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Ich gebe Einem nicht einen Groschen für seine Kenntniß der Macht der Feder, wenn er nicht begriffe: – daß die beste einfache Erzählung von der Welt, welche hart an die letzte lebhafte Apostrophe an meinen Onkel Toby angefügt würde – dem Gaumen des Lesers kalt und schal hätte erscheinen müssen; – ich machte deshalb diesem Kapitel ein Ende, obschon ich mitten in meiner Geschichte war.
– Schriftsteller meiner Art haben einen Grundsatz mit Malern gemein. Wo ein genaues Wiedergeben unser Gemälde weniger effectvoll machen würde, wählen wir das geringere Uebel; und halten es für verzeihlicher gegen die Wahrheit als gegen die Schönheit zu sündigen. Dies ist cum grano salis zu verstehen; doch möge dem sein wie ihm wolle – da die Parallele mehr deshalb gezogen wurde, um die Apostrophe einstweilen verkühlen zu lassen als aus einem anderen Grunde – so ist es nicht von großer Bedeutung, ob der Leser sie aus irgend einem andern Grunde gut heißt oder nicht.
Als mein Onkel Toby gegen Ende des dritten Jahres bemerkte, daß der Parameter und Halbparameter des Kegelschnitts seine Wunde verschlimmerte, gab er das Studium der Ballestik mit einigem Gepolter auf und warf sich ausschließlich auf den praktischen Theil der Befestigung; und wie ein zurückgehaltener Quell kehrte die Freude daran mit verdoppelter Kraft in ihm zurück.
In diesem Jahr fing mein Onkel an, in seiner Gewohnheit täglich ein frisches Hemd anzuziehen, nachzulassen – seinen Barbier wieder fortzuschicken, ohne sich rasiren zu lassen – und dem Wundarzt kaum soviel Zeit zu gönnen, um seine Wunde zu verbinden, wobei er sich so wenig um dieselbe bekümmerte, daß er Jenen unter sieben Malen kaum ein Mal fragte, wie er sie finde; als er plötzlich – ja der Wechsel kam wie ein Blitzstrahl – ungestüm nach seiner Heilung zu seufzen begann – sich gegen meinen Vater beklagte, mit dem Wundarzt ungeduldig wurde – und eines Morgens, als er diesen die Treppe heraufkommen hörte, seine Bücher zuschlug und seine Instrumente bei Seite warf, um sich gegen Jenen wegen des langen Hinausziehens der Heilung zu vereifern, die, wie er ihm bemerkte, in dieser langen Zeit gewiß hätte beendigt sein können. – Er sprach sich des Breiten über das Ungemach aus, das er Alles durchgemacht, und die traurige nun vier Jahre dauernde Einsperrung; und setzte hinzu, wenn er sich nicht der freundlichen Blicke und Aufmunterungen des besten der Brüder zu erfreuen gehabt, wäre er seinen Leiden längst erlegen. – Mein Vater war zugegen. – Die Beredsamkeit meines Onkels Toby rührte ihn zu Thränen; sie kam so ganz unerwartet. – Mein Onkel Toby war von Natur nicht beredt; – um so größer war die Wirkung. – Der Wundarzt war bestürzt; – nicht daß es an Gründen für einen solchen Ausdruck der Ungeduld, ja für einen noch stärkeren gefehlt hätte – aber es kam auch ihm so unerwartet. In den vier Jahren, daß er meinen Onkel Toby besuchte, hatte er in dem Benehmen desselben nie etwas Aehnliches wahrgenommen; nie hatte er ein ärgerliches oder unzufriedenes Wort fallen lassen – er war ganz Geduld – ganz Ergebung gewesen.
Wir verlieren oft das Recht uns zu beklagen, weil wir keinen Gebrauch davon machen – oft aber verdreifachen wir dadurch die Kraft der Klage; – der Wundarzt war verblüfft; aber noch weit mehr, als mein Onkel Toby weiter ging und mit Energie darauf bestand, daß jetzt die Wunde sofort geheilt werde – oder er schicke zu Monsieur Ronjat, dem Leibchirurgen des Königs, damit der es statt seiner thue.
Der Wunsch nach Leben und Gesundheit ist dem Menschen von Natur eingepflanzt; – die Sehnsucht nach Freiheit und Ungebundenheit ist jenem nahe verschwistert, diese Empfindungen hatte mein Onkel Toby mit den übrigen Menschen gemein; – und eine jede derselben genügte, um seinen ernstlichen Wunsch zu erklären, endlich einmal gesund zu werden und wieder hinaus zu können; – ich habe Ihnen jedoch bereits gesagt, daß in unserer Familie nichts den gewöhnlichen Weg ging; – und aus der Zeit und Art, wie sich dieser heftige Wunsch kund gab, wird der scharfsinnige Leser bereits abnehmen, daß eine besondere Ursache oder Grille im Kopfe meines Onkels Toby daran Schuld gewesen sein müsse. – Und so war es auch; und das nächste Kapitel soll der Auseinandersetzung dieser Ursache und Grille gewidmet sein. Wann dies geschehen ist, dann dürfte es allerdings Zeit sein zu dem Kamin zurückzukehren, wo wir meinen Onkel Toby in der Mitte seines Satzes gelassen haben.
Wenn sich ein Mann der Herrschaft einer Leidenschaft hingibt – oder mit andern Worten, wenn sein Steckenpferd reitstättisch wird – dann gute Nacht kalte Vernunft und ordentliche Ueberlegung.
Die Wunde meines Onkels war nahezu heil; und sobald der Wundarzt sich von seiner Ueberraschung erholt hatte und zum Wort kommen konnte – sagte er ihm, sie beginne zu vernarben, und wenn keine neue Abblätterung eintrete, wofür keinerlei Anzeichen vorläge, werde sie in 5–6 Wochen ganz geschlossen sein. Hätte man meinem Onkel Toby 12 Stunden früher ebenso viele Olympiaden genannt, so würde es ihm kürzer vorgekommen sein. – Jetzt aber folgten sich seine Gedanken so rasch, – er brannte so sehr vor Ungeduld sein Vorhaben auszuführen, – daß er ohne eine lebende Seele weiter zu fragen – was offenbar ganz richtig ist, sobald man einmal entschlossen ist, sich um keiner Seele Rath zu bekümmern – seinem Diener Trim ins Geheim den Befehl ertheilte, einen Bündel Charpie und Verbandzeug zusammenzupacken und einen vierspännigen Wagen zu bestellen, der Punkt zwölf Uhr vorgefahren sein sollte, da er wußte, daß mein Vater um diese Stunde auf der Börse sein würde. – Dann ließ er eine Banknote für die Bemühungen des Wundarztes und einen Brief voll zärtlichen Dankes für die Pflege meines Vaters auf dem Tisch zurück – packte seine Pläne, seine Werke über Befestigung und seine Instrumente zusammen, stieg mit Hilfe einer Krücke auf der einen und Trimms auf der andern Seite in den Wagen und fuhr Shandy Hall zu.
Die Ursache, oder vielmehr der Entstehungsgrund diesem plötzlichen Auswanderung war folgender:
Da der Tisch im Zimmer meines Onkels Toby, an welchem er am Abend vorher, ehe Obiges geschah, mit seinen Plänen u. s. w. um ihn herum saß – für die Menge großer und kleiner wissenschaftlicher Instrumente, die beständig darauf lagen, viel zu klein war – so passirte es ihm, als er nach seiner Schnupftabaksdose hinüber langte, daß er seinen Zirkel auf den Boden warf, und als er sich bückte um den Zirkel aufzuheben, daß er mit seinem Aermel sein Reißzeugkästchen und seine Lichtscheere hinabstreifte, – und da nun schon einmal der Teufel los war, im Bestreben die Lichtscheere beim Fallen zu erhaschen – auch Monsieur Blondel hinunterwarf und auf diesen den Grafen Pagan.
In Anbetracht seiner Lahmheit konnte mein Onkel Toby nicht daran denken, diese Schäden alle selbst wieder in Ordnung zu bringen, – er schellte daher seinem Diener Trim. – Trim, sagte mein Onkel Toby, da sieh einmal, was ich für eine Confussion angerichtet habe – ich muß durchaus eine bessere Anstalt haben, Trim. – Nimm einmal meinen Maßstab und miß die Länge und Breite dieses Tisches und dann bestelle mir einen doppelt so großen. – Zu Befehl, Euer Gnaden, erwiderte Trim mit einem Bückling; ich hoffe aber, Euer Gnaden werden bald wieder so wohl sein, daß Sie nach Ihrem Landsitz reisen können – und da Euer Gnaden eine so große Freude an der Befestigung haben, so könnten wir das dort aufs Tüpfelchen hinaus besorgen.
Ich muß Sie hier in Kenntniß setzen, daß dieser Diener meines Onkels Toby, der auf den Namen Trim ging, Corporal in meines Onkels Compagnie gewesen war – er hieß eigentlich James Butler; – allein da er im Regiment den Spitznamen Trim bekommen hatte, so nannte ihn auch mein Onkel Toby nie anders, wenn er nicht gerade besonders ärgerlich auf ihn war.
Der arme Bursche war durch eine Verwundung am linken Knie dienstuntauglich geworden, von einer Flintenkugel her, die er zwei Jahre vor der Affaire bei Namur in der Schlacht bei Landen erhalten hatte – und da er im Regiment sehr beliebt und dazu ein gewandter Bursche war, so nahm ihn mein Onkel Toby als Diener an; er zeigte sich wirklich als höchst brauchbar, da er meinem Onkel im Lager und Quartier als Kammerdiener, Reitknecht, Barbier, Koch, Schneider und Krankenwärter Dienste leistete, und ihn von Anfang bis zu Ende mit großer Treue und Anhänglichkeit pflegte und bediente.
Mein Onkel Toby liebte den Mann gleichfalls; und was ihn noch anhänglicher an ihn machte, das war die Aehnlichkeit ihrer wissenschaftlichen Ausbildung; – denn dadurch, daß Corporal Trim (so will ich ihn künftig nennen) vier Jahre lang der gelegentliche Zuhörer bei den Vorlesungen seines Herrn über befestigte Städte gewesen war, auch beständig in seines Herrn Pläne u. s. w. hineingesehen hatte, hatte er – abgesehen davon, was er als ein an sich zwar nicht mit einem steckenpferdbehafteten Leibdiener doch hiebei an Steckenpferdlichkeit mitnahm – nicht wenig in jener Wissenschaft profitirte; so daß Köchin und Zimmermädchen überzeugt waren, er wisse von der Natur der Festungen so viel wie mein Onkel Toby selbst.
Ich habe nur noch einen Pinselstrich zu thun, um das Gemälde von Corporal Trim's Charakter zu vollenden – und zwar ist dies die einzige dunkle Linie darin. – Der Bursche gab gerne einen guten Rath – oder vielmehr er hörte sich gerne reden; sein Benehmen war jedoch so respectvoll, daß es leicht war ihn schweigend zu erhalten, wenn er einmal schwieg; war aber seine Zunge einmal im Gange – so gab es kein Aufhalten mehr – sie war zu geläufig. Allein das beständige Durchspicken seiner Rede mit »Euer Gnaden« und sein ganzes achtungsvolles Wesen sprach so sehr zu Gunsten seiner Redseligkeit – daß man wol davon belästigt – aber doch dem Manne nicht böse sein konnte. Mein Onkel Toby vollends war selten das eine oder das andere – oder wenigstens hatte dieser Fehler Trimms bei ihm nichts zu sagen. Mein Onkel Toby liebte wie gesagt den Mann; und da er einen treuen Diener immer wie einen gehorsamen Freund ansah – konnte er es nicht über sich gewinnen, ihm den Mund zu stopfen. – So war Corporal Trim.
Wenn ich es wagen dürfte, fuhr Trim fort, Euer Gnaden einen Rath zu geben und meine Ansicht in der Sache auszusprechen. – Das ist mir ganz recht, Trim, erwiderte mein Onkel Toby – sprich nur – sprich ohne Furcht, was du von der Sache denkst, Mann. – Nun denn, versetzte Trim (wobei er keineswegs die Ohren hängen ließ und sich den Kopf kratzte wie ein Bauernlümmel, sondern) indem er sein Haar aus der Stirne strich und sich stramm hinstellte wie vor seine Corporalschaft – ich denke, sagte Trim und stellte dabei seinen linken Fuß, der der lahme war, etwas vor, – und deutete mit der ausgestreckten rechten Hand auf einen Plan von Dünkirchen, der an die Tapete geheftet war – ich denke, sagte Corporal Trim, wobei ich mich übrigens Eurer Gnaden besserem Urtheil gehorsamst unterwerfe – diese Ravelins, diese Bastionen, Courtinen und Hornwerke spielen hier auf dem Papier nur eine armselige, elende, läppische Rolle gegen das was Euer Gnaden und ich daraus machen könnten, wenn wir bei uns auf dem Lande draußen wären und hätten nur eine oder anderthalb Ruthen Grund und Boden, um darauf nach Belieben zu hantiren. Jetzt da der Sommer herannaht, fuhr Trim fort, könnten Euer Gnaden im Freien dabei sitzen und dürften mir nur eine Nographie – (es heißt Ichnographie, bemerkte mein Onkel) – von der Stadt oder Citadelle geben, die Euer Gnaden belagern wollen, und Euer Gnaden sollen mich auf dem Glacis niederschießen lassen, wenn ich sie nicht ganz nach Euer Gnaden Wunsch befestige. – Ja das könntest du recht gut, Trim, sagte mein Onkel. – Denn wenn Euer Gnaden, fuhr Trim fort, mir nur das Polygon angeben wollten und die genaue Länge der Linien und Größe der Winkel – (das könnte ich ganz gut, meinte mein Onkel) – dann würde ich alsbald mit dem Graben beginnen; und wenn mir dann Euer Gnaden nur sagen wollten, wie tief und wie breit er sein solle – (das kann ich auf ein Haar breit hin, versetzte mein Onkel) – so würde ich nach dieser Seite hin gegen die Stadt, die Erde zur Escarpe aufwerfen, und nach jener Seite gegen das offene Land zur Contrescarpe – (Ganz richtig, Trim! rief mein Onkel Toby) – und wenn ich ihnen diejenige Löschung gegeben hätte, die Euer Gnaden wünschen, – so würde ich, wenn Euer Gnaden erlauben, – das Glacis mit Rasen verkleiden, wie es bei den schönsten Festungen in Flandern der Fall ist – (und so wie Euer Gnaden wissen, daß sie es sein sollten) – und würde auch den Wall und die Brustwehr mit Rasen verkleiden. – Die besten Ingenieure nennen sie Gazons, Trim, sagte mein Onkel Toby. – Nun Gazons oder Rasen, das ist gleich, erwiderte Trim; Euer Gnaden wissen, sie sind zehen Mal besser als eine Verkleidung mit Backstein oder Werkstein. – Das weiß ich, Trim, in gewisser Beziehung – bemerkte mein Onkel Toby und nickte mit dem Kopfe – denn eine Kanonenkugel dringt gerade in den Gazon ein, ohne Schutt nach sich zu ziehen, was (wie dies am St.-Nicolausthor der Fall war) den Graben ausfüllen und das Ueberschreiten desselben erleichtern könnte.
Euer Gnaden verstehen diese Dinge besser als irgend ein Offizier in seiner Majestät Dienst, erwiderte Corporal Trim; – wenn aber Euer Gnaden belieben wollten, die Bestellung mit dem Tisch zu lassen, und aufs Land zu gehen, da würde ich unter Euer Gnaden Leitung wie ein Pferd arbeiten und Euer Gnaden eine Festung machen wie einen Kuchen, mit allen Batterien, Sappen, Gräben und Palissaden, daß die Leute von 20 Meilen weit herreisen würden, um sich's anzusehen.
Mein Onkel Toby wurde scharlachroth, wie Trim so ins Zeug ging; – aber nicht aus Schuldbewußtsein – oder Bescheidenheit – oder Zorn – sondern lediglich aus Freude; – Corporal Trims Project und Schilderung hatte ihn ganz in Feuer und Flammen gesetzt – Trim! sagte mein Onkel Toby, jetzt ist's genug. – Wir könnten, fuhr Trim fort, den Feldzug an dem gleichen Tag eröffnen, da Seine Majestät mit Ihren Verbündeten ins Feld rückten, und dann eine Stadt um die andere demoliren, so schnell als – Trim! fiel ihm mein Onkel Toby ins Wort, nichts weiter! – Euer Gnaden, machte Trim fort, könnten dabei bei schönem Wetter in Ihrem Lehnsessel (er deutete auf diesen) sitzen und mir Ihre Befehle ertheilen, und ich würde – Sei still, Trim, sagte mein Onkel Toby. – Und dabei hätten Euer Gnaden nicht nur ein Vergnügen und einen netten Zeitvertreib – sondern auch gute Luft und gute Motion und Gesundheit – und Euer Gnaden Wunde wär' in 4 Wochen heil. – Du hast jetzt genug gesagt, Trim, sprach mein Onkel Toby und steckte die Hand in die Hosentasche – dein Plan gefällt mir sehr – und wenn Euer Gnaden erlauben, so gehe ich gleich und kaufe einen Pioniersspaten, damit wir ihn mitnehmen können; und bestelle eine Schaufel und eine Spitzhaue und ein Paar, – Trim, sag' nichts mehr! rief mein Onkel Toby und hüpfte ganz außer sich vor Entzücken auf einem Bein hin und drückte Trim eine Guinee in die Hand – Trim, widerholte mein Onkel Toby, kein Wort mehr; – aber geh' gleich hinunter, Trim, und bring mir mein Nachtessen, alter Bursche.
Trim eilte hinunter und brachte seinem Herrn das Nachtessen – aber es war umsonst – Trims Operationsplan ging meinem Onkel Toby so im Kopf herum, daß er keinen Bissen anrühren konnte. – Trim, sagte mein Onkel Toby, bring' mich zu Bett. – Aber es war Alles gleich. – Die Schilderung des Corporals Trim hatte seine Einbildungskraft zu sehr erhitzt; – mein Onkel Toby konnte kein Auge schließen. – Je mehr er die Sache überdachte, desto berückender erschien sie ihm; – so daß er zwei Stunden vor Tagesanbruch zu einem Entschluß gekommen war und den ganzen Plan für seinen und Corporal Trims Abmarsch entworfen hatte.
Mein Onkel Toby besaß ein hübsches, kleines Landhaus in dem Dorfe, wo meines Vaters Gut lag, in Shandy; es war ihm von einem alten Oheim nebst einem kleinen Grundstück, das etwa 100 Pfund jährlich ertrug, vermacht worden. Hinter diesem Hause und unmittelbar daranstoßend, lag ein etwa einen halben Morgen großer Küchengarten; und am Ende desselben und durch eine hohe Eibenhecke davon getrennt, ein Rasenplatz, der gerade so groß war als Corporal Trim gewünscht hatte; – so daß als Trim sagte: »anderthalb Ruthen Grund und Boden würden ausreichen« – dieser Rasenplatz sofort vor dem inneren Auge meines Onkels Toby in den schönsten Farben auftauchte – was die physische Ursache war, daß er die Farbe wechselte, oder wenigstens in dem erzählten Grade röther wurde als gewöhnlich.
Nie eilte ein Liebhaber seiner Geliebten in größerer Aufregung und Erwartung entgegen, als mein Onkel Toby that, um jenes stille Vergnügen zu genießen; – ich sage, stille Vergnügen – denn der Fleck war, wie ich bereits gesagt habe, durch eine hohe Eibenhecke vom Hause getrennt und auf den drei anderen Seiten durch wilde Stechpalmen und dichte Blütensträuche vor jedem sterblichen Auge geschützt; – so daß der Gedanke dabei nicht gesehen zu werden, nicht wenig zu dem Vergnügen beitrug, womit mein Onkel Toby der Verwirklichung seines Planes entgegenschaute. – Eitler Wahn! Wie konntest du nur denken, mein lieber Onkel Toby, daß du Etwas, was anderthalb Ruthen Boden umfaßte – und wenn es noch so dicht umhegt – noch so heimlich war – für dich würdest genießen können – ohne daß es bekannt würde!
Wie mein Onkel Toby und Corporal Trim diese Sache betrieben – das mag zunebst der Geschichte ihrer Feldzüge, die nicht arm an Ereignissen war – ein nicht uninteressantes Zwischenspiel in der Entwickelung und dem Abspielen dieses Drama's geben. – Für jetzt muß ich diese Scene fallen lassen, und mich wieder zu dem Kamin im Wohnzimmer wenden.
Was mögen sie nur haben, Bruder? sagte mein Vater. – Ich denke, erwiderte mein Onkel Toby, – indem er wie gesagt die Pfeife aus dem Munde nahm und die Asche daraus klopfte, während er seinen Satz begann – ich denke, erwiderte er, – es wäre nicht übel, Bruder, wenn wir klingeln würden.
Höre, Obadiah, fragte mein Vater, was soll denn das Gefuhrwerk über unsern Köpfen bedeuten? – mein Bruder und ich können ja kaum verstehen, was wir miteinander sprechen.
Herr Shandy, antwortete Obadiah, wobei er einen Bückling nach seiner linken Schulter hin machte – es hat Frau Shandy sehr scharf gepackt. – Und weßhalb hat Susannah so den Garten hinunter zu rennen, als ob man ihr auf den Leib wollte? – Sie läuft auf dem kürzesten Weg nach der Stadt, Herr Shandy, erwiderte Obadiah, um die alte Hebamme zu holen. – Dann sattle du ein Pferd, sagte mein Vater, und reite zu Dr. Slop, dem Geburtshelfer, und sag' ihm mein Compliment und ich lasse ihm sagen, Frau Shandy befände sich in Nöthen und ich ersuche ihn, schleunigst mit dir zurückzukommen.
Es ist sehr sonderbar, bemerkte mein Vater gegen meinen Onkel Toby, nachdem Obadiah die Thüre geschlossen hatte – da doch so ein geschickter Operateur wie Dr. Slop in der Nähe ist – daß meine Frau gleichwol bis zum letzten Moment auf ihrer eigensinnigen Grille besteht und das Leben meines Kindes, das ein Mißgeschick bereits betroffen hat, der Unwissenheit eines alten Weibes anvertrauen will! – ja nicht nur das Leben meines Kindes, Bruder, – sondern sogar ihr eigenes Leben, und damit das Leben all der Kinder, die ich möglicherweise noch hienach von ihr hätte haben können.
Vielleicht, Bruder, versetzte mein Onkel Toby, vielleicht thut meine Schwägerin das der Unkosten wegen. – Nicht die Spur! – erwiderte mein Vater; – der Doctor muß bezahlt werden, ob er in Thätigkeit tritt oder nicht – im letzteren Fall vielleicht sogar noch mehr – um ihn bei Laune zu erhalten.
Dann kann es aus keinem andern Grunde von der Welt sein, sagte mein Onkel Toby in der Einfalt seines Herzens, als aus Schamgefühl. – Meine Schwägerin würde es wol geniren, käme ein Mann so nahe an sie – ich will nicht bestimmt sagen, ob mein Onkel Toby hiemit seinen Satz schloß oder nicht – zu seinen Gunsten will ich annehmen, er that es – da ich glaube, daß die Beifügung auch nur eines einzigen Wortes denselben keineswegs verschönert hätte.
Wäre andererseits mein Onkel Toby noch nicht ganz an dem Schluß seiner Periode angelangt gewesen – dann verdankt die Welt dem Umstand, daß in diesem Augenblick die Tabakspfeife meines Vaters zerbrach, eines der feinsten Beispiele jener Zierform der Rhetorik, welche die Gelehrten Aposiopesis heißen. – Guter Gott! wie bestimmt doch das Poco più – und das Poco meno der italienischen Künstler, – das unmerkliche Mehr oder Weniger die genaue Schönheitslinie in einem Satz wie an einer Statue! Wie gibt doch ein leichter Druck des Meißels, des Pinsels, der Feder, des Fidelbogens et caetera – die wahre Steigerung, welche gerade das wahre Vergnügen erzeugt! – O theure Landsleute, seid heikel – seid vorsichtig in der Wahl eurer Worte; – vergeßt nie, niemals, von welch kleinen Silben eure Beredtsamkeit und euer guter Ruf abhängt!
Meine Schwägerin, sagte mein Onkel Toby, würde es vielleicht geniren, käme ein Mann so nahe an sie. – Setzt diesen Gedankenstrich und es ist eine Aposiopesis; – nehmt den Gedankenstrich weg und schreibt, – Hintertheil – so wird es eine Zote; streicht Hintertheil und setzt bedeckten Weg, so wird es eine Metapher; – und da die Befestigungskunst meinem Onkel Toby so sehr im Kopfe herumging, so darf ich wol sagen: wenn er seinem Satz noch ein Wort hätte beifügen können, so wäre es gewiß dieses Wort gewesen.
Ob dies aber der Fall war oder nicht – oder ob jenes Zerbrechen von meines Vaters Tabakspfeife im kritischen Augenblick aus Zufall oder aus Aerger geschah, – das werden wir seiner Zeit erfahren.
Obschon mein Vater ein guter Naturphilosoph war, – hatte er doch auch etwas von einem Moralphilosophen. Als ihm daher seine Tabakspfeife in der Mitte abbrach – hätte er als ein Solcher die zwei Stücke ruhig nehmen und sachte ins Feuer fallen lassen müssen. – Das that er aber nicht, er schleuderte sie vielmehr mit der größten Heftigkeit hinein, – und um dieser Handlung noch mehr Nachdruck zu verleihen, – sprang er dabei mit beiden Beinen in die Höhe.
Dies sah etwas hitzig aus; – und die Art wie er meinem Onkel Toby auf seine Aeußerung diente, bewies, daß es wirklich so war.
– Geniren! rief mein Vater, indem er die Worte meines Onkels Toby wiederholte, wenn ein Mann ihr so nahe käme! – Beim Himmel! Bruder Toby, du könntest die Geduld eines Hiob erschöpfen; und ich habe doch wahrlich auch ohne das die Plagen eines Hiob. – Wie so? – Weshalb? – Warum? – Wegen meiner? fragte mein Onkel im höchsten Erstaunen – wenn ich höre, fuhr mein Vater fort, daß ein Mann in deinem Alter, Bruder, die Weiber noch so wenig kennt! – Ich kenne sie gar nicht, – erwiderte mein Onkel Toby, und fuhr er fort, der Stoß, den ich ein Jahr nach der Demolirung von Dünkirchen in meiner Geschichte mit der Wittwe Wadman empfing: – und den ich, wie du weißt, nicht empfangen haben würde, wenn mir nicht alle Kenntniß des Geschlechts abging – er hat mir gerechten Anlaß gegeben zu sagen, daß ich von den Weibern und ihren Angelegenheiten nichts weiß und nichts verstehe, und mir auch gar nicht annahm, etwas davon zu verstehen – Bruder, versetzte mein Vater, du hättest, dächte ich, wenigstens das rechte Ende bei einem Weib vom falschen unterscheiden können.
In Aristoteles Meisterstück heißt es: Wenn ein Mensch an etwas Vergangenes denkt, – so blickte er zur Erde – denkt er aber an etwas zukünftiges, so blickt er zum Himmel empor.
Mein Onkel Toby dachte, scheint's an Keins von Beiden, denn er sah gerade aus. – Das rechte Ende! murmelte mein Onkel Toby vor sich hin und heftete dabei seine Blicke unwillkürlich auf eine kleine Spalte, die durch eine lose Fuge am Kamingesimse entstanden war – das rechte Ende von einem Weib! – ich muß gestehen, sagte mein Onkel, ich weiß so wenig was das sein soll als der Mann im Mond; – und wenn ich mich vier Wochen lang besänne, fuhr mein Onkel Toby fort, wobei er die lose Fuge nicht aus den Augen ließ, ich würde es nicht herausfinden.
Dann will ich dir's sagen, Bruder Toby, erwiderte mein Vater.
Alles auf der Welt, begann mein Vater, und stopfte eine frische Pfeife – Alles auf der Welt, lieber Bruder Toby, hat zwei Enden. – Nicht immer, meinte mein Onkel Toby. – Wenigstens zwei Seiten, versetzte mein Vater, – was auf Eins herauskommt. – Wenn sich nun ein Mann in Ruhe hinsetzt, und bei sich das Machwerk, die Gestalt, die Zusammensetzung, Erreichbarkeit und Zweckdienlichkeit der Theile in Betracht zieht, welche zusammen das animalische Wesen bilden, welches wir Weib nennen, und sie einem analogen Vergleiche unterzieht – den Sinn dieses Wortes habe ich nie recht verstanden, sagte mein Onkel Toby.
Analogie, erklärte mein Vater – bedeutet die Beziehung und Uebereinstimmung von verschiedenen – hier brach ein verwünschtes Pochen an die Thüre, meines Vaters Erklärung entzwei (wie vorhin seine Tabakspfeife) – und schlug damit der bedeutendsten und interessantesten Besprechung, die je aus dem Schooße der Speculation hervorging, den Kopf ein; – es dauerte einige Monate bis mein Vater eine Gelegenheit erwischte, wo er sie in Ruhe loslassen konnte; – und zu dieser Stunde ist es noch so problematisch wie der Gegenstand der Besprechung selbst, – ob ich (in Anbetracht der Verwirrung und Ungelegenheiten unsers häuslichen Mißgeschicks, die einander nun dicht auf den Fersen folgen) im Stande sein werde, im dritten Band einen Platz dafür zu finden oder nicht.
Es ist jetzt etwa anderthalb Stunden ordentlichen, fertigen Lesens her, seit mein Onkel Toby schellte und Obadiah die Weisung erhielt, ein Pferd zu satteln und den Geburtshelfer Dr. Slop zu holen; – so daß Niemand ein Recht hat zu sagen, ich habe Obadiah nicht – in poetischem Sinne und in Anbetracht der Dringlichkeit der Sache – Zeit genug gegeben, um hin und zurückzukommen; – wenn auch in moralischem Sinne und der Wirklichkeit gemäß, der Mann vielleicht kaum so viel Zeit gehabt hätte, um in seine Stiefeln zu kommen.
Wenn ein Hyperkritikus der Sache strenger auf den Leib gehen, etwa eine Pendeluhr zur Hand nehmen und die wirkliche Zeitentfernung zwischen dem Läuten der Glocke und dem Pochen an die Thüre ausmessen wollte; und wenn er dann fände, daß sie nicht mehr als 2 Minuten und 133/5 Sekunden betrage – und mir dann wegen dieses Bruches der Einheit oder vielmehr dieser Sünde gegen die Zeitwahrscheinlichkeit den Kopf waschen wollte, – so würde ich ihn daran erinnern, daß der Begriff der Dauer und ihrer einfachen Modalitäten von dem Gange und der Folge unserer Gedanken abhängt – und daß diese das einzig richtige scholastische Pendel ist – nach welchem ich als Scholastiker in dieser Angelegenheit beurtheilt werden darf, – und daß ich die Herrschaft eines jeden anderen Pendels abweise, abschwöre und verabscheue.
Ich möchte ihn daher ersuchen in Betracht zu ziehen, daß es nur elende 8 Meilen von Shandy Hall bis zum Hause des Geburtshelfers Dr. Slop ist, – und daß während Obadiah diese Meilen hin und her zurücklegte, ich meinen Onkel Toby von Namur durch ganz Flandern bis England brachte: – daß ich ihn dort beinahe 4 Jahre krank hatte – und ihn nachher mit Corporal Trim in einem Vierspänner nahezu zweihundert Meilen weit nach Yorkshire hinunter reisen ließ; – was Alles zusammen die Einbildungskraft des Lesers genügend auf das Erscheinen des Dr. Slop auf der Bühne hätte vorbereiten können – wenigstens ebensogut (hoffe ich) als ein Tanz, ein Gesang oder ein Concert im Zwischenact.
Läßt aber mein Hyperkritikus nicht mit sich reden, und behauptet, 2 Minuten und 13 Secunden seien eben doch nicht mehr als 2 Minuten und 13 Secunden – trotz Allem was ich darüber gesagt habe; und meine Vertheidigung, möge sie mich auch dramatisch retten, verdamme mich doch biographisch und mache mein Buch von diesem Augenblick an zugestandenermaßen zu einem Roman, während es bis dahin ein apocryphisches Buch gewesen; – werde ich wirklich so gedrängt, – nun so mache ich dem ganzen Einwurf und Streit ein für alle Mal dadurch ein Ende, – daß ich ihn benachrichtige, daß Obadiah kaum hundert Schritte vom Stall weg war, als er Dr. Slop begegnete; – und er lieferte wirklich einen ziemlich schmutzigen Beweis dafür, daß er ihm begegnete, ja er hätte um ein Haar einen sehr tragischen liefern können.
Denken Sie sich – doch damit beging ich besser ein neues Kapitel.
Denken Sie sich eine kurze, dicke, ungehobelte Figur von etwa 4½ Schuh vom Boden mit einem so breiten Buckel und einem so vollen Wanst, daß er einem Serganten bei der Leibgarde alle Ehre gemacht hätte, so haben Sie den Dr. Slop.
Das waren also die Umrisse seiner Figur, und wenn Sie Hogarths Analyse der Schönheit gelesen haben – (wenn Sie sie nicht gelesen haben, so wünschte ich, Sie thäten's) – so müssen Sie wissen, daß dieselbe ebensogut mit drei Strichen als mit 300 carikirt und uns zu Gemüthe geführt werden kann.
Denken Sie sich also so eine Figur – denn wie gesagt, das war die Silhouette des Dr. Slop – wie sie langsam Schritt für Schritt auf den vertebrae (Rückgrat) eines kleinen Diminutiv Pony's durch den Schmutz daher watschelt, auf einem Pony, das zwar keine üble Farbe hatte – aber so schwach war, daß es unter einem solchen Gewicht kaum im Paß gehen konnte, wenn die Straßen in einem Paß-baren Zustande waren. – Sie waren es aber dies Mal nicht – und nun denken Sie sich Obadiah wie er auf einem Ungethüm von Kutschengaul ihm im vollen Galopp und in möglichster Eile gerade entgegen kommt.
Erlauben Sie, daß ich Sie einen Augenblick bei diesem Bilde festhalte
Hätte Dr. Slop Obadiah auf die Entfernung einer Meile in einem engen Feldweg in dieser ungestümen Gangart gerade auf sich los rennen sehen, – wie er wie der Teufel durch dick und dünn daher patschte und spritze – hätte eine solche Erscheinung mit diesem Wirbel von Koth und Wasser, der sich mit ihm um seine Achse daher wälzte – hätte sie nicht für Dr. Slop in seiner Lage ein Gegenstand weit ernsterer Befürchtungen sein müssen als der schlimmste von Whiston's Kometen? – Von dem Nucleus, nämlich dem Obadiah und seinem Kutschenpferd will ich gar nichts sagen. Nach meiner Meinung reichte ihr Wirbel allein schon hin, um wo nicht den Doctor, so doch dessen Pony, zu umschlingen und ganz mit fortzureißen. Sie können sich daher denken, welchen Schreck, welche Wasserscheue Dr. Slop empfinden mußte, wenn Sie hören (was nun so fort der Fall sein wird) daß er so sachte im Vorrücken gegen Shandy Hall begriffen und diesem Ort bis auf etwa 60 Schritte nahe gekommen war, und nur noch 5 Schritte bis zu einer plötzlichen Wendung der Straße hatte, er durch den spitzigen Winkel der Gartenmauer veranlaßt wurde, gerade am schmutzigsten Punkt des schmutzigen Weges, als Obadiah und sein Kutschengaul scharf, wie wüthig – bums – gerade auf ihn losstürmten! – Gewiß gibt es in der ganzen Natur nichts Fürchterlicheres als einen solchen Zusammenstoß – um so mehr als er so unerwartet kam und Dr. Slop so ganz unvorbereitet traf.
Was konnte Dr. Slop thun? – er bekreuzte sich † – Oh! – aber mein lieber Herr, der Doctor war katholisch. – Thut nichts, er hätte besser daran gethan, wenn er sich am Sattelknopf gehalten hätte. – Das hätte er auch sollen – ja es wäre dies Mal am besten gewesen, wenn er gar nichts gethan hätte; denn als er sich bekreuzte, ließ er seine Peitsche fallen – und als er diese beim Hinuntergleiten zwischen Knie und Sattelrand zu retten suchte, verlor er den Bügel – und damit auch den Sitz; und bei diesen vielen Verlusten (woraus beiläufig hervorgeht, wie wenig beim Bekreuzen herauskommt) verlor der unglückliche Doctor auch noch alle Geistesgegenwart. Und ohne Obadiah's Anprall abzuwarten, überließ er sein Pony seinem Schicksal und purzelte in schräger Linie darüber hinunter, etwa wie ein Wollsack ohne irgend eine schlimme Folge von dem Fall, außer daß er (wie nicht anders sein konnte) mit seinem breitesten Theil etwa 12 Zoll tief in dem Koth versank.
Obadiah zog seine Mütze zwei Mal vor Dr. Slop, – einmal als er fiel – und dann wieder als er ihn festsitzen sah. – Unzeitige Höflichkeit! – wäre es nicht vernünftiger gewesen, wenn der Bursche sein Roß angehalten hätte, herabgesprungen wäre und Jenem geholfen hätte? – Herr, er that, was nur der Augenblick gestattete: – aber die Triebkraft des Kutschenpferdes war so groß, daß Obadiah nicht Alles auf einmal thun konnte; er ritt drei Mal eine Volte um Dr. Slop, ehe er dazu kam; – und als er endlich sein Thier zum Stehen brachte, geschah es mit einer solchen Kothexplosion, daß es besser gewesen wäre, Obadiah hätte sich eine Wegstunde weiter weg befunden. Kurz noch nie war ein Dr. Slop so verschmiert, so transsubstanziirt worden, seitdem letzteres Mode geworden ist.
Als Dr. Slop in das hintere Zimmer trat, wo mein Vater und mein Onkel Toby sich über die Natur des Weibes unterhielten – war schwer zu entscheiden, ob Dr. Slops Aussehen oder sein Erscheinen überhaupt sie in größeres Staunen versetzte; denn da jener Vorfall so nahe am Hause geschah, daß es Obadiah nicht der Mühe werth erschien, ihn wieder herzurichten – hatte ihn Obadiah hereingeführt wie er war, ungestriegelt. ungerichtet, ungebügelt, mit all seinen Spritzern und Flecken. – Da stand er nun wie Hamlets Geist, regungslos und sprachlos, volle anderthalb Minuten unter der Thüre (wobei Obadiah ihn bei der Hand hielt) in der ganzen Majestät seines Schmutzes: – die hintere Partie, auf die er gefallen war, über und über beschmiert; – und an jedem anderen Theil durch Obadiah's Explosion derart bespritzt, daß man (ohne Mentalreservation) hätte schwören können, jedes Schmutzkörnchen habe getroffen.
Hier wäre nun die schönste Gelegenheit für meinen Onkel Toby gewesen, seinerseits über meinen Vater zu triumphiren; – denn kein Sterblicher, der Dr. Slop in dieser Sauce sah, hätte meines Onkels Toby Ansicht bestreiten mögen; daß seine Schwägerin einen solchen Dr. Slop sich nicht zunahe kommen lassen wolle. – Allein dies wäre ein argumentum ad hominem gewesen; und wenn mein Onkel Toby hiemit nicht bei der Hand war, so glauben Sie vielleicht, daß er sich eines solchen nicht zu bedienen verstanden habe. – Nein, der Grund war: – es lag nicht in seiner Natur, Jemand wehe zu thun.
Dr. Slop's Erscheinen zu dieser Stunde war ebenso unerklärlich wie die Art wie dies geschah; doch hätte mein Vater das Räthsel leicht lösen können. wenn er nur einen Augenblick darüber nachdachte; denn erst vor acht Tagen hatte er Dr. Slop benachrichtigt, daß es bei meiner Mutter ihrer Rechnung nach Zeit sei; und da der Doctor seitdem nichts mehr gehört hatte, so war es ganz natürlich und zugleich sehr klug von ihm, wenn er nach Shandy Hall ritt, wie er wirklich that, lediglich um zu sehen, wie die Sachen stünden.
Allein meines Vaters Geist schlug unglücklicher Weise einen falschen Weg ein, als er darüber nachsann; wie der Geist des Hyperkritikus faßte er nur das Schellen der Glocke und das Pochen an die Thüre ins Auge – maß ihre Entfernung und war so eifrig mit dieser Sache beschäftigt, daß er nichts Anderes denken konnte – die gewöhnliche Schwachheit der größten Mathematiker! die mit aller Macht nur am Beweise arbeiten und ihre ganze Kraft daran setzen, so daß ihnen keine mehr bleibt, um einen nützlichen Schluß daraus zu ziehen.
Auch auf das Sensorium meines Onkels Toby machte das Läuten der Glocke und das Pochen an der Thüre einen starken Eindruck; – rief aber hier einen ganz anderen Gedankengang hervor; – diese zwei unvereinbaren Töne brachten meinem Onkel Toby sofort den großen Ingenieur Stevenius zu Sinn. Was Stevenius hiebei zu thun hatte, – ist jedenfalls das größte Räthsel: – es soll gelöst werden; – aber nicht im nächsten Kapitel.