gestickten Vorhänge blinkt und eines Tages sicher auf die rechte Stelle herabfallen wird.

 

So, if Mr. Eaves’s information be correct, it is very likely that this lady, in her high station, had to submit to many a private indignity and to hide many secret griefs under a calm face. And let us, my brethren who have not our names in the Red Book, console ourselves by thinking comfortably how miserable our betters may be, and that Damocles, who sits on satin cushions and is served on gold plate, has an awful sword hanging over his head in the shape of a bailiff, or an hereditary disease, or a family secret, which peeps out every now and then from the embroidered arras in a ghastly manner, and will be sure to drop one day or the other in the right place.

Wenn der Arme seine Lage mit der des Reichen vergleicht, so findet er (immer nach Mr. Eaves) dabei noch eine andere Trostquelle. Der, der wenig oder kein Vermögen zu hinterlassen oder zu erben hat, kann mit seinem Vater oder Sohn in gutem Einvernehmen leben. Der Erbe eines großen Fürsten wie Lord Steyne dagegen muß ärgerlich sein, wenn er zu lange von seinem Königreich ferngehalten wird, und er wird den derzeitigen Inhaber des Thrones nicht mit ausgesprochen freundlichen Blicken betrachten. »Sie können es als allgemeine Regel ansehen«, sagte der hämische alte Eaves stets, »daß sich in vornehmen Familien Vater und Erstgeborener stets hassen. Der Kronprinz steht immer in Opposition zur Krone oder strebt danach. Shakespeare kannte die Welt, mein guter Herr, wenn er beschreibt, wie Prinz Heinz (von dessen Familie die Gaunts abzustammen vorgeben, obwohl sie mit Johann von Gaunt ebensowenig verwandt sind wie Sie) die Krone seines Vaters aufsetzt, so gibt er damit eine natürliche Beschreibung aller rechtmäßigen Erben. Oder wollen Sie vielleicht behaupten, daß Sie, wenn Sie ein Herzogtum und ein Einkommen von täglich tausend Pfund erben könnten, sich nicht nach dem Besitze sehnen würden? Pah! Es ist ganz natürlich, daß jeder vornehme Mann, der selbst dieses Gefühl gegen seinen Vater gehegt hat, wissen muß, daß sein Sohn ebenso gegen ihn fühlt und deshalb Verdacht und Feindseligkeit gegen ihn unvermeidlich sind. Und dann die Gefühle der älteren Söhne gegen die jüngeren! Sie wissen, mein Lieber, daß jeder älteste Sohn seine jüngeren Brüder als natürliche Feinde betrachtet, die ihn einer Menge baren Geldes berauben, das ihm von Rechts wegen zukommt. Ich habe gehört, wie George MacTurk, Lord Bajazets ältester Sohn, oftmals sagt, wenn es nach ihm ginge, so würde er, sobald er die Regierung anträte, wie die Sultane sein Vermögen dadurch entlasten, daß er allen seinen jüngeren Brüdern die Köpfe abschlagen ließe; und so steht die Sache mehr oder weniger bei allen. Ich sage Ihnen, in ihrem Herzen sind sie alle Türken. Pah, Herr, die kennen die Welt.« Hier kam zufälligerweise ein vornehmer Herr vorüber, und Tom Eaves' Hut flog vom Kopfe. Er stürzte mit einer Verbeugung und einem Lächeln vorwärts, die bewiesen, daß er die Welt auch kannte, und zwar auf Eavessche Weise. Tom, der jeden Shilling seines Vermögens in Renten angelegt hatte, kann sehr gut seine Neffen und Nichten lieben und gegenüber Höherstehenden kein anderes Gefühl hegen als den steten edelmütigen Wunsch, bei ihnen zu speisen.

 

In comparing, too, the poor man’s situation with that of the great, there is (always according to Mr. Eaves) another source of comfort for the former. You who have little or no patrimony to bequeath or to inherit, may be on good terms with your father or your son, whereas the heir of a great prince, such as my Lord Steyne, must naturally be angry at being kept out of his kingdom, and eye the occupant of it with no very agreeable glances. “Take it as a rule,” this sardonic old Laves would say, “the fathers and elder sons of all great families hate each other. The Crown Prince is always in opposition to the crown or hankering after it. Shakespeare knew the world, my good sir, and when he describes Prince Hal (from whose family the Gaunts pretend to be descended, though they are no more related to John of Gaunt than you are) trying on his father’s coronet, he gives you a natural description of all heirs apparent. If you were heir to a dukedom and a thousand pounds a day, do you mean to say you would not wish for possession? Pooh! And it stands to reason that every great man, having experienced this feeling towards his father, must be aware that his son entertains it towards himself; and so they can’t but be suspicious and hostile. “Then again, as to the feeling of elder towards younger sons. My dear sir, you ought to know that every elder brother looks upon the cadets of the house as his natural enemies, who deprive him of so much ready money which ought to be his by right. I have often heard George Mac Turk, Lord Bajazet’s eldest son, say that if he had his will when he came to the title, he would do what the sultans do, and clear the estate by chopping off all his younger brothers’ heads at once; and so the case is, more or less, with them all. I tell you they are all Turks in their hearts. Pooh! sir, they know the world.” And here, haply, a great man coming up, Tom Eaves’s hat would drop off his head, and he would rush forward with a bow and a grin, which showed that he knew the world too — in the Tomeavesian way, that is. And having laid out every shilling of his fortune on an annuity, Tom could afford to bear no malice to his nephews and nieces, and to have no other feeling with regard to his betters but a constant and generous desire to dine with them.

Zwischen der Marquise und der natürlichen Liebe einer Mutter zu ihren Kindern erhob sich die grausame Schranke des Glaubensunterschiedes. Die Liebe, die die fromme Dame gegenüber ihren Söhnen fühlte, machte sie nur noch furchtsamer und unglücklicher. Der Abgrund, der sie von ihnen trennte, war verhängnisvoll und unüberwindlich. Sie konnte weder ihre schwachen Arme hinüberstrecken noch ihre Kinder zu ihrer Seite herüberziehen, wo nach ihrem Glauben das alleinige Heil lag. In der Jugendzeit seiner Söhne kannte Lord Steyne, der ein tüchtiger Gelehrter und sehr spitzfindig war, auf dem Lande abends nach dem Essen beim Wein kein größeres Vergnügen, als den Erzieher der Knaben, den ehrwürdigen Trail (jetzt Lordbischof von Ealing), gegen den Beichtvater seiner Gemahlin, Pater Mole, zu hetzen und Oxford gegen Saint-Acheul auszuspielen. Er rief abwechselnd: »Bravo, Latimer! Gut gesagt, Loyola!« und versprach Mole ein Bistum, wenn er übertreten wolle, und gelobte, allen seinen Einfluß aufzubieten, um Trail einen Kardinalshut zu verschaffen, wenn er abfallen würde. Keiner der Geistlichen gab zu, jemals besiegt worden zu sein, und obwohl die zärtliche Mutter hoffte, daß ihr jüngster und liebster Sohn zu ihrer Kirche – seiner Mutterkirche – übergehen würde, so erwartete die fromme Dame doch eine schreckliche, traurige Enttäuschung – eine Enttäuschung, die die Strafe für die Sünden ihrer Ehe zu sein schien.

 

Between the Marchioness and the natural and tender regard of mother for children, there was that cruel barrier placed of difference of faith. The very love which she might feel for her sons only served to render the timid and pious lady more fearful and unhappy. The gulf which separated them was fatal and impassable. She could not stretch her weak arms across it, or draw her children over to that side away from which her belief told her there was no safety. During the youth of his sons, Lord Steyne, who was a good scholar and amateur casuist, had no better sport in the evening after dinner in the country than in setting the boys’ tutor, the Reverend Mr. Trail (now my Lord Bishop of Ealing) on her ladyship’s director, Father Mole, over their wine, and in pitting Oxford against St. Acheul. He cried “Bravo, Latimer! Well said, Loyola!” alternately; he promised Mole a bishopric if he would come over, and vowed he would use all his influence to get Trail a cardinal’s hat if he would secede. Neither divine allowed himself to be conquered, and though the fond mother hoped that her youngest and favourite son would be reconciled to her church — his mother church — a sad and awful disappointment awaited the devout lady — a disappointment which seemed to be a judgement upon her for the sin of her marriage.

Lord Gaunt heiratete, wie jeder, der häufig im Adelskalender blättert, weiß, Lady Blanche Thistlewood, eine Tochter des edlen Hauses Bareacres, das in dieser wahren Geschichte schon einmal erwähnt wurde. Dem jungen Paar war ein Flügel im Gaunt-Haus angewiesen worden. Das Haupt der Familie wollte es, denn solange er regierte, wollte er unumschränkt regieren. Sein Sohn und Erbe war wenig zu Hause, vertrug sich nicht mit seiner Frau und borgte sich Geld über das geringe Einkommen hinaus, das ihm sein Vater gewährte, auf Wechsel, die nach dem Tode des Vaters fällig waren. Der Marquis kannte jeden Shilling von seines Sohnes Schulden, und als er viel betrauert starb, fanden sich bei ihm selbst viele von seines Sohnes Schuldscheinen, die er den Kindern seines jüngsten Sohnes hinterließ.

 

My Lord Gaunt married, as every person who frequents the Peerage knows, the Lady Blanche Thistlewood, a daughter of the noble house of Bareacres, before mentioned in this veracious history. A wing of Gaunt House was assigned to this couple; for the head of the family chose to govern it, and while he reigned to reign supreme; his son and heir, however, living little at home, disagreeing with his wife, and borrowing upon post-obits such moneys as he required beyond the very moderate sums which his father was disposed to allow him. The Marquis knew every shilling of his son’s debts. At his lamented demise, he was found himself to be possessor of many of his heir’s bonds, purchased for their benefit, and devised by his Lordship to the children of his younger son.

Da Lady Gaunt zum Kummer des Lords und zur großen Freude seines natürlichen Feindes, seines Vaters, keine Kinder hatte, wurde Lord George Gaunt aus Wien zurückgerufen, wo er mit Walzertanzen und Diplomatie beschäftigt war, und erhielt den Auftrag, ein Ehebündnis mit Joan, der einzigen Tochter von John Jones, dem ersten Baron Helvellyn und Chef der Bankiersfirma Jones, Brown und Robinson in der Threadneedle Street, zu schließen. Aus dieser Verbindung entsprangen mehrere Söhne und Töchter, deren Leben und Taten nicht in unsere Geschichte gehören.

 

As, to my Lord Gaunt’s dismay, and the chuckling delight of his natural enemy and father, the Lady Gaunt had no children — the Lord George Gaunt was desired to return from Vienna, where he was engaged in waltzing and diplomacy, and to contract a matrimonial alliance with the Honourable Joan, only daughter of John Johnes, First Baron Helvellyn, and head of the firm of Jones, Brown, and Robinson, of Threadneedle Street, Bankers; from which union sprang several sons and daughters, whose doings do not appertain to this story.

Die Ehe war anfänglich glücklich. Lord George Gaunt konnte nicht nur lesen, sondern auch einigermaßen richtig schreiben. Er sprach geläufig Französisch und war einer der besten Walzertänzer Europas. Bei diesen Talenten und seinem Familieneinfluß in England bestand kein Zweifel, daß der Lord in seinem Beruf zu höchsten Würden aufsteigen würde. Seine Gemahlin fühlte sich an den Höfen zu Hause, und ihr Reichtum ermöglichte es ihr, in den Städten des europäischen Kontinents, wohin sie die diplomatischen Pflichten ihres Mannes brachten, ein glänzendes Haus zu führen. Man sprach schon davon, daß er zum Gesandten ernannt werden würde, und schloß im Klub der Reisenden Wetten ab, daß er in kurzer Zeit Botschafter sein würde, als sich plötzlich dunkle Gerüchte über das außerordentliche Benehmen des Staatsmannes zu verbreiten begannen. Bei einem großen Essen, das sein Vorgesetzter allen Diplomaten gab, war er plötzlich aufgesprungen und hatte erklärt, eine pâté de foie gras sei vergiftet, und einmal war er zu einem Ball im Hotel des bayrischen Gesandten Graf Springbock-Hohenlaufen mit geschorenem Kopfe und als Kapuzinermönch gekleidet erschienen. Es war kein Maskenball, wie manche einem einreden wollten. Es sei etwas Seltsames, flüsterten die Leute. Sein Großvater sei auch so gewesen. Es läge in der Familie.

 

The marriage at first was a happy and prosperous one. My Lord George Gaunt could not only read, but write pretty correctly. He spoke French with considerable fluency; and was one of the finest waltzers in Europe. With these talents, and his interest at home, there was little doubt that his lordship would rise to the highest dignities in his profession. The lady, his wife, felt that courts were her sphere, and her wealth enabled her to receive splendidly in those continental towns whither her husband’s diplomatic duties led him. There was talk of appointing him minister, and bets were laid at the Travellers’ that he would be ambassador ere long, when of a sudden, rumours arrived of the secretary’s extraordinary behaviour. At a grand diplomatic dinner given by his chief, he had started up and declared that a pate de foie gras was poisoned. He went to a ball at the hotel of the Bavarian envoy, the Count de Springbock-Hohenlaufen, with his head shaved and dressed as a Capuchin friar. It was not a masked ball, as some folks wanted to persuade you. It was something queer, people whispered. His grandfather was so. It was in the family.

Seine Frau und seine Kinder kehrten nach England zurück und zogen ins Gaunt-Haus. Lord George gab seinen Posten auf dem Kontinent auf und erhielt, wie die Zeitungen berichteten, einen anderen in Brasilien. Man wußte es aber besser; er kehrte nie von Brasilien zurück, starb nicht dort, lebte nicht dort, war überhaupt niemals dort gewesen. Er war nirgends, er war verschollen. »Brasilien«, sagte ein Klatschmaul grinsend zum anderen, »Brasilien ist St. Johns' Wood, Rio de Janeiro ist ein von vier Mauern umgebenes Haus, und George Gaunt ist bei einem Wärter akkreditiert, der ihm den Zwangsjackenorden verliehen hat.« Das sind die Leichenreden, die die Menschen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit einander halten.

 

His wife and family returned to this country and took up their abode at Gaunt House. Lord George gave up his post on the European continent, and was gazetted to Brazil. But people knew better; he never returned from that Brazil expedition — never died there — never lived there — never was there at all. He was nowhere; he was gone out altogether. “Brazil,” said one gossip to another, with a grin — “Brazil is St. John’s Wood. Rio de Janeiro is a cottage surrounded by four walls, and George Gaunt is accredited to a keeper, who has invested him with the order of the Strait-Waistcoat.” These are the kinds of epitaphs which men pass over one another in Vanity Fair.

Zwei- bis dreimal wöchentlich suchte in den frühesten Morgenstunden die arme Mutter zur Strafe für ihre Sünden den armen Kranken auf. Zuweilen lachte er sie an (und sein Gelächter war schlimmer, als wenn man ihn weinen hörte), zuweilen fand sie den glänzenden eleganten Diplomaten des Wiener Kongresses, wie er ein Kinderspielzeug herumzog oder die Puppe des Kindes seines Wärters wiegte. Zuweilen erkannte er sie und Pater Mole, ihren Beichtvater und Begleiter, öfter aber erinnerte er sich nicht, wie er sich an Frau, Kinder, Liebe, Ehrgeiz und Eitelkeit nicht erinnerte. Aber niemals vergaß er die Essenszeit und pflegte zu weinen, wenn der Wein nicht stark genug war.

 

Twice or thrice in a week, in the earliest morning, the poor mother went for her sins and saw the poor invalid. Sometimes he laughed at her (and his laughter was more pitiful than to hear him cry); sometimes she found the brilliant dandy diplomatist of the Congress of Vienna dragging about a child’s toy, or nursing the keeper’s baby’s doll. Sometimes he knew her and Father Mole, her director and companion; oftener he forgot her, as he had done wife, children, love, ambition, vanity. But he remembered his dinner-hour, and used to cry if his wine-and-water was not strong enough.

Die arme Mutter hatte einen geheimnisvollen Makel im Blut aus ihrem alten Geschlecht mitgebracht. Das Übel war ein paarmal in der Familie ihres Vaters ausgebrochen, aber lange ehe Lady Steyne gesündigt hatte und mit Fasten, Tränen und Bußübungen ihr Sühneopfer gebracht hatte. Der Stolz ihres Geschlechts war geschlagen wie der erste Sohn Pharaos. Das düstere Zeichen von Schicksal und Verdammnis stand an der Tür, an der hohen alten Tür, unter der Krone und dem geschnitzten Wappen.

 

It was the mysterious taint of the blood; the poor mother had brought it from her own ancient race. The evil had broken out once or twice in the father’s family, long before Lady Steyne’s sins had begun, or her fasts and tears and penances had been offered in their expiation. The pride of the race was struck down as the first-born of Pharaoh. The dark mark of fate and doom was on the threshold — the tall old threshold surmounted by coronets and caned heraldry.

Inzwischen wuchsen die Kinder des abwesenden Lords lustig auf, ohne zu ahnen, daß auch auf ihnen der Fluch lag. Anfangs sprachen sie viel von ihrem Vater und machten Pläne für seine Rückkehr. Dann verschwand der Name des lebenden Toten allmählich aus ihrem Munde – endlich erwähnten sie ihn gar nicht mehr. Die alte gebeugte Großmutter zitterte jedoch bei dem Gedanken, daß diese die Erben von ihres Vaters Ehre, aber auch von seiner Schande seien, und wartete furchtsam auf den Tag, wo der entsetzliche Fluch ihrer Ahnen auf die Kinder fallen würde.

 

The absent lord’s children meanwhile prattled and grew on quite unconscious that the doom was over them too. First they talked of their father and devised plans against his return. Then the name of the living dead man was less frequently in their mouth — then not mentioned at all. But the stricken old grandmother trembled to think that these too were the inheritors of their father’s shame as well as of his honours, and watched sickening for the day when the awful ancestral curse should come down on them.

Diese dunkle Vorahnung verfolgte auch Lord Steyne. Er versuchte das schreckliche Gespenst in einem roten Meer von Wein und Vergnügungen zu ertränken, und manchmal verlor er es inmitten lustiger Gesellschaft auch aus den Augen. Aber wenn er allein war, kehrte es stets zu ihm zurück, und mit den Jahren nahm es immer drohendere Gestalt an. »Ich habe deinen Sohn genommen«, sagte es, »warum nicht auch dich? Eines Tages kann ich auch dich in ein Gefängnis sperren wie deinen Sohn George. Ich kann schon morgen deinen Kopf berühren, und aus ist es mit Vergnügungen und Ehrungen, Festen und Schönheit, Freunden, Schmeichlern, französischen Köchen, schönen Pferden und Häusern – dafür gibt es ein Gefängnis, einen Wärter und einen Strohsack wie bei George Gaunt.« Dann aber verhöhnte der Lord das Gespenst, das ihn bedrohte, denn er kannte ein Mittel, durch das er seinen Feind um die Beute betrügen konnte.

 

This dark presentiment also haunted Lord Steyne. He tried to lay the horrid bedside ghost in Red Seas of wine and jollity, and lost sight of it sometimes in the crowd and rout of his pleasures. But it always came back to him when alone, and seemed to grow more threatening with years. “I have taken your son,” it said, “why not you? I may shut you up in a prison some day like your son George. I may tap you on the head to-morrow, and away go pleasure and honours, feasts and beauty, friends, flatterers, French cooks, fine horses and houses — in exchange for a prison, a keeper, and a straw mattress like George Gaunt’s.” And then my lord would defy the ghost which threatened him, for he knew of a remedy by which he could baulk his enemy.

Es herrschte also Glanz und Reichtum hinter den hohen verzierten Portalen vom Gaunt-Haus mit ihren rauchgeschwärzten Grafenkronen und Jahreszahlen, aber wohl kaum großes Glück. Die Feste, die dort gegeben wurden, gehörten zu den großartigsten von ganz London, schufen aber keine übermäßige Befriedigung, außer bei den Gästen, die am Tische des Lords saßen. Wäre er nicht ein so großer Herr gewesen, so hätten ihn wahrscheinlich nur wenige besucht. Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit beurteilt man aber die Sünden sehr hoher Persönlichkeiten mit Nachsicht. »Nous regardons à deux fois«, sagte die französische Dame, »ehe wir einen Menschen von des Lords unzweifelhaften Qualitäten verurteilen.« Ein paar notorische Krittler und ängstliche Moralisten hielten sich zwar über Lord Steyne auf, kamen aber nur zu gern, wenn er sie einlud.

 

So there was splendour and wealth, but no great happiness perchance, behind the tall caned portals of Gaunt House with its smoky coronets and ciphers. The feasts there were of the grandest in London, but there was not overmuch content therewith, except among the guests who sat at my lord’s table. Had he not been so great a Prince very few possibly would have visited him; but in Vanity Fair the sins of very great personages are looked at indulgently. “Nous regardons a deux fois” (as the French lady said) before we condemn a person of my lord’s undoubted quality. Some notorious carpers and squeamish moralists might be sulky with Lord Steyne, but they were glad enough to come when he asked them.

»Lord Steyne treibt es wirklich zu arg«, meinte Lady Slingstone, »es geht aber alle Welt hin. Ich muß bloß aufpassen, daß meine Töchter keinen Schaden nehmen.« »Ich verdanke dem Lord viel, ja alles im Leben«, erklärte Ehrwürden Dr. Trail, und er überlegte, daß der Erzbischof doch schon recht schwächlich sei, und Mrs. Trail und ihre Töchter hätten lieber den Gottesdienst als eine Gesellschaft bei Lord Steyne versäumt. »Seine Moral ist zwar schlecht, aber, zum Henker, er hat den besten Champagner in ganz Europa«, sagte der kleine Lord Southdown zu seiner Schwester, als sie ihm sanfte Vorstellungen machte. Sie hatte nämlich von ihrer Mama entsetzliche Geschichten über die Vorkommnisse im Gaunt-Haus gehört. Und was Sir Pitt Crawley, Baronet, betrifft – Sir Pitt, dieses Muster der Wohlanständigkeit, Sir Pitt, der bei Missionsversammlungen präsidierte –, so dachte er keinen Augenblick daran, nicht hinzugehen. »Wo du Persönlichkeiten wie den Bischof von Ealing und die Gräfin Slingstone siehst, Jane, kannst du sicher sein, daß wir nicht fehl am Platze sind«, pflegte der Baronet zu sagen. »Der hohe Rang und Stand Lord Steynes erlauben ihm, über Leute in unserer Stellung zu herrschen. Der höchste Beamte einer Grafschaft, meine Liebe, ist ein respektabler Mann. Übrigens waren George Gaunt und ich früher sehr vertraut; als wir Attachés in Pumpernickel waren, war ich sein Vorgesetzter.«

 

“Lord Steyne is really too bad,” Lady Slingstone said, “but everybody goes, and of course I shall see that my girls come to no harm.” “His lordship is a man to whom I owe much, everything in life,” said the Right Reverend Doctor Trail, thinking that the Archbishop was rather shaky, and Mrs. Trail and the young ladies would as soon have missed going to church as to one of his lordship’s parties. “His morals are bad,” said little Lord Southdown to his sister, who meekly expostulated, having heard terrific legends from her mamma with respect to the doings at Gaunt House; “but hang it, he’s got the best dry Sillery in Europe!” And as for Sir Pitt Crawley, Bart. — Sir Pitt that pattern of decorum, Sir Pitt who had led off at missionary meetings — he never for one moment thought of not going too. “Where you see such persons as the Bishop of Ealing and the Countess of Slingstone, you may be pretty sure, Jane,” the Baronet would say, “that we cannot be wrong. The great rank and station of Lord Steyne put him in a position to command people in our station in life. The Lord Lieutenant of a County, my dear, is a respectable man. Besides, George Gaunt and I were intimate in early life; he was my junior when we were attaches at Pumpernickel together.”

Kurz, jeder machte diesem bedeutenden Mann seine Aufwartung – jeder, der zu Gast gebeten wurde. Auch du, lieber Leser (leugne es nicht), und ich, der Verfasser der Geschichte, würden gehen, wenn wir eingeladen würden.

 

In a word everybody went to wait upon this great man — everybody who was asked, as you the reader (do not say nay) or I the writer hereof would go if we had an invitation.


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