Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

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50. Kapitel.

– »Was ihr für wundervolle Armeen in Flandern hattet«!

– Bruder Toby, sagte mein Vater, ich halte dich für einen so rechtschaffenen, gutherzigen und biederen Mann als Gott je einen geschaffen hat; – du bist auch nicht daran Schuld, wenn alle Kinder, welche erzeugt wurden, werden, werden können, sollen oder müssen, mit dem Kopf zuerst auf die Welt kommen; – glaube mir aber, lieber Toby, die schlimmen Zufälle, welche ihnen unfehlbar auflauern, nicht nur während wir sie zeugen, – obschon diese meiner Meinung nach alle Beachtung verdienen, – sondern die Gefahren und Schwierigkeiten, die unserer Kinder warten, wenn sie einmal die Welt betreten haben, sind wahrlich groß genug – so daß es wahrhaftig ganz unnöthig ist, sie auch noch während ihres Eintritts in dieselbe, welchen auszusetzen.

Sind diese Gefahren, fragte mein Onkel Toby, wobei er meinem Vater die Hand auf das Knie legte und ihm in ernster Erwartung der Antwort ins Gesicht sah, – sind diese Gefahren heut zu Tage größer, Bruder, als sie es früher waren? – Bruder Toby, erwiderte mein Vater, wenn ein Kind nur richtig erzeugt und lebendig und gesund zur Welt gebracht war, und sich die Mutter nachher wohl befand, so bekümmerten sich unsere Vorfahren um weiter nichts. – Mein Onkel Toby zog sofort seine Hand vom Knie meines Vaters zurück, sank wieder sanft in seinen Stuhl zurück, hob den Kopf gerade so hoch, daß er noch die Kranzleiste des Zimmers erblicken konnte, brachte Backen- und Lippenmuskeln in die richtige Verfassung – und begann den Lillabullero zu pfeifen.

51. Kapitel.

Während mein Onkel Toby meinem Vater den Lillabullero vorpfiff, – stampfte Dr. Slop mit den Füßen, und fluchte und schimpfte auf Obadiah in einer fürchterlichen Weise. – Es würde dem Herz des Lesers gewiß gut gethan und ihn für immer von der abscheulichen Sünde des Fluchens curirt haben, wenn er es mit angehört hätte. Ich bin deshalb entschlossen, ihm die ganze Sache ausführlich zu erzählen.

Als Dr. Slops Mädchen Obadiah den grünen wollenen Beutel mit den Instrumenten ihres Herrn übergab, rieth sie ihm sehr verständigerweise den Kopf und einen Arm durch die Schnüre zu stecken, um ihn so beim Reiten schräg über den Leib geschlungen zu tragen. Sie öffnete daher den Hauptknopf, um dann die Stränge zu verlängern und half ihm ohne viel Mühe hinein. Dadurch wurde aber die Oeffnung des Beutels einigermaßen gelöst; damit nun nicht beim Zurückgalopiren – denn Obadiah drohte mit diesem Tempo – etwas heraushüpfen möchte, beschlossen sie den Beutel wieder herunter zu nehmen; und in der großen Vorsicht und Vorsorge ihres Herzens, knüpften sie die Stränge, nachdem sie zuerst die Oeffnung des Beutels zusammengezogen hatten, mit einem Halben Dutzend festen Knöpfen zusammen, die Obadiah, um ja recht sicher zu gehen, mit aller Leibeskraft zusammengeschnürt hatte.

Dies erfüllte den Zweck, den Obadiah und das Mädchen im Auge hatte, vollkommen; schützte aber nicht gegen gewisse Mißstände, die weder er noch sie voraussahen. So fest nämlich der Beutel oben zusammengebunden war, so hatten die Instrumente doch gegen den Boden des Beutels hin, der eine kegelförmige Gestalt hatte, so viel Spielraum, daß Obadiah sich nicht in Trab setzen konnte, ohne daß Kopfeisen, Zange und Spritze ein so fürchterliches Geklapper zusammen machten, daß es den Hymenäus, wenn er gerade einen Gang durch die Gegend gemacht hätte, leicht hätte davon jagen können; als aber Obadiah seine Bewegung beschleunigte und von einem einfachen Trab in vollen Galopp überging – da war das Geklapper wirklich unbeschreiblich.

Da Obadiah ein Weib und drei Kinder hatte, – so dachte er dabei nicht an die Schändlichkeit der Unzucht und die vielen andern übeln politischen Consequenzen dieses Tingeltangel; – er hatte jedoch gleichwol seinen Einwurf, der ihn selbst anging und bei ihm soviel wog, wie es schon oft den größten Patrioten passirt ist: – der arme Bursche war auf diese Art nicht im Stande sich selbst pfeifen zu hören.

52. Kapitel.

Da aber Obadiah diese Windmusik all der Musik auf den Instrumenten, die er mit sich schleppte, vorzog – so setzte er alsbald seine Einbildungskraft in Arbeit, um etwas auszuhecken, wodurch er sich in die Lage versetzen könnte, jene zu genießen.

In allen Nothfällen (musikalische ausgenommen), wo man kleiner Schnüre bedarf, fällt Einem nichts so natürlich ein als seine Hutschnur: – der philosophische Grund hiefür ist so nahe liegend, – daß ich es verschmähe, weiter darauf einzugehen.

Da Obadiah's Fall ein gemachter war – der geneigte Leser merke wohl – ich sage ein gemischter; denn er war geburtshelferisch, beutlerisch, spritzerisch, papistisch – und in so fern als auch das Kutschencaballo dabei eine Rolle spielte – cabalistisch – und nur teilweise musikalisch; so machte sich Obadiah kein Gewissen daraus, nach dem ersten besten Hilfsmittel zu greifen, das sich ihm darbot. Er faßte daher den Beutel mit den Instrumenten, drückte sie mit der einen Hand fest zusammen, nahm mit dem Daumen und Zeigfinger der andern das Ende der Hutschnur zwischen die Zähne, glitt dann mit der Hand bis nach der Mitte des Beutels herab und schnürte die Instrumente nun von einem Ende zum andern – wie man einen Koffer verschnürt – mit so zahllosen Rund- und Kreuz- und Querschlingen zusammen, wobei er noch bei jedem Durchschnittspunkt der Schnüre einen festen Knopf machte, – daß Dr. Slop wenigstens drei Fünftel von Hiobs Geduld hätte haben müssen, um sie alle zu lösen. – Wahrlich wenn die Natur zufällig gerade in einer ihrer flinken Launen zu einem derartigen Wettkampf aufgelegt gewesen wäre, – und wenn sie und Dr. Slop zugleich vom Standpunkt abgeritten wären – so hätte wohl kein Sterblicher den Beutel mit Allem, was Obadiah daran gemacht hatte, sehen – und zugleich die große Eile, welche die Göttin, wenn sie es für passend hält, anwenden kann, ins Auge fassen, und dann noch den leisesten Zweifel darüber haben können, wer von den beiden den Preis davon tragen würde. – Meine Mutter, meine hochverehrte Leserin! hätte wenigstens um 20 Knoten früher als der grüne Beutel entbunden werden können.

– O Tristram Shandy, der du das Spiel kleiner Zufälle bist und ewig sein wirst! hätte man diese Probe zu deinen Gunsten gemacht. – und es war 50 gegen 1 zu wetten, daß das geschah – so wären deine Angelegenheiten nicht so niedergedrückt worden (wenigstens nicht deine Nase) als sie es wurden; noch wäre das Glück deines Hauses und die Gelegenheiten es zu machen, die sich im Laufe deines Lebens so oft darboten, nicht so oft, so ärgerlich, so elend, so unwiederbringlich dahin gefahren – wie du gezwungen wurdest, sie fahren zu lassen; – aber das ist nun vorüber – Alles vorüber bis auf die Erzählung davon, die dem neugierigen Leser nicht früher gegeben werden kann, bis ich zur Welt gekommen bin.

53. Kapitel.

Große Geister haben ihre klugen Einfälle; – in dem Augenblick, da Dr. Slop seine Augen auf den Beutel warf (was er nicht eher that, als bis der Streit mit meinem Onkel Toby wegen der Hebammenkunst ihn daran erinnerte), kam ihm der gleiche Gedanke wie mir oben. – Es ist wahrhaftig eine Gnade von Gott, sagte er (zu sich selbst), daß Frau Shandy so schwer thut, sonst hätte sie sieben Mal niederkommen können, bis ich auch nur die Hälfte dieser Knoten gelöst hätte. – Hier ist jedoch zu unterscheiden: – dieser Gedanke schwamm nur in Dr. Slop's Gemüth, ohne Segel und Ballast, als ein einfacher Satz; Millionen solcher Sätze schwimmen, wie der verehrte Leser weiß, täglich ruhig in der Mitte des dünnen Saftes menschlicher Vernunft, ohne vorwärts oder rückwärts zu kommen, bis ein kleiner Windstoß des Interesses oder der Leidenschaft sie nach einer Seite hin treibt.

Ein plötzliches Füßegetrampel in dem oberen Zimmer an meiner Mutter Bett that dem Satze den Dienst, von dem ich eben sprach. Bei allem Mißgeschick der Erde! rief Dr. Slop, wenn ich mich nicht beeile, so passirt mir die Sache gerade so wie ich eben dachte.

54. Kapitel.

Wenn es sich um Knoten handelt, wobei ich in erster Linie bemerken will, daß ich keine solche Knoten meine, die sich von selbst zuziehen – weil im Verlauf meines Lebens und meiner Meinungen – meine Ansichten in Betreff ihrer in passenderer Weise zu Tage kommen sollen, wenn ich der Katastrophe meines Großonkels des Herrn Hammond Shandy gedenke – eines kleinen Mannes – aber von hohem Geist – er betheiligte sich an der Geschichte des Herzogs von Monmouth; zweitens meine ich hier auch nicht jene besondere Art von Knoten, die man Schleifen nennt; – denn diese zu lösen, bedarf es so wenig Kunst, Geschicklichkeit oder Geduld, daß ich es unter meiner Würde halte, überhaupt eine Ansicht über sie auszusprechen. – Unter den Knoten, von denen ich hier spreche, möge sich der geneigte Leser vielmehr gute ehrliche, teuflisch feste, harte Knöpfe vorstellen, die bona fide gemacht wurden, so wie Obadiah die seinigen machte; – Knoten, bei welchen durch das Doppeltnehmen und Zurückführen der beiden Stränge durch den von dem zweiten Umlegen derselben bewirkten Annulus oder Nasenring keinerlei spielende Vorsorge getroffen worden ist, – um sie daran aufzuziehen und aufzulösen. –

Ich hoffe, der Leser versteht mich.

Wenn es sich also um solche Knoten und die verschiedenen Hemmnisse handelt, welche, wenn der geneigte Leser gütigst erlaubt, uns solche Knoten in den Weg werfen, – so kann jeder hitzige Mann sein Federmesser herausnehmen und sie durchschneiden. – Aber da hat er Unrecht. Glaube mir der liebe Leser nur, der tugendhafteste Weg, den einzuschlagen Vernunft und Gewissen rathen – ist, wenn man die Zähne und Finger zu Hilfe nimmt. Dr. Slop hatte aber seine Zähne verloren – sein Lieblingsinstrument war ihm nämlich einmal bei einer schweren Geburt beim Ausziehen in einer falschen Richtung oder bei einer unrichtigen Anlegung desselben unglücklicherweise ausgerutscht und er hatte sich hiebei drei seiner besten Zähne mit dem Stiele desselben ausgeschlagen. – Er wollte daher jetzt die Finger nehmen – aber ach! er hatte die Nägel an Finger und Daumen frisch abgeschnitten. – Hol's der Henker! rief Dr. Slop, ich bringe es nicht auf, weder so noch so.

– Das Getrampel über seinem Kopf neben dem Bette meiner Mutter wurde stärker. – Der Kerl soll die Kränk kriegen! Ich bringe die Knoten in meinem ganzen Leben nicht auf. – Meine Mutter stieß einen hörbaren Seufzer aus. – Ich bitte, geben Sie mir Ihr Federmesser – ich muß die Knoten eben durchschneiden. – Oh! – Auh! – Herr Gott! Da habe ich mir den Daumen bis zum Knochen durchgeschnitten. – Der Teufel hole den Kerl! – wenn es nicht auf 50 Meilen in der Stunde einen zweiten Geburtshelfer gibt – denn ich bin für dies Mal fertig – ich wollte, der Bursch hinge am Galgen – ich wollte, sie hätten ihn todt geschossen, ich wollte, alle Teufel der Hölle würgten dieses Rindvieh!

Mein Vater hielt sehr viel auf Obadiah, und mochte nicht hören, daß man auf diese Art mit ihm umging: – überdies hielt er auch auf sich selbst – und mochte die unwürdige Behandlung, die ihm selbst damit widerfuhr, ebensowenig ruhig hinnehmen.

Hätte sich Dr. Slop in irgend einen andern Theil als den Daumen geschnitten, – so hätte es mein Vater so hingehen lassen – seine Klugheit hätte den Sieg davon getragen – wie die Sache aber stand, beschloß er sich seine Rache zu nehmen.

Kleine Flüche bei großen Anlässen, Dr. Slop, sagte mein Vater, nachdem er ihm zuerst seine Theilnahme wegen des Unfalls bezeigt hatte, sind ebensoviel nutzlose Vergeudungen unserer Kraft und geistigen Gesundheit. – Das muß ich zugeben, erwiderte Dr. Slop. – Sie sind, wie wenn man mit Vogeldunst gegen eine Bastion schösse, sagte mein Onkel Toby, indem er sein Pfeifen unterbrach. – Sie bringen die Säfte in Aufruhr, fuhr mein Vater fort, – nehmen ihnen aber nichts von ihrer Schärfe; – was mich selbst betrifft, so schwöre ich selten und fluche nie – ich halte es nicht für gut; – wenn ich mich aber einmal in einem unbedachten Augenblicke dazu verleiten lasse, so behalte ich in der Regel so viel Geistesgegenwart (recht so, bemerkte mein Onkel Toby), daß ich damit meinen Zweck erreiche; – das heißt, ich schwöre dann fort, bis ich Linderung verspüre. Ein weiser und gerechter Mann sollte sich jedoch stets bestreben, den Lauf, den er seiner übeln Laune läßt, nicht nur nach dem Grade der eigenen Aufregung – sondern auch nach der Größe und bösen Absicht der Beleidigung zu bemessen, der sie zugedacht ist. – Kränkungen gehen stets von dem Herzen aus, sagte mein Onkel Toby. – Eben deshalb, fuhr mein Vater mit höchst Cervantischer Würde fort, habe ich die größte Verehrung von der Welt vor dem Manne, der aus Mißtrauen gegen seine eigene Besonnenheit in dieser Beziehung, sich hingesetzt und (somit in aller Muße) geeignete und für alle Fälle von der niedersten bis zur höchsten Herausforderung, die ihm möglicherweise werden konnte, passende Formen componirt hat; – welche Formen er, nachdem er sie bei sich wohl überlegt und gefunden hatte, daß er dabei bleiben konnte, er immer auf seinem Kamin liegen, und so bei der Hand hatte, daß er sich sofort ihrer bedienen konnte: – Ich habe in meinem Leben nicht gehört, erwiderte Dr. Slop, daß man je auf einen solchen Gedanken gekommen ist, – noch weniger, daß man ihn durchgeführt hat. – Ich bitte um Entschuldigung, erwiderte mein Vater, ich habe meinem Bruder Toby heute morgen, während er den Thee eingoß, eine dieser Formeln vorgelesen, doch nicht im Ernst; – sie liegt da auf dem Brett über meinem Kopf – wenn ich mich aber recht erinnere, so ist sie zu stark für einen Schnitt in den Daumen. – O gewiß nicht! rief Dr. Slop, – der Teufel hole den Kerl! – Dann steht sie Ihnen ganz zu Diensten, Dr. Slop, erwiderte mein Vater, – unter der Bedingung jedoch, daß Sie sie laut lesen. – Er stand auf, langte eine Excommunicationsformel der römischen Kirche herab, deren Abschrift sich mein Vater (als großer Curiositätensammler) aus dem von dem Bischof Ernulphus verfaßten Hauptbuch der Kirche von Rochester hatte abschreiben lassen, – und gab sie Dr. Slop mit einer so prächtig affectirten Ernsthaftigkeit in Blick und Stimme in die Hand, daß es dem Ernulphus selbst wohl gethan hätte. – Dr. Slop wickelte seinen Daumen in eine Ecke seines Taschentuchs und las mit einem schiefen Gesicht, wiewohl ganz arglos, das Folgende laut vor – während mein Onkel Toby die ganze Zeit über so laut er nur konnte seinen Lillabullero pfiff.

55. Kapitel.

Textus de Ecclesia Roffensi, per Ernulfum episcopum.
Excommunicatio.Da die Aechtheit der obigen Berathung der Sorbonne über die Taufe von Einigen angezweifelt, von Anderen sogar bestritten wurde – so wurde für angezeigt gehalten, das Original dieser Excommunication abzudrucken, für deren Abschrift Herr Shandy dem Kapitelschreiber des Decanats und Kapitels von Rochester hier seinen Dank ausspricht.
   Ex auctoritate Dei omnipoten-
tis, Patris, et Filii, et Spiritus
sancti, et sanctorum canonum,
sanctaeque et intemeratae Virgi-
nis Dei genetricis Mariae –
   Im Namen des Allmächtigen
Gottes, des Vaters, des Sohnes
und des heiligen Geistes, wie auch
der heiligen Kanons und der hei-
ligen und unbefleckten Jungfrau
Maria, der Mutter unseres Heilands. –

(Ich glaube, sagte Dr. Slop, indem er das Papier auf seine Knie sinken ließ und sich gegen meinen Vater wendete, – es ist nicht nothwendig, daß ich es laut lese. da Sie es selbst erst kürzlich gelesen haben, – und Capitain Shandy keine große Lust zu verspüren scheint es zu hören; – ich kann es also ebensogut für mich leise lesen. – So haben wir nicht gewettet, erwiderte mein Vater. – Ueberdies liegt etwas so Wunderliches darin, besonders gegen den Schluß hin, daß es mir leid thun würde, auf den Genuß einer nochmaligen Lectüre verzichten zu müssen. – Dr. Slop wollte gar nicht recht anbeißen; – da sich nun aber mein Onkel Toby anbot. sein Pfeifen stecken zu lassen, und es ihnen selbst vorzulesen, – so dachte Dr. Slop, er könnte es gedeckt durch das Pfeifen meines Onkels Toby, ebensogut selbst vorlesen, – als leiden, daß es mein Onkel Toby allein las; – er erhob somit das Papier wieder, hielt es gerade parallel mit seinem Gesicht, um seinen Aerger zu verbergen – und las dann laut wie folgt, – während mein Onkel Toby seinen Lillabullero pfiff, doch nicht so laut wie vorher.

   – Atque omnium coelestium
virtutum, angelorum, archangelo-
rum, thronorum, dominationum,
potestatum, cherubin ac seraphin,
et sanctorum patriarcharum, pro-
phetarum, et omnium apostolorum
et evangelistarum, et sanctorum
innocentium, qui in conspectu Ag-
ni sancti digni inventi sunt can-
ticum cantare novum, et sancto
rum martyrum, et sanctorum con-
fessorum, et sanctarum virginum,
atque omnium simul sanctorum et
electorum Dei, — Excommunica-
                   vel os
mus, et anathematizamus hunc fu-
  s  vel   os             s
rem vel hunc malefactorem, N. N.
et a liminibus sanctae Dei eccle-
siae sequestramus, et aeternis sup-
              vel  i            n
pliciis excruciandus, mancipetur,
cum Dathan et Abiram, et cum
his, qui dixerunt Domino Deo, Re-
cede a nobis, scientiam viarum
tuarum nolumus: et sicut aqua
ignis extinguitur, sie extinguatur
     vel eorum
lucerna ejus in secula seculorum,
             n
nisi respuerit, et ad satisfactio-
          n
nem venerit. Amen.
   Im Namen u. s. w. und aller
Himmlischen Tugenden, Engel, Erz-
engel, Throne, Herrschaften, Mäch-
te, Cherubim und Seraphim, und
aller heiligen Patriarchen, Prophe-
ten, und aller Apostel, und Evan
gelisten, und der heiligen Unschul-
digen, welche im Anblick des hei-
ligen Lammes würdig erfunden
sind, den neuen Gesang zu singen
der heiligen Märtyrer und heiligen
Bekenner und heiligen Jungfrauen
und aller Heiligen zusammen und
Auserlesenen Gottes – mög er
(Obadiah) verdammt sein (weil er
diese Knoten geknüpft hat) – Ex
communiciren und bannen wir ihn;
und stoßen ihn aus von der Schwelle
der heiligen Kirche Gottes, damit
ihn die ewige Verdammniß treffe
und er ausgeliefert werde mit Da-
than und Abiram, und mit denen
die zu Gott dem Herrn sagen:
Weiche von uns, wir wollen nichts
von deinen Wegen: Und wie das
Feuer durch das Wasser ausgelöscht
wird, so soll sein Licht ausgelöscht
werden für immer, wofern er nicht
bereuet (nämlich Obadiah die Knö-
pfe, die er gemacht hat) und Ge-
nugthuung leiste (für sie). Amen.
                os
   Maledicat illum Deus Pater,
qui hominem creavit. Maledicat
   os
illum Dei Filius, qui pro homine
                         os
passus est. Maledicat illum Spi-
ritus sanctus, qui in baptismo ef
                        os
fusus est. Maledicat illum sancta
crux, quam Christus pro nostra
salute hostem triumphans ascendit.
   Ihn verfluche Gott der Vater,
der den Menschen erschaffen hat!
Ihn verfluche Gott der Sohn, der
für uns gelitten hat! Ihn (Oba-
diah) verfluche der heilige Geist,
der in der Taufe über uns ausge-
gossen wurde. Ihn verfluche das
heilige Kreuz, an dem Christus für
unser Heil, über den bösen Feind
triumphirend, gehangen hat.
                os
   Maledicat illum sancta Dei ge-
netrix et perpetua Virgo Maria.
             os
Maledicat illum sanctus Michael,
animarum susceptor sacrarum.
              os
Maledicant illum omnes angeli et
archangeli, principatus et potesta-
tes, omnesque militiae coelestes.
   Ihn verfluche die heilige und
ewige Jungfrau Maria, die Mutter
Gottes. Ihn verfluche der heilige
Michael, der Fürsprecher der heili-
gen Seelen. Ihn mögen verfluchen
alle Engel und Erzengel, Fürsten
und Machthaber und alle himm-
lischen Heere. (Unsere Soldaten in
Flandern, rief mein Onkel Toby,
fluchten fürchterlich – aber dage-
gen ist es nichts. Ich könnte es
nicht übers Herz bringen, meinen
Hund so zu verfluchen.)
                os
   Maledicat illum patriarcharum
et prophetarum laudabilis numerus.
              os
Maledicant illum sanctus Johan-
nes Praecursor et Baptista Chri-
sti, et sanctus Petrus, et sanctus
Paulus, atque sanctus Andreas,
omnesque Christi apostoli, simul
et caeteri discipuli, quatuor quo-
que evangelistae, qui sua praedi-
catione mundum universum con-
verterunt.
   Ihn verfluche die preiswürdige
Zahl der Patriarchen und Propheten!
Ihn verfluche der heilige Johannes,
der Vorläufer und Täufer Christi,
der heilige Petrus und der h. Pau-
lus und der h. Andreas und alle an-
dern Apostel Christi, wie auch die
übrigen Jünger und die vier Evange-
listen, die durch ihre Predigten
die ganze Welt bekehrt haben.
                os
   Maledicat illum cuneus marty-
rum et confessorum mirificus, qui
Deo bonis operibus placitus inven-
tus est.
   Ihn (den Obadiah) verfluche die
wundervolle Phalanx der Märtyrer
und Bekenner, welche durch ihre
guten Werke Gott angenehm ge-
worden sind.
                 os
   Maledicant illum sacrarum vir-
ginum chori, quae mundi vana
causa honoris Christi respuenda
                             os
contempserunt. Maledicant illum
omnes sancti, qui ab initio mundi
usque in finem seculi Deo dilecti
inveniuntur.
   Mögen ihn verfluchen die Chöre
der heiligen Jungfrauen, welche für
die Ehre Christi dem Zeitlichen ent-
sagt haben! Ihm mögen fluchen
alle Heiligen, welche von Beginn
der Welt bis ans Ende der Zeiten
Gott wohlgefällig erfunden wer-
den.
                 os
   Maledicant illum coeli et terra,
et omnia sancta in eis manentia.
   Ihm (Obadiah) oder ihr (oder wer
seine Hand beim Knüpfen dieser Kno-
ten im Spiel hatte) fluchen die Him-
mel, und die Erde, und alles Heilige
was darinnen.
           i     n
   Maledictus sit ubicunque fu-
   n
erit, sive in domo, sive in agro,
sive in via, sive in semita, sive
in silva, sive in aqua, sive in ec-
clesia.
   Möge er (Obadiah) verflucht
sein wo er sich befinde, im Hause
oder im Stalle, im Garten oder
auf dem Feld, auf der Landstraße
oder dem Fußweg, im Wald, oder
im Wasser. oder in der Kirche.
           i    n
   Maledictus sit vivendo, mori-
endo – – –





manducando, bibendo, esuriendo,
sitiendo, jejunando, dormitando,
dormiendo, vigilando, ambulando,
stando, sedendo, jacendo, operan-
do, quiescendo, mingendo, cacan-
do, flebotomando.
   Möge er verflucht sein lebendig
oder todt. (Hier benutzte mein On-
kel Toby eine halbe Note im 2.
Theil seiner Melodie, und hielt sie
bis zum Schluß des Satzes aus, –
wobei sich Dr. Slop mit seiner Va-
riation von Flüchen wie ein be-
gleitender Baß nebenher bewegte.)
Beim Essen, Trinken, Hungern,
Dursten, Fasten, Schlummern,
Schlafen, Wachen, Wandeln, Stehen,
Sitzen, Liegen, Arbeiten, Ruhen,
Wasserlassen, Schweraustreten und
Aderlassen.
           i     n
   Maledictus sit in totis viribus
corporis.
           i     n
   Maledictus sit intus et exterius.
   Er (Obadiah) sei verflucht in
allen Tätigkeiten des Körpers, er
sei verflucht innen und außen.
           i     n
   Maledictus sit in capillis; ma-
      i     n
ledictus sit in cerebro. Maledic-
 i     n
tus sit in vertice, in temporibus,
in fronte, in auriculis, in super-
ciliis, in oculis, in genis, in ma-
xillis, in naribus, in dentibus
mordacibus et molaribus, in la-
biis, in gutture, in humeris, in
carpis, in brachiis, in manibus,
in digitis, in pectore, in corde, et
in omnibus interioribus stomacho
tenens, in renibus, in inguine, in
femore, in genitalibus, in coxis, in
genubus, in cruribus, in pedibus,
et in unguibus.
   Verflucht sei er in den Haaren;
verflucht im Gehirn, verflucht auf
dem Scheitel (das ist ein trauriger
Fluch, sagte mein Vater), an den
Schläfen, auf der Stirne, in den
Ohren, an den Augbrauen, in den
Augen, Wangen, Kinnbacken, Nas-
löchern, Zähnen, Vorderzähnen und
Backenzähnen, Lippen, in der Keh-
le, den Schultern, Ellbogen, Ar-
men, Händen, Fingern, in der
Brust, im Herzen und in allen Ein-
geweiden, die der Bauch enthält,
in den Nieren, dem Becken und
Schambein (Gott soll uns bewah-
ren! rief mein Onkel Toby), im
Zeugungsglied (mein Vater schüt-
telte den Kopf), im Dickfleisch, in
den Hüften, Knieen, Beinen, Füßen
und Zehen.
           i     n
   Maledictus sit in totis compa-
gibus membrorum, a vertice capi-
tis usque ad plantam pedis. –
Non sit in eo sanitas.
   Verflucht sei er in allen Gelen-
ken vom Scheitel seines Hauptes
bis zur Sohle des Fußes! Kein
gesunder Theil sei an ihm.
                os
   Maledicat illum Christus Fi-
lius Dei vivi toto suae majestatis
imperio –
   Verflucht sei er durch Christum,
den Sohn des lebendigen Gottes
in aller Glorie seiner Majestät –

(Hier warf mein Onkel Toby seinen Kopf zurück und stieß ein ungeheures, langes und lautes Hu – u – u! aus; so etwas zwischen dem Wort Huida! und einem dazwischen geschobenen Pfiff.

– Bei dem goldenen Barte Jupiters – und der Juno (wenn Ihre Majestät auch einen trug) und bei den Bärten aller übrigen heidnischen Herrschaften, beiläufig keiner geringen Zahl, sintemalen hiezu gehören: die Bärte der himmlischen Götter, die der Luft- und Wassergötter – dazu noch die Bärte der Stadt- und der Landgötter, die der himmlischen Göttinnen, ihrer Weiber, oder der höfischen Göttinnen, ihrer Kebsweiber und Beischläferinnen (falls sie wirklich bei ihnen schlafen) – welche Bärte, wie Varro auf sein Ehrenwort versichert, wenn zusammengezählt, nicht weniger als 30,000 wirkliche Bärte heidnischer Abkunft ausmachen; – von welchen ein jeder das Recht und Privilegium beansprucht, daß man ihn streichelt und bei ihm schwört; – bei all diesen Bärten zusammen also – betheure und behaupte ich, daß ich von den zwei schlechten Leibröcken, die ich auf dieser Welt besitze, den besseren so gerne wie je Cid Hamet den seinigen anbot, hingegeben hätte, – wenn ich dabei stehen und meines Onkels Toby Accompagnement hätte mit anhören können.)

                        os
et insurgat adversus illum coelum
cum omnibus virtutibus quae in
eis                    os
eo moventur ad damnandum eum,
               n
nisi poenituerit et ad satisfactio-
          n
nem venerit. Amen. Fiat, fiat. Amen.
– und möge der Himmel, fuhr Dr.
Slop fort, mit allen Mächten, die
sich darin regen, sich gegen ihn er-
heben, und ihn (den Obadiah) ver-
dammen, wofern er nicht bereut
und dafür Buße thut. Amen. So
geschehe es, – so geschehe es. Amen.

Ich muß sagen, bemerkte mein Onkel Toby, mein Herz würde mir nicht gestatten, den Teufel selbst so arg zu verfluchen. – Er ist der Vater der Flüche, erwiderte Dr. Slop. – Aber ich nicht, entgegnete mein Onkel Toby. – Er ist übrigens schon in alle Ewigkeit verflucht und verdammt, versetzte Dr. Slop.

Das thut mir leid, meinte mein Onkel Toby.

Dr. Slop zog den Mund in die Höhe und wollte eben meinem Onkel Toby das Compliment seines Hu – u – u! oder Zwischenpfeifens zurückgeben, als die Thüre – im übernächsten Kapitel – rasch aufging und der Sache ein Ende machte.

56. Kapitel.

Wir wollen uns jetzt nicht in die Brust werfen und behaupten, daß die Schwüre, die wir in diesem unserem freien Lande losgeben, unser Eigenthum seien; wollen uns auch nicht einbilden, daß weil wir so viel Geist haben, um sie zu schwören, wir auch so viel Witz gehabt hätten, sie zu erfinden.

Ich will es auf mich nehmen, dies so fort gegenüber jedem Menschenkind zu beweisen, außer gegenüber einem Kenner; – ich muß jedoch bemerken, daß ich nur einen Kenner im Schwören ablehne – wie ich es auch mit einem Kenner im Malen u. s. w. machen würde, denn diese ganze Sippschaft ist so mit dem Gebimmel und Gebammel der Kritik behangen und befetischt – oder um mein Gleichniß fallen zu lassen, was wirklich Schade ist, denn ich habe es ja von der fernen Küste von Guinea hergeholt; – ihre Köpfe, mein lieber Leser, stecken so voll Regeln und Schablonen und sie haben die leidige Neigung sie unaufhörlich bei jeder Gelegenheit in Anwendung zu bringen, daß ein geistreiches Werk lieber gleich zum Teufel fährt, als daß es sich durch sie zu Tode sticheln und foltern läßt.

– Nun wie sprach Garrick gestern Abend seinen Monolog? – O gegen alle Regel, Herr – höchst ungrammatikalisch; er ließ zwischen Substantiv und Adjectiv, die doch in Zahl, Fall und Geschlecht zusammen stimmen sollten – eine solche Lücke – hielt inne, als ob die Sache erst festgestellt werden müßte; – und zwischen dem Nominativ, der, wie Sie wohl wissen, mein Herr, das Verbum regieren sollte, und diesem hielt er im Epilog wohl ein Dutzend Mal je 33/5 Secunden lang – nach einer Secundenuhr, Herr – mit der Stimme zurück. – O trefflicher Grammatikus! – Aber wenn er die Stimme zurückhielt, hielt er denn auch den Sinn zurück? Füllte keine ausdrucksvolle Bewegung oder Miene diese Kluft aus? – War sein Auge stumm? – Sahen Sie auch genau hin? – Ich sah nur nach der Secundenuhr, mein Herr. – O herrlicher Beobachter!

Und was ist es denn mit dem neuen Buch, das so viel Lärm in der Welt macht? – O das ist ganz aus allem Blei, mein Herr – ein ganz unregelmäßiges Product – nicht eine der Ecken an den vier Enden bildet einen rechten Winkel. Ich hatte mein Lineal, meinen Zirkel u. s. w. in der Tasche, mein Herr! – Vortrefflicher Kritikus!

Und was das epische Gedicht betrifft, das Sie mich anzusehen ersuchen – so habe ich es in der Länge, Breite, Höhe und Tiefe nachgemessen und mit einem genauen Maßstab von Bossu verglichen – aber es stimmt nach keiner Richtung hin, mein Herr. – Wundervoller Kenner!

– Und sind Sie auf dem Rückweg auch ein wenig bei dem Maler eingetreten und haben das neue große Bild besichtigt? – O eine traurige Schmiererei, mein Herr! nicht in einer einzigen Gruppe das pyramidale Princip gewahrt! – und welch' ein Preis! – Denn da ist weder das Colorit Tizians – noch der Ausdruck des Rubens – noch die Grazie Rafaels – noch die Reinheit des Domenichino – noch der Correggismus des Correggio – oder die Gelehrtheit Poussins – die feinen Mienen Guidos – der Geschmack der Caraccis – oder die großartigen Umrisse M. Angelos. – Gott schenke mir Geduld! – Von all dem Kauderwälsch, das in der wälschenden Welt gewälscht wird, mag immerhin das Kauderwälsch der Heuchelei das schlimmste sein – aber das der Kritik ist jedenfalls das unausstehlichste!

Gerne wollte ich 50 Meilen zu Fuß machen, denn ich habe leider kein reitbares Pferd, um die Hand des Mannes zu küssen, dessen edelmüthiges Herz die Zügel seiner Einbildungskraft in die Hände seines Autors legt, – dem etwas gefällt, ohne daß er weiß weshalb, und der nicht fragt, warum?

Großer Apollo! wenn du gerade in einer freigebigen Laune sein solltest, – so gib mir – ich verlange nicht mehr – nur einen Zug natürlichen Humors – nebst einem einzigen Funken deines Feuers – und schicke den Merkur mit Lineal und Zirkel, wenn du ihn gerade entbehren kannst, nebst meinem Compliment zum – gleichviel!

– Also gegenüber von Jedermann sonst will ich den Beweis antreten, daß alle die Flüche und Verwünschungen, welche wir in den letzten 250 Jahren als Originalflüche in dieser Welt ausgestoßen haben – ausgenommen: beim Daumen des heiligen Paulus! – und Gottes Fleisch und Gottes Fisch! was für monarchische Flüche und in Anbetracht ihrer Schöpfer nicht so übel sind; und bei denen es auch, weil es königliche Flüche waren, nicht darauf ankommt, ob sie Fisch oder Fleisch sind – sonst aber, sage ich, gibt es nicht eine Betheurung oder wenigstens nicht einen Fluch, der nicht tausend und aber tausend Mal aus Ernulphus abgeschrieben wäre; nur daß sie wie alle Nachmachereien unendlich weniger Kraft und Geist haben als das Original. – So hält man zum Beispiel: »Gott soll dich verdammen!« für keinen so übeln Fluch – und an und für sich kann er sich auch wohl sehen lassen. – Stellt man ihn aber neben den des Ernulphus: – »Gott der allmächtige Vater soll dich verdammen, – Gott der Sohn soll dich verdammen – und Gott der heilige Geist soll dich verdammen!« – so ist es offenbar nichts mit ihm. – Es liegt in letzterem eine orientalische Großartigkeit, gegen die wir nicht aufkommen; überdies ist Ernulphus weit reicher in seiner Erfindung – besitzt weit mehr Verfluchertalent – hat eine so gründliche Kenntniß der menschlichen Gestalt, ihrer Glieder, Nerven, Sehnen, Bänder, Gelenke – daß wenn er einmal zu verfluchen anfing, kein Theil ihm entging. – Es liegt allerdings eine gewisse Härte in seiner Art und Weise – ein gewisser Mangel an Grazie wie bei Michel Angelo – aber dafür besitzt er eine solche Großartigkeit im Gusto!

Mein Vater, der alle Dinge in einem ganz anderen Lichte zu sehen pflegte als die übrigen Menschenkinder, wollte übrigens nie zugeben, daß Ernulphus' Fluch ein Original sei. – Er betrachtete ihn vielmehr nur als eine Art Fluchreglement, worin, wie er vermuthete, als das Fluchen unter einem milderen Pontificate etwas herabgekommen war, Ernulphus auf Befehl des folgenden Papstes mit großer Gelehrsamkeit und Fleiß alle darüber bestehenden Satzungen zusammengetragen hatte; – gerade wie Justinian beim Verfall des römischen Reichs seinem Kanzler Tribonian befohlen hatte, alle römischen oder bürgerlichen Gesetze in einen Codex, die Pandekten, zu sammeln, – damit sie nicht durch den Rost der Zeit – und das Mißgeschick, dem alle mündlichen Ueberlieferungen ausgesetzt sind, – der Welt für immer verloren gehen möchten.

Deshalb behauptete mein Vater öfter, es gebe keinen Fluch, von dem großen und furchtbaren Wilhelms des Eroberers (Beim Glanze Gottes!) bis zu dem elenden eines Gassenkehrers (Gott verdamme deine Augen!). der nicht in Ernulphus zu finden wäre. – Kurz, pflegte er hinzuzufügen, – ich möchte einen Fluch hören, der da nicht drin stünde!

Diese Hypothese ist wie die meisten meines Vaters ebenso eigenthümlich wie geistreich; – ich habe nur das daran auszusetzen, daß sie meine eigene über den Haufen wirft.


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