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Der Corporal hatte zwar sein Wort gehalten und die große Knotenperrücke meines Onkels Toby neu gelockt, aber die Zeit war zu kurz gewesen, um damit eine große Wirkung zu erzielen. Sie hatte viele Jahre lang ganz zusammengedrückt in einer Ecke des alten Feldkoffers gelegen; und da hierdurch schlechte Formen nicht so leicht besser werden und die Benutzung von Lichterstumpen ihm noch nicht recht geläufig war, so war die Arbeit nicht so elegant ausgefallen als man hätte wünschen mögen. – Der Corporal war wohl zwanzig Mal mit sorglichem Blick und ausgestreckten Armen davon zurückgetreten, um ihr womöglich ein besseres Aussehen einzuhauchen: – aber wenn sie der Spleen selbst betrachtet hätte, würde sie diesem Herrn ein Lächeln entlockt haben, – denn sie lockte sich überall, nur da nicht wo der Korporal es gerne gehabt hätte und wo eine Locke oder zwei nach seiner Ansicht Ehre eingelegt hätten, da hätte er ebenso leicht Todte erwecken können.
So war sie – oder vielmehr so hätte sie auf jeder anderen Stirne ausgesehen; allein das sanfte gütige Wesen, das sich aus der meines Onkels Toby ausprägte, gab Allem was damit in Verbindung stand ein so entsprechendes Gepräge und die Natur hatte überdies das Wort Gentleman so schön und deutlich in jede Linie seines Gesichts geschrieben, daß ihm sogar der abgetragene Hut mit den goldenen Tressen und die ungeheure Hutschleife von dünner Seide gut stand; und wenn sie an und für sich auch keinen Knopf werth waren, wurden sie in dem Augenblick, da mein Onkel Toby sie aufsetzte, sehr bedeutungsvolle Dinge und schienen ausdrücklich von der Hand der Wissenschaft herausgegriffen worden zu sein, um ihn vortheilhaft auszustaffiren.
Nichts auf der Welt aber hätte mächtiger hierauf einwirken können als meines Onkels blaue Uniform mit Gold, – wäre nicht zur Herstellung der Anmuth auch einige Ausgiebigkeit nothwendig gewesen. Aber in den 15–16 Jahren, seit ihrer Anfertigung, war sie in Folge der vollständigen Unbeweglichkeit meines Onkels Toby (denn er ging selten weiter als bis zu dem Rasen) – ihm so erbärmlich enge geworden, daß der Corporal ihn nur mit der äußersten Mühe hineinbrachte; das Anheften der Aufschläge an den Aermeln hatte nichts geholfen. Die Uniform war übrigens nach der zur Zeit des Königs William herrschenden Mode an den Schößen und Taschen mit Tressen besetzt; und leuchtete an jenem Morgen so hell in der Sonne und gab einen so metallischen und tapferen Schein von sich, daß wenn mein Onkel Toby im Harnisch hätte angreifen wollen, er seine Einbildungskraft nicht schöner hätte täuschen können.
Was die feinen Scharlachhosen anbelangt, so waren sie von dem Schneider zwischen den Füßen aufgetrennt und in diesem traurigen Zustande belassen worden.
Ja, Madame, zügeln wir unsere Phantasie. – Es genüge, daß sie am Abende vorher für unbrauchbar erkannt wurden; und da meines Onkels Toby Garderobe kein zweites Paar zu versenden hatte, rückte er in den rothen Plüschhosen aus.
Der Corporal hatte sich mit der Uniform des armen Le Fever herausgeputzt, und sein Haar unter seine Monteromütze aufgebunden, die er bei diesem Anlaß frisch geputzt hatte. So marschirte er auf drei Schritte Abstand hinter seinem Herrn – in einem Anfall von militärischem Stolz hatte er die Hemdärmel am Handgelenk aufgepufft, darüber hing der Stock des Corporals an einem schwarzen Lederriemen, der unter dem Knoten zu einer Quaste zerschnitten war.
Mein Onkel Toby trug seinen Stock wie eine Pike.
Es sieht wenigstens nicht übel aus, sagte mein Vater zu sich selbst.
Mein Onkel Toby drehte den Kopf mehr als einmal nach hinten, um zu sehen, wie er vom Corporal unterstützt werde; jedes Mal machte der Corporal dann einen leichten Schwung mit seinem Stock, – jedoch keineswegs in prahlerischer Weise; und bat dann Seine Gnaden in dem lieblichsten Ton achtungsvollster Ermuthigung, doch ja keine Angst zu haben.
Mein Onkel Toby hatte aber wirklich Angst, und zwar sehr bedeutend; er wußte (wie ihm mein Vater vorwarf) bei einem Frauenzimmer niemals das rechte Ende vom unrechten zu unterscheiden, und fühlte sich deshalb in der Nähe eines solchen niemals behaglich – außer im Fall einer Trauer oder eines Unglücks; dann war sein Mitleid unendlich, und der galanteste Ritter der Romantik konnte, wenigstens auf einem Bein, nicht weiter gehen, wo es sich darum handelte, die Thränen eines weiblichen Auges zu trocknen; und doch hatte er nie fest in das Auge eines Weibes gesehen, außer das eine Mal, wo Frau Wadman ihn dran bekam; und oft sagte er zu meinem Vater in der Einfalt seines Herzens, das sei fast so schlecht (wo nicht ganz so schlecht), wie wenn man Zoten erzähle.
Und angenommen es sei so? pflegte mein Vater zu erwidern.
Corporal, sagte mein Onkel Toby und hielt an, als sie etwa noch zwanzig Schritte von der Hausthüre der Frau Wadman entfernt waren, – Sie kann es nicht wohl übel nehmen.
Sie wird es gerade so nehmen, Euer Gnaden, erwiderte der Corporal, wie es die jüdische Wittwe in Lissabon bei meinen Bruder Tom nahm.
Und wie war das? fragte mein Onkel Toby und drehte sich ganz zu dem Corporal herum.
Euer Gnaden kennen ja Tom's Mißgeschick, versetzte der Corporal, diese Sache hat aber hiemit nur in so weit etwas zu schaffen – als wenn Tom die Wittwe nicht geheiratet, – oder es Gott gefallen hätte, daß sie nach ihrer Verheirathung Schweinefleisch in ihre Würste thaten, die arme Seele nie aus ihrem warmen Bett gerissen und vor die Inquisition geschleppt worden wäre; – das ist aber ein verwünschter Ort, sagte der Corporal und schüttelte den Kopf, wenn einmal ein armer Teufel darin ist, Euer Gnaden, dann ist an ein Herauskommen nicht zu denken.
Sehr wahr, sagte mein Onkel Toby und schaut dabei ernsthaft nach dem Hause der Frau Wadman.
Nichts ist trauriger als lebenslängliche Haft, sagte mein Onkel Toby, – und nichts so süß, Euer Gnaden, als die Freiheit.
Nichts, Trim, sagte mein Onkel Toby gedankenvoll.
Solange der Mensch frei ist, rief der Corporal und schwang seinen Stock etwa so:
Tausend der feinsten Syllogismen meines Vaters hätten nicht beredter für das Cölibat sprechen können.
Mein Onkel Toby sah mit sehr ernster Miene nach seinem Hause und dem Rasenplatz.
Der Corporal hatte mit seinem Stab unbedachtsamerweise den Geist der Berechnung herauf beschworen; es blieb ihm also nichts übrig, als ihn mit seiner Geschichte hinunter zu beschwören; und das that der Corporal ganz ungeistlicherweise mit folgender Beschwörung:
Da Tom's Stelle eine behagliche war, Euer Gnaden, – und das Wetter warm, – so kam er darauf, ernstlich darüber nachzudenken, ob er sich nicht fest niederlassen sollte; und da um diese Zeit ein Jude, der einen Wurstladen in der gleichen Straße hatte, das Unglück hatte, an der Harnstrenge zu sterben und eine Wittwe zu hinterlassen, die eine lebhafte Kundschaft besaß, – so dachte Tom (da in Lissabon Jedermann möglichst gut für sich selbst sorgte), es möchte nicht so übel sein, wenn er ihr seine Dienste zum Weiterbetrieb ihres Gewerbes anböte. So machte sich Tom, ohne daß er eine andere Einführung bei der Wittwe gehabt hätte, als daß er ein Pfund Wurst in ihrem Laden kaufte – auf die Beine und rechnete unterwegs so: – im schlimmsten Fall erhalte er ein Pfund Wurst für ihren Werth; – gingen die Sachen aber gut, so etablire er sich, und bekomme dann nicht nur ein Pfund Wurst, – sondern auch noch ein Weib und einen Wurstladen dazu.
Jeder Diener in der Familie, vom ersten bis zum letzten, wünschte Tom guten Erfolg; und es ist mir, Euer Gnaden, als sehe ich ihn vor mir, in seiner weißen Barchentjacke und Hosen und den Hut etwas auf dem rechten Ohr, wie er fidel die Straßen dahin wandelt und seinen Stock schwingt, und für Jeden, der ihm begegnet, ein Lächeln und ein freundliches Wort hat. Aber ach! du lächelst jetzt nicht mehr, Tom, rief der Corporal, und sah nach der Seite hin auf den Boden, als ob er zu ihm in seinem Kerker drunten redete.
Der arme Bursche, sagte mein Onkel Toby gefühlvoll.
Er war ein ehrlicher Bursche und hatte ein so leichtes Herz, Euer Gnaden, als je eines pulsirte.
Dann glich er dir, Trim, sagte mein Onkel Toby rasch.
Der Corporal erröthete bis zu den Spitzen seiner Finger, – eine Thräne empfindsamer Scham – eine der Dankbarkeit gegen meinen Onkel Toby, – und eine Thräne des Kummers über das Unglück seines Bruders – schossen in sein Auge und rannen zusammen sanft über seine Wangen herab. – Die Wangen meines Onkels Toby flammten daran auf, wie eine Lampe sich an einer andern entzündet, dann faßte er Trim an dem Bruststück seines Rocks (der früher Le Fever gehört hatte), als ob er sein lahmes Bein ausruhen wollte, in Wirklichkeit aber, um einem feineren Gefühl einen Ausdruck zu geben – und blieb so 1½ Minute schweigend stehen; dann zog er die Hand weg. und der Corporal machte eine Verbeugung und fuhr in der Erzählung von seinem Bruder und der jüdischen Wittwe fort.
Als Tom in den Laden trat, Euer Gnaden, fand er dort Niemand als ein armes Negermädchen mit einem langen Stab in der Hand, an dessen Ende ein Büschel weißer Federn gebunden war, womit sie die Fliegen wegwedelte, – sie aber nicht tödtete. – Das ist ein hübsches Bild, sagte mein Onkel Toby, – sie hatte wohl selbst Verfolgung erduldet, Trim, und dadurch gelernt barmherzig zu sein.
Sie war ebensowol von Natur gutherzig, Euer Gnaden, wie in Folge dessen, was sie durchgemacht hatte – und es sind Umstände in der Geschichte dieser armen verlassenen Person, die ein Herz von Stein erweichen konnten, sagte Trim. Wenn einmal ein recht unfreundlicher Winterabend kommt und Euer Gnaden gerade in der rechten Stimmung sind, will ich's Ihnen erzählen, und auch die übrige Geschichte von Tom, denn es bildet einen Theil derselben.
Vergiß das ja nicht, Trim, sagte mein Onkel Toby.
Ein Neger hat doch wol eine Seele – Euer Gnaden, sagte der Corporal (etwas zweifelnd).
Ich bin in diesen Dingen nicht recht zu Hause, versetzte mein Onkel Toby; aber ich glaube, Gott wird ihm ebensowenig eine verweigert haben wie dir und mir.
Sonst würde ja ein Mensch ganz traurigerweise über den andern gestellt, meinte der Corporal.
Ja, das würde er, sagte mein Onkel Toby –
Warum also dürfte man ein schwarzes Weibsbild schlechter behandeln als ein weißes, Euer Gnaden?
Ich kann dir keinen Grund angeben, sagte mein Onkel Toby.
Das kann doch nur sein, sagte der Corporal kopfschüttelnd, weil sie Niemand hat, der sich ihrer annimmt.
Du hast's getroffen, Trim, versetzte mein Onkel Toby, – und gerade das empfiehlt sie dem Schutz, – und ihre Brüder ebenfalls; das Kriegsglück hat jetzt uns die Peitsche in die Hand gegeben, – wie es später einmal sein wird, weiß der Himmel! – aber möge es gehen wie es will, Trim, ein tapferer Mann wird keinen lieblosen Gebrauch davon machen.
Das verhüte Gott! sagte der Corporal.
Amen! setzte mein Onkel Toby hinzu und legte die Hand aufs Herz. –
Der Corporal kehrte zu seiner Geschichte zurück und machte weiter, aber mit einer Verlegenheit, die mancher Leser nicht recht verstehen wird. Durch die vielen plötzlichen Uebergänge von einer menschenfreundlichen und herzlichen Empfindung zu einer andern hatte er nämlich im Weiterschreiten die vergnügliche Tonart ganz verloren, die seiner Erzählung anfangs Geist und Leben gab. Zwei Mal versuchte er sie wieder zu bekommen, aber der Ton gefiel ihm selbst nicht. – Er stieß also ein kräftiges Hem! aus, um die fliehenden Geister wieder herbei zu holen, wobei er der Natur dadurch nachhalf, daß er den linken Arm in die Seite stemmte und den rechten etwas ausstreckte. Auf diese Art kam der Corporal der Tonart wieder möglichst nahe, und setzte nun seine Geschichte in dieser Haltung fort:
Da Tom damals mit der jungen Mohrin nichts zu thun hatte, Euer Gnaden, ging er weiter in das hintere Zimmer, um mit der jüdischen Wittwe von seiner Liebe zu sprechen – und von dem Pfund Wurst; und da er, wie ich Euer Gnaden bereits gesagt habe, ein offener frohherziger Bursche war, dessen Charakter in Blick und Benehmen geschrieben stand, so nahm er einen Stuhl und setzte ihn ohne viel Umstände aber mit großer Artigkeit dicht neben sie an den Tisch und setzte sich.
Es gibt nichts Ungeschickteres, Euer Gnaden. als wenn man einem Frauenzimmer den Hof machen muß, während sie Würste macht. – So begann denn Tom eine Unterhaltung über Würste; anfangs ganz ernsthaft: – Wie sie gemacht würden? – Was für Fleisch, Kräuter und Gewürze man dazu nehme; – dann schon etwas lustiger: Was für Därme die rechten wären? – ob sie nie platzten? – ob nicht die längsten die besten seien? und so weiter? – wobei er sich nur in Acht nahm, das, was er über Würste zu sagen hatte, eher etwas zu wenig als zu viel zu salzen – damit er noch immer etwas in Reserve behielt.
Dadurch, daß der Graf de la Motte diese Vorsicht außer Acht ließ, sagte mein Onkel Toby und legte Trim die Hand auf die Schulter, verlor er die Schlacht bei Wynendale. Er drängte viel zu stark in den Wald; hätte er das nicht gethan, so wäre Lille nicht in unsere Hände gefallen, und Gent und Brügge, die dem Beispiel des ersteren folgten, ebensowenig. – Es war so spät im Jahr, fuhr mein Onkel Toby fort, und das Wetter, das nun kam, so schrecklich, daß wenn die Dinge nicht diese Wendung genommen hätten, unsere Truppen im freien Feld elend zu Grunde gegangen wären.
Warum also, Euer Gnaden, können nicht Schlachten ebensogut im Himmel beschlossen werden wie Ehen?
Mein Onkel Toby sann darüber nach. – Sein religiöses Gefühl neigte ihn zu der einen Ansicht, und seine hohe Achtung vor der Kriegskunst zur andern; da er deshalb außer Stande war eine Antwort zu formuliren, die ihm recht zusagte, – so sagte mein Onkel Toby lieber gar nichts, und der Corporal konnte so seine Geschichte beendigen.
Als Tom wahrnahm, daß er Terrain gewann, Euer Gnaden, und daß Alles was er über Würste sagte, freundlich aufgenommen wurde, so schickte er sich an, ihr ein wenig beim Machen zu helfen; – zuerst nahm er den Wurstring in die Hand, während sie das gehackte Fleisch hineinstopfte; – dann schnitt er die Bindfaden in der richtigen Länge, und hielt sie, während sie ihm einen um den andern abnahm, – dann legte er ihr sie quer in den Mund, damit sie sie dort nehmen konnte, sobald sie sie brauchte, – und sofort vom Kleinen zum Größeren, bis er es endlich wagte, die Wurst selbst zuzubinden, während sie ihm die offene Darmschnauze hin hielt.
Nun wählt eine Wittwe, Euer Gnaden, den zweiten Mann so, daß er dem ersten möglichst wenig ähnlich ist; die Angelegenheit war daher in ihrem Innern beinahe ganz im Reinen, noch ehe Tom davon anfing.
Sie that jedoch als ob sie sich vertheidigen wolle und haschte nach einer Wurst. – Sofort griff Tom nach einer anderen.
Da sie aber sah, daß die Tom's knorriger war, – unterzeichnete sie die Kapitulation – und Tom setzte sein Petschaft darunter; und damit war die Sache im Reinen.
Alle Frauenzimmer, Euer Gnaden, fuhr Trim in Erläuterung seiner Geschichte fort, von der höchsten bis zur niedersten haben eine Freude an Späßen. Es ist nur schwer zu wissen, wie man sie ihnen vorschneiden muß; und erfahren kann man das nur durch Versuche wie bei unserer Artillerie im Felde, indem man das RohrUnübersetzbares Wortspiel: breeches, Hinterstück der Kanone, und Hosen. solange in die Höhe schraubt und wieder hinunter läßt, bis es die rechte Richtung hat.
Dieser Vergleich gefällt mir besser als die Sache selbst, sagte mein Onkel Toby.
Weil Euer Gnaden den Ruhm mehr lieben als das Vergnügen, sagte der Corporal.
Ich hoffe, Trim, erwiderte mein Onkel Toby, ich liebe die Menschen mehr als Beides, und da die Kriegswissenschaften offenbar so sehr zum Heil und zur Ruhe der Welt beitragen, – und besonders der Zweig, den wir zusammen auf unserem Rasen ins Werk gesetzt haben, keinen andern Zweck hat, als die Schritte des Ehrgeizes zu hemmen und das Leben und die Habe der Wenigen gegen die Plünderungslust der Vielen zu schützen, – so bin ich überzeugt, Corporal, wenn je die Trommel in unsere Ohren tönt, wird es Keinem von uns Beiden so sehr an Menschlichkeit und Mitgefühl fehlen, daß er nicht rechtsum machte und ausmarschirte.
Bei diesen Worten machte mein Onkel Toby wirklich rechtsum und marschirte fest drauf los wie an der Spitze seiner Compagnie; – der getreue Corporal aber schulterte seinen Stock, schlug, als er den ersten Schritt that, mit der Hand auf den Rockschooß – und marschirte hart hinter ihm die Allee hinunter.
Was haben Die wieder in ihren Köpfen? sagte mein Vater zu meiner Mutter. – Wahrhaftig sie belagern Frau Wadman in aller Form und marschiren um ihr Haus herum, um die Circumvallationslinie zu bezeichnen.
Ich glaube sagte meine Mutter, – doch Halt, lieber Leser – denn was meine Mutter bei diesem Anlaß glaubte, – und was mein Vater darüber sagte, – nebst ihren Antworten und seinen Erwiderungen, das soll Alles in einem besondern Kapitel gelesen, durchgegangen, ausgelegt, erklärt und weitläufig besprochen – oder um Alles mit einem Wort zu sagen von der Nachwelt durchblättert werden, ich sage ausdrücklich von der Nachwelt – und ich scheue mich nicht, das Wort zu wiederholen, – denn was hat dies Buch Schlimmeres gethan als die Sendung des Moses oder das Mährchen von der Tonne, um nicht so gut wie diese die Rinne der Zeit hinab zu laufen?
Ich will die Sache nicht näher auseinandersetzen; die Zeit eilt zu rasch dahin; jeder Buchstabe, den ich niederschreibe, sagt mir, wie rasend schnell das Leben meiner Feder folgt; die Tage und Stunden desselben sind aber kostbarer, – theure Jenny – als die Rubinen, die du um den Hals trägst, sie fliehen über unsere Häupter dahin wie leichte Wolken an einem windigen Tage und kehren niemals wieder; – Alles drängt vorwärts. – Während du noch diese Locke wickelst – schau, wird sie grau; und jedes Mal wenn ich dir zum Abschied die Hand küsse und jede Abwesenheit, die darauf folgt, sind Vorspiele jener ewigen Trennung, die wir in kurzem erleben werden.
Der Himmel schütze uns Beide!
Was mag wohl die Welt von diesem Stoßseufzer denken? – Ich gäbe keinen Groschen darum – wenn ich's erfahren könnte.
Meine Mutter war mit dem linken Arm unter dem rechten meines Vaters weiter gegangen, bis sie an der verhängnißvollen Ecke der alten Gartenmauer waren, wo Dr. Slop von Obadiah auf dem Kutschenpferd über den Haufen gerannt worden war. Da dies gerade gegenüber der Frontseite des Hauses der Frau Wadman war, so warf mein Vater, als er dort angelangt war, einen Blick hinüber; und da er sah, daß mein Onkel Toby und der Corporal nur noch zehn Schritte von der Thüre entfernt waren, drehte er sich um und sagte: Wir wollen einen Augenblick stehen bleiben und sehen, mit welchen Ceremonien mein Bruder Toby und sein Trim ihren ersten Einzug halten; – es wird uns keine Minute aufhalten.
Und wenn es auch zehn Minuten würden, sagte meine Mutter, es hat nichts zu sagen.
Nicht eine halbe wird es uns aufhalten, sagte mein Vater.
Der Corporal hatte damals gerade mit der Geschichte von seinem Bruder Tom und der jüdischen Wittwe begonnen; die Geschichte ging weiter und weiter; – es kamen Episoden; – dann fing sie wieder an und ging weiter und abermals weiter; es wollte kein Ende damit nehmen; – der Leser hat sie sehr lang befunden.
Gott stehe meinem Vater bei! er pustete fünfzig Mal bei jeder neuen Gestalt, die die Sache annahm, und wünschte des Corporals Stock mit all seinen Schwenkungen und Baumeleien zu so viel Teufeln, als sich damit befassen mochten.
Wenn Ereignisse wie dasjenige, dessen Ausgang mein Vater hier erwartete, in den Schalen des Schicksals liegen, bleibt es dem Geiste unbenommen die Grundursache der Erwartung drei Mal zu wechseln, sonst könnte er die Sache nicht aushalten.
Die Neugierde beherrscht den ersten Moment, im zweiten regiert die Sparsamkeit, und sucht die für den ersten gemachten Ausgaben zu rechtfertigen; – was aber den 3., 4., 5. und 6. Moment und sofort bis zum jüngsten Tage betrifft, – so ist das Warten hier Ehrensache.
Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß Moralschriftsteller alles Warten auf Rechnung der Geduld schreiben; allein diese Tugend hat, wie mich dünkt, ein hinlänglich großes Gebiet und genug darin zu thun, ohne daß sie auch noch die wenigen halbzerstörten Burgen besetzt, welche die Ehre noch auf Erden inne hat.
Mein Vater hielt es mit Hilfe dieser drei Bundesgenossen so gut als möglich bis zum Schlusse von Trims Geschichte aus; und ebenso von da bis zum Schlusse der Lobrede meines Onkels Toby auf die Kriegswissenschaften im folgenden Kapitel. Als er aber sah, daß Beide, statt auf Frau Wadmans Thüre los zu steuern, nun rechtsum machten und die Allee hinabmarschirten, also gerade in der entgegengesetzten Richtung, die er erwartet hatte – brach er mit jener etwas scharfen Gereiztheit des Humors los, die in gewissen Lagen seinen Charakter von dem aller andern Menschen unterschied.
Was haben Die wieder in ihren Köpfen? rief mein Vater u. s. w.
Ich glaube, sagte meine Mutter, sie wollen wieder eine Schanze machen.
Hoffentlich nicht auf Frau Wadmans Grund und Boden, sagte mein Vater und trat zurück.
Ich glaube nicht, versetzte meine Mutter.
Der Teufel hole diese ganze Wissenschaft der Befestigung mit all ihrem Plunder von Sappen, Minen, Blendirungen, Schanzkörben, Fausse-Brayés und Cuvetten! rief mein Vater mit erhobener Stimme.
Es sind närrische Dinge, meinte meine Mutter.
Nun hatte sie eine Gewohnheit – und ich gäbe augenblicklich mein purpurrothes Wamms darum und meine gelben Pantoffeln dazu, wenn einige von den geehrten Leserinnen sie nachahmen wollten, – die darin bestand, daß sie niemals irgend einer Behauptung, die mein Vater ihr vorlegte, ihre Zustimmung oder Beistimmung verweigert, lediglich deshalb weil sie sie nicht verstand, oder keine Idee von der Bedeutung des Schlagworts oder Kunstausdrucks hatte, von denen seine Behauptung oder sein Lehrsatz handelte. Sie begnügte sich dann damit Alles zu thun, was ihre Pathen und Pathinnen für sie versprochen hatten – aber nicht mehr; und so gebrauchte sie ein schwieriges Wort zwanzig Jahre lang, – und gab auch, wenn es ein Zeitwort war, in allen seinen Modis und Zeiten darauf Antwort, ohne daß sie sich über seine Bedeutung den Kopf zerbrach.
Dies war ein beständiger Quell des Jammers für meinen Vater und brach bei der ersten Kundgebung mehr schönen Gesprächen zwischen ihnen den Hals, als es der muthwilligste Widerspruch gethan hätte; – den wenigen, welche übrig blieben, wurde durch die Cuvetten geholfen.
Es sind närrische Dinge, sagte meine Mutter.
Besonders die Cuvetten, versetzte mein Vater.
Genug, – er schmeckte bereits die Süßigkeit des Triumphes, und machte fort.
Sie gehören zwar allerdings nicht eigentlich zu Frau Wadmans Grund und Boden, sagte mein Vater. indem er sich zum Theil selbst berichtigte, – weil sie nur Pächterin auf Lebenszeit ist.
Das macht einen großen Unterschied, – sagte meine Mutter.
Im Kopf eines Pinsels, versetzte mein Vater.
Wofern sie nicht ein Kind bekommt, sagte meine Mutter.
Aber sie muß erst meinen Bruder Toby dahin bringen, daß sie eines bekommen kann.
Freilich, Herr Shandy, sagte meine Mutter.
Aber wenn es dahin kommt, daß sie ihn dazu bringt, – sagte mein Vater, – dann gnade ihnen Gott!
Amen, sagte meine Mutter piano.
Amen, rief mein Vater fortissime.
Amen, wiederholt meine Mutter, – aber mit einem so seufzenden Ton persönlichen Mitleids, daß es jede Faser in meinem Vater niederdrückte. Er zog sofort den Kalender heraus, vermochte ihn aber nicht zu öffnen, da gerade Yoricks Heerde aus der Kirche kam und ihm damit eine vollständige Antwort auf die eine Hälfte seiner Frage gab; und als meine Mutter ihm sagte, es sei ein Abendmahlstag, konnte er auch über die zweite Hälfte wenig Zweifel haben. – Er steckte daher den Kalender wieder ein.
Der erste Lord der Schatzkammer, der über »Mittel und Wege« nachdenkt, hätte nicht mit einem verlegeneren Gesichte nach Hause gehen können, als mein Vater that.
Wenn man vom Schlusse des letzten Kapitels aus zurückschaut und das Gewebe dessen, was geschrieben wurde, überblickt, so wird man finden, daß auf dieser und den vier folgenden Seiten nothwendig eine gute Portion heterogenen Stoffes eingeschaltet werden mußte, um jenes richtige Gleichgewicht zwischen Weisheit und Narrheit herzustellen, ohne welches ein Buch nicht ein Jahr lang bestehen würde. Auch kann dies nicht durch eine schleichende Abschweifung erzielt werden (die, wenn nicht der Name eines Mannes zu berücksichtigen wäre, ebensogut auf der Landstraße vor sich gehen könnte) – Nein, wenn eine Abschweifung her soll, so muß es eine gute frische sein und über einen frischen Gegenstand, wo weder Pferd noch Reiter anders als durch einen Rückprall beschädigt werden kann.
Die einzige Schwierigkeit besteht darin, daß man die rechten Mächte erwischt, welche sich für die Natur dieses Dienstes eignen; die Phantasie ist grillenhaft, – der Witz darf nicht erst gesucht werden, – und der Spaß (so ein gutmüthiger Kerl er auch ist) kommt nicht wenn man ihn ruft, und wenn man ihm ein Königreich zu Füßen legte.
Das Beste ist, der Mensch sagt seine Gebete her.
Wenn sie ihm freilich seine geistigen und körperlichen Schwächen und Mängel vor Augen führen, – so wird er sich, nachdem er sie her gesagt, für jenen Zweck eher übler befinden, – für andere Zwecke allerdings besser.
Was mich selbst betrifft, so gibt es meines Wissens keinen moralischen oder mechanischen Weg, den ich in einem solchen Fall nicht eingeschlagen habe; manchmal wendete ich mich direct an die Seele selbst und überlegte den Punkt mit ihr hin und her, soweit ihre Fähigkeiten reichten.
Ich konnte diese freilich nicht um einen Zoll ausdehnen.
Dann änderte ich das System und probirte, wie weit ich es mit dem Körper bringen könnte, durch Mäßigkeit, Nüchternheit, Keuschheit. Diese Dinge, sagte ich mir. sind an sich gut; – sie sind es absolut, – sie sind es relativ, – sie sind gut für die Gesundheit, – sie sind gut für das Glück in dieser Welt, – sie sind gut für das Glück in jener.
Kurz sie waren für Alles gut, nur für das nicht, wozu ich sie brauchte, in dieser Beziehung sind sie zu nichts nutz, und lassen die Seele gerade so wie der Himmel sie gemacht hat. Was die theologischen Tugenden des Glaubens und der Hoffnung betrifft, so geben sie Muth; aber jene weinerliche Tugend die Demuth (wie sie mein Vater immer nannte) nimmt diesen wieder total, und dann ist man genau da, von wo man ausgegangen ist.
Für alle gewöhnlichen Fälle habe ich nun kein besseres Mittel gefunden als das folgende: –
Wenn man sich einigermaßen auf Logik verlassen kann und ich nicht durch Eigenliebe verblendet bin, so muß etwas von ächtem Genius in mir sein, und zwar – weil ich nicht weiß, was Neid ist; denn niemals verfalle ich auf eine Erfindung oder Idee, die auf die Förderung der Schriftstellerei zielt, ohne daß ich sie augenblicklich öffentlich bekannt mache, denn ich möchte, daß alle Leute so gut schrieben wie ich selbst:
Was sie ganz gewiß thun werden, wenn sie ebensowenig denken.
In gewöhnlichen Fällen nun, das heißt, wenn ich nur einfältig bin, und die Gedanken schwerfällig kommen und so recht harzig durch meine Feder laufen –
Oder wenn ich, ich weiß nicht wie, in eine kalte metapherlose niederträchtige Schreiberei hineingerathen bin und ums Leben nicht daraus herauskommen kann; und dann fortschreiben müßte wie ein holländischer Commentator bis ans Ende des Kapitels, wenn nicht etwas geschähe –
So unterhandle ich doch nie einen Augenblick mit Feder und Tinte; sondern wenn eine Prise Tabak oder ein Gang durchs Zimmer nicht helfen wollen, – so nehme ich ein Rasirmesser, probire die Schärfe am Ballen meiner Hand und rasire dann meinen Bart ohne weitere Ceremonie, außer daß ich ihn vorher einseife, wobei ich nur Sorge trage, daß wenn ja ein Haar stehen bleibt, es kein graues ist. Hierauf wechsle ich mein Hemd, – ziehe einen besseren Rock an, – schicke nach meiner neuesten Perrücke, – stecke meinen Topasring an den Finger, mit einem Wort ziehe mich vollständig und aufs beste an.
Nun müßte es schon mit dem Teufel zugehen, wenn dies nichts hälfe; denn man bedenke, da jeder Mann gerne dabei ist, wenn sein eigener Bart rasirt wird (obgleich es keine Regel ohne Ausnahme gibt), und solange dies geschieht, er sich die ganze Zeit über ganz unvermeidlich selbst gegenüber sitzt, falls er nämlich dabei mitarbeitet, – so muß diese Situation wie alle anderen notwendig ihre eigenthümlichen Bemerkungen in sein Gehirn bringen.
Ich behaupte, die Ideen eines rauhbärtigen Mannes werden um sieben Jahre eleganter und jugendlicher durch eine einzige Operation; und könnten, wenn sie nicht Gefahr liefen ganz wegrasirt zu werden, durch beständiges Rasiren auf den höchsten Gipfel der Erhabenheit gebracht werden. – Wie es Homer zu Stande brachte, mit einem so langen Bart zu schreiben, begreife ich nicht; – und da dieser Fall gegen meine Hypothese spricht, bekümmere ich mich auch nicht darum; – kehren wir jedoch zur Toilette zurück.
Ludovicus Sorbonensis will dies ganz zu einer Angelegenheit des Körpers machen (εξωτερικη πραξις, wie er es nennt), – aber er täuscht sich: Seele und Leib sind bei jeder Sache, die sie erzeugen, Mittheilhaber. Ein Mann kann sich nicht anziehen, ohne daß seine Ideen zu gleicher Zeit bekleidet werden; und wenn er sich wie ein Gentleman kleidet, so wird auch jeder seiner Gedanken in einer ähnlichen nobeln Art vor seiner Phantasie stehen, – so daß er nichts zu thun braucht, als seine Feder zu ergreifen und so zu schreiben wie er selbst ist.
Wenn daher der geneigte Leser gerne wissen möchte, ob ich sauber und lesbar schreibe, so wird er hierüber ganz ebensogut urtheilen können, wenn er in die Rechnung meiner Wäscherin, wie wenn er in mein Buch sieht. Ich kann von einem einzigen Monat nachweisen, daß ich einunddreißig Hemden durch sauberes Schreiben beschmutzte, und daß ich trotzdem für das, was ich in diesem einen Monat geschrieben, mehr geschmäht, verwünscht, kritisirt und verdammt wurde, und daß mehr mystische Köpfe deshalb geschüttelt wurden, als in allen andern Monaten dieses Jahrs zusammen.
Aber der geehrte Leser hat die Rechnungen nicht gesehen, die ich darüber bekommen.
Da ich niemals die Absicht hatte, die Abschweifung, für die ich all diese Vorbereitungen getroffen habe, früher zu beginnen, als bis ich zum 294. Kapitel komme, – so kann ich dieses Kapitel benützen wie ich für gut finde. – Ich habe in diesem Augenblick zwanzig Stoffe dafür. – Ich könnte mein Kapitel über die Knopflöcher schreiben, –
Oder mein Kapitel über die Pfui's, das darauf folgen sollte – Oder mein Kapitel über Knoten; falls aber der geneigte Leser nichts mehr damit zu schaffen haben will, – könnten sie mich zu Mißliebigkeiten führen. Das Sicherste ist, ich mache es wie die gelehrten Herren und erhebe Einwürfe gegen das was ich geschrieben habe, obschon ich zum Voraus erklären muß, daß ich so wenig etwas darauf zu erwidern vermöchte wie mein Absatz.
Und zuerst kann man sagen, in meinen Sachen liege eine erbärmliche Art Thersitischer Satyre, so schwarz wie die Tinte, in der sie geschrieben worden, – (und wer dies behauptet, der möge sich bei dem Obermusterherrn der griechischen Armee bedanken, daß er den Namen eines so abscheulichen und ungesitteten Mannes wie Thersites in der Armeeliste duldete, – denn dieser Name zog ihm ein Beiwort zu). – Bei diesen Erzeugnissen wird er behaupten, thun alle persönlichen Waschungen und Abreibungen auf Erden dem sinkenden Genius in keiner Weise gut – sondern gerade das Gegentheil, denn je schmutziger der Bursch, desto mehr Erfolg hat er im Allgemeinen.
Hierauf habe ich keine andere Antwort, – wenigstens bereits fertig, – als die, daß der Erzbischof von Benevent seinen schlüpfrigen Roman Galatea, wie alle Welt weiß, in einem purpurnen Rock, Weste und Hosen schrieb; und daß die Buße, welche ihm dafür auferlegt wurde, nämlich einen Commentar über das Buch der Offenbarung zu schreiben, für so strenge sie auch ein Theil der Welt hielt, von dem andern Theil durchaus nicht so erachtet wurde, eben weil er jenen Anzug trug.
Ein anderer Einwurf gegen jenes Mittelchen ist der, daß es nicht allgemein anzuwenden sei; weil das Rasiren, auf welches so viel Werth gelegt ist, nach einem unwandelbaren Gesetz der Natur die eine Hälfte des Menschengeschlechts davon ausschließt. Alles was ich dagegen sagen kann, ist, daß die weiblichen Schriftsteller in England oder Frankreich sich eben ohne das Mittel behelfen müssen.
Was die spanischen Damen anbelangt, so ist es mir wegen ihrer nicht bange.
Endlich ist das 294. Kapitel da, bringt aber nichts als den traurigen Beweis: »Wie unsere Freuden uns auf dieser Welt unter den Händen wegschwinden!«
Denn während ich von meiner Abschweifung noch spreche, – erkläre ich vor dem Himmel, daß ich sie gemacht habe. – Welch ein seltsames Geschöpf ist doch der Mensch! sagte sie.
Sehr wahr, sagte ich; – aber schaffen wir lieber all das Zeug aus unsern Köpfen und kehren zu meinem Onkel Toby zurück.
Als mein Onkel Toby und der Corporal bis an das Ende der Allee marschirt waren, fiel ihnen bei, daß ihr Geschäft eigentlich auf der andern Seite liege. Sie machten daher Kehrt und rückten gerade auf die Thüre der Frau Wadman los.
Verlassen sich Euer Gnaden nur auf mich, sagte der Corporal und berührte seine Monteromütze mit der Hand, während er an ihm vorüber ging, um an die Thüre zu klopfen. – Mein Onkel Toby, ganz entgegen der Weise wie er beständig seinen treuen Diener behandelte, erwiderte nichts, weder etwas Gutes noch etwas Böses. Die Sache war die, daß er nicht recht mit sich im Reinen war; er hätte gerne noch einmal Kriegsrath gehalten, und als der Corporal die drei Stufen vor der Thüre hinaufging, räusperte er sich zwei Mal; bei jedem dieser Ausstöße flog ein Theil des sehr mäßigen Muthes meines Onkels Toby nach dem Corporal hin. Dieser stand eine volle Minute mit dem Thürklopfer in der Hand, er wußte nicht recht warum. Brigitte stand innen auf der Lauer, mit Daumen und Zeigefinger an der Klinke, vor Erwartung starr; und Frau Wadman saß mit einem Auge, in dem sich der Entschluß aussprach, sich nochmals entblättern zu lassen, athemlos hinter dem Fenstervorhang ihres Schlafzimmers und wartete auf ihr Hereinkommen.
Trim! sprach mein Onkel Toby, – aber in dem Augenblick da er das Wort aussprach, war die Minute um und Trim ließ den Thürklopfer fallen.
Da mein Onkel Toby sah, daß alle Aussicht auf einen Kriegsrath damit niedergeschmettert war, pfiff er seinen Lillabullero.
Da Daumen und Zeigefinger der Jungfer Brigitte bereits auf der Klinke lagen, so brauchte der Corporal nicht so oft zu klopfen als vielleicht der Schneider des geehrten Lesers. – Ich hätte mein Beispiel vielleicht mehr in meiner Nähe nehmen können, denn ich schulde dem meinigen wenigstens fünfundzwanzig Pfund und wundere mich nur über die Geduld des Mannes.
– Aber das ist der Welt höchst gleichgiltig; es ist nur ein ganz verwünschtes Ding etwas schuldig zu sein; in dieser Beziehung scheint über den Schatzkammern einiger armen Prinzen, besonders solcher von unserem Hause, ein wahres Verhängniß zu schweben, welches keine Sparsamkeit fesseln kann. Was mich betrifft, so bin ich überzeugt, es gibt keinen Prinzen, Prälaten, Papst oder Herrscher auf der Welt, mag er nun groß oder klein sein, der in seinem Herzen eifriger wünscht, mit der Welt quitt zu sein als ich, – und der augenfälliger darauf hinarbeitet. Ich gebe nie über eine halbe Guinee, – gehe nicht in Stiefeln spazieren, – kaufe keine Zahnstocher, – und gebe in einem ganzen Jahre keinen Schilling für Putz aus; und während der sechs Monate, die ich auf dem Lande zubringe, lebe ich auf eine so schmale Weise, daß ich trotz dem ruhigsten Temperament von der Welt selbst Rousseau um die Länge eines Schlagbaums überhole! – denn ich halte weder einen Knecht noch einen Jungen, weder ein Pferd noch eine Kuh, weder einen Hund noch eine Katze, noch irgend ein Ding das essen und trinken kann, außer eine magere armselige Art Vestalin (um mein Feuer zu unterhalten), die in der Regel einen ebenso schlechten Appetit hat als ich selbst; – wenn Sie aber glauben, ich sei deshalb ein Philosoph, – so möchte ich keinen Strohhalm für Ihr Urtheil geben.
Denn die wahre Philosophie – allein solange mein Onkel den Lillabullero pfeift, kann ich diese Sache nicht behandeln.
Wir wollen lieber in das Haus treten.
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Sie sollen die Stelle sehen, Madame, sagte mein Onkel Toby.
Frau Wadman erröthete, – sah nach der Thüre, – wurde blaß, – dann wieder etwas roth, – nahm hierauf ihre natürliche Farbe an, – erröthete stärker als je – welche Gemütsbewegungen ich für den ungelehrten Leser in folgender Weise übersetze:
Ach du lieber Gott! ich kann doch darauf nicht hinsehen!
Was würden die Leute sagen, wenn ich darauf hinsähe?
Ich würde in Ohnmacht fallen, wenn ich es sähe!
Ich wollte aber doch, ich könnte es sehen.
Es ist ja keine Sünde, wenn ich darauf hinsehe.
– Und ich will darauf hinsehen.
Während diese Gedanken Frau Wadman durch den Kopf gingen, war mein Onkel Toby vom Sopha aufgestanden und nach der Thüre gegangen, um Trim, der im Gang stand, einen Befehl zu ertheilen. –
– Ich glaube, er ist im Dachstübchen, sagte mein Onkel Toby. – Ich hab' ihn noch diesen Morgen dort gesehen, Euer Gnaden, erwiderte Trim. – Dann bitte, Trim, hol' ihn gleich und bringe ihn hierher, sagte mein Onkel Toby.
Der Corporal war mit dem Befehl nicht einverstanden, gleichwol gehorchte er fröhlichen Muthes. Das Erstere war kein Act seines Willens, – wohl aber das Zweite; er setzte seine Monteromütze auf und ging so schnell als er mit seinem lahmen Knie konnte. Mein Onkel Toby kehrte in das Zimmer zurück und setzte sich wieder auf das Sopha.
Sie sollen Ihren Finger darauf legen, sagte mein Onkel Toby. – Nein, sagte Frau Wadman zu sich selbst, ich lange gewiß nicht hin.
Dies erfordert abermals eine Uebersetzung; – man sieht hieraus, wie wenig man aus den Worten allein erfährt; – wir müssen nach dem Ursprung der Sache zurückgehen.
Um den Nebel, der über diesen letzten Seiten hängt, zu zerstreuen, muß ich mich bemühen, selbst so klar als möglich zu sein.
Reiben Sie drei Mal mit der Hand an der Stirne, – schneutzen Sie sich, – reinigen Sie Ihre Abzugskanäle, – niesen Sie jetzt! – So! – Helf Gott!
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