Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

18. Kapitel.

Da es in jener Nacht ausgemacht, oder richtiger entschieden wurde, daß meine Mutter mit mir auf dem Lande niederkommen sollte, ergriff sie ihre Maßregeln dem entsprechend. Als sie daher etwa 3 Tage oder so ungefähr, schwanger war, begann sie ihre Augen auf die Hebamme zu werfen, von der Sie schon so oft haben hören müssen; und ehe die Woche um war, hatte sie, da der berühmte Dr. Manningham nicht zu haben war, in ihrem Innern einen Entschluß hierüber gefaßt: – Ungeachtet aber ein wissenschaftlich gebildeter Geburtshelfer nur 8 Meilen von uns wohnte, der überdies ausdrücklich ein Fünfschillingbuch über die Hebammenkunst geschrieben hatte, in welchem er nicht nur die Fehler dieser Schwesterschaft auseinander setzte – sondern noch überdies eine Menge merkwürdiger Verbesserungen mittheilte, um den Fötus bei Querlagen und einigen andern gefährlichen Fällen, wodurch unser Eintritt in die Welt erschwert wird, rascher herauszubringen; – trotz alle dem war meine Mutter, wie gesagt, fest entschlossen, ihr Leben und meines dazu keiner anderen Hand anzuvertrauen, als der jener alten Frau. – Nun muß ich sagen, das gefällt mir: – Wenn wir das nicht bekommen können was wir wünschen, auch das nicht zu wollen, was an Güte unmittelbar darauf kommt. Nein! das ist ja über alle Begriffe jammerwürdig! – Erst heute vor 8 Tagen – wir haben heute, wo ich dieses Buch zur Erbauung der Welt schreibe, den 9. März 1759 – sagte meine liebe, liebe Jenny, als sie bemerkte, daß ich ein etwas ernstes Gesicht machte, als sie um Seidenzeug zu fünfundzwanzig Schilling die Elle handelte – zu dem Krämer, es thue ihr leid, ihm so viel Mühe gemacht zu haben; – und ging gleich darauf hin und kaufte sich einen ellenbreiten Stoff zu 10 Pence die Elle! –Dies ist eine Wiederholung derselben Seelengröße; nur wurde das Ehrenvolle davon in meiner Mutter Fall dadurch etwas gemindert, daß sie sich in kein so gewaltsames und gewagtes Extrem stürzen konnte, wie eine Frau in ihrer Lage hätte wünschen mögen, weil die alte Hebamme wirklich einen kleinen Anspruch auf Verläßlichkeit erheben konnte – soweit wenigstens als der Erfolg ihr einen solchen verleihen konnte, insofern sie im Laufe ihrer beinahe zwanzigjährigen Praxis in dem Kirchspiel jeder Mutter Sohn ohne einen Fehlgriff oder Unfall, der ihr hätte zur Last gelegt werden können, zur Welt befördert hatte.

Obschon diese Thatsachen ihr Gewicht hatten, so konnten dadurch doch einige Zweifel und Unbehaglichkeiten, die sich in Beziehung auf diese Wahl im Geiste meines Vaters erhoben hatten, nicht vollständig beseitigt werden. – Denn abgesehen von der natürlichen Wirkung der Menschlichkeit und des Rechtsgefühls – oder den Besorgnissen väterlicher und ehegattlicher Liebe, die ihn darauf verwiesen bei einem Falle dieser Art möglichst wenig dem Zufall zu überlassen, – war er noch ganz besonders dabei interessirt, daß dies Mal Alles seinen geweisten Weg gehen möchte, weil er sie von einer doppelten Last gedrückt wußte, wenn seinem Weib und Kind bei der Niederkunft in Shandy Hall ein Unfall zustoßen sollte. – Er wußte, daß die Welt immer nach dem Erfolg urtheile, und sein Unglück in einem solchen Fall dadurch noch vermehren würde, daß sie ihm die ganze Schuld aufbürdete. »Ach das Unglück! – hätte man der armen Frau Shandy doch nur ihren Willen gethan und sie in die Stadt reisen und dort niederkommen lassen! – es heißt ja, sie habe auf den bloßen Knieen darum gefleht und gebettelt! – und wenn wir bedenken, was für ein schönes Vermögen Herr Shandy mit ihr erheirathet hat – so wäre es doch keine so große Sache gewesen, ihren Wunsch zu erfüllen – und dann würde die Frau und ihr Kind noch zur Stunde am Leben sein!« –

Gegen solche Reden, das wußte mein Vater, war nicht aufzukommen – und doch war er nicht allein wegen seiner eigenen Deckung, noch auch lediglich aus Sorge für seinen Sprößling und sein Weib so besonders ängstlich in diesem Punkte; mein Vater hatte in Allem einen weiten Blick – und war überdies wie er glaubte, des öffentlichen Wohles wegen in dieser Sache interessirt, indem er fürchtete, daß ein unglückliches Beispiel in einem solchen Falle noch in anderer Richtung mißbraucht werden könnte.

Er hatte es sich längst tief zu Gemüthe geführt, daß alle politischen Schriftsteller, die sich mit der Sache beschäftigten, seit Beginn der Regierung der Königin Elisabeth bis heute, darin übereinstimmten und es beklagten, daß die Strömung von Menschen und Geld nach der Hauptstadt aus diesem oder jenem leichtfertigen Grunde so stark geworden war, daß dadurch unsere bürgerlichen Rechte in Gefahr geriethen. Hiebei erschien ihm jedoch das Gleichniß einer Strömung nicht erschöpfend genug, er liebte es vielmehr den Ausdruck »Krankheit« zu gebrauchen und behauptete, es sei ganz derselbe Fall mit dem nationalen wie mit dem menschlichen Körper, wo, wenn das Blut und die Lebensgeister schneller in den Kopf getrieben würden, als sie den Weg wieder abwärts fänden, – eine Stockung in der Circulation eintreten müsse, die in beiden Fällen den Tod bedeute.

Es sei, pflegt er zu sagen, wenig Gefahr vorhanden, daß wir unsere Freiheiten durch die Politik Frankreichs oder gar durch eine französische Invasion verlieren würden; auch habe er keine Angst, daß aus der Masse verdorbener Stoffe und den schwärenden Säften in unserer Constitution, die doch nicht so schlimm sei als man meine, eine Auszehrung entstehe; – wol aber fürchte er, daß wir bei einem heftigen Stoß alle miteinander einen Staats-Schlaganfall erleiden könnten – und dann, pflegte er hinzusetzen, sei uns Gott gnädig.

Mein Vater brachte es aber nie übers Herz, die Geschichte dieser Krankheit zu schildern – ohne zugleich das Heilmittel anzugeben.

Wenn ich ein unumschränkter Fürst wäre, pflegte er zu sagen, wobei er sich aus seinem Armstuhl erhob, und seine Hosen mit beiden Händen hinaufzog, würde ich an allen Zugängen zu meiner Hauptstadt geschickte Richter aufstellen, welche einen jeden Narren, der des Weges käme, über seine Geschäfte vernehmen müßten; – und wenn aus einem ehrlichen und offenen Verhör hervorginge, daß kein genügender Grund vorhanden sei, um seine Heimat zu verlassen und mit Sack und Pack, Weib und Kind, Pächterssöhnen u. s. w. im Gefolge daher zu kommen, so müßten sie alle als Vagabunden von Constabler zu Constabler bis an den Ort ihrer gesetzlichen Wohnstätte zurücktransportirt werden. Durch diese Vorkehrung würde ich bewirken, daß meine Hauptstadt nicht unter ihrem eigenen Gewichte schwankte, – daß der Kopf nicht zu groß für den Körper würde, – daß die Extremitäten, welche jetzt öde liegen und ausgeschlossen sind, ihren natürlichen Antheil an der Nahrung, und damit ihre natürliche Kraft und Schönheit wieder gewinnen würden; – ich würde bewirken, daß die Wiesen und Felder meiner Besitzungen lachen und singen sollten; – daß wieder gesellige Freude und Gastfreundschaft blühen sollte; – und daß dadurch so viel Macht und Einfluß in die Hände des Mittelstandes meines Reiches käme, damit das, was mein Adel jenen nimmt, wieder abgeglichen würde.

»Wie kommt es, pflegte er in einiger Aufregung zu fragen, wahrend er im Zimmer auf und abging, daß es in so vielen herrlichen Provinzen Frankreichs so wenig Schlösser und Edelsitze gibt? Woher kommt es, daß die wenigen noch vorhandenen Châteaux so zerfallen – so öde und leer, in einem so traurigen Zustande des Verkommens sind? – Deshalb, mein Herr, erwiderte er dann, weil in diesem Reiche Niemand ein Interesse an dem Land und Landleben hat; – weil das kleine Interesse, das dort überhaupt Einer besitzt, sich am Hofe, im Blick des großen Monarchen concentrirt; weil von dem Sonnenschein dieses Antlitzes oder dem Gewölk, das darüber geht, jeder Franzose lebt oder stirbt.«

Ein weiterer politischer Grund, der meinen Vater so sehr antrieb, gegen den geringsten Unfall beim Wochenbette meiner Mutter auf dem Lande, auf der Hut zu sein – war, daß jedes derartige schlimme Beispiel unfehlbar die ohnehin schon zu große Macht der schwächeren Gefäße des Landadels in seiner und in höheren Stellungen (nämlich der Frauen) noch vermehren mußte; was in Anbetracht der vielen anderen usurpirten Rechte, welche sich dieser Theil der Constitution täglich anmaßte, schließlich dies monarchische System des, vom Anfang der Dinge an durch Gott eingesetzten Hausregiments gefährden mußte.

In dieser Beziehung war er ganz der Ansicht des Sir Robert Filmer, daß die Grundzüge und Einrichtungen der größten Monarchien des Morgenlands ursprünglich alle dem wundervollen Muster und Urbild dieser väterlichen und häuslichen Gewalt entnommen seien. – Zwar seien dieselben, fuhr er fort, seit einem Jahrhundert und länger allmählich in eine gemischte Regierungsweise ausgeartet, aber diese letztere Form, möge dieselbe auch bei großen Vereinigungen des Menschengeschlechts wünschenswerth sein, sei bei kleinen sehr lästig und bringe, so viel er bis jetzt gesehen habe, selten etwas Anderes als Verwirrung und Unheil zu Stande.

Aus allen diesen geheimen und offenen Gründen zusammen – war mein Vater entschieden für Beiziehung eines Geburtshelfers, meine Mutter aber ebenso entschieden dagegen. Mein Vater bat und drängte, sie möchte doch für dies Mal ihr Vorrecht in dieser Angelegenheit fallen und ihn für sie wählen lassen; meine Mutter dagegen bestand fest auf ihrem Recht für sich selbst zu wählen – und sich keines Sterblichen Beistandes bedienen zu müssen, als dessen der alten Frau. – Was konnte mein Vater weiter in der Sache thun? Er war mit seinem Witz zu Ende, – besprach es mit ihr nach allen Richtungen – setzte seine Gründe in das beste Licht – überlegte die Sache mit ihr als Christ – als Heide – als Gatte – als Vater – als Patriot – als Mann. Meine Mutter erwiderte auf Alles nur als Weib; es war dies eine etwas harte Arbeit für sie – denn da sie die Sache nicht von so verschiedenen Standpunkten aus verfechten konnte – waren die Streitkräfte nicht gleich vertheilt – es war wie 7 zu 1. – Was konnte meine Mutter da thun? Sie hatte den Vortheil (sonst wäre sie gewiß besiegt worden), daß ihr aus einem im Grunde persönlichen Aerger eine kleine Verstärkung erwuchs, die sie aufrecht erhielt und sie in den Stand setzte, die Sache mit meinem Vater mit so gleichem Vortheil auszufechten – daß beide ein Te deum anstimmen konnten. Mit einem Wort, meine Mutter sollte die alte Frau haben – der Geburtshelfer aber sollte mit meinem Vater und meinem Onkel Toby Shandy im hinteren Zimmer eine Flasche Wein trinken dürfen – und dafür 5 Guineen erhalten.

Ehe ich dieses Kapitel verlasse, muß ich um die Erlaubniß bitten, bei meiner schönen Leserin in einer Beziehung vorbauen zu dürfen, und sie ersuchen: es nicht, weil ein paar unbedachte Worte in der Richtung entfallen sind, für ausgemacht anzunehmen, daß ich ein verheirateter Mann sei. Ich gebe zu, daß die zärtliche Benennung, »meine liebe, liebe Jenny« – sowie einige andere Proben ehelicher Kenntnisse, die da und dort eingeflossen sind, den ehrlichsten Richter von der Welt zu einer solchen Entscheidung gegen mich veranlassen könnten. – Alles was ich in diesem Falle beanspruche, Madame, ist strenge Gerechtigkeit; ich bitte diese gegen mich ebenso walten zu lassen wie gegen sich selbst, und keinem solchen Eindruck von mir Statt zu geben, bis Sie bessere Beweise, als wie ich versichert bin, dermalen gegen mich aufgebracht werden können, besitzen. – Nicht daß ich so eitel oder unvernünftig sein möchte, Madame, um zu wünschen, daß sie meine liebe, liebe Jenny deshalb für eine von mir ausgehaltene Geliebte halten sollten; – o nein! – das würde meinem Charakter nach dem anderen Extrem hin schmeicheln und ihm einen Anstrich von Freiheit beilegen, auf den er vielleicht durchaus keinen Anspruch machen darf. Was ich allein erkämpfen möchte, ist, daß es Ihnen oder dem scharfsinnigsten Geist auf der Welt einige Bände hiedurch durchaus unmöglich würde, herauszubringen, wie sich die Sache eigentlich verhält. – Es wäre ja nicht unmöglich, daß meine liebe, liebe Jenny trotz der Zärtlichkeit des Ausdrucks mein Kind wäre. – Bedenken Sie – ich wurde im Jahr achtzehen geboren – auch wäre es keine so unnatürliche oder ausschweifende Annahme, daß meine liebe Jenny meine Freundin wäre! – Freundin! – Meine Freundin. – Gewiß, Madame, es kann recht wohl eine Freundschaft zwischen den beiden Geschlechtern bestehen und eingehalten werden, auch ohne – Pfui, Herr Shandy! – Auch ohne irgend eine Beziehung, Madame, außer jenem zärtlichen und süßen Gefühl, welches sich immer da mit der Freundschaft vermischt, wo die Freunde von verschiedenem Geschlechte sind. Studiren Sie nur einmal die reinen und empfindsamen Theile der besten französischen Romane, Madame – und Sie werden staunen, mit welcher Mannichfaltigkeit keuscher Ausdrücke, das köstliche Gefühl, von dem ich zu sprechen die Ehre habe, dort ausgestattet ist.

19. Kapitel.

Ich wollte es eher unternehmen, die schwierigsten Probleme der Geometrie aufzulösen, als zu erklären, wie ein Mann mit dem gesunden Menschenverstand meines Vaters – der wie der Leser bemerkt haben muß, in der Philosophie zu Hause und scharfsinnig – auch in seinem politischen Raisonnement klug – und in der Polemik (wie der Leser finden wird) keineswegs unkundig war – eine so außer dem gewöhnlichen Geleise liegende Idee in seinen Kopf hinein kriegen konnte, – daß ich fürchte, wenn ich den Leser damit bekannt mache, dieser, wenn er im mindesten ein cholerisches Temperament hat, das Buch sofort bei Seite wirft; oder wenn er sanguinischer Natur ist, herzlich darüber lacht – oder aber wenn er von ernstem und strengem Wesen ist, sie auf den ersten Blick als ausschweifend und phantastisch verdammt. Die Sache betraf aber die Wahl und Beilegung des Vornamens, wovon seiner Ansicht nach weit mehr abhängen sollte, als oberflächliche Gemüther zu begreifen im Stande wären.

Seine Ansicht in dieser Richtung ging dahin, daß gute oder böse Namen, wie er sie nannte, auf unsern Charakter und Lebenswandel unwillkürlich eine wunderbare Zauberkraft übten, der man nicht widerstehen könne.

Der Held des Cervantes hätte sich nicht ernster und eifriger für diese Idee ereifern – noch fester daran glauben können – noch mehr über die Macht der Necromantie, seine Thaten herabzuwürdigen – oder die Macht von Dulcinea's Namen einen Glanz auf dieselben zu werfen, zu sagen gewußt, als mein Vater über die Namen Trismegistus und Archimedes einer- und Nyky und Simkin anderer Seits zu sagen wußte. Wie viele Cäsars und Pompejuse, pflegte er zu sagen, haben nur in diesen Namen die Begeisterung gefunden, sich ihrer würdig zu machen. Und wie viele, setzte er dann hinzu, hätten ein wackeres, menschenwürdiges Dasein geführt, wäre nicht ihr Geist, ihr Charakter zu einem Nichts herabgedrückt worden, weil sie Nicodemusirt waren!

Ich sehe an Ihrem Blick (oder wie es eben der Zufall gab), mein Herr, pflegte mein Vater zu sagen – daß Sie sich nicht recht mit meiner Ansicht einverstanden bekennen – und ich muß gestehen, pflegte er hinzuzusetzen, – daß sie für diejenigen, welche die Sache nicht gründlich erwogen haben – mehr wie eine Grille als wie eine solide, auf die Vernunft begründete Anschauung erscheint; – und doch, mein lieber Herr, wenn ich mir schmeicheln darf, Ihren Charakter zu kennen, so bin ich moralisch überzeugt, ich würde wenig riskiren, wenn ich Ihnen nicht als Partei – sondern als Richter, einen Fall vorführen würde, und dürfte gewiß Ihrem eigenen gesunden Verstand und Ihrer ehrlichen Untersuchung der Sache alles Vertrauen schenken. Sie sind frei von den vielen engherzigen Vorurtheilen der Erziehung der meisten Menschen – und wenn ich mir erlauben darf, tiefer in Ihr Wesen einzudringen – von einer Freiheit des Geistes, die darüber erhaben ist, eine Ansicht nur deshalb gering zu schätzen, weil es ihr an Anhängern fehlt. Würden Sie Ihren Sohn – Ihren lieben Sohn – von dessen holdem, offenem Gemüth Sie so große Hoffnungen sehen dürfen – ich frage Sie, würden Sie Ihren Billy, – Judas haben taufen lassen? – Würden Sie das, mein lieber Herr, pflegte er zu sagen, indem er Ihnen dabei mit der artigsten Bewegung die Hand auf die Brust legte – und sich mit jenem sanften, unwiderstehlichen Piano der Stimme an Sie wandte, das ein solches argumentum ad hominem durchaus erfordert – würden Sie, mein Herr, wenn ein Jude von Pathe diesen Namen für Ihr Kind in Vorschlag gebracht und Ihnen zugleich damit seine Börse angeboten hätte, würden Sie Ihre Zustimmung zu einer solchen Entweihung des Kindes gegeben haben? – O mein Gott! rief er dann und schaute nach oben, wenn ich Ihr Herz recht kenne, mein Herr, – so wären Sie dessen nicht fähig gewesen; – Sie würden jenes Ansinnen vielmehr mit Füßen getreten – würden dem Versucher die Mittel der Versuchung mit Abscheu an den Kopf geworfen haben.

Ihre Seelengröße hiebei, die ich bewundere, jene edle Verachtung des Geldes, die Sie bei der ganzen Angelegenheit an den Tag legen, ist wahrhaft schön; und was sie noch schöner macht, das ist die Erwägung, aus der sie hervorgeht; – die väterliche Liebe machte die Hypothese zur überzeugenden Wahrheit, daß die Hypothese, wenn Ihr Sohn Judas genannt würde – der schmutzige, verrätherische Gedanken, der mit diesem Namen so unzertrennlich ist, ihn wie ein Schatten sein ganzes Leben hindurch begleitet und ihn schließlich trotz Ihrem guten Beispiel, mein Herr, zu einem habsüchtigen Schuft gemacht haben würde.

Ich habe nie einen Mann gekannt, der im Stande gewesen wäre, gegen einen solchen Beweis etwas vorzubringen. – In der That, wenn ich meinen Vater schildern soll wie er war, so muß ich sagen: er war rein unwiderstehlich – in seinen Reden wie in seinen Disputationen – er war ein geborener Redner – Θεοδίδακτος – die Ueberzeugung hing an seinen Lippen, und die Elemente der Logik und Rhetorik waren in ihm so schön gemischt – und dabei besaß er ein so gefährliches Talent die Schwächen und Leidenschaften seines Gegners zu errathen – daß die Natur selbst sich erheben und sagen mußte: Dieser Mann ist beredt! – Kurz, mochte er die falsche oder die wahre Seite einer Sache vertheidigen, es war in beiden Fällen gefährlich ihn anzugreifen; – und doch hatte er merkwürdiger Weise weder Cicero gelesen, noch Quintilian de Oratore, noch Socrates noch Aristoteles noch Longinus unter den Alten – und ebenso wenig Vossius, Skioppius, Ramus und Farnaby unter den Neueren; und was noch weit staunenswerther ist, es war ihm nie in seinem Leben auch nur durch eine einzige Vorlesung über Crackenthorp oder Burgersdicius, oder irgend einen niederländischen Logiker, oder Commentator das geringste Licht aufgesteckt, oder auch nur ein Funken von Scharfsinn übermittelt worden; – er hatte nicht die leiseste Idee davon, worin der Unterschied zwischen einem Beweis ad ignorantiam und einem Beweis ad hominem bestehe; und ich erinnere mich noch recht gut, daß, als er mit mir hinging, um mich in dem Jesuiten-Collegium zu N. einzuschreiben, – so wohl meine würdigen Hofmeister, als auch 2–3 Genossen dieser gelehrten Gesellschaft sich höchlich verwunderten – wie ein Mann, der kaum die Namen seiner Werkzeuge kannte, auf diese Art mit ihnen hantiren konnte.

Möglichst gut mit ihnen zu hantiren, war mein Vater jedoch beständig gezwungen; – denn er hatte tausend kleine skeptische Ansichten komischer Natur zu vertheidigen, – die meisten derselben traten wie ich wirklich glaube, zuerst nur als Grillen, als vive la Bagatelle! auf; und als solche pflegte er sich mit ihnen eine halbe Stunde lang zu amüsiren; und wenn er seinen Witz an ihnen geschärft hatte, sie bis auf ein ander Mal zu entlassen.

Ich erwähne dies nicht allein als Hypothese oder Vermuthung über den Fortschritt und die Festsetzung mancher wunderlichen Ansichten meines Vaters – sondern auch als Warnung für den gelehrten Leser, vor der unvorsichtigen Aufnahme solcher Gäste, die nachdem sie für einige Jahre lang einen freien und ungestörten Zutritt in unserem Gehirn erlangt haben – endlich eine Art Anspruch auf feste Niederlassung erheben – und die zwar bisweilen nur wie Schäume emporsteigen – weit häufiger aber wie die süßeste aller Leidenschaften als Scherz beginnen und als völliger Ernst endigen.

Ob dies auch mit den eigenthümlichen Meinungen meines Vaters der Fall war – oder ob seine Urtheilskraft schließlich von seinem Witz übertölpelt wurde – oder in wie weit er mit manchen seiner sonderbaren Ansichten eigentlich Recht haben mochte, – das möge der Leser, wenn er daran kommt, selbst entscheiden. Alles was ich hier behaupte, ist, daß es ihm bei dieser einen Ansicht von dem Einfluß des Vornamens, mochte dieselbe nun bei ihm auf diese oder jene Art Fuß gefaßt haben, völlig Ernst war; – er war hierin ganz mit sich einig, – ganz systematisch und wie alle systematischen Denker, hätte er Himmel und Erde in Bewegung gesetzt und die ganze Natur angespannt, um seine Hypothese zu unterstützen. Mit Einem Wort, ich wiederhole es abermals – es war ihm Ernst; und deshalb verlor er jede Spur von Geduld, wenn er sah, wie Leute, besonders von Stand, die es besser hätten wissen sollen – so sorglos und gleichgiltig in Betreff des Namens waren, den ihr Kind tragen sollte, – ja weit gleichgiltiger, als wenn es sich darum handelte, ob sie ein junges Hündchen Ponto oder Cupido heißen sollten.

Dies, pflegte er zu sagen, sei ein schlimmes Zeichen – und dabei komme noch der erschwerende Umstand hinzu, daß, wenn einmal ein schlechter Name aus Mangel an Einsicht oder aus Verkehrtheit gegeben sei, es damit nicht sei wie mit dem Charakter eines Menschen, der wenn man ihn auch schlecht gemacht habe, später in das rechte Licht gesetzt; – und manchmal, wenn nicht in diesem zeitlichen Leben, so doch wenigstens möglicherweise nach seinem Tode – wieder hergestellt werden könne; während jenes Unrecht niemals wieder gut zu machen sei; – ja er zweifle, ob hier selbst eine Parlamentsakte etwas machen könnte. Er wisse so gut wie Jeder, daß die Gesetzgebung eine Macht über die Geschlechtsnamen habe; aber aus sehr triftigen Gründen, die er angeben könnte, pflegte er zu sagen, habe sie es niemals gewagt, einen Schritt weiter zu thun.

Es war merkwürdig, daß obwol mein Vater in Folge dieser Anschauung, wie ich Ihnen bereits mitgetheilt habe, die größten Sympathien und Antipathien in Betreff gewisser Namen hatte, – es doch eine Menge Namen gab, bei denen sich die Wagschale weder auf die eine noch die andere Seite neigte, die ihm vollständig gleichgiltig waren. In diese Classe gehörten Jack, Dick und Tom; mein Vater nannte sie neutrale Namen und behauptete, ohne eine Satyre sagen zu wollen, es habe seit Anfang der Welt zum mindesten ebensoviel Spitzbuben und Narren wie Weise und Edle gegeben, die sie getragen – so daß er glaube, sie haben ihre Wirkung gegenseitig aufgehoben, wie gleiche Kräfte, die in entgegengesetzter Richtung gegeneinander wirkten; – deshalb pflegte er oft zu sagen, er würde nicht einen Kirschkern drum geben, ob er diesen oder jenen derselben wählen sollte. Meines Bruders Namen Bob gehörte auch zu diesen neutralen Vornamen, die nach jeder Richtung hin von geringer Wirkung waren; und da sich mein Vater gerade zu Epsom befand, als mein Bruder den Namen erhielt, dankte er oft dem Himmel, daß er nicht schlimmer ausgefallen war. Andreas war eine Art negative algebraische Größe in seinen Augen; er sei geringer als nichts, sagte er, William stand ziemlich hoch, Numps dagegen tief, und von Nick sagte er, das sei ein Teufelsname.

Vor keinem Namen auf der weiten Erde hatte er aber einen so unüberwindlichen Widerwillen als vor Tristram; – von ihm hatte er die niedrigste, verächtlichste Meinung von der Welt, und glaubte, er könne unmöglich in rerum naturae etwas Anderes als etwas ganz Gemeines und Erbärmliches zu Wege bringen, so daß er mitten in einem Disput über diesen Gegenstand, worin er beiläufig bemerkt nicht selten verwickelt ward – bisweilen mit einem plötzlichen, geistreichen Epiphonema oder richtiger einer Erotesis abbrach, dabei die Stimme um eine Terze, bisweilen um eine volle Quinte über die Tonart des Gesprächs erhob – und seinen Gegner kathegorisch fragte, ob er zu sagen wage, er erinnere sich – oder er habe einmal gelesen, – oder er habe jemals gehört, daß ein Mensch mit Namen Tristram etwas Großes oder Denkwürdiges ausgeführt habe? – Nein – setzte er dann hinzu – Tristram! – Das ist rein unmöglich.

Es fehlte nichts mehr, als daß mein Vater ein Buch geschrieben hätte, um seine Ansicht über diesen Gegenstand der Welt mitzutheilen. Es macht ja dem scharfsinnigen Denker wenig, wenn er mit seiner Meinung allein steht – wenn er nur in der Lage ist, ihr gehörig Luft zu machen. – In der That machte es mein Vater auch so: – denn im Jahr sechzehen, also zwei Jahre ehe ich geboren wurde, ging er wirklich daran und schrieb eigens eine Dissertation über das Wort Tristram – worin er der Welt mit großer Ehrlichkeit und Bescheidenheit die Gründe auseinander setzte, weshalb er einen so tiefen Abscheu vor dem Namen hege.

Wenn der geneigte Leser diese Geschichte mit dem Titelblatt des Buches vergleicht – muß er da nicht meinen Vater aus tiefster Seele bedauern! Daß einem so methodischen und gut gesinnten Mann, mit – wenn auch sonderbaren doch durchaus harmlosen Ansichten durch zufällige Querstriche so schändlich mitgespielt wurde! daß er in allen seinen kleinen Systemen und Wünschen so verhöhnt und mißhandelt werden mußte! daß eine ganze Reihe von Ereignissen eines ums andere gegen ihn ausfiel, und zwar auf eine so kritische und grausame Weise, als ob sie absichtlich in Scene gesetzt und gegen ihn aufgespielt worden wären, um seine Pläne und Absichten zu kränken! Mit einem Wort, daß ein Mann in seinem vorgerückten Alter, wo man derartige Widerwärtigkeiten nicht mehr gut erträgt, zehen Mal im Tag sich selbst einen Stich durchs Herz geben – zehen Mal im Tag das Kind seiner Gebete Tristram rufen mußte! – Melancholisch zweisylbiges Wort! in seinem Ohr gerade so viel wie Hansnarr oder jeder andere Schimpfname unter der Sonne. – Bei seiner Asche! ich schwöre es: wenn je ein boshafter Geist sich ein Vergnügen oder ein Geschäft daraus machte, die Absichten eines Sterblichen zu durchkreuzen – so muß es in diesem Falle gewesen sein; – und wenn es nicht nothwendig wäre, daß ich vorher geboren wurde, ehe ich getauft werde, so würde ich dem Leser die Sache gleich jetzt erzählen.

20. Kapitel.

Wie konnten Sie so wenig Acht geben, Madame, als Sie das letzte Kapitel lasen! Ich erzählte Ihnen ja darin, daß meine Mutter keine Papistin gewesen sei. – Papistin! Sie sagten kein Worte davon. – Erlauben Sie, Madame, daß ich wiederhole: ich habe es Ihnen wenigstens so deutlich gesagt, als es Worte, aus denen sich Etwas klar folgern läßt, ausdrücken können. – Dann muß ich eine Seite überschlagen haben. – Nein, Madame, Sie haben kein Wort überschlagen. – Dann habe ich geschlafen, mein Herr. – Das kann mein Stolz nicht zugeben, Madame, – dann muß ich sagen, verstehe ich kein Wort von der ganzen Sache. – Das ist es ja gerade, was ich Ihnen zur Last lege, Madame; und zur Strafe muß ich darauf bestehen, daß Sie sofort wieder umkehren, das heißt sobald Sie bis an den nächsten Absatz gekommen sind, und dann das ganze vorige Kapitel noch einmal lesen.

Ich habe der Dame diese Buße weder aus Muthwillen noch aus Grausamkeit, sondern in der besten Absicht auferlegt; und werde mich deshalb auch nicht bei ihr entschuldigen, wenn sie wieder kommt: – Es geschah um eine üble Gewohnheit zu rügen, welche sich auch bei tausend anderen Damen eingeschlichen hat – nämlich immer darauf los zu lesen und sich mehr um die Abenteuer zu kümmern als um die tiefe Gelehrsamkeit und Wissenschaft, welche ihnen ein Buch dieser Art, wenn es so gelesen wird, wie es gelesen werden soll, unfehlbar beibringen müßte. – Der Geist sollte sich daran gewöhnen, beim Vorwärtsschreiten in einem Buche, weise Betrachtungen anzustellen, und merkwürdige Schlüsse zu ziehen; Plinius der Jüngere hatte diese Gewohnheit und konnte deshalb sagen, er habe nie ein Buch gelesen, so schlecht dasselbe auch gewesen, ohne daß er etwas daraus gelernt hätte. Ich behaupte, daß sogar die Geschichte von Griechenland und Rom, wenn man sie ohne diese Behandlung und Nutzanwendung liest, weniger nützt, als die Geschichte des Parismus und Parismenus, oder die sieben Ritter von England mit einer solchen.

Doch da kommt unsere schöne Dame wieder. – Nun, haben Sie das Kapitel noch einmal durchgelesen, Madame, wie ich Sie ersuchte? – Ach Sie haben es; und haben Sie jetzt beim zweiten Lesen den Passus bemerkt, aus welchem sich jene Folgerung ziehen läßt? – Nicht die Spur! – Nun Madame, dann haben Sie die Güte und überlegen sich einmal die zweitletzte Zeile des Kapitels, wo ich mir erlaube zu sagen: ich mußte zuerst geboren werden, ehe ich getauft wurde. – Nun, Madame, wäre meine Mutter eine Papistin gewesen, so folgte dies nicht nothwendig hieraus.Die römisch-katholische Kirchenordnung bestimmt die Taufe des Kindes in gefährlichen Fällen, auch ehe es geboren ist, doch mit dem Vorbehalt, daß irgend ein Theil vom Körper des Kindes dem Taufenden sichtbar sein müsse. Die Doctoren der Sorbonne jedoch haben auf Grund einer am 10. April 1733 gepflogenen Berathung die Befugnisse der Hebammen erweitert, und entschieden, daß wenn auch kein Theil von dem Körper des Kindes sichtbar sein sollte, die Taufe desselben gleichwol mittelst Einspritzung – par le moyen d'une petite canulle – zu Deutsch, mittelst einer kleinen Spritze, zu geschehen habe. – Es ist sehr seltsam, daß der heilige Thomas von Aquino, der doch soviel mechanisches Talent hatte, um die Knoten der Scholastik zu schürzen und zu lösen, nach all der Mühe, die er auf diesen Punkt verwendete, ihn endlich als eine zweite Chose impossible aufgegeben hat. »Infantes in maternis uteris existentes (sagt der heil. Thomas) baptizari possunt nullo modo.« – O Thomas! Thomas!

Falls der Leser gerne wissen möchte, wie die Frage der Taufe mittelst Einspritzung an die Doctoren der Sorbonne gelangte und wie ihre Berathung hierüber verlief, so möge er das Folgende lesen.

Mémoire presenté à Messieurs les Docteurs de la Sorbonne.

Un Chirurgien Accoucheur represente à Messieurs les Docteurs de la Sorbonne, qu'il y a des cas, quoique très rares, où une mère ne saurait accoucher, et même où l'enfant est tellement renfermé dans le sein de sa mère, qu'il ne fait paraître aucune partie de son corps, ce qui serait un cas, suivant les Rituels, de lui conférer du moins sous condition, le baptême. Le Chirurgien, qui consulte, présente, par le moyen d'une petite canulle, de pouvoir baptiser immediatement l'enfant, sans faire aucun tort à la mère. Il demande si ce moyen, qu'il vient de proposer, est permis et légitime, et s'il peut s'en servir dans les cas qu'il vient d'exposer.

Réponse.

Le Conseil estime, que la question proposée souffre de grandes difficultés. Les Théologiens posent d'un côté pour principe, que le baptême, qui est une naissance spirituelle, suppose une première naissance: il faut être né dans le monde, pour renaître en Jésus Christ, comme ils l'enseignent. S. Thomas 3 part, quaest. 88. artic. 11. suit cette doctrine, comme une vérité constante; l'on ne peut, dit ce S. Docteur, baptiser les enfants qui sont renfermés dans le sein de leurs mères, et S. Thomas est fondé sur ce, que les enfants ne sont point nés et ne peuvent être comptés parmi les autres hommes; d'où il conclut, qu'ils ne peuvent être l'objet d'une action extérieure pour recevoir par leur ministère les sacrements nécessaires au salut: Pueri in maternis uteris existentes, nondum prodierunt in lucem ut cum aliis hominibus vitam ducant; unde non possunt subjici actioni humana, ut per eorum ministerium sacramenta recipiant ad salutem. Les rituels ordonnent dans la pratique ce que les théologiens ont établi sur les mêmes matières, et ils défendent tous d'une manière uniforme, de baptiser les enfants qui sont renfermés dans le sein de leurs mères, s'ils ne font paraître quelque partie de leurs corps. Le concours des théologiens, et des rituels, qui sont les règles des diocèses, parait former une autorité qui termine la question présente; cependant le conseil de conscience considérant d'un côté que le raisonnement des théologiens est uniquement fondé sur une raison de convenance, et que la deffense des rituels suppose que l'on ne peut baptiser immediatement les enfants ainsi renfermés dans le sein de leurs mères, ce qui est contre la supposition présente; et d'un autre côté, considerent que les mêmes théologiens enseignent, que l'on peut risquer les sacrements que Jésus Christ a établis comme des moyens faciles, mais nécessaires pour sanctifier les hommes; et d'ailleurs estimant, que les enfants renfermés dans le sein de leurs mères, pourraient être capables de salut, parce qu'ils sont capables de damnation: — pour ces considerations, et en égard à l'exposé, suivant lequel on assure avoir trouvé un moyen certain de baptiser ces enfants ainsi renfermés, sans faire aucun tort à la mère, le Conseil estime, que l'on pourrait se servir du moyen proposé, dans la confiance qu'il a, que Dieu n'a point laissé ces sortes d'enfants sans aucuns secours, et supposant, comme il est exposé, que le moyen dont il s'agit est propre à leur procurer le baptême; cependant comme il s'agirait, en autorisant la pratique proposée, de changer une règle universellement établie, le Conseil croit que celui qui consulte doit s'addresser à son évêque, et à qui il appartient de juger de l'utilité et du danger du moyen proposé et comme, sous le bon plaisir de l'évêque, le Conseil estime qu'il faudrait recourir au Pape, qui a le droit d'expliquer les règles de l'église, et d'y déroger dans le cas, où la loi ne saurait obliger, quelque sage et quelque utile que paraisse la manière de baptiser dont il s'agit, le Conseil ne pourrait l'approuver sans le concours de ces deux autorités. On conseille au moins à celui qui consulte de s'addresser à son évêque, et de lui faire part de la presente décision, afin que, si le prelat entre dans les raisons sur lesquelles les Docteurs soussignés s'appuyent, il puisse être autorisé, dans le cas de nécessité, où il risquerait trop d'attendre que la permission fût demandée et accordée d'employer le moyen qu'il propose si avantageux au salut de l'enfant. Au reste, le Conseil, en estimant que l'on pourrait s'en servir, croit cependant, que si les enfants dont il s'agit, renaient au monde, contre l'éspérance de ceux qui se seraient servis du même moyen, il serait nécessaire de les baptiser »sous condition«; et en cela le Conseil se conforme à tous les rituels qui en autorisant le baptême d'un enfant qui fait paraître quelque partie de son corps, enjoignent néanmoins, et ordonnent de la baptiser »sous condition«, s'il vient heureusement au monde.

Délibéré au Sorbonne le 10. Avril 1733.

A. Le Moyne.
L. de Romiguy.
De Marcilly.
                 

Herrn Tristram Shandy's Empfehlung an die Herren Le Moyne, De Romigny und De Marcilly; er hofft, sie haben alle in der Nacht nach dieser mühsamen Berathung gut geschlafen. Es wäre ihm angenehm zu erfahren, ob nicht, wenn alle Homunculi nach der Trauung und noch vor Vollziehung der Ehe, auf einmal, Bums! Durch Einspritzung getauft würden, die Sache noch wesentlich abgekürzt und bei Weitem sicherer gemacht würde? unter der Bedingung wie oben, daß wenn sich die Homunculi gut halten und nachher sicher zur Welt kommen, ein Jeder von ihnen wieder getauft werde (sous condition); – und vorausgesetzt zweitens, daß das Ding sich par le moyen d'une petite canulle und sans faire aucun tort à la mère machen ließe, was wie Herr Shandy meint, möglich sein dürfte!

Es ist ein schreckliches Mißgeschick für dieses mein Buch, noch mehr aber für die gelehrte Welt überhaupt – so daß mein spezielles Mißgeschick im Hinblick hierauf ganz verschwindet – daß dieser nämliche gemeine Kitzel nach neuen Abenteuern in allen Dingen, so ganz in unsere Gewohnheit und Art übergegangen ist, und daß wir so darauf aus sind, unsere ungeduldige Neugierde zu befriedigen, – daß nur die gröberen und mehr fleischlichen Theile einer Dichtung hinunter gehen – die feineren Winke und scharfsinnigen Mittheilungen der Wissenschaft aber wie Geister aufwärts fliegen und die schwere Moral nach abwärts versinkt, so daß beide der Welt so vollständig verloren gehen, als ob sie noch am Boden des Tintenfasses säßen.

Ich wünsche, der männliche Leser möchte nicht manche ebenso interessante und feine Stelle wie diese überschlagen haben, bei welcher der weibliche Leser erwischt wurde. Ich wünsche, dieser Fall möchte seine Wirkung nicht verfehlen, – und alle guten Leute, männliche und weibliche ein Exempel daran nehmen und ebenso gut denken wie lesen lernen.

21. Kapitel.

Ich möchte nur wissen, was all der Lärm und das Hin- und Herrennen da droben zu bedeuten hat? sagte mein Vater (nachdem sie etwa 1½ Stunden schweigend beisammen gesessen waren) zu meinem Onkel Toby – der am anderen Ende des Kaminfeuers saß und die ganze Zeit her sein geselliges Pfeifchen rauchte und dabei ein Paar neue schwarze Sammethosen, die er an hatte, betrachtete; – was mögen sie wol thun? sagte mein Vater, – wir können ja kaum unser eigenes Wort hören.

Ich denke, erwiderte mein Onkel Toby, indem er die Pfeife aus dem Mund nahm und mit dem Kopf derselben ein paar Mal auf den Nagel seines linken Daumens klopfte, ehe er seine Rede begann – ich denke, sagte er, – allein um die Ansichten meines Onkels Toby in dieser Sache recht zu verstehen, müssen Sie erst ein wenig mit seinem Charakter bekannt gemacht werden, von dem ich Ihnen jetzt einen leichten Umriß geben will. Hernach kann das Zwiegespräch zwischen ihm und meinem Vater wieder ruhig weiter gehen.

Wie hieß doch der Mann – denn ich schreibe in solcher Eile, daß ich keine Zeit habe mich darauf zu besinnen oder deshalb nachzuschlagen – der zuerst die Bemerkung machte: daß in unserer Luft und unserem Klima große Unbeständigkeit herrsche? Wer es immer gewesen sein mag, seine Bemerkung ist richtig und gut. – Allein der daraus gezogene Schluß, nämlich: daß es daher komme, daß wir eine solche Menge seltsamer, grillenhafter Charakter haben – stammt nicht von ihm; das hat ein anderer Mann wenigstens anderthalb Jahrhunderte später herausgefunden. Die Bemerkung sodann – daß dieses reiche Magazin der Originalität die wirkliche und natürliche Ursache davon sei, daß unsere Lustspiele um soviel besser seien als die französischen oder irgend welche andere, die man auf dem Continent geschrieben habe oder schreiben könne: – diese Entdeckung wurde erst um die Mitte der Regierung des Königs William gemacht, – wo der große Dryden (wenn ich nicht irre) in einer seiner langen Vorreden so glücklich war, darauf zu kommen.

Gegen Ende der Regierung der Königin Anna begann dann der große Addison diese Entdeckung unter seinen Schutz zu nehmen, und sie in einigen Nummern seines Spectators der Welt weitläufig aneinander zu setzen; – gemacht hat er sie aber nicht.

Viertens und letztens aber, daß diese merkwürdige Unregelmäßigkeit in unserem Klima, indem sie eine so merkwürdige Unregelmäßigkeit in unseren Charakteren erzeuge – uns hierdurch einigermaßen schadlos halte, indem sie uns Etwas gebe, womit wir uns erheitern können, wenn die Witterung uns nicht gestattet, auszugehen – diese Bemerkung kommt von mir – und wurde von mir heute den 26. März 1759, an einem recht regnerischen Tag, Morgens zwischen 9 und 10 Uhr gemacht.

So – meine Herrn Collegen und Mitarbeiter an dieser großen Ernte der Wissenschaft, die gegenwärtig vor unseren Augen reift – so ist es durch langsames Vorwärtsschreiten auf dem Wege zufälligen Wachstums so weit gekommen, daß unsere physikalischen, metaphysischen, physiologischen, polemischen, nautischen, mathematischen, enigmatischen, technischen, biographischen, romantischen, chemischen und hebammischen Kenntnisse, nebst weiteren fünfzig Gattungen, die meistens auch auf »ischen« endigen, in diesen letzten zwei Jahrhunderten und etwas darüber, sich allmählich jener Ακμὴ ihrer Vervollkommnung genähert haben, von der wir, wenn wir nach den Fortschritten dieser letzten sieben Jahre schließen dürfen, nicht mehr weit entfernt sein können.

Wenn wir sie aber erreicht haben, ist zu hoffen, daß damit allen Arten von Schreibereien ein Ende gemacht werde – der Mangel an Schriften aber wird allem Lesen ein Ende machen; und das muß – wie Krieg Armuth erzeugt, Armuth aber wieder Frieden – natürlich wieder in Kürze jeder Art von Wissenschaft ein Ende machen – und dann – müssen wir Alle wieder von vorn anfangen; oder mit andern Worten wir sind dann wieder da angelangt, von wo wir ausgegangen waren.

Glückliche, drei Mal glückliche Zeiten! Ich wünsche nur, daß die Aera meiner Zeugung wie auch die Art und Weise derselben ein wenig anders gewesen wäre – oder daß sie, wofern es meinem Vater oder meiner Mutter gepaßt hätte, noch etliche 20–25 Jahre verschoben geblieben wäre, wo dann ein Mann in der literarischen Welt mehr Aussicht gehabt hätte.

Doch ich vergesse meinen Onkel Toby, der die ganze Zeit her die Asche aus seiner Tabakspfeife klopft.

Sein Humor war von der besonderen Sorte, die unserer Atmosphäre Ehre macht; und ich würde mich keinen Augenblick besonnen haben, ihn unter ihre Producte erster Klasse zu reihen, hätten sich nicht dabei so viele starke Züge einer Familienähnlichkeit gezeigt, aus denen hervorging, daß er die Eigenthümlichkeit seines Wesens mehr dem Blut als dem Wind oder Wetter oder einer Verbindung, einer Abart beider zu verdanken habe. Ich habe mich daher auch oft gewundert, daß mein Vater – (ich glaube freilich, daß er seine besonderen Gründe dazu hatte), – wenn er an mir als Knabe gewisse Anzeichen von Sonderbarkeit bemerkte, – sich niemals die Mühe nahm, dieselben auf diese Weise zu erklären; denn die ganze Familie Shandy hatte einen eigenthümlichen Charakter: – ich meine die männlichen Mitglieder derselben – denn die weiblichen hatten gar keinen Charakter – mit Ausnahme meiner Großtante Dinah, die vor etwa 60 Jahren ihren Kutscher geheirathet und ein Kind von ihm bekommen hatte; weshalb mein Vater, seiner Hypothese in Betreff der Vornamen getreu, zu sagen pflegte, sie habe sich bei ihren Pathen und Pathinnen dafür zu bedanken.

Es wird sonderbar erscheinen – und wenn ich den Leser rathen lassen wollte, wie das zuging, so möchte es scheinen ich wolle ihm ein Rätsel aufgeben, was nicht in meinem Interesse liegt – daß ein Ereigniß dieser Art so viele Jahre nachher noch den Frieden und die Eintracht stören sollte, die sonst in so herzlicher Weise zwischen meinem Vater und meinem Onkel Toby bestanden. Man hätte denken sollen, daß sich die ganze Macht des Ungewitters gleich anfangs in der Familie entladen und verzehrt hätte – wie dies gewöhnlich der Fall ist. – Aber in unserer Familie ging eben nichts auf die gewöhnliche Weise. Möglich daß zur Zeit da jenes geschah, noch irgend etwas Anderes sie schmerzlich betraf; und da uns ja die Trübsal zu unserem Besten geschickt wird, der Familie Shandy aber aus jenem Mißgeschick noch nie irgend etwas Gutes erwachsen war, so mochte es wol auf passendere Zeiten und Umstände warten, wo es gelegentlich seinen Zweck erfüllen konnte. – Ich bitte übrigens zu bemerken, daß ich hierüber nichts Bestimmtes gesagt haben will. Mein Weg ist immer der, daß ich dem Wißbegierigen verschiedene Spuren der Nachforschung andeute, auf denen er bis zu der Quelle der Ereignisse gelangen kann, die ich erzähle; – nicht mit dem Griffel des Pedanten – oder in der entschiedenen Weise des Tacitus, der klüger ist als er selbst und sein Leser; sondern mit der dienstfertigen Demuth eines Herzens, das nur die Wißbegierigen unterstützen will: – für diese schreibe ich – und von ihnen werde ich auch bis ans Ende der Welt gelesen werden wenn eine solche Lecture sich so lange halten kann.

Weshalb also diese Quelle der Betrübniß für meinen Vater und Onkel aufbehalten blieb, lasse ich unentschieden. Wie und in welcher Richtung sie aber wirkte, um die Ursache einer mißvergnügten Stimmung zwischen ihnen zu werden, nachdem sie einmal begonnen hatte zu wirken, das kann ich mit größter Genauigkeit auseinander setzen. Die Sache war so:

Mein Onkel Toby Shandy, Madame, besaß neben den Tugenden, welche gewöhnlich den Charakter eines ehrenhaften und rechtschaffenen Mannes bezeichnen – noch eine andere und zwar in hohem Grade, welche sonst selten oder nie auf der Liste steht; und das war eine außerordentliche, beispiellose Züchtigkeit von Natur – doch ich streiche das Wort Natur wieder, weil ich einen Punkt nicht zum voraus entscheiden möchte, der bald näher untersucht werden muß: ob nämlich diese Züchtigkeit ihm von Natur anklebte oder ob sie erworben war? – Auf welchem Wege aber mein Onkel dazu gekommen sein mochte, Züchtigkeit im reinsten Sinne des Worts war es; und zwar, Madame, nicht in Beziehung auf seine Worte, denn er hatte leider über sehr wenige zu gebieten – sondern in sachlicher Beziehung – und diese Art Züchtigkeit hatte ihn so in Beschlag genommen, und eine solche Höhe in ihm erreicht, daß sie fast der Züchtigkeit eines Weibes gleich kam, wenn das möglich ist, jenem weiblichen Zartgefühl, Madame, jener inneren Reinheit des Gemüths und der Phantasie, das uns so große Ehrfurcht vor Ihrem Geschlechte einflößt.

Sie denken vielleicht, Madame, mein Onkel habe diese Tugend aus letzterer Quelle bezogen; – er habe einen großen Theil seiner Zeit im Umgang mit Ihrem Geschlechte zugebracht; er habe sich diese liebenswürdige Eigenschaft durch eine innige Bekanntschaft mit Ihrem Geschlecht, durch die Nachahmung, welche so schöne Beispiele unwiderstehlich hervorrufen, erworben.

Ich wollte, ich könnte sagen, es sei so: – allein mit Ausnahme seiner Schwägerin, meines Vaters Gattin und meiner Mutter – wechselte mein Onkel Toby mit dem schönen Geschlecht kaum drei Worte in ebensoviel Jahren. – Nein, Madame, er erhielt es durch eine Quetschung. – Eine Quetschung! – Ja, Madame, durch eine Quetschung, die ihm ein Stein beibrachte, der bei der Belagerung von Namur durch eine Kanonenkugel von der Brustwehr eines Hornwerks abgesprengt wurde und der meinen Onkel gerade auf das Schambein traf. – Und wie konnte das jene Wirkung hervorbringen? – Diese Geschichte ist lang und interessant, Madame, – aber ich würde meine Erzählung vollkommen überstürzen, – wenn ich sie hier geben wollte. – Ich spare sie für später als Episode auf; und an der geeigneten Stelle soll Ihnen dann jeder Umstand getreulich vorgelegt werden; – bis dahin liegt es nicht in meiner Macht ein weiteres Licht über die Sache zu verbreiten, oder mehr zu sagen als was ich bereits gesagt habe – daß nämlich mein Onkel Toby ein Mann von beispielloser Züchtigkeit war, welche durch die beständige Wärme eines kleinen Familienstolzes noch etwas verdünnt und verfeinert wurde – beide zusammen brachten in ihm die Wirkung hervor, daß er niemals hören konnte, daß man die Geschichte meiner Tante Dinah berührte, ohne in die größte Aufregung zu gerathen. – Die leiseste Hindeutung darauf genügte, um ihm das Blut in das Gesicht zu jagen; – wenn sich aber mein Vater in einer gemischten Gesellschaft über die Geschichte verbreitete, wozu ihn die notwendige Erläuterung seiner Hypothese nicht selten veranlaßte – so traf der unselige Mehlthau, der damit auf einen der schönsten Zweige der Familie fiel, auch meines Onkels Toby Ehrgefühl und Züchtigkeit aufs schwerste; und er nahm dann meinen Vater oft in der äußersten Aufregung bei Seite und sagte ihm, er wolle ihm gerne geben, was er nur wolle, wenn er nur die Geschichte in Ruhe lasse.

Mein Vater hatte gewiß die aufrichtigste Liebe und Anhänglichkeit für meinen Onkel Toby, die je ein Bruder gegen einen anderen hegte; und würde gewiß gerne Alles auf der Welt gethan haben, was ein Bruder vernünftiger Weise vom andern verlangen konnte, um meines Onkels Toby Herz in diesem wie in jedem andern Punkte zu erleichtern. Aber hier lag es nicht in seiner Macht.

Mein Vater war, wie ich Ihnen bereits sagte, ein ächter Philosoph – speculativ – systematisch; – und die Geschichte meiner Tante Dinah war für ihn eine so wichtige Sache, wie es die Rückläufigkeit der Planeten für Copernicus war: – das Abfallen der Venus in ihrer Bahn bestätigte bekanntlich das nach ihm genannte Copernicanische System; das Abfallen meiner Tante Dinah aber that ganz den gleichen Dienst zu Feststellung des Systems meines Vaters, welches, wie ich überzeugt bin, für alle Zukunft nach ihm das Shandyanische System heißen wird.

Bei jeder anderen Familienunehre hatte mein Vater gewiß ein ebenso kitzliches Schamgefühl als irgend Einer; – und weder er – noch gewiß auch Copernicus – würde die Sache weiter verbreitet oder die geringste Notiz von ihr vor der Welt genommen haben, wenn sie sich nicht beide, wie sie meinten, verpflichtet gefühlt hätten, die Wahrheit zu sagen. Amicus Plato, pflegte mein Vater zu sagen, indem er im Auf- und Abgehen meinem Onkel Toby die Worte erklärte; Amicus Plato – das heißt, Dinah war meine Tante; – sed magis amica veritas – aber die Wahrheit ist meine Schwester.

Dieser Gegensatz in der Gemüthsart bei meinem Vater und meinem Onkel war die Veranlassung zu manchem brüderlichen Hader. Der Eine konnte die Geschichte von dem Familienunheil nicht erzählen hören; – und der Andere ließ kaum einen Tag vorübergehen, ohne eine Anspielung darauf zu machen.

Um Gottes willen, pflegte dann mein Onkel Toby zu rufen, – und um meinetwillen, und um unsrer Aller willen, lieber Bruder Shandy – so laß doch diese Geschichte von unserer Tante bei ihrer Asche ruhen. – Wie kannst du – wie kannst du nur so wenig Gefühl und Rücksicht für den guten Namen unserer Familie haben? – Was ist der gute Name einer Familie gegen eine Hypothese? pflegte mein Vater zu erwidern. – Ja, wenn du damit kommst – was ist das Leben einer Familie? – Das Leben einer Familie! – sagte dann mein Onkel Toby, warf sich in seinen Lehnstuhl zurück und erhob seine Hände, seine Augen und ein Bein gen Himmel. – Ja das Leben, fuhr dann mein Vater fort und hielt seinen Satz aufrecht.

Wie viel tausend Leben werden alljährlich für eine Hypothese weggeworfen (wenigstens in allen civilisirten Ländern) – und als gewöhnliche Luft betrachtet. – Nach meiner einfachen Beurtheilung der Dinge, erwiderte dann mein Onkel Toby – ist jeder Fall der Art reiner Mord, begehe ihn wer will. – Da irrst du dich, pflegte mein Vater zu erwidern; – denn in Foro Scientiae gibt es keinen Mord – sondern nur Todschlag, Bruder.

Mein Onkel Toby pflegte diesem Ausspruch keinen andern Beweisgrund entgegen zu stellen, als daß er ein halb Dutzend Takte des Lillabullero pfiff. – Dies war nämlich der gewöhnliche Kanal, in welchem sich seine Leidenschaften Luft machten, wenn ihn irgend etwas alterirte oder in Staunen setzte; besonders aber wenn Etwas behauptet wurde, was er für höchst abgeschmackt hielt.

Da nicht Einer unserer Schriftsteller über Logik, nicht Einer der Commentatoren derselben, so weit ich weiß, es für angezeigt gehalten hat, dieser besonderen Beweisart einen Namen zu geben – so nehme ich mir hier die Freiheit es selbst zu thun, und zwar aus zwei Gründen; erstens damit derselbe, um alle Verwirrung bei Wortgefechten zu vermeiden, ein für alle Mal von jeder anderen Beweisart so vollständig geschieden dastehe – wie das Argumentum ad Verecundiam, ex Absurdo, ex Fortiori, oder irgend ein anderes Argument; – und zweitens, damit wenn mein Haupt zur Ruhe gelegt ist, meine Kindeskinder sagen können, der Kopf ihres gelehrten Großvaters habe sich mit ebensoviel wichtigen Dingen beschäftigt als der anderer Leute; – er habe einen Namen erfunden, – und ihn in edelmüthiger Weise dem Schatz der Ars Logika überlassen, als einer der unwiderleglichsten Beweise der ganzen Wissenschaft; und wenn der Zweck eines Wortstreits eher darin besteht, den Gegner zum Schweigen zu bringen als ihn zu überzeugen – so können sie wenn sie wollen, noch hinzufügen – zugleich als einen der besten Beweise.

Ich verordne und befehle daher hiemit aufs bündigste, daß dieser Beweis künftig unter dem Namen und Titel Argumentum Fistulatorium und unter keinem andern bekannt und bezeichnet sein solle; – daß er auf gleicher Rangstufe mit dem Argumentum Baculinum und dem Argumentum ad Crumenam stehen und künftig hin für ewige Zeiten in dem gleichen Kapitel abgehandelt werden solle.

Was das Argumentum Tripodium betrifft, welches nur von der Frau gegen den Mann benützt wird; – sowie das Argumentum ad Rem, welches im Gegentheil nur von dem Mann gegen die Frau zur Anwendung kommt; – so sollen, da diese zwei wahrlich für eine Vorlesung genug sind – und da überdies der eine dieser Beweise, die beste Antwort auf den andern ist – sie gleichfalls abgesondert und in einem besonderen Placit abgehandelt werden.


 << zurück weiter >>