Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

152. Kapitel.

Mit zwei Hieben, einem gegen Hippokrates und einem gegen Lord Verulam, brachte mein Vater die Sache zu Wege.

Der Hieb gegen den Fürsten der Aerzte, womit er begann, war nichts als eine kurze Schmähung über dessen jämmerliche Klage – daß die ars longa – und das vita brevis sei. – Das Leben kurz, rief mein Vater, und die Heilkunst von langer Hand! Und wem haben wir denn für diese beiden Dinge zu danken, wem anders als der Unwissenheit der Quacksalber – den Wagenlasten chemischer Arcana und peripathetischen Gerümpels, womit sie zu allen Zeiten der Welt geschmeichelt und zuletzt sie betrogen haben.

O Mylord Verulam! rief mein Vater, indem er sich von Hippokrates abwendete und diesem, als dem ersten Arcanumskrämer und dem Passendsten für die Statuirung eines Exempels den zweiten Hieb versetzte, – was soll ich dir sagen, du großer Lord Verulam? Was soll ich sagen zu deinem inneren Geist, – deinem Opium, – deinem Salpeter, – deinen Fettsalbungen, – deinen Purgirungen bei Tage, – deinen Klystieren bei Nacht und deinen Surrogaten?

Mein Vater war nie in Verlegenheit, was er irgend einem Manne über irgend einen Gegenstand sagen sollte, und bedurfte weniger als irgend ein Menschensohn zu einer Einleitung. Wie er mit den Ansichten seiner Lordschaft umsprang, – sollen Sie sehen, – wann – das weiß ich noch nicht; – wir müssen zuerst hören, welches die Ansichten Seiner Lordschaft waren.

153. Kapitel.

Die zwei großen Ursachen, sagt Lord Verulam, welche sich vereinigen, um das Leben zu kürzen, sind erstens –

Der innere Geist der wie eine seine Flamme den Körper allmählich verbrennt; – und zweitens die äußere Luft, welche den Körper zu Asche vertrocknet; – da diese beiden Feinde unsere Körper von außen und von innen zugleich angreifen, so zerstören sie endlich unsere Organe und machen sie unfähig die Functionen des Lebens weiter auszuüben.

Wenn die Sachen sich so verhalten, so liegt das Mittel ein langes Leben zu gewinnen auf der Hand: man braucht nichts weiter, sagt seine Lordschaft, als den durch den inneren Geist herbeigeführten Verbrauch wieder zu ersetzen, indem man einerseits denselben durch einen regelmäßigen Gebrauch von Opiaten verdickt und verdichtet und andererseits seine Hitze durch 3½ Gran Salpeter, die man täglich vor dem Aufstehen nimmt, abkühlt.

Nun ist aber unser armes Gehäus auch den feindlichen Angriffen der äußeren Luft ausgesetzt; – diese wird nun durch Fettsalben, welche die Poren der Haut so vollständig ausfüllen, daß kein Strahl durchgeht, – und auch nichts hinaus kann, vollkommen ausgeschlossen. – Da dies aber wieder alle merklichen und unmerklichen Ausdünstungen hemmt, wodurch wieder Hautkrankheiten entstehen, – so ist eine Klystiercur nöthig, um die überflüssige Feuchtigkeit abzuführen und das System zu vervollständigen.

Was mein Vater über Lord Verulam's Opiate, seinen Salpeter, seine Fettsalben und Klystiere zu sagen hatte, das sollen Sie hören, – aber nicht heute, und auch nicht morgen; die Zeit drängt mich, – mein Leser ist ungeduldig, – und ich muß vorwärts kommen. – Sie sollen das Kapitel in aller Muße lesen (wenn Sie Lust dazu haben) sobald die Tristra-paedia veröffentlicht ist.

Es genüge, wenn ich jetzt sage, – daß mein Vater jene Hypothese dem Boden gleich machte; und indem er dies that, begreifen die Gelehrten, daß er seine eigene aufrichtete und ausbaute.

154. Kapitel.

Das ganze Geheimniß der Gesundheit, sagte mein Vater, indem er seinen Satz von Neuem begann, beruht offenbar auf dem gehörigen Kampf zwischen der radikalen Hitze und der radikalen Feuchtigkeit in uns; – und es hätte die denkbar geringste Geschicklichkeit genügt, um denselben zu erhalten, hätten die Schulgelehrten die Sache nicht in Verwirrung gebracht und (wie der berühmte Chemiker van Helmont dargethan) die radikale Feuchtigkeit mit dem Talg und Fett der animalischen Körper verwechselt.

Nun ist aber die radikale Feuchtigkeit nicht der Talg oder das thierische Fett, vielmehr eine ölige und balsamische Substanz; denn das Fett oder der Talg sind kalt, wie auch der Schleim oder die wässerigen Theile; während die öligen und balsamischen Theile eine lebendige Hitze und Geist besitzen, womit die Bemerkung des Aristoteles stimmt: Quod omne animal post coitum est triste.

Nun ist es aber sicher, daß die radikale Hitze in der radikalen Feuchtigkeit vorhanden ist, ob auch vice versa ist zweifelhaft; wenn jedoch die eine zu Grunde geht, thut es auch die andere; und dann wird entweder eine unnatürliche Hitze erzeugt, welche eine unnatürliche Trockenheit hervorbringt, – oder eine unnatürliche Feuchtigkeit, welche Wassersucht erzeugt; – wenn man daher ein Kind beim Heranwachsen nur soweit bringt, daß es nicht in das Feuer oder das Wasser rennt, da diese beiden ihm Untergang drohen, – so ist Alles geschehen, was in dieser Beziehung gethan werden kann.

155. Kapitel.

Die Schilderung der Belagerung von Jericho hätte die Aufmerksamkeit meines Onkels Toby nicht mächtiger in Anspruch nehmen können als das letzte Kapitel; – er hielt während desselben die Augen fest auf meinen Vater gerichtet, – niemals nannte dieser die radikale Hitze und radikale Feuchtigkeit, ohne daß mein Onkel Toby die Pfeife aus dem Munde nahm und den Kopf schüttelte. Sobald aber das Kapitel zu Ende war, winkte er den Corporal näher an seinen Stuhl heran, und fragte ihn das Folgende bei Seite: *   *   *   *   *   *?

Es war bei der Belagerung von Limerick, Euer Gnaden, erwiderte der Corporal mit einer Verbeugung.

Der arme Bursche und ich, sagte mein Onkel Toby zu meinem Vater, waren zur Zeit da die Belagerung von Limerick aufgehoben wurde, ganz aus demselben Grunde, den du eben erwähnt hast, kaum im Stande aus unseren Zelten zu kriechen. – Was mag dir wieder in deinen kostbaren Schädel geflogen sein, mein theurer Bruder Toby! sagte mein Vater bei sich selbst. – So wahr Gott lebt, fuhr er immer bei sich selbst fort, ein Oedipus könnte verzweifeln es herauszubringen!

Ich glaube, Euer Gnaden, sagte der Corporal, wenn wir nicht alle Abend so viel Branntwein heiß gemacht hätten, und wenn ich Euer Gnaden nicht mit Claret und Zimmet zugesetzt hätte – Und mit Wachholderbranntwein, Trim, setzte mein Onkel Toby hinzu, der uns besser that als alles Uebrige. – Ja, ja, fuhr der Corporal fort, wenn das nicht gewesen wäre, ich glaube wahrhaftig, wir hätten unser Leben in den Trancheen gelassen, Euer Gnaden, und wären drin begraben worden. – Das edelste Grab, Corporal, rief mein Onkel Toby mit funkelnden Augen, in dem ein Soldat zu liegen wünschen kann! – Aber ein elender Tod, Euer Gnaden, erwiderte der Corporal.

Das Alles war für meinen Vater ebensoviel Arabisch als die religiösen Gebräuche der Colcher und Troglodyten es für meinen Onkel Toby gewesen waren; mein Vater wußte nicht, ob er sich ärgern oder lachen sollte.

Mein Onkel Toby wendete sich hierauf gegen Yorick, und setzte diesem den Fall mit Limerick deutlicher aneinander, als er ihn begonnen hatte, – und machte die Sache so zugleich meinem Vater klar.

156. Kapitel.

Gewiß war es ein großes Glück für mich und den Corporal, sagte mein Onkel Toby, daß wir während der ganzen 25 Tage, da wir die Ruhr im Lager hatten, in einem hitzigen Fieber lagen, das von einem wüthenden Durst begleitet war; sonst würde das, was mein Bruder die radikale Feuchtigkeit nennt, unvermeidlich die Oberhand gewonnen haben. – Mein Vater zog möglichst viel Luft in seine Lungen und athmete sie, während er empor sah, dann so langsam aus als er nur immer konnte.

Es war offenbar die himmlische Barmherzigkeit, fuhr mein Onkel Toby fort, die es dem Corporal eingab, jenen nöthigen Kampf zwischen der radikalen Hitze und der radikalen Feuchtigkeit dadurch herzustellen, daß er das Fieber durch Glühwein und Gewürze unaufhörlich verstärkte, wodurch der Corporal gleichsam ein beständiges Feuern unterhielt, so daß die radikale Hitze von Anfang bis zu Ende das Terrain behauptete, und der Feuchtigkeit, so schrecklich sie auch war, trefflich Trotz bot. – Auf Ehre, setzte mein Onkel Toby hinzu, du hättest auf zwanzig Toisen Entfernung den Kampf in unsern Leibern hören können, Bruder Shandy. – Wenn nicht gerade gefeuert wurde, bemerkte Yorick.

Gut, – sagte mein Vater mit einem vollen Athemzug und pausirte eine Weile nach diesem Wort, – wenn ich ein Richter wäre und die Gesetze des Landes, das mich dazu machte, es erlaubten, so würde ich einige der größten Uebelthäter, nachdem sie von dem Geistlichen vorbereitet worden, dazu verdammen –

– Yorick, der voraus sah, daß der Urtheilsspruch höchst unbarmherzig ausfallen würde, legte meinem Vater die Hand auf die Brust und bat ihn, er möchte ihn noch ein Paar Minuten aufschieben, bis er eine Frage an den Corporal gestellt haben würde. – Bitte, Trim, sagte Yorick, ohne die Antwort meines Vaters abzuwarten, sag' uns aufrichtig, was deine Ansicht über diese radikale Hitze und radikale Feuchtigkeit ist?

Mit untertänigster Unterwerfung unter Seiner Gnaden besseres Urtheil begann der Corporal und machte eine Verbeugung vor meinem Onkel Toby. – Sag' Er seine Meinung frei heraus, Corporal, sagte mein Onkel Toby. – Der arme Kerl ist mein Diener, – nicht mein Sklave, setzte mein Onkel Toby gegen meinen Vater gewendet hinzu.

Der Corporal steckte seinen Hut unter seinen linken Arm, an dessen Handgelenk sein Stock an einem schwarzen am Knoten zu einer Quaste zerschnittenen Riemchen hing, und marschirte nach dem Punkte vor, wo er vorhin seinen Katechismus vorgetragen hatte – griff dann, ehe er den Mund öffnete, mit Daumen und Finger der rechten Hand an das Kinn – und gab seine Ansicht folgendermaßen ab:

157. Kapitel.

Gerade als sich der Corporal räusperte, um anzufangen, – watschelte Dr. Slop herein. – Die Sache ist keinen Heller werth – der Corporal soll im nächsten Kapitel weiter machen, komme dann herein wer will.

Nun, mein lieber Doctor, rief mein Vater lustig, denn er ging unberechenbar schnell von einer Aufwallung in die andere über; – und was sagt mein Junge dazu?

Hätte sich mein Vater nach der Amputation des Schwanzes eines jungen Hundes erkundigt. – er hätte es nicht mit einem gleichgiltigeren Gesichte thun können: das System, welches Dr. Slop angenommen hatte, um den Unfall zu behandeln, gestattete aber keine solche Art der Fragestellung. – Er setzte sich.

Bitte, Herr Doctor, sagte mein Onkel Toby in einem Tone, der nicht unbeantwortet bleiben konnte, wie befindet sich der Knabe? – Die Sache wird in eine Phimosis verlaufen, erwiderte Dr. Slop.

Jetzt bin ich so klug wie zuvor, versetzte mein Onkel Toby und steckte wieder seine Pfeife in den Mund. – So soll der Corporal mit seiner medicinischen Vorlesung weiter machen, sagte mein Vater. – Der Corporal machte eine Verbeugung gegen seinen alten Freund den Dr. Slop, und gab dann seine Ansicht über radikale Hitze und radikale Feuchtigkeit in folgenden Worten ab:

158. Kapitel.

Die Stadt Limerick, deren Belagerung unter den eigenen Befehlen Seiner Majestät des Königs William ein Jahr nachdem ich in die Armee eingetreten war begonnen wurde, – liegt, wenn Euer Gnaden erlauben, in einer verteufelt nassen, morastigen Gegend. – Sie ist, sagte mein Onkel Toby, ganz vom Shannon umgeben, und durch diese ihre Lage eine der stärksten Festungen in Irland.

Das ist doch eine neue Art eine medizinische Vorlesung zu beginnen, bemerkte Dr. Slop. – Es ist Alles richtig, erwiderte Trim. – Ich wollte, die Facultät arbeitete nach dem gleichen Schnitt, sagte Yorick. – Ja, Euer Hochwürden, sagte der Corporal, sie ist ganz von Gräben und Mooren durchschnitten; überdies war während der Belagerung so viel Regen gefallen, daß die ganze Gegend wie ein Pfuhl aussah. – Das war's und nichts Anderes, was die Ruhr erzeugte, die Seine Gnaden und mich um ein Haar unter den Boden gebracht hätte. – Nach den ersten zehn Tagen, fuhr der Corporal fort, konnte kein Soldat in seinem Zelte trocken liegen, wenn er nicht einen Graben darum zog, um das Wasser abzuleiten; und wer es konnte, wie Seine Gnaden, der setzte noch dazu jede Nacht eine Schüssel voll Branntwein ans Feuer, wodurch die Feuchtigkeit der Luft entfernt und das Innere des Zeltes wie durch einen Ofen erwärmt wurde.

Und was schließest du aus diesen Vordersätzen, Trim? fragte mein Vater.

Daraus schließe ich, erwiderte Trim, wenn Euer Gnaden erlauben, daß die radikale Feuchtigkeit nichts Anderes ist als Grabenwasser; – und die radikale Hitze bei Solchen, die sich die Ausgabe erlauben können, angezündeter Branntwein: die radikale Hitze und Feuchtigkeit beim gemeinen Soldaten aber ist, mit Euer Gnaden Erlaubniß, ebenfalls Grabenwasser und ein Schluck Wachholderbranntwein: – und wenn man davon nur genug bekommt nebst einer Pfeife Tabak, um Einen bei Laune zu erhalten und die Dünste zu vertreiben, – dann kennt unser Eines keine Todesfurcht.

Ich weiß nicht, Capitain Shandy, sagte Dr. Slop, in welcher Wissenschaft Ihr Diener mehr hervorragt, in der Physik oder in der Theologie. – Dr. Slop hatte Trims Commentar zu jener Predigt nicht vergessen.

Es ist noch keine Stunde, bemerkte Yorick, daß der Corporal in der letzteren geprüft wurde und sehr ehrenvoll bestand.

Die radikale Hitze und Feuchtigkeit, sagte Dr. Slop gegen meinen Vater gewendet, müssen Sie wissen, ist die Basis, das Fundament unseres Daseins, – wie die Wurzel eines Baums die Quelle und Grundlage seines Wachsthums ist. – Sie ist im Samen aller Animalien enthalten und kann auf verschiedene Art erhalten werden; hauptsächlich aber, nach meiner Ansicht, durch gleichartige Stoffe, durch Druck und Verschluß. – Nun hat dieser arme Bursche, fuhr Dr. Slop fort und deutete auf den Corporal, das Unglück gehabt, irgend ein oberflächliches empirisches Gespräch über diesen schönen Punkt zu hören. – Das hat er, – sagte mein Vater. – Aller Wahrscheinlichkeit nach, sagte mein Onkel. – Ganz gewiß. – setzte Yorick hinzu.

159. Kapitel.

Da Dr. Slop hinausgerufen wurde, um nach einem Kataplasma zu sehen, das er verordnet hatte, so erhielt mein Vater hierdurch Gelegenheit, ein weiteres Kapitel in der Tristra-paedia anzufangen. – Heran, Bursche, Muth gefaßt! ich will euch Land zeigen; – denn, wenn wir uns durch das nächste Kapitel vollends hindurch gearbeitet haben, soll das Buch vor zwölf Monaten nicht wieder geöffnet werden. – Hussa!

160. Kapitel.

Fünf Jahre mit einem Schlappentuch unter dem Kinn.

Vier Jahre in Bewegung von Christ-croß-row nach Malachi.

Anderthalb Jahr damit beschäftigt, seinen Namen schreiben zu lernen.

Sieben lange Jahre und mehr auf Griechisch und Lateinisch τύπτω-end.

Vier Jahre vor seinen Beweisen und Negationen, – wobei die schöne Statue noch immer mitten in ihrem Marmorblock liegt und man nichts thut als daß man die Werkzeuge schärft, mit denen man sie heraushauen will! – Eine tägliche Verzögerung! – War nicht der große Julias Scaliger in dem Fall, seine Instrumente um ein Haar gar nicht scharf zu kriegen? – Erst mit 44 Jahren vermochte er sein Griechisch ordentlich zu handhaben, – und Peter Damianus, Fürstbischof von Ostia, konnte wie alle Welt weiß, nicht einmal lesen, als er schon das Mannes-Alter erreicht hatte; – und Baldus selbst, so bedeutend er in der Folge wurde, begann das Rechtsstudium so spät im Leben, daß Jedermann glaubte, er wolle erst im Jenseits Advokat werden. Da darf man sich nicht wundern, daß Eudamidas, der Sohn des Archidamas, als er Xenokrates mit fünfundsiebzig Jahren über die Weisheit disputiren hörte, alles Ernstes fragte: Wie viel Zeit wird denn der alte Mann noch haben, um seine Weisheit anzuwenden, wenn er jetzt erst darüber nachforscht und disputirt?

Yorick hörte meinem Vater mit großer Aufmerksamkeit zu; die seltsamsten Grillen des letztern waren doch immer in merkwürdiger Weise mit Klugheit gewürzt; an den dunkelsten Stellen seiner Verfinsterungen hatte er oft solche Lichterscheinungen, daß sie fast für jene entschädigten. – Seien Sie vorsichtig, mein Herr, wenn Sie's ihm nachmachen wollen.

Ich bin überzeugt, Yorick, fuhr mein Vater halb vorlesend, halb sprechend fort, daß es in der Welt des Geistes eine nordwestliche Durchfahrt gibt; das heißt, daß es für die Seele eines Menschen kürzere Wege gibt, um sich Kenntnisse und Belehrung zu verschaffen, als wir im Allgemein einschlagen. – Aber leider hat nicht jedes Ackerfeld einen Fluß oder eine Quelle, die neben ihm herläuft; – nicht jedes Kind, Yorick, hat einen Vater, der ihm jenen Weg zeigen kann.

Das Ganze, Herr Yorick, fuhr mein Vater in einem leiseren Tone fort, hängt lediglich von den Hilfszeitwörtern ab.

Wenn Yorick auf Virgils Natter getreten wäre, hätte er nicht erschrockener emporsehen können. – Auch ich bin hievon überrascht, rief mein Vater, als er dies bemerkte; – und ich halte es für eines der größten Mißgeschicke, das je die Gelehrtenrepublik traf, daß diejenigen, welche mit der Erziehung unserer Kinder betraut sind und deren Geschäft es ist, ihnen den Geist zu öffnen und ihn früh' mit Gedanken auszurüsten, um die Einbildungskraft leicht darauf zu setzen, sich hiebei von jeher in so geringem Maße der Hilfszeitwörter bedient haben; – mit Ausnahme des Raymond Lullius und des älteren Pelegrini, welch' letzterer es in Anwendung derselben bei seinen Thema's soweit brachte, daß er in wenig Lectionen einen jungen Mann mit Leichtigkeit über jeden Gegenstand pro und contra reden und Alles, was darüber zu sagen oder zu schreiben war, sagen und schreiben lehren konnte, ohne daß er ein Wort durchstreichen mußte, – zur Verwunderung Aller, die ihn sahen. – Es wäre mir doch recht angenehm, sagte Yorick indem er meinen Vater unterbrach, wenn ich dieser Sache näher treten könnte. – Das sollen Sie, versetzte mein Vater.

Die höchste Stufe der Verbesserung, der ein einzelnes Wort fähig ist, ist eine hohe Metapher; – wodurch nach meiner Ansicht der Gedanke im Allgemeinen verschlechtert, nicht verbessert wird. – sei dem aber wie ihm wolle – wenn der Geist dies damit vorgenommen hat, – ist er zu Ende; Geist und Gedanke ruhen, – bis eine neue Idee auftritt, – u. s. w.

Nun besteht der Nutzen der Hilfszeitwörter darin, daß sie die Seele über den Stoff, der ihr zugeführt wird, von selbst in Gang setzen und durch die Beweglichkeit der großen Maschine, um welche sie aufgewickelt sind, neue Wege der Forschung eröffnen und aus jedem Gedanken Millionen neuer erzeugen.

Sie nehmen meine Neugierde in hohem Maße in Anspruch, sagte Yorick.

Ich meines Theils, versetzte mein Onkel Toby, habe die Sache aufgegeben. – Die Dänen, Euer Gnaden, bemerkte der Corporal, die bei der Belagerung von Limerick auf dem linken Flügel standen, waren auch Hilfstruppen.Wortspiel im Englischen: auxiliaries, Hilfstruppen und Hilfszeitwörter. – Und zwar sehr gute, sagte mein Onkel Toby. – Aber die Hilfszeitwörter, Trim, von denen mein Bruder spricht, – sind etwas Anderes, so viel ich merke.

Merkst du das wirklich? fragte mein Vater und erhob sich.

161. Kapitel.

Mein Vater machte einen Gang durch das Zimmer, – setzte sich sodann wieder und beendigte das Kapitel.

Die Hilfszeitwörter, mit denen wir hier zu thun haben, fuhr mein Vater fort, sind bin, war, haben, hatte, thun, that, machen, machte, leiden, soll, sollte, will, wollte, kann, konnte, darf, dürfte, pflegte oder ist gewohnt; – dieselben können durch die Zeiten Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft eine Abwechselung erfahren, auch mit dem Zeitwort sehen conjugirt – oder mit folgenden Fragen verbunden werden: – Ist es? War es? Wird es sein? Würde es sein? Mag es sein? Möchte es sein? – Diese können dann wieder verneinend gestellt werden – Ist es nicht? War es nicht? Sollte es nicht? – oder bejahend: Es ist, es war, es sollte sein; – oder chronologisch: Ist es immer gewesen? Oder erst kürzlich? Wie lange her? – oder auch hypothetisch: – wenn es war? wenn es nicht war? – was würde daraus folgen? Wenn die Franzosen die Engländer schlagen sollten? Wenn die Sonne aus dem Thierkreis heraustreten sollte?

Bei richtiger Anwendung dieser Mittel, fuhr mein Vater fort, worin das Gedächtniß jedes Kindes geübt werden sollte, kann kein auch noch so dürrer Gedanke in dessen Gehirn treten, ohne daß daraus ein ganzes Magazin von Begriffen und Schlüssen abgeleitet werden könnte. – Sahst du jemals einen weißen Bären? fragte mein Vater und drehte den Kopf nach Trim herum, der hinter seinem Stuhle stand. – Nein, Euer Gnaden, antwortete der Corporal. – Aber du könntest nötigenfalls über einen sprechen, Trim? sagte mein Vater. – Wie wäre denn das möglich, Bruder, bemerkte mein Onkel Toby, wenn der Corporal nie einen gesehen hat? – Das will ich ja eben, erwiderte mein Vater; – und die Möglichkeit geht aus Folgendem hervor:

Ein weißer Bär! Schön. Hab' ich je einen gesehen? Möchte ich je einen gesehen haben? Werde ich je einen zu sehen bekommen? Hätte ich je einen sehen sollen? Oder kann ich je einen sehen?

Ich wollte, ich hätte einen weißen Bären gesehen (denn wie kann ich mir sonst einen vorstellen?)

Wenn ich einen weißen Bären sehen sollte, was würde ich sagen? Wenn ich aber nie einen weißen Bären sehen sollte, was dann?

Wenn ich nie einen weißen Bären lebendig gesehen habe, sehen kann, muß oder werde, – habe ich dann nicht wenigstens sein Fell gesehen? Sah' ich je einen gemalt? – beschrieben? Habe ich nie von einem geträumt?

Sah' mein Vater, meine Mutter, mein Onkel, meine Tante, meine Brüder oder Schwestern je einen weißen Bären? Was würden sie darum geben? Wie würden sie sich dabei benehmen?

Wie würde sich der weiße Bär dabei benommen haben? Ist er wild? zahm? schrecklich? rauh? weich?

Ist es der Mühe werth einen weißen Bären zu sehen?

Ist es keine Sünde?

Ist er besser als ein brauner?Hier schließt der fünfte Band der 1. Auflage.

162. Kapitel.

Lieber Herr, wir wollen uns nicht zwei Augenblicke aufhalten; – wir wollen nur, nachdem wir diese fünf Bände durchgemacht haben (setzen Sie sich immerhin auf einige, – es ist besser als nichts), auf die Gegend ein wenig zurückblicken, die wir durchwandert haben.

Was für eine Wildniß war es doch! und wie müssen wir Gott danken, daß wir uns nicht beide darin verirrt haben oder von wilden Thieren gefressen worden sind.

Hätten Sie wirklich geglaubt, mein Herr, daß es eine solche Menge Esel auf der Welt gäbe? – Wir haben sie uns betrachtet und gemustert, als wir das Bächlein im Grunde jenes Thälchens passirten – und als wir dann über jene Höhe stiegen und ihnen aus den Augen kamen – guter Gott! welch' ein Y-an-geschrei erhuben sie Alle zusammen!

He Schäfer, wem gehören denn alle diese Esel?

Der Himmel tröste sie! – Wie, werden sie nie gestriegelt? – Nimmt man sie im Winter nie herein? – Yan – Yan – Yan! – Schreit nur zu! Die Welt ist euch sehr verpflichtet; – noch lauter! – das ist noch gar nichts! – wahrhaftig, man geht übel mit euch um. – Ich erkläre feierlichst: wenn ich ein Esel wäre, würde ich von Morgens bis in die Nacht G-sol-re-ut yanen.

163. Kapitel.

Nachdem mein Vater seinen weißen Bären durch ein Halb Dutzend Seiten hatte rückwärts und vorwärts tanzen lassen, schloß er das Buch definitiv, – gab es wieder mit einer Art Triumph in Trims Hand zurück und nickte ihm zu es auf den Schreibtisch zu legen, von wo er es genommen hatte. – Tristram, sprach er, soll auf diese Art jedes Wort im Wörterbuch rückwärts und vorwärts conjugiren: – Sie sehen, Yorick, hierdurch wird jedes Wort in eine These oder Hypothese verwandelt; – jede These oder Hypothese zeugt eine Reihe von Sätzen, – und jeder Satz hat wieder seine Folgerungen und Schlüsse, von denen jeder den Geist wieder zu neuen Forschungen und Anzweifelungen veranlaßt. – Es ist unglaublich, setzte mein Vater hinzu, wie die Macht dieser Maschinerie dazu beiträgt den Kopf eines Kinds zu eröffnen. – Sie wäre groß genug, rief mein Onkel Toby, um ihn in tausend Stücke zu zersplittern.

Ich bin der Ansicht, sagte Yorick lächelnd, – daß es diesem System zu verdanken ist (denn die Logiker mögen sagen was sie wollen, der einfache Gebrauch der zehn Prädikamente erklärt die Sache nicht zur Genüge) – daß der berühmte Vincenz Quirino unter den vielen anderen erstaunlichen Thaten seiner Kindheit – von denen der Cardinal Bembo der Welt eine so genaue Schilderung gegeben hat – im Stande war in den öffentlichen Schulen Roms schon in einem Alter von acht Jahren nicht weniger als 4560 verschiedene Thesen über die dunkelsten Punkte der allerdunkelsten Theologie anzuschlagen, – und sie in einer Weise zu vertheidigen und aufrecht zu halten, daß er seine Gegner ganz stumm und dumm machte. – Was will das heißen, rief mein Vater, gegen das was man von Alphonsus Tostatus erzählt, der beinahe noch auf den Armen der Amme alle Wissenschaften und freien Künste lernte, ohne daß er in einer derselben Unterricht erhielt? – Was sollen wir von dem großen Peireskius sagen? – Das ist der Mann, Bruder Shandy, rief mein Onkel Toby, der wie ich dir schon einmal erzählte 500 Meilen weit, von Paris bis Scheveningen und von Scheveningen wieder zurück zu Fuß ging, nur um den fliegenden Wagen des Stevinus zu sehen. – Das war ein großer Mann! setzte mein Onkel Toby hinzu (er meinte den Stevinus). – Ja das war er, Bruder Toby, sagte mein Vater (er meinte den Peireskius); – er hatte seine Gedanken so rasch vervielfältigt und seine Kenntnisse zu einer so wunderbaren Masse angehäuft, daß, wenn wir einer ihn betreffenden Anekdote Glauben schenken, was wir nicht umhin können, wenn wir nicht den Glauben an alle Anekdoten erschüttern wollen, – sein Vater ihm, als er erst sieben Jahre alt war, die Erziehung seines jüngeren Bruders, eines Knaben von fünf Jahren in allen Theilen übertrug. – War der Vater ebenso klug wie der Sohn? fragte mein Onkel Toby. – Ich glaube nicht, sagte Yorick. – Was sind diese Männer aber, fuhr mein Vater fort (er war jetzt ganz in Enthusiasmus gerathen), – was sind sie gegen jene Wunderkinder, einen Grotius, Scioppius, Heinsius, Politian, Pascal, Joseph Scaliger. Ferdinand von Cordoba und Andere; – von denen einige ihre stofflichen Formen schon mit neun Jahren oder noch früher ablegten und ohne sie weiter raisonnirten; – Andere mit sieben Jahren die Klassiker durchmachten, – und mit acht Jahren Tragödien schrieben. Ferdinand von Cordoba war mit neun Jahren so klug, – daß man glaubte, er habe den Teufel im Leibe, – und gab in Venedig solche Beweise seiner Kenntnisse und Güte, daß die Mönche glaubten, er sei der Antichrist oder gar nichts. – Andere hatten mit zehn Jahren vierzehn Sprachen weg, – beendigten mit elf den Cursus in der Rhetorik, Poesie, Logik und Ethik; – schrieben mit zwölf Commentare über Servius und Martianus Capella; – und wurden mit dreizehn Doctoren der Philosophie, Jurisprudenz und Theologie. – Sie haben den großen Lipsius vergessen, sagte Yorick, der an dem Tag, da er geboren wurde, ein WerkNous aurions quelque interêt, sagt Baillet, de montrer qu'il n'y a rien de ridicule s'il était véritable au moins dans le sens énigmatique que Nicius Erythräus a tâché de lui donner. Cet auteur dit que pour comprendre comme Lipse a pû composer un ouvrage le premier jour de sa vie, il faut s'imaginer, que ce premier jour n'est pas celui de sa naissance charnelle, mais celui auquel il a commencé d'user de la raison; il veut que ç'ait été à l'âge de neuf ans; et il nous veut persuader que ce fut en cet âge, que Lipse fit un poème. – Le tour est ingénieur etc. etc. heraus gab. – Das hätten sie aufwischen, und nichts mehr darüber sagen sollen, sagte mein Onkel Toby.

164. Kapitel.

Als das Kataplasma fertig war, hatte sich in Susanna sehr zur Unzeit ein Anstandsscrupel erhoben, ob sie das Licht halten dürfe, während Dr. Slop es auflegte und verband Dr. Slop hatte hiebei Susanna's Stimmung nicht mit mildernden Mitteln behandelt, und so war ein Zank zwischen ihnen entstanden.

Oho! sagte Dr. Slop und warf Susanna einen ungehörig freien Blick zu, als sie den Dienst ablehnte; – dann, mein Fräulein, glaube ich, daß ich Sie kenne. – Daß Sie mich kennen, Herr! rief Susanna stolz und mit einem Wurf ihres Kopfes, der offenbar nicht dem Beruf sondern dem Doctor persönlich galt, – daß Sie mich kennen! wiederholte Susanna. – Dr. Slop steckte sofort Daumen und Zeigefinger in die Nasenlöcher. – Susanna's Zorn war am Losplatzen. – Das ist falsch, sagte Susanna. – Kommen Sie, kommen Sie, Fräulein Schamhaftigkeit, sagte Dr. Slop, den der Erfolg seines letzten Angriffs nicht wenig aufblähte, – wenn Sie nicht das Licht halten und zusehen wollen, – so halten Sie es und machen die Augen zu. – Das ist eine Ihrer papistischen Bemäntelungen, sagte Susanna. – Besser als gar kein Mantel,Englisches Wortspiel: shift, Kniff und Frauenhemd. – Hierauf bezieht sich Susanna's Antwort. mein Fräulein, erwiderte Dr. Slop nickend. – Meinen Sie! rief Susanna, und zog die Hemdärmel unter den Ellbogen vor.

Es war fast unmöglich, daß zwei Personen bei einem wundärztlichen Fall einander mit einer verdrießlicheren Gefälligkeit zur Seite standen.

Dr. Slop haschte nach dem Kataplasma: – Susanna haschte nach dem Licht. – Etwas daher, sagte Dr. Slop. – Susanna sah nach rechts und arbeitete nach links, dadurch fing Dr. Slops Perrücke plötzlich Feuer. Da sie ziemlich buschig und wohl gesalbt war, flammte sie auf, ehe sie recht angezündet war. – Du unverschämtes Mensch! schrie Dr. Slop – (denn Leidenschaft ist ja ein wildes Thier) – du unverschämtes Mensch! rief Dr. Slop und fuhr mit dem Kataplasma in der Hand in die Höhe. – Ich habe nie Jemand um seine Nase gebracht, sagte Susanna, – das können Sie nicht sagen. – So, das kann ich nicht, rief Dr. Slop und warf ihr das Kataplasma ins Gesicht. – Ja, das können Sie nicht, schrie Susanna, und gab ihm mit dem was noch in der Pfanne war das Compliment zurück

165. Kapitel.

Dr. Slop und Susanna klagten einander im Wohnzimmer gegenseitig an, worauf sie sich, da es nun mit dem Kataplasma nichts mehr war, in die Küche zurückzogen, um eine Bähung für mich herzurichten. Während dies geschah, entschied mein Vater die Sache, auf die Art wie Sie lesen werden.

166. Kapitel.

Sie sehen, es ist hohe Zeit, sagte mein Vater zugleich gegen meinen Onkel Toby und gegen Yorick gewandt, daß man das junge Geschöpf den Weiberhänden entzieht und denen eines Hofmeisters übergibt. Marcus Antoninus stellte zu gleicher Zeit vierzehn Hofmeister auf, um die Erziehung seines Sohnes Commodus zu überwachen! – und nach sechs Wochen jagte er fünf derselben fort. – Ich weiß sehr gut, fuhr mein Vater fort, daß die Mutter des Commodus zur Zeit ihrer Empfängniß in einen Gladiator verliebt war, woraus sich viele der Grausamkeiten des Commodus, als er Kaiser wurde, erklären lassen; – aber ich bin noch immer der Ansicht, daß jene fünf, die Antoninus entlassen mußte, dem Charakter des Commodus in der kurzen Zeit mehr Schaden zugefügt hatten, als die übrigen Neun im Stande waren, ihr ganzes Leben lang wieder gut zu machen.

Wenn ich nun denjenigen, der meinen Sohn zu überwachen hat, als den Spiegel betrachte, in welchem sich dieser von Morgens bis Abends beschauen, und nach dem er seine Blicke, sein Benehmen und vielleicht die innersten Empfindungen seines Herzens richten soll, – so möchte ich einen Spiegel haben, Yorick, der wo möglich nach allen Seiten hin polirt und so beschaffen wäre, daß mein Kind ruhig hineinschauen könnte. – Das ist sehr verständig, sagte mein Onkel Toby zu sich selbst.

Es gibt, fuhr mein Vater fort, einen gewissen Ausdruck, eine gewisse Bewegung des Körpers und aller seiner Theile, beim Handeln und Sprechen, woran man recht gut erkennen kann, wie ein Mensch innen aussieht; und es wundert mich durchaus nicht, daß Gregor von Nazianzum, als er die hastigen und sonderbaren Geberden des Julian wahrnahm, voraussagte, derselbe würde eines Tags Apostat werden; – oder, daß der h. Ambrosius seinen Gehilfen wegen einer unziemlichen Bewegung des Kopfes, der wie ein Flegel hin- und herging, vor die Thüre setzte, – oder daß Democritus dem Protagoras ansah, daß er ein Gelehrter sei, weil dieser bei einem Reisbündel die kleineren Reiser innen hinein band. – Es gibt tausend für gewöhnlich nicht beachtete Oeffnungen, fuhr mein Vater fort, durch die ein scharfblickendes Auge in die Seele eines Menschen blicken kann; und ich behaupte, setzte er hinzu, daß ein Mann von Geist nicht seinen Hut beim Hereintreten in ein Zimmer ablegt, oder ihn beim Hinausgehen wieder ergreift, ohne sich dabei durch irgend etwas als solchen zu verrathen.

Aus diesen Gründen, fuhr mein Vater fort, darf der Hofmeister, den ich wähle, nicht lispeln,Siehe Pellegrina. noch schielen, noch blinzeln, noch zu laut sprechen, noch aufbrausend oder närrisch aussehen, – noch auf die Lippen beißen, noch mit den Zähnen knirschen, noch durch die Nase sprechen, noch daran kratzen, noch sich mit den Fingern schnäutzen.

Auch darf er weder schnell, noch langsam gehen, noch die Arme kreuzen – denn das deutet auf Trägheit; noch sie hängen lassen, – denn das ist albern; noch sie in die Tasche stecken, – denn das ist Unsinn.

Er darf weder zuschlagen noch kneipen noch kitzeln, – noch seine Nägel abbeißen oder schneiden, noch sich räuspern, noch spucken, noch mit der Nase schnupfen, noch in Gesellschaften mit den Füßen oder Fingern trommeln; – noch (wie Erasmus will) mit Jemand sprechen, wenn er sein Wasser läßt, – noch auf Aas oder Koth deuten. – Das ist nun wieder lauter Unsinn, sagte mein Onkel Toby zu sich selbst.

Dagegen soll er heiter, spaßig, zu Scherzen aufgelegt sein, fuhr mein Vater fort; zugleich aber auch bedachtsam, aufmerksam auf sein Amt, wachsam, scharfsinnig, witzig, erfindungsreich, rasch im Entscheiden von Zweifeln und speculativen Fragen; – er soll weise, verständig und gelehrt sein. – Warum nicht auch demüthig und bescheiden und mild und gutmüthig? fragte Yorick. – Und warum nicht offenherzig, großmüthig, wohlthätig und tapfer? rief mein Onkel Toby. – Das soll er auch, mein lieber Toby, erwiderte mein Vater, und stand auf und schüttelte ihm die Hand. – Dann Bruder Shandy, versetzte mein Onkel Toby, indem er sich gleichfalls von seinem Stuhl erhob, die Pfeife weglegte und meines Vaters andere Hand ergriff, – dann bitte ich dir den Sohn des armen Le Fever empfehlen zu dürfen (bei diesem Antrag perlte eine Thräne vom reinsten Wasser im Auge meines Onkels Toby, und eine zweite, der Kamerad jener, in dem des Corporals). – Sie werden erfahren, warum, wenn Sie Le Fever's Geschichte lesen. – Ich war doch ein rechter Thor! Ich kann mich nicht mehr erinnern (Sie vielleicht auch nicht), – wenn ich nicht wieder an die betreffende Stelle in meiner Erzählung zurück will – was mich damals verhinderte, den Corporal die Geschichte mit seinen eigenen Worten erzählen zu lassen, – aber da ich einmal die Gelegenheit vorbei ließ – so muß ich sie mit meinem eigenen erzählen.


 << zurück weiter >>