Laurence Sterne
Tristram Shandy
Laurence Sterne

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

124. Kapitel.

In einem gewissen Sinne war unsere Familie allerdings eine ziemlich einfache Maschinerie, da sie nur sehr wenig Räder hatte; doch war so viel gewiß, daß diese Räder durch so viele verschiedene Federn in Bewegung gesetzt wurden, und nach so viel verschiedenen seltsamen Grundsätzen und Trieben auf einander wirkten, – daß diese einfache Maschine alle Ehren und Vorzüge einer sehr complicirten, – und eine Menge so sonderbarer Bewegungen hatte, wie man sie nur in einer holländischen Seidefabrik sieht.

Darunter gehörte eine, von der ich jetzt reden will und die vielleicht nicht ganz so sonderbar war wie manche andere. Dieselbe bestand darin, daß, welche Bewegung, Besprechung, Anrede, Unterhaltung, Idee oder Verhandlung im Wohnzimmer vor sich gehen mochte, immer zu gleicher Zeit eine ähnliche über den gleichen Gegenstand in der Küche Statt fand.

Um dies zu ermöglichen wurde, wenn eine außerordentliche Botschaft oder ein Brief im Wohnzimmer abgegeben, – oder ein Gespräch auf so lange unterbrochen wurde, bis der Diener das Zimmer verlassen hatte, – oder man eine Wolke der Unzufriedenheit auf der Stirne meines Vaters oder meiner Mutter hängen sah; – kurz, wenn man glaubte, daß irgend etwas los sei, das zu erfahren oder zu erlauschen verlohnte; – wurde die Thüre alle Mal nicht fest geschlossen, sondern eine kleine Spalte gelassen – wie dies eben jetzt der Fall ist; – was man unter dem Vorwand der knarrenden Thürangel (und dies war vielleicht einer der vielen Gründe, warum diese nie gemacht wurde) unschwer bewirken konnte. Hierdurch wurde in all jenen Fällen ein Durchgang belassen, nicht gerade so groß wie der der Dardanellen, aber doch weit genug, um diesen Nebenhandel so fortzuführen, daß mein Vater der Mühe überhoben wurde, sein Haus selbst zu regieren. Meine Mutter benutzte in diesem Augenblick die Gelegenheit. Obadiah hatte dasselbe gethan, sobald er den Brief, der die Nachricht vom Tode meines Bruders enthielt, auf den Tisch gelegt hatte, so daß, ehe noch mein Vater seine Bestürzung überwunden und seine Rede begonnen hatte, – Trim sich bereits auf die Beine gemacht hatte, um seine Gefühle über den Gegenstand auszusprechen.

Ein eifriger Beobachter der Natur würde, wenn er das ganze Vermögen Hiob's besessen hätte – (obschon die sogenannten eifrigen Beobachter selten einen Groschen besitzen) – gewiß gerne die Hälfte darum gegeben haben, wenn er zwei durch Natur und Erziehung einander so entgegengesetzte Redner, wie Corporal Trim und mein Vater waren, an dem gleichen Sarg hätte reden hören können.

Mein Vater, – ein Mann von großer Belesenheit, – schlagfertigem Gedächtniß, – der an jedem Finger einen Cato, einen Seneca, einen Epictet hatte –

Und der Corporal, – der nichts in seinem Gedächtnisse hatte – dessen einzige Lectüre in seiner Musterrolle bestand – und der keine größeren Namen als eben die der Musterrolle an den Fingern hatte –

Der Eine, durch Gleichniß und Anspielung von Periode zu Periode vorschreitend und dabei (wie Männer von Geist und Phantasie thun) die Einbildungskraft seiner Zuhörer durch seine Gemälde und Bilder unterhaltend und vergnügend –

Der Andere ohne Witz oder Antithese, ohne Pointe oder Abschweifung nach rechts oder links; sondern die Bilder auf der einen, die Gemälde auf der anderen Seite lassend, gerade auf das Herz lossteuernd, wie ihn eben die Natur leitete – O Trim! ich wollte du hättest einen besseren Biographen gefunden! – Ich wollte dein Biograph besäße ein Paar bessere Hosen! – O ihr Kritiker, kann euch denn gar nichts rühren!

125. Kapitel.

Der junge Herr in London ist gestorben, sagte Obadiah.

Der erste Gedanke, den Obadiah's Ausruf in Susanna's Kopf hervorrief, war ein schon zwei Mal gewalkter grünseidener Schlafrock meiner Mutter. – Locke dürfte wol ein Kapitel über die Zuvorkommenheiten der Sprache schreiben. – Dann müssen wir Alle trauern, sagte Susanna. – Aber wohl gemerkt, obschon Susanna selbst das Wort »trauern« aussprach, – verfehlte es doch vollständig seine Bedeutung, es vermochte keine grau oder schwarz gefärbte Idee in ihr zu erwecken: – Alles war grün. – Der grünseidene Schlafrock hing noch immer da.

O das ist der Tod meiner armen Herrin, rief Susanna. – Jetzt ging die ganze Garderobe meiner Mutter vorüber. Welch' ein Reichthum! Da kam ihr rothes Damastkleid, – ihr schwarzgelbes, ihr weiß- und gelbgestreiftes, – ihr braunes Taffetkleid, – ihre geklöppelten Spitzen, ihr Nachtzeug, ihre bequemen Unterröcke. – Nicht ein Fetzen blieb zurück. – Nein, nein! rief Susanna, sie wird nie wieder vom Boden aufsehen!

Wir hatten eine dicke närrische Spülmagd; – ich glaube, mein Vater hielt sie nur, weil sie so dumm war; – sie hatte das ganze Spätjahr hindurch an der Wassersucht gelitten. – Er ist todt, sprach Obadiah – er ist wahrhaftig todt! – Ich nicht, sagte die alberne Spülmagd.

Traurige Neuigkeiten, Trim! rief Susanna und wischte sich die Augen, als Trim in die Küche trat; – Master Bobby ist gestorben und »begraben«! – Das Leichenbegängniß war eine Erfindung von Susanna; – wir werden jetzt Alle trauern müssen, sagte Susanna.

Ich will nicht hoffen, sagte Trim. – Sie wollen nicht hoffen? rief Susanna alles Ernstes. – Das Trauern wollte Trim nicht so leicht in den Kopf wie Susanna. – Ich hoffe, sprach Trim in erklärender Weise, ich hoffe zu Gott, daß die Nachricht nicht richtig ist. – Ich hörte den Brief mit eigenen Ohren vorlesen, erwiderte Obadiah, jetzt werden wir eine Höllenarbeit mit dem Ausstocken des Ochsenmoors bekommen. – O er ist todt, sagte Susanna. – So wahr ich lebe, rief die Spülmagd. – Ich beklage ihn von ganzem Herzen, von ganzer Seele, sagte Trim und stieß einen Seufzer aus, der arme Mensch! – Der arme Junge! – Der arme Herr! Letzte Pfingsten hat er noch gelebt! sagte der Kutscher. – Um Pfingsten! Ach! rief Trim, streckte den rechten Arm aus und nahm sofort dieselbe Stellung an, in der er die Rede vorgelesen hatte, – was ist Pfingsten, Jonathan (so hieß der Kutscher), oder Fastnacht oder irgend eine Zeit dagegen? Stehen wir jetzt nicht hier? fuhr der Corporal fort und stieß das Ende seines Stockes senkrecht auf den Boden, um einen Begriff von Gesundheit und Festigkeit zu geben, – und sind wir nicht (dabei ließ er seinen Hut auf den Boden fallen) dahin, in einem Nu! – Das war wirklich ungemein schlagend! – Susanna brach in einen Strom von Thränen aus. – Wir sind ja nicht von Holz noch von Stein. – Auch Jonathan, Obadiah und das Küchenmädchen zerflossen. – Selbst die alberne dicke Spülmagd, die eben einen Fischkessel auf den Knieen reinigte, war ergriffen. – Das ganze Küchenpersonal drängte sich um den Corporal.

Da ich nun ganz klar einsehe, daß die Erhaltung unserer Verfassung in Kirche und Staat, – vielleicht sogar die Erhaltung der ganzen Welt, – oder was das Gleiche ist, die richtige Vertheilung und Ausgleichung ihres Besitztums und ihrer Macht künftig in hohem Grade von dem richtigen Verständniß dieses Kunstgriffs des Corporals abhängt, – so bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit: – Sie sollen dafür zehn Seiten lang, die Sie aus jedem andern Theil des Werks entnehmen können, süß schlafen dürfen.

Ich sagte: Wir sind nicht von Holz noch von Stein; – sehr gut. Ich hätte hinzufügen können, wir sind auch keine Engel, – ich wollte, wir wären welche – vielmehr Menschen mit Körpern und von unserer Einbildungskraft beherrscht, – und daß ein gewaltiges Stück heimlicher Schmauserei zwischen dieser und unsern sieben Sinnen, besonders einigen derselben besteht, muß ich zu meiner Schande gestehen. Hier will ich nur anführen, daß von allen Sinnen das Auge (vom Tastsinn läugne ich es entschieden, so sehr die meisten unserer Barbati dafür sind, wie ich wohl weiß) im schnellsten Verkehr mit der Seele steht, – auf die Phantasie einen schärferen Schlag führt – und dort einen unaussprechlicheren Eindruck hinterläßt, als Worte thun – oder bisweilen loswerden können.

Ich habe etwas abgeschweift; – das thut nichts, es ist gesund – wir kehren nun wieder zu Trims Hut und dessen Sterblichkeit zurück. – Stehen wir jetzt nicht hier, – und im Nu sind wir dahin! – An dem Satz selbst war eigentlich nichts; es war eine jener Binsenwahrheiten, die wir alle Tage hören; und wenn sich Trim nicht mehr auf seinen Hut als auf seinen Kopf verlassen hätte, – so hätte er nichts daraus machen können.

Stehen wir jetzt nicht hier, fuhr der Corporal fort, und sind wir nicht – hier ließ er seinen Hut schwer zur Erde fallen und machte eine kleine Pause ehe er weiter sprach, – dahin, in einem Nu? – Der Hut fiel so dumpf, als ob in den Kopf desselben ein großes Stück Lehm eingedrückt gewesen wäre. – Nichts vermochte die Idee der Sterblichkeit, deren Typus und Vorläufer er war, energischer auszudrücken; – die Hand schien unter ihm nur so wegzugleiten, – er fiel wie todt; – das Auge des Corporals starrte ihm nach, als ob's ein Leichnam wäre; – und Susanna brach in einen Strom von Thränen aus.

Nun gibt es aber 10,000, und 10,000 Mal 10,000 Wege (denn Stoff und Bewegung sind unendlich) wie man einen Hut auf den Boden fallen lassen kann, ohne irgend eine Wirkung zu machen. Er konnte ihn in jeder menschenmöglichen – oder der möglichst besten Richtung schleudern, werfen, fliegen, fahren. hingleiten und fallen lassen; – er konnte ihn plumpsen lassen wie eine Gans, – wie einen jungen Hund – wie einen Esel; – oder er selbst konnte beim oder nach dem Fallen wie ein Dummkopf aussehen, – wie ein Pinsel – wie ein Tölpel, – immer war dann die Wirkung auf das Herz verloren.

Ihr, die ihr diese mächtige Welt und ihre mächtigen Beziehungen mit den Maschinen der Beredtsamkeit regiert, – die jene erhitzen, abkühlen, schmelzen, erweichen und – dann wieder nach Bedarf härten: –

Ihr, die ihr die Leidenschaften mit diesem großen Haspel aufwindet und dreht, und dann die Besitzer derselben dahin führt, wo ihr es für gut findet –

Ihr, die ihr die Leute wie Truthähne mit einem Stock und einem rothen Lappen zu Markt treibt und (warum auch nicht?) ebenso getrieben werdet, – denkt einmal über Trims Hut nach, ich bitte euch, – denkt darüber nach.

126. Kapitel.

Halt ein wenig, lieber Leser, – ich habe eine kleine Rechnung mit dir abzumachen, ehe Trim in seiner Rede fortfährt. – Es soll in zwei Minuten geschehen sein.

Unter vielen andern Buchschulden, die ich übrigens alle seiner Zeit abtragen werde, – bekenne ich der Welt zwei Dinge schuldig zu sein: – ein Kapitel über Kammerjungfern und Knopflöcher, das ich im ersten Theil meines Werkes versprochen und in diesem Jahr vollständig abzutragen beschlossen hatte; allein einige sehr ehrenwerthe Leute versicherten mich, es möchte für die Sittlichkeit bedenklich ausfallen, wenn ich gerade diese zwei Gegenstände zusammenstellte. – Ich bitte daher, mir das Kapitel über Kammerjungfern und Knopflöcher schenken zu wollen, – und dafür das letzte Kapitel anzunehmen, das von nichts handelt als von Kammerjungfern, grünen Kleidern und alten Hüten.

Trim hob den seinigen vom Boden auf, – setzte ihn auf, – und fuhr dann in seiner Rede über den Tod in folgender Art und Weise fort:

127. Kapitel.

Für uns, Jonathan, die wir nicht wissen, was Mangel oder Sorgen sind, die wir hier im Dienst der zwei besten Herren leben (ausgenommen, was mich betrifft, Seine Majestät den König Wilhelm III., dem ich die Ehre hatte in Irland und Flandern zu dienen), für uns ist es, ich gebe es zu, von Pfingsten bis drei Wochen vor Weihnachten nicht lang, – es ist ja wie gar nichts; – für Leute aber, Jonathan, die wissen was der Tod ist, und welche Niederlage und Zerstörung er anrichten kann, ehe Einer rechtsumkehrt gemacht hat, – für die ist es ein ganzes Menschenalter. – O Jonathan! – es könnte das Herz eines braven Mannes bluten machen, fuhr der Corporal fort (während er sich aufrecht hinstellte), wenn man bedenkt, wie viele tapfere und ehrliche Gesellen seit der Zeit hingelegt worden sind. – Und glaube mir, Suschen, setzte der Corporal hinzu, während er sich gegen Susanna wendete, deren Augen in Thränen schwammen, – ehe diese Zeit herumgeht, – können viele helle Augen dunkel werden. – Susanna verstand ihn – sie weinte, – aber sie machte zugleich einen Knix. – Sind wir nicht wie die Blumen auf dem Felde? fuhr Trim fort und sah fortwährend nach Susanna. – Eine Thräne des Stolzes stahl sich zwischen je zwei Thränen der Demuth herab, – sonst wäre Susannes Betrübniß ja ganz grenzenlos gewesen. – Ist nicht Alles Fleisch wie Heu? – Es ist wie Erde, – es ist Koth. – Alle blickten sofort nach der Spülmagd; – die Spülmagd hatte eben einen Fischkessel gescheuert. – Es war von jenen nicht recht.

Was ist das schönste Gesicht, in das je ein Mann schaute? – Ich könnte Trim eine Ewigkeit lang so anhören – rief Susanna. – Was ist es? (Susanna legte Trim die Hand auf die Schulter). – Nur Fäulniß! – Susanna zog die Hand zurück.

Darum eben liebe ich euch, ihr Schönen, – gerade diese köstliche Mischung ist es, die euch zu den süßen Geschöpfen macht, die ihr seid, – und wer euch darum haßt, – der hat entweder einen Kürbis als Kopf oder einen Holzapfel als Herz, – und wenn man ihn einmal secirt, wird man finden, daß es so ist.

128. Kapitel.

Ob nun Susanna, als sie ihre Hand so plötzlich (in Folge eines Umschwungs in ihren Empfindungen) von der Schulter des Corporals zurückzog, – ein wenig die Kette seiner Betrachtungen unterbrach, –

Oder ob der Corporal zu fürchten begann, daß er in das Gebiet der Gelehrten gerathen sei und mehr wie ein Kaplan spreche als wie er selbst, –

Oder ob – – –

Oder ob – denn in allen solchen Fällen kann ein Mann von Erfindungsgeist und Talent mit Vergnügen ein Paar Seiten mit Annahmen füllen, – kurz der wißbegierige Physiologe oder der wißbegierige Der und Der mag entscheiden, was die Schuld trug – soviel ist gewiß, daß der Corporal in folgender Weise in seiner Rede fortfuhr:

Was mich betrifft, so muß ich sagen, daß ich außerhalb dem Hause den Tod für gar nichts anschlage, – nicht für soviel – setzte der Corporal hinzu und schnippte mit den Fingern; – und zwar mit einem solchen Ausdruck im Gesicht, wie ihn nur der Corporal zu Stande brachte. – In der Schlacht schlage ich den Tod nicht soviel an – nur soll er mich nicht so schändlich treffen wie den armen Joe Gibbons, der gerade sein Gewehr reinigte. – Was ist der Tod? – Ein Druck am Drücker, – ein zolltiefer Stoß mit dem Bajonnet bald dahin bald dorthin macht Alles. Sieh' an der Linie hinunter – rechts – da sieh! Da liegt Jack! Gut! – Es ist so gut als ob er (der Tod) ein Regiment zu Pferd bekommen hätte. – Nein! – es ist Dick. – Dann schadet es Jack auch nichts. – Gleichviel welcher! – wir rücken weiter – in heftiger Verfolgung; selbst die Wunde, die den Tod bringt, wird nicht gefühlt, – das Beste ist, man geht ihm gerade entgegen; – der Mann, der flieht, ist zehn Mal mehr in Gefahr, als der ihm ins Gesicht sieht. – Ich habe ihm hundert Mal ins Gesicht gesehen, setzte der Corporal hinzu, – und weiß was er ist. Gar nichts will er heißen im Feld, Obadiah. – Aber in einem Hause ist er sehr schrecklich, sagte Obadiah. – Auf einem Kutschbock schlag ich ihn gar nichts an, sagte Jonathan. – Im Bett, versetzte Susanna, muß er meiner Meinung nach am natürlichsten sein. – Und wenn ich ihm entrinnen könnte, wenn ich in das elendste Kalbfell kröche, aus dem je ein Tornister gemacht wurde, so würde ich es nicht im Bett thun, – sagte Trim; aber das ist natürlich.

Eine Natur ist für die andere, sagte Jonathan. – Und deshalb thut es mir so leid um meine Herrin, rief Susanne – Sie wird es nie überwinden. – Am meisten in der Familie dauert mich der Kapitain, sagte Trim; die Frau wird ihr Herz durch Weinen erleichtern, – und der Herr durch darüber Sprechen, – aber mein armer Kapitain wird es im Stillen bei sich behalten. – Da werde ich ihn wieder einen ganzen Monat lang in seinem Bett seufzen hören, wie er's um den Lieutenant Le Fever that. – Seufzen Euer Gnaden doch nicht so erbärmlich, pflegte ich zu ihm zu sagen, wenn ich so neben ihm lag. – Ich kann nichts davor, Trim, sagte dann mein Herr; 's ist ein so trauriger Fall, – ich bringe ihn nicht aus dem Kopf. – Euer Gnaden fürchten doch selbst den Tod nicht. – Ich hoffe, Trim, ich fürchte nichts, pflegte er zu antworten, als ein Unrecht zu thun. Nun, setzte er dann allemal hinzu, was auch geschehen mag, so will ich mich jedenfalls Le Fever's Knaben annehmen. Und damit fielen seine Gnaden in Schlaf, als ob er ein beruhigendes Tränklein genommen hätte.

Ich höre Trims Geschichten von dem Kapitain gar zu gerne, sagte Susanna. – Es ist der gutherzigste Herr, der je gelebt hat, sagte Obadiah. – Ja wohl, und so tapfer wie nur irgend Einer vor einer Abtheilung herschritt, sagte der Corporal. – Nie gab es einen bessern Offizier in des Königs Armee – oder einen besseren Menschen in Gottes Welt; denn er wäre gegen die Mündung einer Kanone marschirt, und wenn er die angezündete Lunte schon am Zündloch gesehen hätte; – und doch hat er bei all dem ein Herz so weich wie ein Kind für andere Leute; – er könnte keinem Hühnchen ein Leid anthun. – Einen solchen Herrn, sagte Jonathan, würde ich eher für sieben Pfund jährlich kutschiren, als einen Anderen für acht. – Jonathan, sagte der Corporal und schüttelte ihm die Hand, ich danke dir für die zwanzig Schilling, gerade wie wenn du sie mir in meine Tasche gethan hättest. – Ich würde ihm bis zum Tag meines Todes aus reiner Liebe dienen. Er ist mir Freund und Bruder; – und wüßte ich, daß mein armer Bruder Tom todt wäre, – fuhr der Corporal fort und zog sein Taschentuch heraus, – und hätte ich 10,000 Pfund im Vermögen, so würde ich jeden Schilling dem Kapitain vermachen. – Trim konnte die Thränen nicht zurückhalten, als er diesen testamentarischen Beweis von seiner Anhänglichkeit an seinen Herrn gab. – Die ganze Küche war gerührt. – Erzählen Sie uns doch die Geschichte von dem armen Lieutenant, sagte Susanna. – Herzlich gerne, erwiderte der Corporal.

Susanna, die Köchin, Jonathan, Obadiah und Corporal Trim bildeten einen Kreis um das Feuer – und nachdem die Küchenmagd die Küchenthüre geschlossen hatte, – begann der Corporal.

129. Kapitel.

Ich will ein Türke sein, wenn ich nicht meine Mutter so vollständig vergessen habe, als ob mich die Natur in Lehm geformt und nur so nackt, ohne eine Mutter an den Ufern des Nil ausgesetzt hätte. – Ihr gehorsamster Diener, Madame. – Ich habe Ihnen sehr viel Mühe gemacht, – ich wollte, es wäre der Mühe werth; – aber Sie haben einen Bruch in meinem Rücken gelassen; und hier vorn ist mir ein großes Stück abgefallen, – und was soll ich mit diesem Fuß anfangen? – Ich werde niemals damit bis England kommen.

Ich wundere mich nie über etwas, – und mein Urtheil hat mich so oft in meinem Leben getäuscht, daß ich ihm nie recht traue, mag es nun richtig oder unrichtig sein; – wenigstens werde ich selten wegen kühler Dinge hitzig. Aus all diesen Gründen habe ich vor der Wahrheit so viel Achtung als irgend Jemand; und wenn sie uns entschlüpft ist, so will ich gern, wenn mir nur Jemand die Hand bieten und ruhig mir darnach suchen helfen will wie nach einem Ding, das wir beide verloren haben, und ohne das wir beide nicht wohl sein können, – bis an der Welt Ende mit ihm gehen. – Aber ich hasse Wortstreite, – und möchte daher (religiöse oder gesellschaftliche Punkte ausgenommen) lieber Alles unterschreiben, was mich nicht von vornherein würgt, nur um in keinen Streit verwickelt zu werden. – Aber das Ersticken kann ich nun einmal nicht ertragen, – und üble Gerüche am wenigsten. – Aus diesen Gründen war ich von Anfang an entschlossen, wenn je die Armee der Märtyrer vermehrt, – oder eine neue errichtet werden sollte, – mich in keiner Weise dabei zu betheiligen.

130,. Kapitel.

Doch um wieder auf meine Mutter zu kommen.

Die Ansicht meines Onkels Toby, Madame: »Daß es nichts habe auf sich haben können, wenn der römische Prätor Cornelius Gallus bei seiner Frau gelegen habe« – oder vielmehr die letzten Worte dieser Ansicht – (denn nur diese vernahm meine Mutter) – trafen sie am schwächsten Theile ihres Geschlechts; – aber ich bitte mich nicht mißzuverstehen, – ich meine ihre Neugierde; – sofort schloß sie daraus, daß sie selbst der Gegenstand der Unterhaltung gewesen sei, und bezog, wie man leicht begreifen wird, in dieser Voreingenommenheit jedes Wort, welches mein Vater sagte, auf sich und ihre Familienverhältnisse.

Nun, Madame, in welcher Straße wohnt die Dame, die nicht ganz dasselbe gethan haben würde?

Von der sonderbaren Art wie Cornelius starb, war mein Vater auf den Tod des Socrates hinübergesprungen, und gab meinem Onkel einen Auszug von dessen Vertheidigung vor dessen Richtern; – sie war unwiderstehlich: – ich meine nicht die Rede des Socrates, – sondern die Versuchung, die mein Vater empfand sie zu halten. – Er hatte selbst ein Jahr, ehe er sein Handelsgeschäft aufgab, das Leben des Socrates geschrieben;Mein Vater wollte nie seine Einwilligung dazu geben, daß es gedruckt würde; es befindet sich, nebst einigen andern Abhandlungen von ihm im Manuscript in der Familie. Alle oder die meisten dieser Abhandlungen sollen seiner Zeit gedruckt werden. ich fürchte, daß dies wesentlich dazu beitrug, ihn aus dem Geschäft zu treiben. – Somit konnte Niemand mit einem volleren Segel und einer größeren Flut heroischen Schwunges auf die Sache losgehen wie mein Vater. Kein Satz in Socrates Rede schloß mit einem kürzeren Worte als Transmigration oder Annihilation, – oder trug einen geringeren Gedanken in der Mitte als Sein oder Nichtsein – den Eintritt in einen neuen unbekannten Zustand der Dinge oder in einen langen, tiefen und friedlichen Schlaf ohne Träume oder Störungen! – oder den Satz: Daß wir und unsere Kinder geboren seien, um zu sterben, – aber keines von uns geboren sei um Sklave zu werden. – Doch nein! Da täusche ich mich; der gehört zur Rede des Eleazer, wie sie Josephus (de Bell. Judaic.) bringt. – Eleazer gesteht, daß er sie von einem indischen Philosophen habe. Ohne Zweifel hat Alexander der Große bei seinem Einfall in Indien, nachdem er Persien niedergeworfen, unter den vielen Dingen, die er gestohlen, auch diesen Gedanken gestohlen; auf diese Art wurde derselbe, wenn auch nicht direct durch ihn (da er bekanntlich in Babylon starb), so doch durch seine Soldateska nach Griechenland gebracht, – von Griechenland kam er nach Rom, – von Rom nach Frankreich, – und von Frankreich nach England. – So kommen die Sachen herum: –

Natürlich wenn man Landfuhrwerk benutzt, in diesem Fall wüßte ich wenigstens keinen anderen Weg.

Zur See hätte der Gedanke leicht den Ganges hinab in den Sinus Gangeticus oder die Bai von Bengalen und von da in das indische Weltmeer kommen können; wenn er dann den Handelsweg verfolgte, so mochte er (da der Weg von Indien um das Cap der guten Hoffnung damals noch unbekannt war) leicht mit anderen Droguen und Spezereien das rothe Meer herauf bis Joddah, in den Hafen von Mecca oder auch nach Tor oder Suez, Städten am Ende des Golfs gelangen können; von da aber mit Karavanen nach dem nur drei Tagereisen entfernten Coptos, dann den Nil hinab nach Alexandrien, wo der Gedanke am Fuß der großen Treppe zur Alexandrinischen Bibliothek hätte landen können; – von diesem Magazin aus konnte er dann abgeholt werden. – Guter Gott! was haben die Gelehrten damals für Handel getrieben!

131. Kapitel.

Nun hatte mein Vater eine gewisse Art, die etwas an Hiob erinnerte (falls je ein solcher Mann gelebt hat, – denn wenn dies nicht der Fall ist, so ist die Geschichte gleich aus).

Es wäre übrigens, da es den Gelehrten immer schwer wird, die Periode genau zu bestimmen, in welcher ein so großer Mann lebte, – zum Beispiel ob vor oder nach den Patriarchen u. s. w. – etwas grausam, daraus den Schluß ziehen zu wollen, daß er gar nicht lebte: – das wäre nicht so gehandelt, wie die Herren Gelehrten selbst behandelt sein möchten. – Wie dem nun sei, – mein Vater, sage ich, hatte eine gewisse Art, wenn es ihm sehr schlecht ging, besonders im ersten Anlauf seiner Ungeduld, – wo er sich dann wunderte, weshalb er eigentlich auf der Welt sei – wo er wünschte, er wäre lieber unter dem Boden – bisweilen noch etwas Schlimmeres: – und wenn er besonders aufgeregt war und der Schmerz seine Lippen mit mehr als gewöhnlicher Gewalt berührte, – dann, mein Herr, hätten Sie ihn kaum von Socrates selbst unterscheiden können. – Jedes Wort athmete dann die Gesinnungen einer Seele, die das Leben verachtete und allen seinen künftigen Geschicken unbekümmert entgegen sah. Obschon daher meine Mutter keine Frau von großer Belesenheit war, so war ihr doch der Auszug aus der Rede des Socrates, den mein Vater meinem Onkel Toby gab, nicht ganz neu. – Sie lauschte mit gefaßtem Verständniß und würde dies bis zum Schluß des Kapitels gethan haben, wenn nicht mein Vater (was er eigentlich nicht zu thun brauchte) in jenen Theil der Rede gefallen wäre, wo der große Philosoph seine Verbindungen, Verwandtschaften und Kinder aufzählt; jedoch keineswegs durch ein solches Einwirken auf die Leidenschaften seiner Richter seine Rettung herbeiführen will. – Ich habe Freunde, – ich habe Verwandte, – ich habe drei verlassene Kinder – sagt Socrates. –

So, rief meine Mutter und riß die Thüre auf, – dann haben Sie eines mehr, Herr Shandy, als mir bekannt ist.

Bei Gott! ich habe eines weniger, – sagte mein Vater, stand auf und ging zum Zimmer hinaus.

132. Kapitel.

Es handelt sich um die Kinder des Socrates, sagte mein Onkel Toby. – Der ist ja schon vor hundert Jahren gestorben, erwiderte meine Mutter.

Mein Onkel Toby war kein Chronolog; – da er aber keinen Schritt anders als auf ganz sicherem Boden thun wollte, legte er seine Pfeife mit Ueberlegung auf den Tisch, stand auf, nahm meine Mutter sehr freundlich bei der Hand und führte sie, ohne ein gutes oder schlimmes Wort zu sagen, hinter meinem Vater her, damit dieser selbst die weitere Aufklärung geben möchte.

133. Kapitel.

Wäre dieses Buch ein Possenspiel, was anzunehmen eigentlich kein Grund vorliegt, wofern man nicht aller Welt Leben und Meinungen ebensogut als ein Possenspiel betrachten will, wie das meinige, – dann hätte mit dem vorigen Kapitel der erste Act desselben geendet; und dieses Kapitel müßte dann folgendermaßen beginnen:

Ptr – r – r – ing, – twing, – twang, – prut, – trut eine verdammt schlechte Geige! – Wissen Sie denn, ob meine Geige gestimmt ist oder nicht? – trut – prut. – Das hätten Quinten sein sollen. – Sie ist erbärmlich bezogen. – Tr – a – e – i – o – u – tweng. – Der Steg ist um eine Meile zu hoch und das Stimmholz ist ganz hin, – sonst – trut – prut. – Hören Sie! der Ton ist nicht so schlecht. – Diddel, diddel, diddel diddel, diddel diddel dum. Es will nichts heißen vor guten Richtern zu spielen; – aber da steht ein Mann, – nein, nicht der mit der Rolle unter dem Arm – der ernste schwarzgekleidete Mann. – Der Tausend! nicht der Herr mit dem Degen an der Seite. – O mein Herr, ich wollte lieber Kalliope selbst ein Capriccio vorspielen, als daß ich vor diesem Mann meinen Bogen über die Geige zöge; und doch wette ich meine Cremoneser Geige gegen eine Maultrommel, was doch die größte musikalische Wette ist, die je da war, daß ich in diesem Augenblick auf meiner Geige 350 Stunden weit außerhalb der Stimmung verbleiben will, ohne ihm einen einzigen Nerv zu beleidigen. – Twaddel diddel –

twaddel diddel – twiddel diddel – twoddel diddel, – twuddel diddel; – prut – trut, – krisch – krasch – kresch. – Ich habe Sie damit zu Grunde gerichtet, mein Herr; aber ihm hat es gar nichts gethan; – und wenn nach mir Apollo selbst zur Geige griffe, er könnte ihm nicht wohler thun. Diddel diddel, diddel diddel, diddel diddel, – hum – dum – drum.

Die Herrschaften lieben Musik, und Gott hat Sie Alle mit guten Ohren beschenkt, – und Einige von Ihnen spielen selbst ganz köstlich; – trut – prut, – prut trut.

O es gibt einen Mann – ich könnte Tageweise dasitzen und ihm zuhören – seine Kunst besteht darin, daß er das was er geigt einem zum Gefühl bringt, – daß er mir seine Freuden und Hoffnungen einzuflößen weiß, und die verborgensten Federn meines Herzens in Bewegung setzt. – Wenn Sie fünf Guineen von mir borgen wollten, mein Herr, – was in der Regel zehn Guineen mehr ist als ich übrig habe – oder wenn Sie, meine Herren Apotheker und Schneider gern Ihre Rechnungen bezahlt bekommen möchten – dann wäre die rechte Zeit dazu.

134. Kapitel.

Das Erste, was meinem Vater in den Kopf kam, nachdem die Verhältnisse in der Familie einigermaßen wieder in Ordnung waren und Susanna den grünseidenen Schlafrock meiner Mutter erhalten hatte – war, daß er sich nach dem Beispiele Xenophon's kaltblütig niedersetzte und eine Tristrapädia oder Erziehungslehre für mich niederschrieb. Zu dem Ende sammelte er zuerst seine eigenen zerstreuten Gedanken, Einfälle und Bemerkungen und faßte sie zu einer Verordnung über die Erziehung meiner Kindheit und meines Jünglingsalters zusammen. – Ich war der letzte Einsatz meines Vaters; – er hatte meinen Bruder Bobby vollständig verloren; – aber nach seiner Berechnung auch volle drei Viertheile von mir, – das heißt, er war in seinen ersten drei großen Würfen für mich: – meiner Zeugung, meiner Nase und meinem Namen unglücklich gewesen; – es war jetzt nur noch dieses Eine übrig. Mein Vater widmete sich daher demselben mit ebensoviel Hingebung als nur jemals mein Onkel Toby sich seiner Geschoßlehre gewidmet hatte. – Der Unterschied zwischen beiden war nur, daß mein Onkel Toby seine ganzen Geschoßkenntnisse aus Nicolaus Tartaglia holte. – Mein Vater dagegen spann die seinige, Faden für Faden, aus seinem eigenen Gehirn, – oder hatte Alles, was andere Spinner und Spinnerinnen vor ihm gesponnen hatten, so zusammengehaspelt und gedreht, daß es fast die gleiche Qual für ihn war.

Im Lauf von drei Jahren oder etwas mehr war mein Vater fast bis in die Mitte seines Werkes gelangt. – Wie alle andern Autoren hatte auch er seine Enttäuschungen. – Er bildete sich anfangs ein, er könne Alles, was er zu sagen habe, in einen so gedrängten Raum bringen, daß, wenn es fertig und gebunden wäre, es in das Nähkästchen meiner Mutter gehen würde. – Aber die Sache wuchs ihm unter der Hand. – Niemand sollte sagen: Ich will einen Duodezband schreiben!

Mein Vater widmete sich der Sache übrigens mit dem peinlichsten Fleiß und ging Schritt vor Schritt mit derselben Vorsicht und Umsicht (doch darf ich nicht sagen nach so ganz religiösen Grundsätzen) vor wie Johann de la Casse, Erzbischof von Benevent bei Abfassung seiner Galatea, worauf Seine Hochwürden von Benevent fast vierzig Jahre seines Lebens verwendete, und welches Werk, als es endlich heraus kam, nur etwa halb so groß oder dick war als ein Taschen-Kalender. – Wie der heilige Mann dieses anfing, wenn er nicht den größten Theil seiner Zeit damit zubrachte, daß er seinen Bart kämmte oder mit seinem Caplan primero spielte, – das herauszubringen dürfte jeden nicht in das Geheimniß eingeweihten Sterblichen in Verlegenheit bringen; – und deshalb muß ich es der Welt erklären, wäre es auch nur zur Ermuthigung der Wenigen, welche nicht sowol um ihr Brod zu verdienen als um berühmt zu werden schreiben.

Ich gebe zu, daß, wenn der Erzbischof von Benevent Johann de la Casse, dessen Andenken ich (trotz seiner Galatea) die größte Verehrung weihe, – ein seichter Schreiber von blödem Geist, – schwachem Talent, – vernageltem Kopf u. s. w. gewesen wäre, – er und seine Galatea meinethalb bis zu Methusalem's Alter miteinander hätten fort trotteln können; – dieses Phänomen wäre nicht eine Parenthese werth gewesen.

Aber gerade das Gegentheil hievon war der Fall: Johann de la Casse war ein Mann von schönen Talenten, von fruchtbarer Einbildungskraft; und trotz all diesen großen natürlichen Vorzügen, die ihn mit seiner Galatea hätten vorwärtstreiben sollen, war es ihm rein unmöglich im Lauf eines ganzen Sommertags über 1½ Linien vorzurücken. Diese Unfähigkeit Seiner Eminenz entsprang aus einer eigenthümlichen Ansicht, von der er besessen war, – von der Ansicht nämlich: daß wenn nur immer ein Christ ein Buch schreibe (nicht zu seiner Privatunterhaltung nämlich, sondern) um es bona fide drucken zu lassen und herauszugeben, – so seien seine ersten Gedanken immer Versuchungen des Satans. – Dies sei der Stand der Sache bei gewöhnlichen Schriftstellern; wenn aber eine Persönlichkeit von ehrwürdigem Charakter und hohem Rang, sei es in der Kirche oder im Staat, Schriftsteller werde, – dann behauptete er, brächen in dem Augenblick, wo er die Feder zur Hand nehme, – alle Teufel der Hölle aus ihren Löchern, um ihn zu kitzeln. – Es sei ein wahrer Stichtag für sie; jeder Gedanke vom ersten bis zum letzten sei verfänglich; – so köstlich und gut er immer scheine, – es sei Alles gleich; – in welcher Form oder Farbe er auch vor die Einbildungskraft trete – es sei immer ein Streich, den Einer oder der Andere von jenen gegen den Mann richte, und vor dem man sich hüten müsse. – So, daß das Leben eines solchen Schriftstellers, wenn er auch ganz das Gegentheil wähne, nicht sowol ein Zustand der Composition als ein solcher des Kriegführens sei; und ob er in diesem Kampfe bestehe, das hänge wie bei jedem anderen Streiter auf Erden, – bei weitem nicht so sehr von der Höhe seines Geistes – als von seiner Widerstandskraft ab.

Mein Vater fand ein hohes Vergnügen an dieser Theorie des Johann de la Casse, Erzbischofs von Benevent, und würde, glaube ich (wenn es ihn nicht in seinem Glaubensbekenntniß etwas beengt hätte) gern zehn der besten Acker von dem Shandyschen Gute hergegeben haben, wäre er der Urheber derselben gewesen. – In wie weit mein Vater überhaupt an den Teufel glaubte, wird man später sehen, wenn ich im Verlaufe des Werkes daran komme, mich über die religiösen Anschauungen meines Vaters auszusprechen: hier genüge, wenn ich sage, daß er, da er diese Ehre im wörtlichen Sinne der Lehre nicht für sich in Anspruch nehmen konnte – wenigstens die Allegorie derselben aufgriff, und häufig, besonders wenn seine Feder nicht recht vorwärts wollte, zu sagen pflegte. unter dem Schleier der parabolischen Vorstellung von Johann de la Casse sei ebensoviel richtige Anschauung, Wahrheit und Kenntniß verborgen, – wie in irgend einer poetischen Fiction oder mystischen Erzählung aus dem Alterthum. – Das Vorurtheil der Erziehung, pflegte er zu sagen, ist der wahre Teufel, – und die vielen Vorurtheile, die wir in unserer Muttermilch einsaugen, – das sind alle möglichen Teufel. – Sie besuchen uns, Bruder Toby, bei allen unseren Nachtstudien und Forschungen; und wenn ein Mann thöricht genug wäre, Alles geduldig anzunehmen, was sie ihm einflüstern – was würde aus seinem Buche werden? Nichts – pflegt er hinzuzusetzen und warf seine Feder zornig weg; – nichts als ein Mischmasch von dem Ammengeplapper und dem Unsinn der alten Weiber (beiderlei Geschlechts) des ganzen Lands.

Dies ist die beste Erklärung, die ich von dem langsamen Fortschritt meines Vaters in seiner Tristrapädia geben kann. Er war wie gesagt etwas über drei Jahre damit beschäftigt, dabei unermüdlich an der Arbeit und hatte schließlich nach seiner eigenen Rechnung kaum die Hälfte seines Werks vollendet. Leider wurde ich diese ganze Zeit über von ihm total vernachlässigt und blieb lediglich meiner Mutter überlassen; und was fast ebenso schlimm war, gerade durch den Vorzug wurde der erste Theil des Werks, auf den mein Vater die meiste Mühe verwendet hatte, vollständig nutzlos; – tagtäglich wurden eine oder zwei Seiten unbrauchbar.

Gewiß ist es als Strafe für den Stolz menschlicher Weisheit so bestimmt, daß die Weisesten von uns sich so selbst übertölpeln und beständig über ihr Ziel hinausschießen. während sie heftigst bemüht sind es zu verfolgen.

Kurz mein Vater war so ausdauernd in seinen Widerstandshandlungen, oder mit anderen Worten, – er rückte so langsam in seinem Werke vor, und ich begann so rasch zu wachsen und vorwärts zu schreiten, daß, wenn nicht ein gewisses Ereigniß eingetreten wäre – was, wenn wir daran kommen, dem Leser keinen Augenblick verschwiegen bleiben soll, wofern es sich mit Anstand sagen läßt, – ich wirklich glaube, ich wäre an meinem Vater vorbeigesprungen und hätte ihn sitzen lassen, wie er eine Sonnenuhr entwarf, die keinen anderen Zweck hatte, als unter dem Boden begraben zu werden.

135. Kapitel.

– Es war gar nichts: – ich verlor dabei nicht zwei Tropfen Blut; – es war nicht der Mühe werth den Wundarzt zu holen und hätte er Thür' an Thüre mit uns gewohnt. – Tausende erleiden durch freie Wahl, was bei mir ein Zufall that. – Dr. Slop machte zehn Mal mehr daraus als an der Sache war. – Es gibt Leute, die dadurch emporsteigen, daß sie große Gewichte an dünne Drähte hängen: – und bis auf den heutigen Tag (den 10. August 1761) zahle ich einen Theil an dem Ruf dieses Mannes. – O es könnte einen Stein erbarmen, wenn man sieht, wie die Dinge auf dieser Welt gemacht werden! – Das Zimmermädchen hatte keine ††† unter das Bett gestellt. – Wie, Kleiner, sagte Susanna, indem sie mit der einen Hand das Fallfenster in die Höhe zog und mit der andern mir auf den Fenstersims verhalf, – kannst du es für dies eine Mal nicht so besorgen, daß du ††††††?

Ich war fünf Jahre alt. – Susanna bedachte nicht, daß in unserer Familie nichts recht in Ordnung war: – so fuhr denn das Fallfenster wie der Blitz auf uns herab. – O, schrie Susanna, da bleibt mir nichts übrig – als davon zu laufen.

Das Haus meines Onkels Toby war ein weit freundlicheres Asil, und so floh Susanna dorthin.


 << zurück weiter >>