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Der gelehrte Bischof Hall, ich meine den berühmten Dr. Joseph Hall, der unter der Regierung des Königs Jacob I. Bischof von Exeter war, sagt uns in einer seiner Dekaden, am Schluß seiner Göttlichen Kunst der Betrachtung, die in London im Jahre 1610 bei John Beal in der Aldersgatestraße gedruckt wurde: »daß es etwas ganz Nichtswürdiges von einem Mann sei, wenn er sich selbst lobe« – und ich bin in der That der Ansicht, daß es so ist.
Und doch wenn anderer Seits Etwas auf eine meisterhafte Art durchgeführt worden ist, und wahrscheinlich sonst nicht ans Licht gekommen wäre; – so halte ich es für ebenso nichtswürdig, wenn ein Mann die Ehre dieser That verlieren und aus der Welt gehen sollte, mit dem Gedanken, daß es in seinem Kopfe verfaulen solle.
In dieser Lage bin ich nun gerade.
Denn in dieser langen Abschweifung, zu der ich ganz zufällig veranlaßt wurde, wie in allen meinen Abschweifungen (eine einzige ausgenommen) liegt ein Meisterstück der Abschweifungskunst, dessen Werth, wie ich fürchte, die ganze Zeit über von meinem Leser übersehen wurde, – nicht weil es ihm an Scharfsinn gefehlt hätte – sondern weil es ein Vorzug ist, den man in einer Abschweifung selten findet, oder überhaupt erwartet – nämlich, daß, obschon meine Abschweifungen alle an sich sehr schön sind, wie Sie sehen – und ich von dem, woran ich gerade bin, so weit und so oft abschweife als irgend ein Schriftsteller in Großbritannien – ich doch beständig Sorge trage, die Sachen so einzurichten, daß mein Hauptgeschäft deshalb doch in meiner Abwesenheit nicht stille steht.
So war ich zum Beispiel eben daran, Ihnen den höchst wunderlichen Charakter meines Onkels Toby in großen Umrissen zu schildern – als meine Tante Dinah und ihr Kutscher dazwischen kam und uns einige Millionen Meilen weit bis in das Herz des Planetensystems wandern ließ; trotz alle dem, werden Sie aber bemerken, daß die Schilderung von meines Onkels Toby Charakter die ganze Zeit über ruhig weiter ging; – nicht in den großen Umrissen – das war unmöglich – aber in einigen Familienzügen und leichten Andeutungen, die da und dort in unserem Weitergehen berührt wurden, so daß Sie jetzt mit meinem Onkel Toby weit besser bekannt sind, als Sie es vorher waren.
Dieser Kunstgriff macht die Maschinerie meines Werks zu einer ganz eigenthümlichen; sie erhält dadurch zwei entgegengesetzte Bewegungen, die sich doch wieder vereinigen. während man hätte glauben sollen, daß sie einander stören würden. Mit Einem Wort, mein Werk schweift ab und kommt doch vorwärts – und zwar zu gleicher Zeit.
Es ist dies, mein Herr, etwas ganz Anderes als die Umdrehung der Erde um ihre Achse bei ihrem täglichen Weiterrollen, mit ihrem Fortschreiten in einer elliptischen Bahn, wodurch das Jahr vollendet und die Mannichfaltigkeit und der Wechsel der Jahreszeiten, deren wir uns erfreuen, bewirkt wird; – obwol ich zugebe, daß ich dadurch auf den Gedanken kam – wie ich auch glaube, daß die größten Verbesserungen und Entdeckungen, deren wir uns rühmen, aus ähnlichen kleinen Winken entstanden sind.
Abschweifungen sind unläugbar der Sonnenschein – das Leben, die Seele der Lecture – man nehme sie zum Beispiel aus diesem Buche – so könnte man ebensogut das ganze Buch mitnehmen – auf jeder Seite desselben würde ein kalter ewiger Winter herrschen; man gebe sie dem Schriftsteller zurück – und er schreitet daher wie ein Bräutigam – bietet Allen seinen Gruß, bringt Mannichfaltigkeit herein und verhindert, daß der Appetit abhanden kommt.
Die ganze Kunst besteht darin, daß diese Abschweifungen gut gekocht und so hergerichtet werden, daß sie nicht nur dem Leser, sondern auch dem Schriftsteller zu Gute kommen, dessen Noth hiebei wirklich jammernswürdig ist; denn wenn er eine Abschweifung beginnt – im gleichen Augenblick werden Sie bemerken, daß sein ganzes Werk stille steht – und wenn er dann wieder in der Hauptsache fortfährt – ist es mit seiner Abschweifung aus.
Das ist aber ein elendes Geschäft. – Und deshalb sehen Sie, habe ich gleich von Anfang an das Hauptwerk so construirt und die zufälligen Theile desselben mit solchen Einschnitten versehen und die abschweifenden und fortschreitenden Bewegungen so mit einander und in einander verbunden, ein Rad mit dem andern, daß die ganze Maschine im Gang bleibt; – und was noch mehr ist, sie soll ihre 40 Jahre lang so fortgehen, wenn es der Quelle aller Gesundheit gefällt mich solange am Leben und bei guter Laune zu erhalten.
Ich fühle eine starke Neigung in mir, dieses Kapitel mit einem rechten Unsinn anzufangen; ich will auch meiner Laune dies Mal keinen Zwang anthun – und so fahre ich denn folgendermaßen vor:
Wenn, wie der Erzkritikus Momus als wesentliche Verbesserung vorgeschlagen, wirklich ein Glasfenster vor das menschliche Herz gesetzt worden wäre – so hätte dies gewiß in erster Linie eine sehr närrische Folge gehabt – die Weisesten und Ernstesten von uns nämlich hätten in dieser oder jener Münze tagtäglich Fenstersteuer zahlen müssen. Und zweitens wäre besagtes Fenster eingesetzt worden, so hätte es weiter nichts gebraucht, um den Charakter eines Menschen kennen zu lernen, als daß man einen Stuhl genommen hätte und damit sachte, wie an einen gläsernen Bienenkorb herangegangen wäre, und hätte hineingeschaut – die Seele in ihrer Nacktheit betrachtet, – alle ihre Bewegungen und Regungen bemerkt – alle ihre Grillen von ihrem Entstehen bis zu ihrem zum Vorscheinkommen beobachtet – ihre Luftsprünge, ihre Purzelbäume und sonstige Possen mit angesehen, auch ihr feierlicheres Benehmen unmittelbar nach solchen Sprüngen wohl gemerkt – und dann Feder und Tinte genommen und eben nur niedergeschrieben, was man gesehen und was man beschwören konnte. – Allein diesen Vortheil besitzt ein Biograph auf unserem Planeten leider nicht; – auf dem Merkur mag er es vielleicht so finden; wo nicht noch besser – denn dort muß die intensive Hitze des Landes, die auf Grund seiner Sonnennähe als derjenigen des Rothglüheisens gleich berechnet worden ist – meiner Ansicht nach längst die Körper der Bewohner (als wirkende Ursache) zu Glas verwandelt haben, um sie dem Klima (das die Endursache ist) anzupassen, so daß zwischen ihnen beiden das ganze Anwesen ihrer Seelen von Oben bis Unten, was auch die trefflichste Philosophie dagegen sagen mag, nichts Anderes sein kann als ein feiner durchsichtiger Körper von hellem Glas (die Nabelgegend abgerechnet) – so daß bis zu dem Zeitpunkt, wo die Bewohner alt und einigermaßen runzlich werden, in Folge dessen dann die Sonnenstrahlen bei ihrem Hindurchgehen sich so merkwürdig brechen – oder in solchen Kreuz- und Querlinien von der Oberfläche nach dem Auge zurückstrahlen, daß man nicht mehr hindurch sehen kann – die Seele (es sei denn Anstands halber oder wegen des geringen Vortheils, den ihr der Nabel gewährte,) – in jeder anderen Beziehung den Narren gerade so gut außer dem Hause als drinnen spielen könnte.
Allein dies ist, wie ich schon oben bemerkte, bei den Erdenbewohnern nicht der Fall; – unsere Seelen scheinen nicht durch den Körper hindurch, – sondern sind in eine dunkle Hülle von unkrystallisirtem Fleisch und Blut gepackt, so daß, wenn wir den specifischen Charakter derselben kennen lernen wollen, wir schon einen anderen Weg dazu einschlagen müssen.
Mancherlei sind allerdings die Wege, welche der menschliche Scharfsinn gehen mußte, um ein genaues Resultat in dieser Beziehung zu erhalten.
Einige zum Beispiel bestimmen alle ihre Charaktere nach Blasinstrumenten – diesen Weg schlägt Virgil in der Geschichte mit Dido und Aeneas ein – aber dieser Weg ist so trügerisch wie das Blasen der Fama; – und deutet überdies auf einen beschränkten Geist. Es ist mir nicht unbekannt, daß die Italiener behaupten, sie bestimmen eine besondere Art von Charakteren unter ihnen mit mathematischer Sicherheit nach dem Forte oder Piano gewisser bei ihnen im Gebrauch befindlicher Blasinstrumente – und sie sagen, das sei ganz untrüglich. – Ich wage es nicht, dieses Blasinstrument hier mit Namen zu nennen; – es genüge, wenn ich sage, wir haben es auch – doch fällt es uns nicht ein, damit ein Tongemälde, eine Charakterzeichnung zu machen; – ich spreche hier in Räthseln, und zwar absichtlich, wenigstens ad populum; – und deshalb bitte ich Sie auch, Madame, wenn Sie an diese Stelle kommen, so schnell als möglich weiter zu lesen und ja keine Frage darüber zu stellen.
Dann gibt es wieder Andere, welche den Charakter eines Menschen lediglich nach dessen Ausleerungen bestimmen wollen; – dabei erhält man aber oft sehr ungenaue Umrisse – wenn man nicht zugleich auch eine Skizze seiner Wiederauffüllungen entwirft; und indem man die eine Zeichnung durch die andere corrigirt, so aus beiden die richtige Figur zu gewinnen sucht.
Ich habe gegen diese Methode nichts einzuwenden, nur glaube ich, daß sie zu stark nach der Studirlampe riecht – und dadurch noch lästiger wird, daß sie uns zwingt, durch die übrige Nonnaturalia des Menschen ins Auge zu fassen. – Warum man die allernatürlichsten Thätigkeiten im Menschenleben seine Nonnaturalia heißt – ist wieder eine andere Frage.
Dann gibt es viertens noch Andere, welche alle diese Auskunftsmittel verachten – nicht etwa weil sie besonders reich an eigenen sind, sondern weil sie den ehrenwerthen Erfindungen, welche die pentagraphischen Brüder vom Pinsel zu Anfertigung von Copien aufgebracht haben, verschiedene Mittel und Wege entlehnten. – Das, müssen Sie wissen, sind unsere großen Geschichtsschreiber.
So sehen Sie, wie der Eine einen Charakter in Lebensgröße gegen das Licht aufnimmt – das ist nicht liberal – nicht ehrlich – und sehr hart für den Charakter des Mannes, der dazu sitzt.
Andere machen, um die Sache noch besser zu machen, ein Bild von Ihnen in der Camera obscura; – das ist die aller hinterlistigste Methode, denn bei diesem Verfahren dürfen sie versichert sein, daß man Sie in einer Ihrer lächerlichsten Stellungen aufnimmt.
Um all diese Irrthümer bei Schilderung des Charakters meines Onkels Toby zu vermeiden, bin ich entschlossen, bei Zeichnung desselben zu gar keinen mechanischen Hilfsmitteln zu greifen; – auch soll mein Griffel nicht durch irgend ein Windinstrument beeinflußt werden, das schon auf dieser oder jener Seite der Alpen geblasen worden ist; – ebensowenig werde ich seine Auffüllungen oder Entleerungen in Betracht ziehen – oder seine Nonnaturalia berühren; mit einem Wort, ich werde den Charakter meines Onkel Toby auf Grund seines Steckenpferdes entwerfen.
Wenn ich nicht moralisch überzeugt wäre, daß der Leser vor Ungeduld brennt, den Charakter meines Onkels Toby kennen zu lernen – so würde ich ihn hier zum Voraus überzeugt haben, daß kein Instrument so geeignet ist, um so Etwas zu zeichnen als gerade das, auf welches ich verfallen bin.
Ich kann zwar nicht behaupten, daß ein Mann und sein Steckenpferd gerade so aneinander wirken wie Leib und Seele; aber es besteht zweifellos eine gewisse Verbindung zwischen ihnen; und zwar meiner Ansicht nach in der Art wie die Elektricität auf die Körper wirkt – und zwar mittelst derjenigen erwärmten Theile des Reiters, welche in unmittelbare Berührung mit dem Rücken des Steckenpferdes kommen. – Bei langen Ritten und großer Friction wird der Körper des Reiters auf diese Art endlich so voll von Steckenpferdstoff werden, als er überhaupt in sich aufnehmen kann; – so daß wenn man in der Lage ist, eine klare Beschreibung von der Natur des Einen zu geben, man sich eine ziemlich genaue Vorstellung von dem Genius und Charakter des Andern wird machen können.
Nun war das Steckenpferd, welches mein Onkel Toby beständig ritt, nach meiner Ansicht ein solches, daß es wol eine Schilderung verdiente, wäre es auch nur wegen seiner großen Sonderbarkeit – denn Sie konnten von York nach Dover – und von Dover nach Penzance in Cornwall, und von Penzance wieder zurück noch York reisen, ohne auf dem Wege einem ähnlichen zu begegnen; oder wenn Sie je auf ein solches trafen, hätten Sie, und wenn es Ihnen auch noch so pressirte, unfehlbar Halt machen und es sich betrachten müssen. Ja die Gangart und Figur desselben war so eigenthümlich und so ganz anders vom Kopf bis zum Schwanz als alle anderen seiner Rasse, daß man wirklich nicht selten darüber stritt, ob es denn eigentlich ein Steckenpferd sei oder nicht. Wie aber der Philosoph sich gegen den Skeptiker, der ihm die Wirklichkeit der Bewegung bestritt, keines andern Beweisgrundes bediente, als daß er die Beine erhob und durch das Zimmer ging; – so pflegte sich mein Onkel Toby keines anderen Beweises zu bedienen, um darzuthun, daß sein Steckenpferd wirklich ein Steckenpferd sei, als daß er sich auf seinen Rücken schwang und darauf herum ritt, – die Welt mochte sich dann über die Sache lustig machen, wie es ihr beliebte.
Mein Onkel Toby ritt es wirklich mit soviel Vergnügen, und es trug meinen Onkel Toby so schön – daß er sich sehr wenig darüber beunruhigte, was die Welt dazu sagen oder davon denken werde.
Es ist jedoch jetzt höchste Zeit, daß ich eine Beschreibung von ihm gebe: – um jedoch regelrecht vorzugehen, bitte ich nur Sie vorher darüber verständigen zu dürfen, wie mein Onkel Toby dazu kam.
Da die Wunde, welche mein Onkel Toby bei der Belagerung von Namur am Schambein erhalten hatte, ihn zu fernerem Dienst untauglich machte, hielt man es für angezeigt, daß er nach England zurückkehre, um dort womöglich wieder hergestellt zu werden.
Er war vier Jahre lang zum Theil ans Bette, jedenfalls aber an das Zimmer gefesselt; und litt im Laufe seiner Cur, welche diese ganze Zeit über währte, unaussprechliche Trübsal, indem eine Reihe von Abblätterungen vom os pubis und der äußeren Kante desjenigen Theils vom coxendix, der das os ilium heißt, Statt fanden. Diese beiden Knochen waren nämlich ganz schrecklich zerquetscht worden, sowol durch die unregelmäßige Gestalt des Steins, der wie ich Ihnen erzählte vom Wall abgerissen worden war, – als durch die Größe desselben, welche so bedeutend war, daß der Wundarzt auf den Gedanken kam, die große Verletzung, die mein Onkel Toby am Schambein davon getragen, sei mehr der Schwere des Steins selbst als der Triebkraft, die derselbe empfangen, zuzuschreiben – was wie er oft zu sagen pflegte, noch ein wahres Glück sei.
Mein Vater hatte um diese Zeit gerade in London sein Geschäft begonnen und ein Haus gemiethet; und da die treueste Freundschaft und Herzlichkeit zwischen den beiden Brüdern herrschte – und mein Vater dachte, mein Onkel Toby könne nirgend besser als in seinem Hause gepflegt und besorgt werden – wies er ihm das beste Zimmer darin an – und was ein noch aufrichtigeres Zeugniß seiner Zuneigung war, kein Freund oder Bekannter durfte bei irgend einer Gelegenheit sein Haus betreten, ohne daß er ihn bei der Hand nahm und ihn zu seinem Bruder hinaufführte, um ein Stündchen neben dessen Bette zu verplaudern.
Wenn ein Soldat die Geschichte seiner Wunde erzählen kann, kommt er leichter über den Schmerz derselben hinweg; wenigstens dachten die Besucher meines Onkels so; und deshalb brachten sie aus Artigkeit häufig die Rede auf diesen Gegenstand – und von der Wunde verbreitete sich dann in der Regel das Gespräch auf die Belagerung selbst.
Diese Unterhaltungen waren außerordentlich freundlich gemeint, und thaten meinem Onkel Toby ungemein wohl, sie würden ihm aber noch viel wohler gethan haben, wenn sie ihn nicht in unvorhergesehene Verlegenheiten versetzt hätten, welche seine Cur drei volle Monate hindurch sehr verzögerten; und wäre er nicht auf ein Auskunftsmittel verfallen, um sich denselben zu entziehen, so glaube ich wirklich, hätten sie ihn ins Grab gebracht.
Welcher Natur diese Verlegenheiten meines Onkels Toby waren – das können Sie unmöglich errathen; – wenn Sie es könnten – würde ich erröthen; nicht als Verwandter von ihm – noch als Mann – noch sogar als Frau – sondern ich würde erröthen als Schriftsteller; denn ich lege kein geringes Gewicht darauf, daß mein Leser bis jetzt noch niemals im Stande war Etwas zum Voraus zu errathen; und in dieser Beziehung bin ich so ängstlicher und eigener Natur, daß wenn ich glaubte, Sie könnten sich irgend ein Urtheil darüber bilden oder eine annähernde Vermuthung von dem haben, was auf dem nächsten Blatte vorkommen könne – ich es aus meinem Buche reißen würde.Bis hierher ging der ursprünglich I. Theil
Ich habe ein neues Kapitel begonnen, damit ich Raum genug bekomme, um die Natur der Verlegenheiten zu erklären, in welche mein Onkel Toby durch die vielen Unterhaltungen und Fragen über die Belagerung von Namur, wobei er seine Wunde erhielt, gerathen war.
Ich muß den Leser, falls er die Geschichte der Kriege des Königs William gelesen hat, daran erinnern – oder wenn dies nicht der Fall ist, in Kenntniß setzen, daß einer der denkwürdigsten Angriffe bei dieser Belagerung derjenige war, welchen die Engländer und Holländer gegen die Spitze der vorgeschobenen Contrescarpe des Thors St. Nicolas, welche die große Schleuße deckte, richteten, wobei die Engländer dem furchtbaren Feuer von der Contregarde und der Halbbastion St. Roch ausgesetzt waren. Der heiße Kampf schloß in drei Worten damit: daß sich die Holländer auf der Contregarde festsetzten – und daß sich die Engländer zu Herrn des bedeckten Wegs vor dem St. Nicolausthor machten, ungeachtet sich ihnen die französischen Offiziere mit großer Tapferkeit auf dem Glacis mit dem Degen in der Hand entgegenstellten.
Da dies der Hauptangriff war, welchen mein Onkel Toby bei Namur mit eigenen Augen sah, – indem die Belagerer durch den Zusammenfluß der Maas und der Sambre getrennt und somit verhindert waren, viel von den gegenseitigen Operationen zu sehen – so war mein Onkel Toby in der Regel bei dieser Schilderung beredter und ausführlicher; seine vielen Verlegenheiten erwuchsen aber daraus, daß er fast unüberwindliche Schwierigkeiten darin fand, seine Geschichte deutlich vorzutragen, und die Verschiedenheit zwischen Escarpe und Contrescarpe – Glacis und bedecktem Weg – Halbmond und Ravelin so klar zu legen, daß die Gesellschaft vollständig begriff, um was es sich handelte.
Sogar Schriftsteller von Profession verwechseln nicht selten diese Ausdrücke; so daß man sich um so weniger wundern wird, wenn mein Onkel Toby bei seinen Bemühungen dieselben klar zu machen und Mißverständnisse zu beseitigen, seine Besucher oftmals in Verwirrung brachte, manchmal sogar sich selbst.
Die Wahrheit zu sagen, wenn die Gesellschaft, die mein Vater heraufbrachte, nicht aus besonders hellen Köpfen bestand, oder sich mein Onkel Toby in einer besonders glücklichen Erklärerstimmung befand, so war es eine schwierige Sache, das Gespräch von aller Dunkelheit frei zu halten.
Was die Schilderung dieses Gefechts noch verwickelter für meinen Onkel Toby machte, war der Umstand – daß bei dem Angriff auf die Contrescarpe vor dem St. Nicolausthor, die sich von den Ufern der Maas bis zu dem großen Damme herauf erstreckte, – der Grund und Boden von so zahlreichen Dämmen, Kanälen, Rinnen und Schleußen nach allen Richtungen hin durchschnitten und durchkreuzt war, – und er selbst so schrecklich dadurch irre geführt wurde und dazwischen fest saß, daß er häufig nicht mehr vor- noch rückwärts konnte um sein Leben zu retten; und sich deshalb manchmal genöthigt sah, nur aus diesem Grunde den Angriff aufzugeben.
Diese beschämenden Niederlagen brachten meinem Onkel Toby Shandy größere Gemüthsunruhe als man sich vorstellen kann; und da mein Vater in seiner Liebenswürdigkeit immer wieder neue Freunde und neue Frager zu ihm heraufbrachte, – so machte er ihm damit eine höchst peinliche Arbeit.
Mein Onkel Toby besaß allerdings eine große Selbstbeherrschung und konnte, glaube ich, den Schein so gut wahren, wie die meisten Menschen; aber Jedermann kann sich vorstellen, daß wenn er sich nicht aus dem Ravelin zurückziehen konnte, ohne in den Halbmond zu stürzen, oder den bedeckten Weg verlassen ohne die Contrescarpe herabzufallen, noch den Damm überschreiten, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, in den Graben zu rutschen, es innerlich nothwendig in ihm kochen und dampfen mußte; – und das that es auch – und wenn diese kleinen und stündlichen Aufregungen einem Manne, der den Hippokrates nicht gelesen hat, geringfügig und unbedeutend erscheinen mögen, so wird doch der, welcher den Hippokrates oder den Dr. James Mackenzie gelesen und die Wirkungen in Betracht gezogen hat, welche Leidenschaften und Gemütsbewegungen auf die Verdauung ausüben – (und warum nicht diejenigen einer Wunde ebensogut wie die eines Mittagessens?) – leicht begreifen, welche heftige Paroxysmen und Verschlimmerungen meinem Onkel Toby nur aus dieser Ursache für seine Wunden erwuchsen.
Mein Onkel Toby vermochte hierüber nicht zu philosophiren; – für ihn war es genug. daß er fühlte es sei so – und nachdem er Monate lang hierüber Pein und Aerger gehabt hatte, war er fest entschlossen sich auf eine oder die andere Art aus der Affaire zu ziehen. Er lag eines Morgens auf dem Rücken im Bett, denn der Schmerz und die Natur seiner Wunde am Schambein gestattete ihm nicht eine andere Lage anzunehmen, als ihm der Gedanke durch den Kopf fuhr; wenn er sich so was wie einen großen Plan von den Befestigungen der Stadt und Citadelle Namur, nebst Umgegend verschaffen könnte und ihn dann auf einen Tisch klebte, so möchte er dadurch große Erleichterung bekommen. – Ich bemerke absichtlich, daß er neben der Stadt und Citadelle auch noch die Umgegend haben wollte – denn mein Onkel Toby hatte seine Wunde in einer der Traversen erhalten, etwa 30 Toisen vom einspringenden Winkel der Transchee entfernt, gegenüber von dem ausspringenden Winkel der Halbbastion St. Roche; so daß er sich getraute dann mit einer Stecknadel den Fleck zu bezeichnen, wo er gestanden hatte, als ihn der Stein traf.
Das Alles gelang ihm nach Wunsch und befreite ihn nicht nur von einer Menge unangenehmer Erörterungen, sondern es gestaltete sich auch zu dem glücklichen Mittel, wodurch, wie Sie nun lesen werden, mein Onkel Toby zu seinem Steckenpferde kam.
Es gibt nichts Thörichteres, als wenn der, der eine Bewirthung dieser Art gibt, die Sachen so schlecht macht, daß die Kritiker und die Leute von feinem Geschmack sie herabsetzen müssen; auch werden sie durch nichts mehr hiezu veranlaßt, als wenn man sie nicht dazu einladet, oder was ebenso beleidigend ist, wenn man den übrigen Gästen eine so besondere Aufmerksamkeit widmet, als wenn gar keine Kritiker (von Profession) mit bei Tische säßen.
Ich hüte mich vor Beidem; denn erstens habe ich ein Halb Dutzend Plätze eigens für sie offen gelassen; – und dann mache ich ihnen Allen den Hof. – Meine Herren, ich küsse Ihnen die Hände; ich versichere Sie, daß mir keine Gesellschaft halb so angenehm sein könnte wie die Ihrige; – auf Seligkeit, ich bin erfreut Sie zu sehen – ich bitte nur, betrachten Sie sich nicht als Fremde, nehmen Sie Platz ohne Umstände, und greifen Sie herzhaft zu.
Ich sagte bereits, daß ich sechs Plätze freigelassen habe; ich war auf dem Punkt die Artigkeit soweit zu treiben, ihnen sogar einen siebenten zu überlassen – und zwar gerade den Fleck, wo ich selbst stehe; da mir aber ein Kritiker (nicht von Profession, sondern von Natur) sagte, ich habe meine Pflicht gut genug erfüllt, so will ich diesen sofort besetzen, und hoffe zugleich im nächsten Jahre in der Lage zu sein, noch weit mehr Raum bieten zu können. – Wie zum Henker! konnte Ihr Onkel Toby, der wie es scheint, doch Militär war und den Sie als keinen Dummkopf schilderten – zugleich ein so verworrener, dickköpfiger Dunkelmann sein, um – Sehen Sie selbst.
Dies, Herr Kritiker, hätte ich erwidern können; aber ich verschmähe dieses Auskunftsmittel. – Es wäre das unhöflich gesprochen – und würde sich nur für einen Mann passen, der keine klare, ausreichende Rechenschaft von den Dingen ablegen, noch tief genug in die ersten Ursachen menschlicher Unwissenheit und Verworrenheit hinabtauchen kann. Es wäre das überdies die Antwort eines Tapfern gewesen – und deshalb verwerfe ich sie; denn wenn sie auch dem Charakter meines Onkels Toby als Soldat trefflich entsprochen hätte und er sie, hätte er sich nicht daran gewöhnt gehabt bei solchen Angriffen den Lillabullero zu pfeifen, ganz sicher gegeben hätte, da es ihm nicht an Muth fehlte; – so würde sie doch für mich keineswegs ausgereicht haben. Sie sehen sehr deutlich, daß ich als ein Mann von gelehrter Bildung schreibe; – daß selbst meine Gleichnisse, meine Anspielungen, meine Illustrationen und Metaphern gelehrter Natur sind, – und daß ich diesen Charakter aufrecht erhalten und in passender Weise hervorheben muß, – was würde sonst aus mir werden? – Ich wäre rein fertig, geliefert; in dem Augenblick, wo ich hier im Begriff gewesen wäre einen Platz zu besetzen, den eigentlich ein Kritiker in Anspruch nehmen konnte, – würde ich Raum für ein Paar gemacht haben.
Ich antworte daher folgendermaßen:
Sagen Sie mir, mein Herr, haben Sie bei Ihrer großen Belesenheit je einmal ein Buch in die Hand bekommen, das Locke's Abhandlung über den menschlichen Verstand hieß? – Antworten Sie mir nicht zu schnell, – denn ich weiß, daß Viele das Buch citiren, die es nie gelesen haben – und daß Manche es gelesen, aber nicht verstanden haben. – Wenn das Eine oder das Andere bei Ihnen der Fall sein sollte, so will ich Ihnen, da ich ja der Belehrung halber schreibe, in drei Worten sagen, was das Buch enthält. – Es enthält eine Geschichte. – Eine Geschichte? von Wem? worüber? Wo? und wann? – Nicht so hastig! – Ja es ist ein Geschichtbuch, mein Herr (das mag es der Welt möglicherweise empfehlen), und erzählt, was im Innern des Menschen vorgeht; und wenn Sie dies von dem Buche sagen, und nicht mehr, so werden Sie, glauben Sie mir, keine verächtliche Rolle in einem metaphysischen Cirkel spielen.
Doch dies nur beiläufig.
Wenn Sie es nun wagen wollen, weiter mit mir zu gehen und der Sache auf den Grund zu schauen, so werden wir finden, daß es dreierlei Ursachen für die Dunkelheit und Verwirrung im Innern eines Menschen gibt.
In erster Linie, mein Herr, stumpfe Organe, zweitens leichte, vorübergehende Eindrücke von Seiten des betreffenden Gegenstandes, wenn die Organe nicht stumpf sind; und drittens, ein Gedächtniß wie ein Sieb, das nicht im Stande ist das zu behalten, was es in sich aufgenommen hat. – Rufen Sie einmal Ihr Kammermädchen Dolly herab und ich will Ihnen meine Kappe und die Schellen dazu schenken, wenn ich diese Sache nicht so klar auseinandersetze, daß selbst Dolly sie so gut versteht wie Malebranche. – Wenn Dolly ihren Brief an Robin niedergeschrieben hat und dann mit ihrem Arm in die an ihrer rechten Seite hängende Tasche fährt – so nehmen Sie die Gelegenheit wahr, zu bemerken, daß die Organe und Fähigkeiten der Auffassung durch nichts auf der Welt so treffend dargestellt und erläutert werden können als durch das, was Dolly's Hand jetzt sucht. – Ihr Organ ist gewiß nicht so stumpf, daß ich Ihnen erst sagen müßte – es sei ein Endchen rothes Siegellack.
Wenn dieses dann geschmolzen und auf den Brief gefallen ist, und Dolly so lange nach ihrem Fingerhut herumtastet, bis das Wachs bereits zu hart geworden ist, so wird es bei dem gewöhnlichen Druck, den sie zu geben pflegt, das Zeichen ihres Fingerhutes nicht mehr annehmen. Gut! Ist aber Dolly's Lack in Ermangelung eines bessern, gewöhnliches Nähwachs oder sonst zu weicher Natur – so wird es den Eindruck zwar in sich aufnehmen, aber ihn nicht behalten, so fest auch Dolly darauf drücken mag; und endlich angenommen, das Siegellack sei gut und nehme den Fingerhut an, werde aber nur in der Hast aufgedrückt, weil ihr die Gebieterin gerade schellt – so wird in jedem dieser drei Fälle der durch den Fingerhut gemachte Eindruck dem Muster so wenig gleich sehen wie eine Thürschnalle.
Nun müssen Sie wissen, daß keiner dieser Fälle die wahre Ursache von der Verwirrung in der Rede meines Onkels Toby war; und gerade deshalb habe ich mich solange dabei aufgehalten, nach der Gewohnheit der großen Physiologen, – der Welt zu zeigen, woraus sie nicht entstanden sei.
Aus was jenes entstand, habe ich schon oben angedeutet; und es ist dies auch wirklich eine reiche Quelle der Dunkelheit – und wird es immer bleiben – nämlich der schwankende Gebrauch der Worte, und hierdurch sind schon die klarsten und bedeutendsten Köpfe in Verwirrung gebracht worden.
Ich wette Zehen gegen Eins, daß Sie die Literaturgeschichte der Vergangenheit nicht gelesen haben, – haben Sie's aber, welche schreckliche Schlachten, sogenannte Logomachien sind dadurch hervorgerufen und mit Galläpfel und Tintenblut verewigt worden – so daß ein Mann von weichem Herzen die Berichte nicht ohne Thränen im Auge lesen kann.
Edler Kritikus! wenn du dies Alles erwogen, und dir zugleich vor Augen gehalten hast, wie oft dein eigenes Wissen, Reden und Unterhalten hierdurch und nur hierdurch zu einer oder der andern Zeit verwirrt und unter einander gebracht worden ist; – welchen Lärm und Spectakel es bei Berathungen wegen ουσία und υπόστασις gegeben hat; und in den Gelehrtenschulen wegen Kraft und Geist; – wegen Essenz und Quintessenz – wegen Stoff und Raum; – welche Verwirrung auf noch größeren Schauplätzen wegen Worten von wenig Bedeutung und ebenso unbestimmtem Sinne entstanden ist; – wenn du dies Alles bedenkst, so wirst du dich nicht mehr über meines Onkels Toby Verlegenheiten wundern – du wirst eine Thräne des Mitleids auf seine Escarpe und Contrescarpe, – auf sein Glacis und seinen bedeckten Weg, – sein Ravelin und seinen Halbmond fallen lassen: nicht durch Ideen wurde sein Leben gefährdet – beim Himmel! sondern lediglich durch Worte.
Sobald mein Onkel Toby seinen Plan von Namur bekommen hatte, begann er sofort sich dem Studium desselben mit dem größte Eifer zu widmen; denn da ihm nichts wichtiger war als seine Wiederherstellung und diese, wie Sie gelesen haben, von den Erregungen und Bewegungen seines Gemüths abhing, so mußte er sich die größte Mühe geben, um seines Stoffes soweit Herr zu werden, daß er ohne Aufregung darüber sprechen konnte.
Nach vierzehentägiger fleißiger und mühsamer Arbeit, die beiläufig gesagt der Wunde meines Onkels Toby an seinem Schambein keineswegs gut that, – war er mit Hilfe einiger Randbemerkungen unten am Plan, nebst Gobesius aus dem Flämischen übersetzter Militärbaukunst und Feuerwerkerei, so weit gekommen, daß er eine ziemlich klare Rede darüber halten konnte, und ehe er es zwei volle Monate so getrieben hatte – war er sogar ganz beredt hierüber geworden, und konnte nicht nur den Angriff auf die vorspringende Contrescarpe in aller Ordnung ausführen – sondern da er mit der Zeit weit tiefer in die Kunst eindrang, als es für seinen ursprünglichen Zweck nöthig gewesen wäre, war mein Onkel Toby jetzt im Stande, die Maas und Sambre zu überschreiten, Diversionen bis zur Vaubanslinie und zur Abtei von Salsines zu machen, und seinen Besuchern eine so bestimmte Schilderung eines jeden dieser Angriffe zu geben, als desjenigen auf das Thor von St. Nicolaus, wo er die Ehre gehabt hatte seine Wunde zu erhalten.
Allein die Begierde nach weiteren Kenntnissen wächst wie der Durst nach Reichthümern gerade mit Erwerbung derselben. Je mehr mein Onkel über seinem Plan brütete, desto mehr fand er eine Freude daran – nach demselben Prozeß, derselben elektrischen Assimilirung, nach welcher, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, die Seelen der Kenner durch lange Friction mit dem – und Eindringung in den – Gegenstand das Glück haben endlich ganz Kenntnißvoll – Gemäldevoll – Schmetterlingvoll und Geigenvoll zu werden.
Je mehr mein Onkel Toby aus dieser süßen Quelle der Wissenschaft trank, desto größer wurde die Gier und Ungeduld seines Durstes; so daß noch ehe das erste Jahr seiner Krankheit um war, es kaum eine befestigte Stadt in Italien oder Flandern gab, von der er sich nicht auf irgend eine Weise einen Plan verschafft hatte, den er alsbald studirte und sorgfältig mit der Geschichte ihrer Belagerung, Zerstörung, Verstärkung und Vergrößerung verglich, was er mit solch energischem Fleiß und so tiefem Vergnügen that, daß er darüber sich selbst, seine Wunde, seine Abschließung, ja sein Essen vergaß.
Im zweiten Jahre kaufte mein Onkel Toby die Uebersetzungen aus dem Italienischen von Ramelli und Cataneo; dann kamen Stevinus, Moralis, Chevalier de Ville, Lorini, Coehorn, Sheeter, Graf Pagan, Marschall Vauban, Monsieur Blondel und sonst fast noch so viele Bücher über Kriegsbaukunst, als einst bei Don Quijote über das Ritterthum gefunden wurden, als der Pfarrer und der Barbier in seine Bibliothek eindrangen.
Gegen Anfang des dritten Jahres, im August neunundneunzig fand es mein Onkel Toby unerläßlich, auch ein wenig von der Ballistik zu verstehen; und da er es fürs beste hielt, seine Kenntniß gleich an der Hauptquelle zu schöpfen, so begann er mit N. Tartaglia, der zuerst die Entdeckung gemacht zu haben scheint, daß es eine Täuschung sei, wenn man glaube, eine Kanonenkugel verübe all ihr Unheil, indem sie sich in einer geraden Linie bewege. – Dies sei, bewies N. Tartaglia meinem Onkel Toby, ein Ding der Unmöglichkeit.
– Die Erforschung der Wahrheit ist doch ein endloses Geschäft.
Sobald mein Onkel Toby darüber im Klaren war, welchen Weg eine Kanonenkugel nicht mache, sah er sich unvermerkt dahin geführt, und beschloß in seinem Herzen, nachzuforschen und den Weg herauszufinden, den die Kugel wirklich mache; zu welchem Zweck er sich aufs Neue an den alten Maltus machte und ihn eifrigst studirte. – Dann kam er an Galileo und Torricellius, in denen er auf Grund gewisser geometrischer, unfehlbar dargelegter Regeln fand, daß jener Weg genau eine Parabel – oder auch eine Hyperbel sei – und daß der Parameter oder latus rectum des Kegelschnitts besagten Wegs in demselben Verhältniß zur Quantität und zum Umfang stehe, wie die ganze Linie zu dem Sinus des doppelten Einfallswinkels, der durch das Bodenstück mit einer horizontalen Ebene gebildet werde: – und daß der Halbparameter – Halt jetzt, lieber Onkel Toby! – Halt! – geh nicht einen Schuh weiter auf diesem dornenvollen und irreführenden Pfade – verwickelt sind die Treppen! verwickelt die Irrgänge dieses Labyrinths! verwickelt die Verlegenheiten, welche die Verfolgung jenes reizenden Trugbilds Wissen über dich bringen werden. – O Onkel! – fliehe – fliehe – fliehe vor demselben wie vor einer Schlange! – Ist es gut – du Ehrlicher, daß du mit der Wunde an deinem Schambein ganze Nächte aufsitzest und dein Blut durch zehrende Nachtwachen erhitzest? – Ach! das wird deine Zufälle verschlimmern – deine Ausdünstungen hemmen – deine Lebensgeister verflüchtigen – deine animalische Kraft verbrauchen – deine Lebenssäfte vertrocknen – dir Verstopfung zuziehen – deine Gesundheit schädigen und alle Schwächen des Alters beschleunigen. – O mein Onkel! mein Onkel Toby!