Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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244. Kapitel.

Ich hatte noch nicht 2½ Wegstunden zurückgelegt, als der Mann mit der Flinte bereits nach seinem Zündkraut zu sehen begann.

Ich war nämlich schon drei Mal ganz entsetzlich dahinten geblieben; jedes Mal wenigstens ½ englische Meile, einmal in tiefem Gespräch mit einem Trommelmacher, der für die Jahrmärkte von Beaucaire und Tarasconne Trommeln machte, – ich vermochte die Grundsätze seiner Kunst nicht recht zu begreifen.

Das zweite Mal kann ich nicht eigentlich sagen, daß ich stehen blieb, – denn ich begegnete ein Paar Franziskanern, die mehr Eile hatten als ich, und da ich das, was ich mit ihnen besprach, nicht so rasch zum Schluß bringen konnte, – ging ich ein Stückweit mit ihnen zurück.

Das dritte Mal war's eine Handelsgeschichte mit einem Weib wegen eines Körbchens mit Provencer Feigen für vier Sous; das wäre schnell abgemacht gewesen, aber am Schluß des Handels gab es noch einen Gewissensfall. Denn als ich die Feigen bezahlt hatte, stellte es sich heraus, daß unten im Korbe mit Weinlaub bedeckt zwei Dutzend Eier lagen. Da ich nicht die Absicht hatte Eier zu kaufen, machte ich auch keinerlei Ansprüche darauf; – was aber den Raum, den sie einnahmen betraf – was wollte der sagen! ich hatte Feigen genug für mein Geld.

Aber ich hätte gerne das Körbchen gehabt; – das Weib aber wollte es behalten, denn ohne Korb konnte sie nichts mit ihren Eiern anfangen; – und bekam ich nicht das Körbchen, so ging es mir mit meinen Feigen fast ebenso, denn sie waren bereits überreif und einige schon an der Seite aufgesprungen, dies hatte einen kurzen Streit zur Folge, wobei verschiedene Vorschläge gemacht wurden, was wir beide thun sollten.

Ich fordere den geneigten Leser oder den Teufel, wenn er nicht ohnedem bei der Sache war (und ich bin überzeugt, er war's) heraus, sich die am wenigsten wahrscheinliche Vorstellung davon zu machen, wie wir schließlich über unsere Eier und Feigen verfügten. – Sie sollen das Ganze lesen, verehrter Leser, – aber nicht in diesem Jahre, denn es drängt mich jetzt an die Liebesgeschichte meines Onkels Toby zu kommen; – aber in der Sammlung von Erzählungen, welche aus der Reise durch jene Ebene entstanden sind, und die ich deshalb nenne: meine

Ebenen Erzählungen.

Ob meine Feder wie die anderer Reisenden auch auf dieser Tour durch eine so dürre Gegend ermüdet wurde, – möge die Welt beurtheilen; die Spuren derselben aber, die in diesem Augenblick jetzt alle zusammen vibriren, sagten mir, daß es die fruchtbarste, thätigste Periode meines Lebens war; denn da ich mit meinem Mann mit der Flinte keinen Vertrag in Beziehung auf die Zeit abgeschlossen hatte, – blieb ich bei Jedem, dem ich begegnete und der nicht in vollem Trab begriffen war, im Gespräch stehen, – holte die Leute vor mir ein, – wartete auf Alle die hinter mir kamen, – rief Alle an, die auf Kreuzwegen herkamen, – hielt alle Bettler, Pilger, Geiger und Mönche an, – ritt an keinem Frauenzimmer, das sich auf einem Maulbeerbaum befand, vorbei, ohne ihre Waden zu rühmen, und sie mittelst einer Prise Tabak in ein Gespräch zu verflechten, – kurz ergriff alle und jede Gelegenheit, welcher Art sie sein mochte, die der Zufall mir unterwegs bot, – verwandelte so meine Ebene in eine Stadt, – und war immer in Gesellschaft, und zwar in einer sehr wechselnden; und da mein Maulthier ebenso gesellig war wie ich und jedem Vieh, das ihm begegnete, immer Einiges mitzutheilen hatte – so bin ich überzeugt, wir hätten einen Monat lang zusammen durch Pall Mall oder St. James' street gehen können und dabei weniger Abenteuer gehabt, – und weniger von der menschlichen Natur gesehen.

O da finden wir jene lebhafte Offenheit, die jede Falte im Rock des Languedocers öffnet, – und die was immer auch darunter stecken mag, ganz so aussieht wie die Einfalt schönerer Zeiten, von der die Poeten singen! – Ich will wenigstens meine Phantasie betrügen und glauben, es sei so.

Es war auf dem Wege zwischen Nimes und Lunel, wo der beste Muskatwein in Frankreich wächst und der beiläufig gesagt den ehrlichen Domherren von Montpellier gehört, – und schlimm möge es dem Mann ergehen, der ihn an ihrem Tische getrunken hat und ihnen einen Tropfen davon mißgönnt.

Die Sonne war untergegangen, – es war Feierabend; die Mädchen hatten ihr Haar frisch aufgebunden, – und die jungen Burschen schickten sich zum Ringeltanze an – mein Maulthier spitzte die Ohren. – Es ist nur eine Pfeife und ein Tambourin, sagte ich. – Ich habe Todesangst, sagte das Vieh. – Sie machen einen Ringeltanz, sagte ich und gab ihm einen Spornstoß. – Beim h. Bogarius und allen Heiligen hinter der Thüre des Fegfeuers, sagte jenes – (und gab dabei das gleiche Zeichen des festen Entschlusses von sich wie das Thier der Aebtissin von Andouillets) ich gehe keinen Schritt weiter. – Wie Sie wollen, Monsieur, sagte ich, solange ich lebe, streite ich mit keinem Ihrer werthen Familie. Ich sprang also herunter, warf einen Stiefel in diesen Graben und den andern in jenen. – Ich will einen Tanz machen, sagte ich; – bleib' du hier stehen.

Eine sonnenverbrannte Tochter der Arbeit trat aus der Gruppe und lief mir entgegen, als ich darauf zuging; ihr dunkles kastanienbraunes, fast schwarzes Haar war bis auf eine Flechte in einen Knoten gebunden.

Wir brauchen einen Kavalier, sagte sie und streckte mir beide Hände entgegen. – Und den sollen Sie haben, sagte ich und faßte sie an beiden.

O wärest du wie eine Herzogin angezogen gewesen, Nanette.

Aber dieser verwünschte Schlitz in deinem Rock!

Nanette kehrte sich nicht daran. –

Wir hätten es nicht ohne Sie ausführen können, sagte sie, wobei sie in angeborener Artigkeit eine Hand fahren ließ und mich mit der andern hinführte.

Ein lahmer Junge, den Apollo dafür mit einer Pfeife entschädigt hatte, wozu er noch aus eigenem Antrieb ein Tambourin that, saß auf der Bank und präludirte sanft. – Binden Sie mir doch diese Flechte herauf, sagte Nanette und gab mir ein Stück Bindfaden in die Hand. – Damit vergaß ich, daß ich ein Fremder war. – Der ganze Knoten fiel herunter. – Es war als ob wir uns seit sieben Jahren kennten.

Der Junge schlug den Takt auf dem Tambourin – dann fiel die Pfeife ein, und wir gingen los, – der Henker hole den Schlitz!

Die Schwester des Jungen, die ihre Stimme vom Himmel gestohlen hatte, sang abwechselnd mit dem Bruder, – es war ein Gascogne'scher Rundgesang

Viva la joia!
fidon la tristessa!

Die Mädchen sangen zusammen die erste Stimme und die Burschen eine Oktave tiefer.

Ich hätte eine Krone darum gegeben, wenn er zugenäht gewesen wäre, – Nanette nicht einen Sous! – Viva la joia! lag auf ihren Lippen: – viva la joia! in ihrem Auge. – Ein vorübergehender Funken von Freundschaft flog durch den Raum zwischen uns. – Sie sah so liebenswürdig aus! – Warum kann ich nicht hier leben und meine Tage beschließen! Du gerechter Spender unserer Freuden und Kümmernisse, rief ich, warum kann ich nicht hier im Schooße der Zufriedenheit sitzen, – und tanzen, und singen, und mein Gebet sprechen und schließlich in den Himmel fahren mit diesem nußbraunen Mädchen? – Sie bog den Kopf launisch auf eine Seite und tanzte so verschmitzt daher. – Nun ist es hohe Zeit weiter zu tanzen, sagte ich; so wechselte ich nur Mädchen und Tanzmusik und tanzte von Lunel nach Montpellier und von da nach Pézénas, nach Beziers, – tanzte weiter durch Narbonne, Carcassonne und Castel naudary, bis ich endlich in Pedrillo's Pavillon hineintanzte. Hier nahm ich ein schwarzlinirtes Papier als Unterlage, um die Liebesgeschichte meines Onkels Toby recht gerade ohne Abschweifung und Parenthese zu schreiben, – und begann folgendermaßen:Hier schließt der 7. Band der 1. Auflage.

245. Kapitel.

Doch nur stät! – in dieser lustigen Ebene, unter dieser heiteren Sonne, wo eben alles Fleisch in der Weinlese pfeift, und geigt und tanzt, wo bei jedem Schritt, den man thut, der Verstand durch die Einbildungskraft in Erstaunen gesetzt wird, da soll mir, trotz Allem was auf verschiedenen Seiten meines Buchs über gerade Linien gesagt wurde, – da soll mir der beste Kohlpflanzer, den es je gab, gleichviel ob er rückwärts oder vorwärts pflanzt (wofern er nicht in dem einen Fall mehr zu verantworten hat als im andern), – er soll mir einmal mit kaltem Blut, kritisch und canonisch, seine Kohlköpfe einen neben dem andern in geraden Linien, und mit stoischen Distanzen pflanzen, besonders wenn die Schlitze in den Unterröcken nicht zugenäht sind – ohne ein oder das andere Mal neben hinauszufahren oder sich in einer falschen Richtung zu bewegen. – In Frierland, Nebelland und einigen anderen mir bekannten Ländern, – mag das möglich sein; –

Aber unter diesem klaren Himmel, wo Phantasie und Athem wieder aufleben, wo jeder vernünftige und unvernünftige Gedanke freien Lauf hat, – in diesem Land, mein lieber Eugenius, – in diesem fruchtbaren Lande des Ritterthums und der Romantik, wo ich jetzt sitze und mein Tintenfaß aufschraube, um die Liebschaft meines Onkels Toby zu beschreiben, und mit all den mäandrischen Pfaden, auf denen Julia ihrem Diego nachging, als Aussicht von meinem Studirzimmer aus, – wenn du da nicht kommst und mich bei der Hand nimmst, – was würde dann für ein Werk daraus werden!

Wir wollen damit anfangen.

246. Kapitel.

Es ist mit der Liebe wie mit der Hahnreischaft: – nun spreche ich zwar davon ein Buch zu beginnen, habe aber schon seit langer Zeit etwas auf dem Herzen, was ich dem Leser mittheilen möchte, und das ich ihm, wenn ich es ihm jetzt nicht mittheile, in diesem Leben nicht mehr werde mittheilen können (während die oben berührte Vergleichung ihm zu jeder Stunde des Tags mitgetheilt werden kann) – ich will es daher jetzt loslassen und dann in allem Ernst anfangen.

Dieses Etwas besteht in Folgendem:

Daß von all den verschiedenen Buchanfängen, die heut zu Tage in der bekannten Welt gang und gäbe sind, meine Art dies zu thun unstreitig die beste ist. – Vor Allem ist sie die religiöseste, – denn ich fange damit an den ersten Satz zu schreiben – und den zweiten dem Allmächtigen anheim zu geben.

Es würde einen Schriftsteller für immer von dem thörichten Gelärme heilen, womit er in der Regel seine Thüre nach der Straße aufreißt. und seine Nachbarn und Freunde und Verwandte, nebst dem Teufel und all seinen Sprößlingen, mit ihren Hämmern und Maschinen u. s. w. hereinruft, wenn er sehen wollte, wie bei mir ein Satz auf den andern und der Entwurf nach dem Ganzen kommt.

Ich wollte, der verehrte Leser könnte sehen, wie ich halb von meinem Stuhl emporfahre, mit welchem Vertrauen ich den Arm desselben ergreife, emporschaue – und die Idee erhasche, nicht selten ehe sie mir noch halbwegs entgegengekommen ist!

Ich glaube wahrhaftig, ich schnappe manchen Gedanken weg, den der Himmel eigentlich für einen Andern bestimmt hatte.

Pope und sein PortraitSiehe Pope's Portrait. sind Pinsel gegen mich; – nie war ein Märtyrer so voll von Glauben und Feuer, – ich wollte, ich könnte sagen, auch von guten Werken; – doch habe ich keinen

Eifer oder Zorn, – noch
Zorn oder Eifer;

und solange Götter und Menschen es einstimmig mit demselben Namen belegen, – soll der ärgste Tartuffe in Wissenschaft, – Politik, – oder Religion nie einen Funken davon in mir entzünden, oder von mir ein schlimmeres Wort oder eine unfreundlichere Begrüßung bekommen, als wir im nächsten Kapitel lesen werden.

247. Kapitel.

Bon jour! – guten Morgen! – Sie haben Ihren Mantel bei Zeiten angezogen! – aber es ist ein kalter Morgen und Sie haben ganz Recht daran gethan; – es ist besser gut beritten sein als zu Fuß zu gehen, – und Drüsenanschwellungen sind gefährlich. – Und wie geht es deiner Concubine, – deiner Frau, – und deiner Kleinen, die du von beiden hast? Und was hören Sie von dem alten Herrn und der Frau Mama – von Ihrer Schwester, Tante, Onkel und Vettern? – Ich hoffe, es geht besser mit ihren Erkältungen, Husten, Zahnweh, Fiebern, Harnbeschwerden, Schiatiken, Geschwulsten und bösen Augen.

Dieser Teufel von einem Apotheker! so viel Blut zu lassen, – ein so abscheuliches Abführungsmittel zu geben, – und dieses Brechmittel, – Umschlag, – Pflaster, – Nachttrunk, – Klystier, – Zugpflaster! – Und warum so viel Gran Calomel? Santa Maria! und diese Dosis Opium! die setzt ja Ihre ganze Familie vom Kopf bis zum Schwanz der größten Gefahr aus! – Bei der alten schwarzen Sammetmaske meiner Großtante Dinah! ich glaube, es war kein Anlaß dazu da.

Da diese Maske von dem häufigen Aus- und Anziehen, noch ehe sie das Kind von dem Kutscher bekam, am Kinn etwas kahl und durchsichtig geworden war, – so wollte sie nachher Niemand von der Familie tragen. Die Maske neu überziehen zu lassen, lohnte sich nicht, – und eine Maske zu tragen, die kahl war oder durch die man halb hindurch sehen konnte, war ebenso schlimm als gar keine zu haben.

Dies ist auch der Grund, wenn der geneigte Leser erlaubt, warum wir in unserer ganzen zahlreichen Familie in diesen vier Generationen nur einen Erzbischof, einen Walliser Richter, 3–4 Rathsherrn und einen einzigen Quacksalber aufzuweisen haben. –

Im sechzehnten Jahrhundert können wir uns eines ganzen Dutzends Alchimisten rühmen.

248. Kapitel.

Es ist mit der Liebe wie mit der Hahnreischaft; – der leidende Theil ist höchstens der Dritte, in der Regel aber der Letzte im Hause, der etwas von der Sache erfährt; dies kommt, wie Jedermann weiß, davon her, daß man ein halb Dutzend Wörter für die gleiche Sache hat; und solange sich in diesem Gefäß der menschlichen Gestalt Liebe befindet, – in jenem Haß, – eine halbe Elle höher Empfindung, – und Possen. – Nein, Madame, – ich meine nicht dort; – ich meine den Theil, auf den ich jetzt mit meinem Zeigefinger deute, – wie können wir uns da heraushelfen?

Von allen Sterblichen und auch Unsterblichen, wenn Sie erlauben, welche je über diese geheimnißvolle Sache mit sich selbst sprachen, war mein Onkel Toby am wenigsten geeignet, um seine Forschungen durch so widerstreitende Gefühle hindurch zu bekommen; und er hätte ihnen unfehlbar allen freien Lauf gelassen, wie wir in noch schlimmeren Dingen thun, um zu sehen, was daraus werden würde, – hätte nicht die Brigitte sie zum voraus der Susanna angekündigt, und Susanna hierüber gegen alle Welt zu wiederholten Malen Eröffnungen gemacht, so daß mein Onkel Toby sich nothwendig auch mit der Sache beschäftigen mußte.

249. Kapitel.

Warum Leineweber, Gärtner und Gladiatoren, – oder ein Mann mit einem eingeschrumpften Bein (das von einem Schmerz im Fuß herkam) – immer irgend eine zärtliche Nymphe besessen haben, welcher im Geheimen das Herz für jene brach, das sind Punkte, die von alten und neuen Physiologen gehörig beleuchtet und festgestellt sind.

Auch ein Wassertrinker, wenn er es von Profession ist und es ohne Betrug und geheimes Einverständniß mit einer dritten Person thut, befindet sich in derselben Klasse; auf den ersten Blick ist es zwar keine notwendige Folge oder logische Notwendigkeit: daß ein Bächlein kalten Wassers, das durch meine Eingeweide sickert, nothwendig eine Fackel in meiner Jenny – entzünden müsse. –

Die Sache ist keineswegs von durchschlagender Klarheit; im Gegentheil scheint sie dem natürlichen Gang von Ursache und Wirkung entgegen zu sein.

Aber da zeigt sich eben die Schwäche und Einfältigkeit der menschlichen Vernunft.

»Und Sie befinden sich dabei vollkommen gesund?«

So vollkommen, Madame, als die Freundschaft selbst wünschen könnte.

»Und trinken nichts – nichts als Wasser?«

Ungestüme Fluth! in diesem Augenblick drängst du dich gegen die Wasserthore des Gehirns – wie sie nachgeben!

Darin schwimmt die Neugierde und winkt ihren Damen ihr zu folgen; – sie tauchen gerade in die Mitte der Strömung. –

Die Phantasie sitzt sinnend am Ufer, folgt mit ihren Augen dem Strom, und verwandelt Strohhalme und Binsen in Masten und Bugspriets. – Und das Verlangen, das Gewand mit der einen Hand bis zum Knie aufhebend, hascht mit der anderen, während sie vorüberschwimmen, darnach.

O ihr Wassertrinker, ist es denn wirklich diese trügerische Quelle, womit ihr diese Welt so oft regiert und wie ein Mühlrad herumgetrieben – die Gesichter der Impotenten abgeschliffen, ihre Rippen bestreut – ihre Nasen bepfeffert und bisweilen sogar ihre natürlichen Gestalten und Gesichter verändert habt?

Wenn ich Sie wäre, sagte Yorick, so würde ich mehr Wasser trinken, Eugenius. – Und wenn ich Sie wäre, Yorick, erwiderte Eugenius, würde ich es auch thun.

Was beweist, daß sie beide den Longinus gelesen hatten.

Was mich betrifft, so bin ich entschlossen mein Lebenlang kein anderes Buch zu lesen als mein eignes.

250. Kapitel.

Ich wollte, mein Onkel Toby wäre ein Wassertrinker gewesen; denn dann hätte es sich erklären lassen, – daß in dem ersten Augenblick, da die Wittwe Wadman ihn sah, sich etwas in ihr zu seinen Gunsten regte, – etwas – etwas!

Etwas – vielleicht mehr als Freundschaft, – weniger als Liebe, – etwas, – gleichviel was, – gleichviel wo; – ich gäbe nicht ein einziges Haar vom Schwanz meines Maulthiers, und möchte es ihm nicht selbst ausreißen (denn das Vieh hat nicht viel zu vertheilen und ist dabei etwas spitzig), wenn mich der geehrte Leser in dies Geheimniß einführen wollte.

Die Wahrheit ist jedoch, daß mein Onkel Toby kein Wassertrinker war; er trank es weder rein noch vermischt noch sonst irgendwie oder irgendwo, außer gezwungenerweise auf Vorposten, wo kein besseres Getränk zu haben war, – oder während der Zeit da er sich in der Kur befand; wo er es zu seiner Beruhigung trank, da ihm der Arzt sagte, es dehne die Fasern aus und bringe sie schneller in Contact.

Da nun alle Welt weiß, daß es keine Wirkung ohne Ursache gibt, und da ferner bekannt ist, daß mein Onkel Toby weder ein Leineweber noch ein Gärtner noch ein Gladiator war, – wenn er nicht als Kapitain zu den letzteren gezählt wurde; dann war er aber nur ein Infanteriekapitain und überdies ist das Ganze ein doppelsinniger Ausdruck – so bleibt uns nichts anzunehmen übrig – als daß es das Bein meines Onkels Toby war, – aber das hilft uns bei der vorliegenden Hypothese nichts, außer wenn es von einem Schaden am Fuß herrühren würde, – während sein Bein keineswegs in Folge einer Krankheit am Fuß geschwunden war, – denn das Bein meines Onkels Toby war überhaupt nicht geschwunden. Es war davon, daß es in den drei Jahren, wo er im Hause meines Vaters in der Stadt lag, gar nicht gebraucht wurde, etwas steif und ungelenk; es war aber dick und muskulös und in jeder anderen Beziehung ein so gutes und viel versprechendes Bein wie das andere.

Ich muß gestehen, ich kann mich keiner Meinung oder Begebenheit meines Lebens erinnern, wo mein Verstand mehr in Verlegenheit war, um Enden zusammen, und das eben geschriebene Kapitel mit dem zu schreibenden in Einklang zu bringen als eben jetzt. Es könnte Einer vielleicht wähnen, ich stürze mich absichtlich in Schwierigkeiten dieser Art, nur um neue Versuche machen zu können, wie ich wieder herauskomme. – Was bist du doch für eine unbedachtsame Seele! Wie! sind denn die unvermeidlichen Nöthen, welche dich als Schriftsteller und Mensch auf allen Seiten hemmen, – sind sie nicht genügend, Tristram, mußt du dich mit Gewalt in noch weitere und größere verrennen?

Ist es nicht genug, daß du überschuldet bist und noch zehn Wagenladungen von deinem fünften und sechsten BandBezieht sich auf die 1. Auflage. da liegen hast, – die noch immer – immer unverkauft sind, während du mit deinem Witz fast zu Ende bist, wie du sie los werden könntest?

Bist du nicht bis zur Stunde mit dem bösen Asthma behaftet, das du dir zugezogen, als du in Flandern gegen den Wind Schlittschuh liefst? Und hast du dir nicht erst vor zwei Monaten, als du einen Cardinal Wasser lassen sahst wie ein alter Chorist (nämlich mit beiden Händen) vor Lachen ein Gefäß in der Lunge zersprengt, wodurch du in zwei Stunden ebensoviel Schoppen Blut verlorst; und sagte dir die Facultät nicht, wenn du das Doppelte verloren hättest, so würde es eine ganze Gallone gegeben haben?

251. Kapitel.

Aber sprechen wir ums Himmels willen nicht von Schoppen und Gallonen, – nehmen wir die Geschichte von uns wie sie ist; sie ist so zart und verwickelt, daß sie die Versetzung auch nicht eines einzigen Punktes erlaubt; und auf eine oder die andere Art bin ich durch Sie fast in die Mitte derselben gedrängt. –

Wir müssen künftig besser Acht geben.

252. Kapitel.

Mein Onkel Toby und der Corporal waren mit solcher Hitze und Uebereilung abgereist, um das oft besprochene Grundstück in Besitz zu nehmen, und dort ihren Feldzug so frühe wie die übrigen Alliirten zu eröffnen, – daß sie einen der nothwendigsten Gegenstände der ganzen Geschichte vergessen hatten; es war dies weder Spaten, noch Spitzhaue, noch Schaufel; – es war ein Bett, um darin zu schlafen; und da Shandy Hall damals noch nicht mit Möbeln ausgerüstet und das kleine Gasthaus, wo der arme Le Fever starb, noch nicht gebaut war, – so sah sich mein Onkel Toby genöthigt, für eine oder zwei Nächte ein Bett bei Frau Wadman anzunehmen, bis Corporal Trim (der zu der Eigenschaft eines trefflichen Kammerdieners, Reitknechts, Kochs, Schneiders, Arztes und Ingenieurs auch die eines vorzüglichen Tapezierers fügte) mit Hilfe eines Zimmermanns und einiger Näherinnen ein solches im Hause meines Onkels Toby hergestellt hatte.

Eine Tochter Eva's – und das war die Wittwe Wadman, und der einzige Charakter, den ich ihr beizulegen gedenke, ist: »daß sie ein vollendetes Weib war« – hätte besser daran gethan fünfzig Stunden weiter weggeblieben zu sein, – oder in ihrem warmen Bett, – oder mit einem Küchenmesser – oder sonst etwas zu spielen, – als einen Mann zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit zu machen, wo Haus und Möbel ihr gehörten.

Es hat nichts auf sich, draußen und im hellen Tageslicht, wo ein Weib physisch gesprochen, die Macht hat, einen Mann in mehr als einem einzigen Lichte zu betrachten; – in ihrem Hause aber kann sie ihn ums Leben überhaupt in keinerlei Lichte sehen, ohne etwas von ihrem Hab und Gut mit ihm in Verbindung zu setzen, – bis er endlich in Folge solcher wiederholter Verbindungen vollständig in ihr Inventar aufgenommen wird.

Und dann gute Nacht!

Es ist dies jedoch nicht Systemssache, das habe ich schon oben auseinandergesetzt; – es ist auch nicht Glaubenssache, – denn ich lege für keinen Menschen ein Glaubensbekenntniß ab als für mich selbst; – noch Thatsache, wenigstens so viel ich weiß; sondern eine copulative und für das Folgende introductorische Sache.

253. Kapitel.

Ich spreche hier nicht von dem mehr oder weniger groben Zeug, aus dem sie gemacht sind, oder ihrer Sauberkeit, – noch von der Stärke ihrer Achselstücke, – aber frage ich, unterscheiden sich die Nachthemden nicht in dieser besondern Beziehung ebenso sehr von den Taghemden, als in jeder anderen – daß sie diese in der Länge so überragen, daß sie, wenn man sich in ihnen niederlegt, fast ebensoweit über die Füße hinausgehen, als die Taghemden nicht bis an diese reichen?

Die Nachthemden der Wittwe Wadman waren (wahrscheinlich nach der Mode zur Zeit König Williams und der Königin Anna) nach diesem Muster geschnitten; und wenn die Mode inzwischen anders geworden ist (in Italien zum Beispiel sind sie bis auf Null eingegangen), – um so schlimmer für das Publikum. Damals waren sie 2½ flandrische Ellen lang, so daß wenn man für eine Frau von mittlerer Größe zwei Ellen annimmt, sie noch eine halbe Elle übrig hatte, mit der sie anfangen konnte was sie wollte.

Nun war es von einer kleinen Gunstbezeigung nach der andern in den vielen kalten und dezemberlichen Nächten einer siebenjährigen Wittwenschaft allmählich dahingekommen und gehörte seit den letzten zwei Jahren zu einer der Schlafzimmerverordnungen, – daß sobald Frau Wadman zu Bett gegangen war und ihre Beine bis ans Ende desselben ausgestreckt hatte, wovon sie Brigitte immer benachrichtigte, – diese, Brigitte, mit allem gehörigen Anstand zuerst das Bettzeug am Fuß öffnete, die oben berührte übrige halbe Elle vom Nachthemd ergriff, und nachdem sie es sanft mit beiden Händen so weit es ging herabgezogen und es dann wieder in 4–5 glatten Falten seitwärts zusammengelegt hatte, eine große Stecknadel aus ihrem Aermel nahm und mit der Spitze gegen sich die Falten alle etwas über dem Saum fest zusammenheftete, worauf sie Alles dicht an den Füßen in das Bett hineinsteckte und ihrer Gebieterin gute Nacht wünschte.

Dies war ein für alle Mal so, mit der einzigen Abwechselung, daß wenn Brigitte in schaurigen, stürmischen Nächten das Bett unten herabsteckte, sie dabei keinem andern Thermometer als den ihrer eigenen Empfindung zu Rathe zog, und so jenes stehend, – knieend, – oder hockend verrichtete, je nach dem Grad von Glaube, Liebe und Hoffnung, den sie in der betreffenden Nacht für ihre Gebieterin empfand. In jeder anderen Beziehung wurde die Etikette heilig gehalten und hätte sich mit der regelmäßigsten des unveränderlichsten Schlafzimmers in der Christenheit messen können.

Sobald am ersten Abend der Corporal meinen Onkel Toby hinaufgeführt hatte, was etwa gegen zehn Uhr geschah, – warf sich Frau Wadman in ihren Armstuhl, schlug ihr rechtes Bein über ihr linkes, so daß der rechte Ellbogen einen Stützpunkt erhielt, stützte ihre Wange in die rechte Hand und beugte sich etwas nach vorn, in welcher Stellung sie bis Mitternacht verweilte und die Frage von beiden Seiten überlegte.

Am zweiten Abend setzte sie sich an ihren Schreibtisch, befahl Brigitte ein Paar neue Kerzen zu bringen und auf den Tisch zu stellen, und suchte dann ihren Ehevertrag hervor, den sie mit großem Eifer durchlas. Am dritten Abend aber (es war dies der letzte, daß mein Onkel Toby hier verweilte), als Brigitte das Nachthemd herabgezogen hatte und eben im Begriff war die Stecknadel hineinzustecken, – stieß sie mit einem Tritt mit beiden Fersen zugleich, den natürlichsten, den sie in dieser Lage thun konnte, – denn nehmen wir an, daß *   *   *   * die Sonne in ihrem Meridian war, so ging der Tritt nordöstlich, – stieß sie ihr die Nadel aus den Fingern, – und die Etikette, die daran hing, hinweg, – die nun zu Boden fiel und in tausend Atome zersplitterte.

Aus all dem ging klar hervor, daß die Wittwe Wadman in meinen Onkel Toby verliebt war.

254. Kapitel.

Mein Onkel Toby hatte damals den Kopf voll von anderen Dingen, und erst nach der Schleifung von Dünkirchen, als alle anderen Artigkeiten in Europa geordnet waren, fand er Muße darauf zurückzukommen.

Dies gab allerdings einen Waffenstillstand (so heiße ich es in Beziehung auf meinen Onkel Toby, – in Beziehung auf Frau Wadman war es eine Vacatur) von nahezu elf Jahren. Da aber in allen Fällen dieser Art erst der zweite Schlag, geschehe er nun in welchem Zwischenraum er wolle, die Sache zu einem wirklichen Kampfe macht, – so möchte ich's eher die Liebeshändel meines Onkels Toby mit der Wittwe Wadman, als die Liebeshändel der Wittwe Wadman mit meinem Onkel Toby nennen.

Diese Unterscheidung hat ihre Berechtigung.

Es ist nicht wie die Geschichte mit dem alten Stülphut und dem aufgestülpten alten Hut, worüber manche hochwürdige Herren sich so oft gestritten haben, – der Unterschied liegt hier in der Natur der Dinge.

Und zwar, meine Herren, ist dieser Unterschied sehr groß.

255. Kapitel.

Da nun die Wittwe Wadman meinen Onkel Toby liebte, – mein Onkel Toby aber die Wittwe Wadman nicht liebte, so blieb der Wittwe Wadman nichts übrig, als herzugehen und meinen Onkel Toby zu lieben, – oder es bleiben zu lassen.

Die Wittwe Wadman wollte weder das Eine noch das Andere.

Gütiger Himmel! – Ich vergesse ganz, daß ich selbst etwas von ihrer Gemüthsart habe; denn wenn der Fall eintritt, was um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche hie und da geschieht, daß eine irdische Göttin so sehr dies und das und das Andere ist, daß ich wegen ihrer mein Frühstück nicht verzehren kann, – und sie sich nicht so viel darum scheert, ob ich frühstücke oder nicht, –

Dann zum Henker mit ihr! und so schicke ich sie in die Tatarei, und von der Tatarei nach dem Feuerland, und so weiter bis zum Teufel. Kurz, es gibt keinen höfischen Winkel, in den ich ihre Göttlichkeit nicht stecke.

Da aber das Herz weich ist, und die Leidenschaften darin zehn Mal in einer Minute fluthen und wieder ebben, so bringe ich sie gleich wieder zurück, und da ich in allen Dingen extrem bin, so versetze ich sie dann in die Mitte der Milchstraße.

Du hellster der Sterne! wirst deinen Einfluß auf Einen üben –

Der Teufel hole sie und ihren Einfluß, – denn bei diesem Wort verliere ich alle Geduld: – möge es dem Einen wohl bekommen! – Bei Allem was zottig und zerzaust ist! rufe ich, indem ich meine Pelzmütze herunterreiße und sie um meinen Finger drehe – ich gebe nicht sechs Pence um ein Dutzend solcher!

Aber es ist doch eine treffliche Mütze (dabei setze ich sie wieder auf und drücke sie fest auf meine Ohren) – und warm, – und weich; besonders wenn man sie nach der Haarseite streicht; – aber ach! das wird mir nie gelingen – (so leidet meine Philosophie hier abermals Schiffbruch).

Nein, ich will nie einen Finger in diese Pastete stecken (so breche ich hier mein Gleichniß ab).

Kruste und Krume,

Innen und Außen,

Deckel und Boden, – Alles verabscheue ich, hasse ich, – stoße ich zurück, – es wird mir schlecht, wenn ich es nur sehe: –

Es ist ja lauter Pfeffer,
                Knoblauch,
                Salz und
                Teufelsdreck. – Bei dem großen Erzkoch aller Köche, der wahrscheinlich von Morgens bis Abends nichts thut, als am Fenster sitzen und erhitzende Gerichte für uns erfinden, ich möchte es um Alles in der Welt nicht berühren.

O Tristram, Tristram! rief Jenny.

O Jenny, Jenny! versetzte ich, – und ging zum nächsten Kapitel über.

256. Kapitel.

Ich möchte es um Alles in der Welt nicht berühren, habe ich gesagt?

Mein Gott, wie habe ich doch meine Phantasie mit dieser Metapher aufgeregt!

257. Kapitel.

Welches beweist, daß die Liebe, mag nun der hochwürdige und hochverehrte Leser darüber sagen was er will (denn was das Denken anbelangt, so denken Alle die denken, – so ziemlich dasselbe darüber und über einige andere Dinge), – daß die Liebe, wenigstens dem Alphabet nach, eines der

Anregendsten,
Bezauberndsten,
Confusesten,
Dümmsten Dinge im Leben ist, – die
Extravaganteste,
Flüchtigste,
Gimpelhafteste,
Handgreiflichste,
Irrthümlichste,
Koboldartigste und
Lyrischste aller menschlichen Leidenschaften; zugleich die
Mißverständlichste,
Nebelhafteste,
Oeffnungstopfendste,
Pragmatischste,
Schnatterndste,
Rasendste

– das R hätte eigentlich vor dem S kommen sollen – kurz sie ist von einer Natur, wie mein Vater einmal am Schluß einer langen Unterhaltung über den Gegenstand zu meinem Onkel Toby sagte: – Du kannst, sagte er, kaum zwei Gedanken darin miteinander verbinden, Bruder Toby, ohne eine Hypallage. – Was ist denn das? rief mein Onkel Toby.

Der Wagen vor dem Pferd, antwortete mein Vater.

Und was soll dieses hinter dem Wagen thun? fragte mein Onkel Toby.

Nichts, sagte mein Vater, als hineingehen – oder es bleiben lassen.

Die Wittwe Wadman nun wollte, wie ich Ihnen bereits sagte, weder das Eine thun noch das Andere.

Sie stand jedoch angeschirrt und nach allen Richtungen beschabrakt bereit und wartete nur auf die Gelegenheit.

258. Kapitel.

Das Schicksal, welches natürlich diese Liebschaft zwischen der Wittwe Wadman und meinem Onkel Toby voraussah, hatte seit der ersten Erschaffung von Stoff und Bewegung (und mit größerer Artigkeit als es in der Regel solche Dinge thut) eine solche Kette von Ursachen und Wirkungen hergestellt, die so fest aneinander hingen, daß es für meinen Onkel Toby kaum möglich gewesen wäre, ein anderes Haus der Welt zu bewohnen, oder einen anderen Garten in der Christenheit zu besuchen, als gerade das Haus und den Garten, die an Frau Wadmans Haus und Garten stießen. Dieser Umstand, sowie eine dichte Laube in Frau Wadmans Garten, die in die Hecke von meines Onkel Toby's Garten hineinging, bot ihr all die Gelegenheiten, welche die Liebe im Kriegszustande bedurfte: sie konnte die Bewegungen meines Onkels Toby beobachten, und hörte zugleich seine militärischen Beratungen; und da sein argloses Herz auf Brigitte's Vermittelung hin dem Corporal die Erlaubniß gegeben hatte, ihr eine Thüre von Weiden zu machen, um ihre Spaziergänge erweitern zu können, wurde sie dadurch in den Stand gesetzt, ihre Approchen bis zur Oeffnung des Schilderhauses zu führen, und von Zeit zu Zeit unter der Firma der Dankbarkeit einen Angriff zu machen und zu versuchen, ob sie nicht meinen Onkel Toby mitten in seinem Schilderhause in die Luft sprengen könne.

259. Kapitel.

Es ist sehr traurig – aber es ergibt sich mit Bestimmtheit aus der täglichen Beobachtung des Mannes, daß er wie ein Licht an beiden Enden Feuer fangen kann, – wenn nur ein ordentlicher Docht heraussteht; wenn dies nicht der Fall ist, – dann hat die Geschichte gleich ein Ende; und wenn es der Fall ist – und man zündet unten an, wobei die Flamme in der Regel das Unglück hat sich selbst auszulöschen, – dann hat die Geschichte wieder ein Ende.

Wenn ich alle Mal die Freiheit hätte zu bestimmen, an welchem Ende ich angesteckt werden wollte – so würde ich – denn ich kann den Gedanken nicht ertragen, so viehmäßig angebrannt zu werden, – eine Hausfrau stets veranlassen, mich an meiner Spitze anzuzünden; ich würde dann ganz anständig nach der Dille herabbrennen, das heißt vom Kopf nach dem Herzen, und vom Herzen nach der Leber, von der Leber nach den Eingeweiden und so fort durch die Gekrösvenen und Arterien, durch all die Windungen und Seitengänge der Eingeweide und ihrer Häutchen bis zum Blinddarm.

Ich bitte, Dr. Slop, sagte mein Onkel Toby, als dieser in einem Gespräch mit meinem Vater an dem Abend, da meine Mutter mit mir nieder kam, des Blinddarms erwähnte, – ich bitte Sie, sagte mein Onkel Toby, sagen Sie mir doch, welches der Blinddarm ist, denn ich muß gestehen, so alt ich bin, so weiß ich doch bis heutigen Tag noch nicht, wo er liegt.

Der Blinddarm, erwiderte Dr. Slop, liegt zwischen dem Ilion und dem Colon.

Bei dem Mann? fragte mein Vater.

Bei dem Weib ist es ganz dasselbe, sagte Dr. Slop.

Das ist mehr als ich weiß, versetzte mein Vater.


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