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Und so beschloß denn Frau Wadman, um den Nutzen von beiden Systemen zu haben, meinen Onkel Toby weder an diesem noch an jenem Ende anzuzünden, sondern wie das Licht des Verschwenders womöglich an beiden zugleich.
Wenn nun Frau Wadman sieben Jahre lang alle Rumpelkammern mit militärischen Geräthen, für Kavallerie wie für Infanterie, von dem großen Arsenal zu Venedig bis zum Tower von London (exclusive) durchstöbert hätte, und dabei von Brigitte unterstützt worden wäre, so hätte sie doch keine Blendirung, kein Mantelet finden können, das sich so für ihre Zwecke eignete, als das welches ihr die Unternehmungen meines Onkels Toby in die Hand gaben.
Ich glaube, ich habe dem geneigten Leser noch nicht gesagt, – doch ich weiß nicht, – möglicher Weise habe ich es doch gesagt, – mag das nun sein wie dem will, es gehört jedenfalls unter die Dinge, die man besser noch einmal thut als daß man lange darüber schwatzt, – daß mein Onkel Toby, mochte der Corporal im Laufe ihrer Feldzüge an dieser oder jener Stadt oder Festung beschäftigt sein, stets Sorge trug, im Innern seines Schilderhauses, linker Hand, einen Plan der Festung mit 2–3 Nadeln am oberen Rand anzuheften, so daß er nach unten frei hing und nach Bedarf dem Auge näher gebracht werden konnte. Wenn daher Frau Wadman einen Angriff beschlossen hatte, so brauchte sie nichts weiter zu thun, als nach dem Schilderhause zu gehen, die rechte Hand auszustrecken, und während sie zugleich den linken Fuß hineinsetzte, und die Karte oder den Plan oder den Aufriß oder was es war zu ergreifen und demselben mit vorgestrecktem Halse auf halbem Wege entgegen zu gehen. Hierbei mußten meines Onkels Toby Leidenschaften nothwendig Feuer fangen, – denn er ergriff dann natürlich sofort mit seiner linken Hand die andere Ecke des Plans und begann mit dem untern Theil seiner Pfeife in der anderen, eine Erläuterung.
Wenn der Angriff bis zu diesem Punkte vorgetrieben war, – wird die Welt natürlich die Motive zu Frau Wadmans nächster taktischer Bewegung zu würdigen wissen; – diese bestand nämlich darin, meinem Onkel Toby sobald als möglich seine Tabakspfeife aus der Hand zu nehmen; was sie unter diesem oder jenem Vorwand, in der Regel aber indem sie that, als wollte sie genauer auf eine Redoute oder sonstige Schanze auf dem Plane hinzeigen, bewerkstelligte, ehe mein Onkel Toby (die arme Seele) mehr als ein halb Dutzend Toisen damit zurückgelegt hatte.
Auf diese Art sah sich mein Onkel Toby genöthigt, seinen Zeigefinger zu nehmen.
Der Unterschied, den dies im Angriff bewirkte, bestand in Folgendem: – wenn sie im ersten Fall mit der Spitze ihres Zeigefingers gegen das Ende der Tabakspfeife meines Onkels Toby manövrirte, so hätte sie mit dieser ohne alle und jede Wirkung den Schanzen entlang von Dan bis Berseba gehen können, wenn die Schanzen meines Onkels Toby soweit gegangen wären; denn da das Ende der Tabakspfeife keinerlei Blut- oder Lebenswärme enthielt, konnte es auch keine Empfindung hervorrufen, – konnte es weder durch Pulsation Feuer mittheilen, – noch durch Sympathie welches empfangen; – es war nichts als Rauch.
Ging aber meines Onkel Toby's Zeigefinger dicht neben dem ihrigen durch all die kleinen Windungen und Einsprünge seiner Werke, – wobei er bisweilen gegen die Seite des letzteren drückte, – oder auf seinen Nagel zu liegen kam, – oder über ihn stolperte, – ihn da und dort berührte, – so setzte er endlich irgend etwas in Bewegung.
Dies war zwar nur ein leichtes Geplänkel und in einiger Entfernung vom Gros, aber es zog dieses bald nach; denn da dann der Plan gewöhnlich mit seinem Rücken dicht an die Wand des Schilderhauses zurückfiel, pflegte mein Onkel Toby in der Arglosigkeit seiner Seele seine Hand flach darauf zu legen, um in seiner Erklärung weiter zu machen; worauf dann Frau Wadman mit einem Manöver das so schnell wie ein Gedanke ging, ebenso sicher ihre Hand hart neben die seinige brachte. Hierdurch wurde alsbald eine Verbindung eröffnet, die groß genug war, um jedes Gefühl passiren und zurückpassiren zu lassen, das eine in dem elementaren und praktischen Theil der Liebeskunst bewanderte Person gerade brauchte.
Wenn sie dann ihren Zeigefinger parallel neben den meines Onkels Toby legte, – so wurde unvermeidlich der Daumen mit in die Action gezogen; – waren aber einmal Daumen und Zeigefinger im Gefecht, so folgte die ganze Hand natürlich nach. Die deinige, lieber Onkel Toby, war dann nie an ihrem rechten Platz, – Frau Wadman mußte sie deshalb immer aufheben oder durch die zartesten Püffe, Stöße und zweideutige Drücke, die eine Hand, die man entfernen will, zu empfangen im Stande ist, – sie um eine Haarsbreite aus dem Wege schieben. Während dies vor sich ging, vergaß sie natürlich nicht, ihm fühlbar zu machen, daß es ihr Bein (und Niemand anders) war, welches weiter unten im Schilderhaus leicht gegen seine Wade drückte. – So war es kein Wunder, daß mein Onkel Toby, wenn er so auf beiden Flügeln angegriffen und schwer bedrängt wurde, manchmal in seinem Centrum in Unordnung gerieth.
Hol's der Henker! sagte mein Onkel Toby.
Der geneigte Leser wird leicht begreifen, daß diese Angriffe der Frau Wadman verschiedener Natur waren, und sich von einander wie die Angriffe, von denen die Geschichte voll ist, und aus denselben Gründen unterschieden. Ein gewöhnlicher Zuschauer würde kaum zugeben, daß es überhaupt Angriffe gewesen; – oder würde sie, wenn er es zugab, mit einander vermengt haben; – für solche schreibe ich aber nicht. Es wird Zeit genug sein, etwas genauer in meiner Beschreibung derselben zu werden, wenn ich an die Sache selbst komme, was erst nach einigen Kapiteln der Fall sein wird. In diesem habe ich nur noch beizufügen, daß sich in einem Bündel von Originalpapieren und Zeichnungen, welche mein Vater sorgfältig aufrollte, auch ein vollkommen gut erhaltener Plan von Bouchain befindet (er soll auch so lange ich dazu im Stande bin, ferner erhalten werden), in dessen unterer rechtseitigen Ecke sich noch die Spuren eines Schnupftabaksfingers und Daumens vorfinden, die man alle Ursache hat, für von Frau Wadman herrührend zu halten; während die entgegengesetzte Ecke, wo sich wahrscheinlich die Finger meines Onkels Toby befanden, durchaus sauber ist. Dies scheint eine authentische Urkunde eines dieser Angriffe zu sein; denn an dem entgegengesetzten Rande des Plans sind noch die vestigia zweier Stiche sichtbar, die jetzt zum Theil zugegangen sind, unzweifelhaft die Löcher, durch welche der Plan an das Schilderhaus geheftet war.
Bei allem was priesterlich ist! ich schätze diese kostbare Reliquie mit ihren Stigmata's und Stichen höher als alle Reliquien der römischen Kirche; – wobei ich immer, wenn ich über solche Sachen schreibe, die Stiche ausnehme, welche in das Fleisch der h. Radagunda in der Wüste gingen; welche die Nonnen gleichen Namens den Leuten auf der Tour von Fesse nach Cluny um der Liebe willen zeigen.
Euer Gnaden, sagte Trim, die Befestigungen sind jetzt vollständig geschleift, und – der Hafen ist auf einem Niveau mit dem Molo. – Ja, ja, so ist's – erwiderte mein Onkel Toby mit einem halbunterdrückten Seufzer; – aber gehe in das Wohnzimmer, Trim, und hole mir die Stipulation, – sie liegt auf dem Tisch.
Sie hat sechs Wochen dort gelegen, erwiderte der Corporal, aber gerade heute Morgen hat die alte Frau das Feuer damit angemacht.
Dann, versetzte mein Onkel Toby, dann sind unsere Dienste nicht mehr nöthig. – Das ist wirklich recht Schade, Euer Gnaden, sagte der Corporal; dabei warf er seinen Spaten mit der Miene der äußersten Trostlosigkeit in den Schiebkarren, der neben ihm stand, und drehte sich traurig um, um seine Spitzhaue, seine Schaufel, seine Pflöcke und andere militärische Geräthe zusammen zu suchen und fort zu schaffen, – als ein Ach! das von dem Schilderhause ausging, welches weil aus dünnen Latten von Tannenholz gefertigt, den Ton um so trauriger in sein Ohr trug, es ihm verbot. Nein, sagte der Corporal zu sich selbst, ich will es thun, ehe Seine Gnaden morgen früh aufsteht. Er nahm also seinen Spaten wieder aus dem Schiebkarren, that etwas Erde darauf, als wollte er noch etwas am Fuße des Glacis einebnen, – eigentlich aber um etwas näher zu seinem Herrn hinzukommen, und ihn aufzuheitern, – dann löste er ein Paar Rasenstücke ab, – schnitt ihre Enden mit seinem Spaten ab, und nachdem er ihnen mit der Rückseite desselben ein Paar leichte Klopfer gegeben, setzte er sich hart zu den Füßen meines Onkels Toby, und begann wie folgt:
Es war doch gar zu Schade – vielleicht aber sage ich da ein sehr närrisches Ding für einen Soldaten, Euer Gnaden –
Ein Soldat, rief mein Onkel Toby, den Corporal unterbrechend, kann ebensogut närrische Dinge sagen, wie ein Gelehrter.
Aber nicht so oft, Euer Gnaden, erwiderte der Corporal.
Mein Onkel Toby nickte beistimmend.
Es war doch gar zu Schade, – begann der Corporal wieder und blickte dabei auf Dünkirchen und den Molo, wie Servius Sulpitius bei seiner Rückkehr aus Asien, als er von Aegina gegen Megara segelte, auf Corinth und den Pyräus blickte, –
Es war doch gar zu Schade, Euer Gnaden, daß diese Werke geschleift werden mußten – und ebenso Schade wäre es gewesen, wenn sie stehen geblieben wären.
Du hast in beiden Fällen Recht, Trim, sagte mein Onkel Toby.
Das ist auch der Grund, fuhr der Corporal fort, warum ich vom Beginn der Schleifung an bis zum Schluß niemals gepfiffen, oder gesungen, oder gelacht, oder geweint, oder über vergangene Thaten geplaudert oder Euer Gnaden eine gute oder schlechte Geschichte erzählt habe.
Du hast viele treffliche Eigenschaften, Trim, sagte mein Onkel Toby, und nicht die geringste davon ist, daß von den vielen Geschichten, die du mir erzählt hast, um mich in meinen schmerzlichen Stunden zu unterhalten, und in meinen ernsten zu erheitern, selten eine schlecht war.
Das kommt daher, Euer Gnaden, weil sie mit Ausnahme von derjenigen vom König von Böhmen und seinen sieben Schlössern alle wahr waren, denn sie handelten von mir selbst.
Der Gegenstand war mir deshalb nicht weniger angenehm, Trim, sagte mein Onkel Toby. Aber was ist denn das für eine Geschichte von dem König? Du hast mich neugierig gemacht.
Ich will sie Euer Gnaden gleich erzählen, sagte der Corporal. –
Nur darf es, sagte mein Onkel Toby, und blickte dabei wieder ernsthaft auf Dünkirchen und den Molo, – nur darf es keine lustige sein: zu einer solchen, Trim, muß man immer die eine Hälfte in sich mitbringen, und die Stimmung, in der ich mich gegenwärtig befinde, würde dir, Trim, und deiner Geschichte nicht günstig sein. – O es ist durchaus keine lustige Geschichte, erwiderte der Corporal. – Es sollte aber auch keine gar zu ernsthafte sein, setzte mein Onkel Toby hinzu. – Sie ist weder das Eine noch das Andere, versetzte der Corporal, sondern wird ganz für Euer Gnaden passen. – Dann dank' ich dir von ganzem Herzen dafür, rief mein Onkel Toby, und so bitte ich dich, fang an, Trim.
Der Corporal machte seine Verbeugung; und obschon es keine so leichte Sache ist, wie man meinen könnte, eine dünne Monteromütze mit Anmuth abzuziehen, – und nach meiner Ansicht nicht um ein Haar weniger schwierig ist, eine so respektvolle Verbeugung wie der Corporal gewohnt war, zu machen, wenn man auf dem Boden kauert, so gelang es dem Corporal doch, indem er seine flache rechte Hand, die gegen seinen Herrn gekehrt war, aus dem Gras zurück und etwas über seinen Körper hinausgleiten ließ, um diesem einen größeren Schwung zu geben, und indem er zugleich seine Mütze mit dem Daumen und zwei Fingern seiner Linken ungezwungen zusammendrückte, wodurch der Durchmesser der Mütze vermindert und sie eher unmerklich weggequetscht als wie durch den Wind herabgerissen wurde, – beides auf eine bessere Weise durchzuführen, als die Lage der Dinge zu gestatten schien; und nachdem er sich zwei Mal geräuspert hatte, um zu hören, in welcher Tonart sich seine Geschichte am besten mache, und wie sie zu der Stimmung seines Gebieters am besten passe, – tauschte er mit diesem einen einzigen freundlichen Blick und begann dann also:
Die Geschichte von dem König von Böhmen und seinen sieben Schlössern.
Es war einmal ein König von Böh –
Als der Corporal eben die Grenze von Böhmen überschreiten wollte, nöthigte ihn mein Onkel Toby einen Moment zu halten. Trim hatte baarhäuptig angefangen, indem er seine Monteromütze seit Ende des vorigen Kapitels neben sich auf dem Boden hatte liegen lassen.
Das Auge der Menschenfreundlichkeit erspäht Alles; und ehe der Corporal die erstern fünf Worte seiner Geschichte hinter sich hatte, hatte mein Onkel Toby die Monteromütze bereits zwei Mal mit dem Ende seines Stocks berührt, als wollte er sagen: Warum setzest du sie nicht wieder auf, Trim? – Trim ergriff sie in der achtungsvollsten Langsamkeit und warf dabei einen demüthigen Blick auf die Stickerei der vorderen Seite, die bereits ihres Glanzes beraubt und in einigen Hauptblättern und den kühnsten Theilen des Musters stark abgerieben war, und legte sie dann wieder zwischen seine Beine, um über den Gegenstand zu moralisiren.
Was du da andeuten willst, rief mein Onkel Toby, ist nur zu wahr: Nichts auf der Welt ist gemacht, um ewig zu dauern, Trim!
Aber wenn sich auch die Andenken an deine Liebe, theurer Tom, abnützen, sagte Trim, was sollen wir dann sagen?
Trim, versetzte mein Onkel Toby, darüber ist weiter nichts zu sagen; und wenn ein Mensch sein Gehirn bis zum jüngsten Tag deshalb anstrengen würde, Trim, ich glaube, es wäre ganz umsonst.
Da der Corporal einsah, daß mein Onkel Toby Recht hatte, und daß es dem menschlichen Witze unmöglich sein würde, eine reinere Moral aus der Kappe zu ziehen, so machte er auch keinen weiteren Versuch dazu und setzte sie auf. Dann fuhr er mit der Hand über die Stirne, um eine nachdenkliche Runzel zu glätten, welche der Text und die Lehre zusammen erzeugt hatten, und kehrte dann mit dem früheren Blick und Tonstimmung zu seiner Geschichte von dem König von Böhmen und dessen sieben Schlössern zurück.
Fortsetzung der Geschichte des Königs von Böhmen und seinen sieben Schlössern.
Es war einmal ein König von Böhmen; ich könnte jedoch Euer Gnaden nicht sagen, unter welcher Regierung, wenn es nicht unter seiner eigenen war –
Das verlange ich auch durchaus nicht von dir, Trim, rief mein Onkel Toby.
Es war etwas vor der Zeit, Euer Gnaden, da die Riesen anfingen auszugehen; – aber in welchem Jahre unseres Herrn das war –
Ich gebe keinen Pfennig drum das zu wissen, sagte mein Onkel Toby.
Eine Geschichte sieht so nur gleich besser aus, Euer Gnaden.
Es ist deine Sache, Trim, sie nach deiner Art auszuschmücken; nimm jedes Datum, fuhr mein Onkel Toby fort und sah ihn scherzhaft an, nimm jedes Datum das dir gefällt, – mir ist es recht.
Der Corporal verbeugte sich; mein Onkel Toby hatte ihm jedes Jahrhundert und jedes Jahr jedes Jahrhunderts, von Erschaffung der Welt bis zur Sündflut, und von der Sündflut bis zur Geburt Abraham's, durch alle Wanderungen der Patriarchen, bis zum Auszug der Israeliten aus Egypten, und durch alle Dynastien, Olympiaden, Urbs condita's und andere denkwürdigen Epochen der verschiedenen Stationen bis zur Ankunft Christi und von da bis zum Augenblick, wo der Corporal seine Geschichte erzählte, – diesen ganzen großen Zeitraum mit all seinen Abgründen zu Füßen gelegt; da aber die Bescheidenheit das was ihr die Freigebigkeit mit beiden Händen hinbietet, kaum mit einem Finger zu berühren pflegt, so begnügte sich der Corporal mit dem schlechtesten Jahr des ganzen Haufens; und damit die geehrten Leser der Majorität und Minorität sich darüber nicht bis aufs Blut verstreiten: ob dieses Jahr nicht immer das letzte Jahr des letzten Kalenders sei? – so will ich denselben offen sagen, daß dem wirklich so war; aber aus einem ganz anderen Grund als sie ahnen.
Es war das ihm nächste Jahr, das Jahr unseres Herrn 1712, wo der Herzog von Ormond so übel in Flandern hauste. Der Corporal nahm es und begann damit lustig seine Expedition nach Böhmen.
Fortsetzung der Geschichte von dem König von Böhmen und seinen sieben Schlössern.
Im Jahr unseres Herrn Ein Tausend Sieben Hundert und Zwölf, da war –
Aufrichtig gesagt, Trim, sagte mein Onkel Toby, jedes andere Jahr würde mir besser gefallen haben, nicht nur wegen des traurigen Fleckens in unserer Geschichte, den dieses Jahr uns gebracht hat, als unsere Truppen sich weigerten, die Belagerung von Quesnoi zu decken, ungeachtet Fagel die Werke mit so unglaublicher Energie vorwärts trieb, – sondern auch eben so sehr wegen deiner eigenen Geschichte, Trim; denn wenn es sich dabei – und nach dem was du bereits darüber hast fallen lassen, vermuthe ich sehr, daß es so sei, – wenn es sich dabei wirklich um Riesen handelt –
Es kommt nur Einer darin vor, Euer Gnaden.
Das ist so schlimm, wie wenn es zwanzig wären, erwiderte mein Onkel Toby; – du hättest ihn so etwa 7–800 Jahre weiter zurücksetzen sollen, auch wegen der Kritiker und anderer Leute; deshalb möchte ich dir rathen, wenn du die Geschichte wieder erzählst –
Euer Gnaden, wenn ich's erlebe, sie fertig zu erzählen, so will ich sie gewiß nicht wieder bringen, sagte Trim, weder Mann noch Weib noch Kind soll sie wieder hören. –
Puh, machte mein Onkel Toby, – aber in so freundlicher aufmunternder Weise, daß der Corporal mit größerer Freudigkeit als je in seiner Geschichte fortfuhr:
Fortsetzung der Geschichte von dem König von Böhmen und seinen sieben Schlössern.
Euer Gnaden, begann der Corporal mit erhobener Stimme und rieb dabei seine Hände in heiterer Weise, es war also ein König von Böhmen –
Laß lieber das Datum ganz weg, Trim, sagte mein Onkel Toby, indem er sich vorwärts beugte und dem Corporal die Hand sanft auf die Schulter legte, um dadurch seine Unterbrechung abzuschwächen, – laß es lieber ganz weg, Trim; eine Geschichte kann dieser Subtiläten wohl entbehren, wenn man nicht ganz sicher darin ist. – Sicher darin, wiederholte der Corporal und schüttelte den Kopf.
Gut, sagte mein Onkel Toby; es ist für Einen, der wie du und ich, Trim, für das Waffenhandwerk erzogen wurde, der selten weiter vorwärts sieht als das Ende seiner Muskete, oder weiter rückwärts als seinen Tornister, es ist für einen Solchen nicht leicht, hierüber viel zu wissen. – Gott segne Euer Gnaden, sagte der Corporal, den die Art wie mein Onkel Toby raisonnirte ebenso sehr überzeugte wie das Raisonnement selbst, der Soldat hat allerdings etwas Anderes zu thun; wenn er sich nicht im Gefecht oder auf dem Marsch oder im Garnisonsdienst befindet, – muß er seine Muskete rein halten, Euer Gnaden, – sein Lederzeug herrichten, – seine Uniform flicken, – sich selbst rasiren und reinigen, damit er immer so auftreten kann als müßte er auf die Parade; was geht den Soldaten überhaupt die Geographie an, Euer Gnaden? setzte der Corporal triumphirend hinzu.
Du willst sagen, die Chronologie, Trim, sagte mein Onkel Toby; denn die Geographie ist ihm wirklich von großem Nutzen; er muß ja mit jedem Land und dessen Grenzen, wohin ihn sein Beruf führt, genau bekannt sein; er muß jede Land- und Hauptstadt, jedes Dorf und Weiler mit den Canälen, Straßen und Hohlwegen, die dahin führen, kennen. Bei jedem Fluß oder Bach, Trim, den er passirt, sollte er beim ersten Anblick sagen können, wie er heißt, – in welchem Gebirge er entspringt, – welchen Lauf er nimmt, – wie weit er schiffbar ist, – wo sich Fuhrten befinden, und wo nicht; – er sollte wissen, wie es mit der Fruchtbarkeit jedes Thals steht, und wie das Volk beschaffen ist, das es anbaut; er sollte alle Ebenen und Défiléen, Forts, Steigen, Wälder und Sümpfe, durch die seine Armee zu marschiren hat, beschreiben oder erforderlichen Falls einen genauen Plan davon machen können; – er sollte ihre Produkte, Pflanzen, Mineralien, Gewässer, Thiere, Jahreszeiten, Klima, Hitze und Kälte, Einwohner, Sitten, Sprache, Regierungsweise und sogar ihre Religion kennen.
Würde es sich sonst begreifen lassen, Corporal, fuhr mein Onkel Toby fort, und stand, als er sich bei diesem Theil seiner Rede wärmer redete, im Schilderhause auf, – wie Marlborough seine Armee von den Ufern der Maas nach Belburg, von Belburg nach Kerpenord – (hier vermochte auch der Corporal nicht länger sitzen zu bleiben), von Kerpenord, Trim, nach Kalsaken, von Kalsaken nach Neudorf, von Neudorf nach Landenburg, von Landenburg nach Mildenheim, von Mildenheim nach Elchingen, von Elchingen nach Giengen, von Giengen nach Ballmertshofen, von Ballmertshofen nach dem Schellenberg führen konnte, wo er die feindlichen Schanzen durchbrach und den Donauübergang erzwang, worauf er dann über den Lech ging, seine Truppen bis in das Herz des deutschen Reichs vorführte und an ihrer Spitze durch Friedberg, Hohenwart und Schönfeld in die Ebenen von Blindheim und Hochstätt marschirte? – Trotz all seines Genies, Corporal, hätte er nicht einen Schritt vorrücken oder einen einzigen Tagmarsch ausführen können, ohne Hilfe der Geographie. – Was aber die Chronologie betrifft, Trim, fuhr mein Onkel Toby fort, indem er sich wieder ruhig in sein Schilderhaus setzte, so muß ich gestehen, daß ihrer der Soldat wohl am ehesten entbehren könnte, wenn ihn diese Wissenschaft nicht über den Zeitpunkt der Erfindung des Schießpulvers aufklären würde; denn die grausame Zerstörung, die davon ausgeht, und Alles wie der Blitz vor sich niederwirft, ist für uns eine neue Aera der militärischen Entwickelung geworden und hat die Natur des Angriffs und der Vertheidigung zur See und zu Land so sehr verändert, und so viel Kunst und Geschick dabei zu Tage gebracht, daß man in Bestimmung der Zeit seiner Entdeckung nicht genau genug, in Nachforschung nach dem großen Entdecker und der Veranlassung, bei der die Entdeckung gemacht wurde, nicht gründlich genug sein kann.
Ich will durchaus nicht bestreiten, fuhr mein Onkel Toby fort, worin auch die Geschichtsschreiber einig sind, daß im Jahr unseres Herrn 1380 unter der Regierung Wenzels, eines Sohnes von Karl IV., ein gewisser Mönch Namens Schwartz den Venezianern in ihrem Krieg gegen die Genuesen den Gebrauch des Schießpulvers lehrte; aber es ist gewiß, daß er nicht der Erste war; denn wenn wir dem Bischof von Leon, Don Pedro, Glauben schenken dürfen – Euer Gnaden, wie kamen denn Mönche und Bischöfe dazu, sich so viel mit Schießpulver abzugeben? fragte Trim. – Das weiß Gott! erwiderte mein Onkel Toby, seine Vorsehung versteht aus Allem Gutes zu ziehen; Don Pedro also behauptet in seiner Chronik vom König Alphons, welcher Toledo einnahm, – daß schon im Jahre 1343, also volle 37 Jahre vor Schwartz das Geheimniß des Pulvers Mohren und Christen wohl bekannt gewesen und nicht nur bei ihren Seeschlachten, sondern auch bei den meisten ihrer denkwürdigen Belagerungen in Spanien und der Berberei angewendet worden sei; – auch weiß Jedermann, daß der Mönch Bacon schon 150 Jahre ehe Schwartz geboren wurde, darüber geschrieben und der Welt edelmüthig ein Recept zur Bereitung desselben hinterlassen hat; – und daß die Chinesen, fuhr mein Onkel Toby fort, uns und alle Berichte hierüber noch mehr in Verlegenheit setzen, insofern sie sich rühmen, daß sie diese Erfindung schon mehrere Hundert Jahre vor Bacon gemacht haben.
Ich glaube das ist eine rechte Lügenbrut! rief Trim.
Sie müssen sich hierüber irgend wie im Irrthum befinden, sagte mein Onkel Toby, das geht aus dem gegenwärtigen elenden Zustand ihrer Befestigung hervor; denn diese besteht nur aus einem Graben mit einem Backsteinwall ohne Flanken, – und das was sie an den Winkeln desselben für eine Bastion ausgeben, ist so barbarisch gebaut, daß man es ebensogut – für eines meiner sieben Schlösser halten könnte, Euer Gnaden, fiel Trim ein.
Obgleich mein Onkel sehr in Noth wegen eines guten Vergleichs war, so lehnte er doch Trim's Aushilfe sehr artig ab, – bis ihm Trim sagte, er habe noch ein halb Dutzend Schlösser in Böhmen, die er nicht wisse, wie losbringen. Ueber diesen herzlichen Spaß des Corporals war mein Onkel Toby so vergnügt, daß er seine Vorlesung über Schießpulver fahren ließ, und den Corporal bat, jetzt nur mit seiner Geschichte vom König von Böhmen und dessen sieben Schlössern fortzumachen.
Fortsetzung der Geschichte vom König von Böhmen und dessen sieben Schlössern.
Dieser unglückliche König von Böhmen, sagte Trim. – Ja, war er denn unglücklich? rief mein Onkel Toby, denn er war in seine Vorlesung über Schießpulver und andere militärische Angelegenheiten so versunken gewesen, daß er zwar dem Corporal geboten hatte, weiter zu machen, die vielen Unterbrechungen aber, die er veranlaßt, nicht so schwer auf seine Phantasie drückten, um sich jenes Beiwort daraus erklären zu können. – War er denn unglücklich? fragte mein Onkel Toby pathetisch. – Der Corporal wünschte zuerst das Wort und alle seine Synonymen zum Teufel und begann dann im Geist die Hauptereignisse im Leben des Königs von Böhmen an sich vorübergehen zu lassen. Da aber aus allen hervorging, daß dieser König eigentlich der glücklichste Mann gewesen, der je auf der Welt gelebt – so kam der Corporal in keine geringe Verlegenheit; und da er sein Prädikat nicht zurücknehmen, – und noch weniger es klären, – am allerwenigsten aber seine Geschichte verdrehen wollte (wie die Gelehrten es oft machen, um ein System zu retten) – so sah er meinem Onkel Toby Hilfe suchend ins Gesicht. Als er jedoch wahrnahm, daß mein Onkel Toby gerade selbst darauf wartete, – so fuhr er nach einigem Räuspern fort:
Der König von Böhmen, Euer Gnaden. war insofern unglücklich, – daß er eine große Freude an der Schifffahrt und an aller Art von Marinedingen hatte, – und im ganzen Königreich Böhmen zufällig kein einziger Seehafen war.
Wie zum Henker wäre das aber auch möglich, Trim? rief mein Onkel Toby, Böhmen ist ja ein Binnenland; da konnte es ja nicht anders sein.
Wenn es Gott so gewollt hätte, hätte es doch sein können, entgegnete Trim.
Mein Onkel Toby sprach von dem Wesen und den natürlichen Eigenschaften Gottes stets nur mit Zurückhaltung und Zögerung.
Ich glaube nicht, erwiderte mein Onkel Toby nach einer Weile; – denn als Binnenland, wie ich bereits sagte, wo es Schlesien und Mähren auf seiner Ostseite, die Lausitz und Obersachsen auf der Nordseite, Franken westlich und Bayern im Süden hatte, – hätte es nicht bis zur See vorgeschoben werden können, ohne daß es aufgehört hätte, Böhmen zu sein; – ebenso wenig konnte andererseits die See zu Böhmen heraufkommen, ohne einen großen Theil Deutschlands zu zerstören und Millionen unglücklicher Einwohner zu vernichten, die sich nicht dagegen wehren konnten. – Entsetzlich! rief Trim. – Das aber, setzte mein Onkel Toby sanft hinzu, würde einen solchen Mangel an Barmherzigkeit bei dem voraussetzen, der doch der Vater derselben ist, – daß ich glaube, Trim, – die Sache wäre in keiner Weise möglich gewesen.
Der Corporal machte jetzt eine Verbeugung, die seine ungeheuchelte Ueberzeugung aussprach, und fuhr fort:
Nun geschah es, daß der König von Böhmen mit seiner Königin und seinen Hofleuten zufällig an einem schönen Sommerabend spazieren ging. – Hier ist das Wort zufällig ganz richtig, Trim, rief mein Onkel Toby; denn der König von Böhmen und seine Königin hätten spazieren gehen können oder nicht: – es war reine Zufallssache, die ebensogut geschehen konnte wie nicht.
Euer Gnaden, der König William war der Ansicht, daß Alles auf der Welt zum Voraus bestimmt sei, sagte Trim; oft sagte er zu seinen Soldaten: jede Kugel habe ihr Quartierbillet. – Er war ein großer Mann, sagte mein Onkel Toby. – Und ich glaube noch jetzt, fuhr Trim fort, daß der Schuß, der mich in der Schlacht bei Landen niederstreckte, zu keinem andern Zweck gegen mein Knie gerichtet war, als um mich dienstunfähig zu machen, und mich in Euer Gnaden Dienst zu bringen, wo ich eine weit bessere Pflege in meinen alten Tagen finden sollte. – Es soll nie anders ausgelegt werden, Trim, sagte mein Onkel Toby.
Das Herz des Gebieters wie des Dieners waren plötzlichen Aufwallungen von dieser Art in gleichem Maße unterworfen; – es trat daher ein kurzes Stillschweigen ein.
Ueberdies, fuhr der Corporal dann fort, – jedoch in einem heitereren Tone, – wenn der Schuß nicht gewesen wäre, so hätte ich mich nie verliebt, Euer Gnaden.
Du warst also einmal verliebt, Trim? fragte mein Onkel Toby lächelnd.
Ganz plötzlich! erwiderte der Corporal, – und bis über die Ohren, Euer Gnaden.
So sag' mir doch wann? und wo das war? – und wie es zuging? – Ich habe noch nie ein Wort davon gehört, sagte mein Onkel Toby.
Ich glaube, jeder Tambour und jeder Sergent's-Bube im Regiment hat es gewußt, erwiderte Trim.
Nun, dann ist es hohe Zeit, daß ich auch etwas davon erfahre, sagte mein Onkel Toby.
Euer Gnaden erinnern sich wohl leider noch der gänzlichen Verwirrung unseres Lagers und unserer Armee nach der Schlacht bei Landen? sagte der Corporal. Ein Jeder mußte für sich selbst sorgen. Und wenn nicht die Regimenter Wyndham, Lumley und Galway gewesen wären, die den Rückzug über die Brücke von Neerspeeken deckten, hätte sie der König selbst schwerlich mehr erreicht; – er war, wie Euer Gnaden wissen, von allen Seiten bedrängt.
Der tapfere Mann! rief mein Onkel Toby begeistert, – in dem Augenblick da Alles verloren war, sah ich ihn an mir vorbei nach dem linken Flügel galoppiren, Corporal, um die Reste der englischen Reiterei heranzubringen und dadurch dem rechten Flügel Luft zu machen, und Luxemburg womöglich noch den Lorbeer von der Stirne zu reißen. – Ich seh' ihn noch, fuhr der Corporal fort, wie ihm gerade der Knoten seiner Schärpe weggeschossen wurde und er dem armen Galway-Regiment neuen Muth einsprach, – er ritt an der Linie hinunter, drehte dann um und griff Conti an der Spitze des Regiments an. – Brav! brav, beim Himmel! rief mein Onkel Toby, – er verdient eine Krone. – So gewiß wie der Dieb den Strick! schrie Trim.
Mein Onkel Toby kannte die Loyalität des Corporals, – im übrigen gefiel ihm der Vergleich durchaus nicht; – das kam dem Corporal aber nicht zu Sinn als er ihn machte, – doch konnte er jetzt nicht zurückgenommen werden, – es blieb ihm also nichts übrig als weiter zu erzählen.
Da die Anzahl der Verwundeten sehr groß war und Niemand Zeit hatte an etwas Anderes zu denken als an seine eigene Sicherheit – Ungeachtet Talmash die Infanterie mit großer Klugheit hinwegführte, unterbrach ihn mein Onkel Toby. – Mich aber ließen sie auf dem Schlachtfeld liegen, – sagte der Corporal.
Das thaten sie, armer Bursche! versetzte mein Onkel Toby. – So wurde ich erst am nächsten Mittag ausgewechselt, fuhr der Corporal fort, und mit dreizehn oder vierzehn Anderen auf einen Karren geladen und in unser Spital gebracht.
An keinem Theil des Körpers, Euer Gnaden, macht eine Wunde eine unerträglichere Qual als an dem Knie.
Außer noch am Schambein, sagte mein Onkel Toby. – Euer Gnaden, erwiderte der Corporal, der Knieschmerz muß meiner Meinung nach der heftigste sein, weil dort herum so viele Sehnen und wie man es Alles heißt, zusammenlaufen.
Gerade deshalb, sagte mein Onkel Toby, ist das Schambein noch unendlich empfindlicher; – denn dort laufen nicht nur ebenso viel Sehnen und wie man es Alles heißt (denn ich kenne ihre Namen ebensowenig wie du) zusammen, – sondern überdies noch * * * – Frau Wadman, welche die ganze Zeit über in ihrer Laube gewesen war, – hielt hier augenblicks ihren Athem an, öffnete ihre Morgenhaube am Kinn und erhob sich auf einem Fuß.
Der Streit wurde eine Zeitlang in freundschaftlichem Tone und mit gleicher Kraft zwischen meinem Onkel Toby und Trim fortgeführt, bis Trim sich erinnerte, daß er oft über die Leiden seines Herrn geweint, über seine eigenen aber nie eine Thräne vergossen hatte, – seine Behauptung aufgeben wollte, was aber mein Onkel Toby nicht zugab. – Dies beweist nur deinen nobeln Charakter, Trim, sagte er.
Auf diese Art blieb bis heute unentschieden, ob die Schmerzen, welche (caeteris paribus) eine Wunde am Schambein verursacht, größer sind als die einer Wunde am Knie, – oder ob die Schmerzen einer Wunde am Knie nicht doch noch größer sind, als die einer solchen am Schambein.
Die Qualen, die mir mein Knie verursachte, fuhr der Corporal fort, waren an sich schon furchtbar, aber die Unbequemlichkeit des Karrens, die Holperigkeit der schrecklich ausgefahrenen Wege, machten sie noch viel ärger, so daß ich bei jedem Schritt glaubte, es sei mein letzter. Dazu kam der Blutverlust, der Mangel aller Pflege und das Wundfieber – (armer Kerl, sagte mein Onkel Toby) – kurz, Euer Gnaden, es war mehr als ich aushalten konnte.
Ich erzählte meine Leiden einem jungen Weibe in einem Bauernhause, wo unser Karren, der der letzte in der Reihe war, angehalten hatte. Man hatte mich dort hineingetragen und das junge Weib hatte ein herzstärkendes Tränklein aus der Tasche gezogen und mir auf Zucker einige Tropfen davon gegeben; und da sie sah, daß es mir gut that, hatte sie mir noch ein zweites und ein drittes Mal davon gegeben. – Ich erzählte ihr nun wie sehr ich leide, und wie es mir so unerträglich sei, daß ich mich lieber auf das Bett niederlegen, mein Gesicht gegen Einen, der in der Zimmerecke hing, wenden und sterben möchte – als weiterfahren. Sie versuchte nun, mich nach dem Bett zu führen, ich wurde aber in ihren Armen ohnmächtig. – Sie war wirklich eine gute Seele, wie Euer Gnaden gleich hören werden, sagte der Corporal, indem er sich die Augen wischte.
Ich glaubte immer, Liebe sei ein lustiges Ding, meinte mein Onkel Toby.
Es ist (bisweilen) das ernsthafteste Ding auf der Welt.
Das junge Weib, fuhr der Corporal fort, redete den Führern so zu, daß der Karren mit den Verwundeten ohne mich weiter ging. Sie hatte jene versichert, ich würde gleich sterben, wenn man mich wieder in den Karren brächte. Als ich wieder zu mir kam, – fand ich mich in einer stillen ruhigen Hütte, wo Niemand war als das junge Weib, der Bauer und seine Frau. Ich lag auf dem Bett in der Ecke des Zimmers mit meinem verwundeten Bein auf einem Stuhl. Neben mir saß das junge Weib, hatte die Ecke ihres Taschentuchs in Weinessig getaucht und hielt es mir mit der einen Hand an die Nase, während sie mir mit der anderen die Schläfe rieb.
Ich hielt sie anfangs für die Tochter des Bauern (denn es war kein Wirthshaus) – und hatte ihr eine kleine Börse mit achtzehn Gulden angeboten, die mir mein armer Bruder Tom (hier wischte sich Trim die Augen), kurz ehe er nach Lissabon ging, durch einen Rekruten zum Andenken geschickt hatte.
Ich habe Euer Gnaden diese jämmerliche Geschichte noch nie erzählt – (hier wischte sich Trim zum dritten Male die Augen).
Das junge Weib rief den alten Mann und seine Frau herein und zeigte ihnen das Geld, damit sie mir in solange ein Bett und die sonstigen kleinen Bedürfnisse geben möchten, bis ich in ein Spital gebracht werden könnte. – Ich will euer Bankier sein, sagte sie, indem sie die kleine Börse öffnete, – da mir aber dies Geschäft allein nicht genug zu thun gibt, so will ich auch eure Krankenwärterin sein.
Aus der Art wie sie sprach, und aus der Kleidung, die ich jetzt erst aufmerksamer betrachtete, – erkannte ich, daß das junge Weib nicht die Tochter des Bauern sein konnte.
Sie hatte ein schwarzes Kleid an, das bis zu den Zehen herabging, und ihr Haar unter einem Batisttuch verborgen, das dicht an der Stirne anlag; es war Eine von der Art Nonne, Euer Gnaden, von denen es sehr viele in Flandern gibt, wie Euer Gnaden wissen, und die frei herumgehen dürfen. – Nach deiner Beschreibung, Trim, sagte mein Onkel Toby, muß es eine junge Beguine gewesen sein, wie man sie nur in den spanischen Niederlanden, – und auch noch in Amsterdam – findet; sie unterscheiden sich von den Nonnen dadurch, daß sie ihr Kloster verlassen können, wenn sie heirathen wollen; es ist ihr Beruf, Kranke zu besuchen und zu pflegen. Was mich betrifft, so wollte ich lieber, sie thäten's aus Menschenliebe.
Sie sagte mir oft, sie thue es um Christi willen, bemerkte Trim.
Das gefiel mir nicht.
Ich glaube, Trim, wir haben Beide Unrecht, sagte mein Onkel Toby; – wir wollen heute Abend Herrn Yorick darum fragen, wenn er zu meinem Bruder Shandy kommt, – erinnere mich daran, setzte mein Onkel Toby hinzu.
Die junge Beguine, fuhr der Corporal fort, hatte mir kaum gesagt, sie wolle meine Krankenpflegerin sein, als sie sich rasch an das Geschäft machte und etwas für mich herrichtete. Kurze Zeit darauf – mir kam es freilich lange vor – kam sie mit Flanell u. s. w. zurück, bähte mir das Knie ein Paar Stunden lang, machte mir eine Schaale Haferschleim und wünschte mir dann gute Nacht, wobei sie versprach in der anderen Frühe wieder zu kommen. – Aber sie wünschte mir etwas, Euer Gnaden, was ich unmöglich haben konnte. Im Gegentheil, mein Fieber steigerte sich sehr in der Nacht; ihr Gesicht hatte eine große Verwirrung in mir angerichtet, – alle Augenblicke hieb ich die Welt in zwei Theile und gab ihr die eine Hälfte, – alle Augenblicke rief ich weinend, ich könne ihr nichts geben als meinen Tornister und achtzehn Gulden. – Die ganze Nacht hindurch sah ich die schöne Beguine wie ein Engel neben meinem Bette sitzen, wie sie meinen Vorhang zurückzog und mir herzstärkende Mittel gab; – ich erwachte erst aus diesem Traume, als sie wirklich zur versprochenen Stunde kam und mir jene tatsächlich reichte. In Wahrheit war sie fast immer bei mir und ich war so gewohnt das Leben aus ihren Händen zu empfangen, daß es mir ganz wehe ums Herz wurde und ich alle Farbe verlor, wenn sie nur das Zimmer verließ; und dennoch, fuhr der Corporal fort (indem er eine der seltsamsten Betrachtungen von der Welt hierüber anstellte) –
War ich nicht verliebt, – denn während der drei Wochen, daß sie fast immer um mich war, und mir Tag und Nacht mit ihrer Hand mein Knie bähte, kann ich Euer Gnaden versichern, daß mir * * * nicht ein einziges Mal.
Das war doch seltsam, Trim, sagte mein Onkel Toby.
Das meine ich auch, – sagte Frau Wadman.
Nicht ein einziges Mal, wiederholte der Corporal.
Das ist aber nicht zu verwundern, fuhr der Corporal fort, – als er sah, wie mein Onkel Toby darüber nachsann, – denn mit der Liebe, Euer Gnaden, ist es wie im Krieg; ein Soldat kann drei Wochen lang bis zum Samstag Abend gut durchgekommen sein – und doch am Sonntag Morgen durchs Herz geschossen werden. – So ging es auch hier, Euer Gnaden, nur mit dem Unterschied – daß es an einem Sonntag Nachmittag war, daß ich mich plötzlich wie ein Donnerwetter verliebte. – Es kam über mich, Euer Gnaden, wie eine Bombe, – daß ich kaum Zeit hatte, zu sagen: Gott steh' mir bei!
Ich wußte nicht, Trim, daß sich ein Mann so plötzlich verlieben könne, sagte mein Onkel Toby.
Doch, Euer Gnaden, wenn er schon auf dem Weg dazu ist, erwiderte Trim.
Sag' mir doch wie das zuging, sagte mein Onkel Toby.
Mit Vergnügen, sagte der Corporal, indem er sich verbeugte.
Ich war die ganze Zeit so durchgekommen und hatte mich nicht verliebt, fuhr der Corporal fort, und hätte auch das Kapitel ruhig zu Ende gebracht, wenn es nicht anders zum Voraus bestimmt gewesen wäre. – Aber seinem Schicksal kann man nicht entgehen. – Es war, wie ich Euer Gnaden sagte, an einem Sonntag Nachmittag.
Der alte Mann und seine Frau waren ausgegangen.
Im und außer dem Hause war Alles so still und leise, wie um Mitternacht.
Kaum ein junges Entchen ließ sich im Hofe hören.
Da kam die schöne Beguine, um nach mir zu sehen.
Meine Wunde war bereits sehr schön in der Heilung begriffen, – die Entzündung war seit einiger Zeit weg; nun hatte ich aber über und unter dem Knie ein so unerträgliches Beißen bekommen, daß ich die ganze Nacht hindurch kein Auge davor hatte zuthun können.
Laßt mich's einmal sehen, sagte sie, kniete neben meinem Knie auf den Boden und legte die Hand auf den Theil unter demselben. – Es braucht nur ein wenig Reiben, sagte die Beguine; sie deckte es nun mit der Decke zu und begann mit dem Zeigefinger der rechten Hand unter meinem Knie zu reiben, wobei sie den Zeigefinger am Rande des Flanells, der den Verband hielt, hin- und herbewegte.
Nach 5–6 Minuten spürte ich auch die Spitze des zweiten Fingers – dann legte sie ihn neben den andere und fuhr auf diese Art eine gute Weile fort, rund herum zu reiben. Da fuhr es mir in den Kopf, daß ich mich verlieben könnte, – ich wurde roth, wenn ich sah, was für eine weiße Hand sie hatte. – Solange ich lebe, Euer Gnaden, sehe ich keine Hand mehr, die so weiß war.
Wenigstens nicht an der Stelle, sagte mein Onkel Toby.
Diese Bemerkung war zwar für den Corporal die ernsteste Verzweiflung von der Welt, – aber er konnte sich doch nicht enthalten zu lächeln.
Als die junge Beguine merkte, daß es mir sehr wohl that, fuhr der Corporal fort, – rieb sie, nachdem sie es eine Zeitlang mit zwei Fingern gethan, – endlich mit drei, – bis sie allmählich auch noch den vierten dazu that und zuletzt mit der ganzen Hand arbeitete. Ich will kein Wort mehr über die Hand sagen, Euer Gnaden, – aber sie war weicher als Sammet.
Lobe sie nur immer so viel du willst, Trim, sagte mein Onkel Toby, ich höre deine Geschichte mit nur um so größerem Vergnügen. – Der Corporal dankte seinem Gebieter aufrichtigst; da er aber über die Hand der Beguine nur dasselbe wieder zu sagen wußte, – ging er auf die Wirkungen derselben über.
Die schöne Beduine, sagte der Corporal, rieb also eine Zeitlang mit ihrer ganzen Hand unterhalb meinem Knie, – bis ich ihr sagte, ich fürchte ihr Eifer werde sie ganz müde machen. – Ich würde noch tausend Mal mehr thun um Christi willen, sagte sie. – Dabei fuhr sie mit der Hand über den Flanell hinauf nach dem Theil oberhalb dem Knie, wo ich ebenfalls geklagt hatte, und rieb auch dort.
Nun nahm ich wahr, daß ich anfing mich wirklich zu verlieben.
Während sie so rieb und rieb und rieb, – fühlte ich, wie es unter ihrer Hand sich ausbreitete, Euer Gnaden, und mir bald über den ganzen Leib ging.
Je mehr sie rieb und je längere Striche sie machte, desto mehr brannte es mir in allen Adern, – bis endlich nach etlichen Strichen, die weiter hinaufgingen als die übrigen, meine Leidenschaft auf den höchsten Gipfel stieg, – ich faßte ihre Hand –
Und drücktest sie an deine Lippen, Trim, sagte mein Onkel Toby, und sprachst sie an.
Ob die Liebe des Corporals gerade auf die von meinem Onkel Toby beschriebene Art endigte, ist nicht wesentlich; es genügt, daß sie die Essenz aller Liebesromane enthielt, welche seit Erschaffung der Welt geschrieben wurden.