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Wir trafen nun Anstalten für unseren Rückzug. Die erste und wichtigste war der Bau einer beweglichen Brücke, die an Stelle der verbrannten Übergänge über die Gräben gelegt werden sollte. Um sie fortzutragen, aufzustellen und wieder wegzunehmen, sowie zu ihrer Bewachung, bis die Artillerie, das Gepäck, die Reiterei und alle Truppen hinüber waren, wurden 150 Hispanier und 400 Tlaskalaner beordert. Die Fortschaffung der Geschütze hatten 50 Hispanier und 250 Tlaskalaner zu bewerkstelligen. Die Vorhut sollten Gonzalo von Sandoval, Franz von Lujo, Diego von Ordas und Andreas von Tapia bilden. Sie hatten die Straße vom Feinde zu säubern. Hierzu bekamen sie noch 8 bis 10 Offiziere und 100 Mann zu Fuß, besonders kräftige und gewandte jüngere Leute. Zwischen dem Gepäck und dem Troß der indianischen Weiber und Gefangenen wollte Cortes selbst mit Alonso von Avila, Christoval von Olid, Bernardino Vasquez von Tapia nebst etlichen anderen Offizieren und 50 Mann zu Fuß seinen Platz haben, um überall eingreifen zu können, wo es nötig war. Die Nachhut sollten Juan Velasquez von Leon und Peter von Alvarado führen. Ihr zugeteilt wurden die Mehrzahl der Reiter, 100 Mann zu Fuß und die Hauptmasse der ehemaligen Truppen des Narvaez. Die Gefangenen, ebenso Dona Marina und Dona Luisa, (die Tochter des alten Xikotenkatl in Tlaskala) vertraute man einer Schutzwache von 30 Hispaniern und 300 Tlaskalanern an.
Nachdem diese Marschordnung bekannt gegeben war, ließ Cortes bei Anbruch der Nacht, durch seinen Leibpagen Christoval Guzmann und andere Leute seines Haushalts alles Gold und Silber sowie alle Kostbarkeiten in einem Gemache zusammentragen. Hierauf mußten die Schatzmeister Alonso von Avila und Gonzola Mexia das kaiserliche Fünftel davon nehmen und auf 8 kranke Pferde und 80 Tlaskalaner verpacken. Zum größten Teil bestand dieser Anteil aus großen breiten Goldbarren. Sowohl den Gäulen wie den Trägern ward so viel wie nur möglich aufgeladen. Danach ließ Cortes seinen Geheimschreiber Pedro Hernandez, den Notarius (Diego von Godoy) und das übrige Schreibervolk kommen und sagte zu ihnen: Setzt euch und stellt mir eine Urkunde auf, daß ich alles getan habe, was in meinen Kräften steht, um dies Gold zu retten! Hier liegt Gold für 700000 Pesos. Ihr seht die Unmöglichkeit, mehr davon wegschaffen zu lassen. Deshalb gestatte ich, daß sich jeder Hispanier, soviel er sich zu tragen getraut, nehmen kann. Ich will nicht, daß diese Schätze den Heidenhunden zur Beute fallen.
Unsere Soldaten, besonders aber die des Narvaez, steckten daraufhin so viel ein, als sie vermochten.
Alsdann wurde zum Abmarsch angetreten. Es war um Mitternacht und ziemlich dunkel. Leichter Nebel lag über der Stadt. Es regnete ein wenig. Als alles in Bewegung, auch die Nachhut bereits im Marsch und die Notbrücke gelegt war, da erhob sich plötzlich wildes Kriegsgeschrei und die schauerliche Musik der Mexikaner. Sie riefen sich einander zu, daß wir abrücken wollten. Alsbald waren wir von Indianerscharen umringt, und auf dem ganzen See wimmelte es von Nachen. Obgleich ein Teil unseres Marschzuges die Brücke schon überschritten hatte, kamen wir hier nun nicht mehr vorwärts, und es entspann sich ein heftiger Kampf um die Brücke. Zwei unserer Gäule glitten auf den nassen Brettern aus, wurden scheu und rutschten in das Wasser. Dadurch verlor die Brücke ihr Gleichgewicht und schlug um. Sofort fielen eine Masse Mexikaner darüber her, und trotz aller unserer Gegenbemühung und obgleich wir viele Feinde niederstießen, verblieb selbige in der Gewalt der Gegner. Da die Hinteren die Vorderen vorwärts drängten, so gerieten immer mehr Pferde und Reiter in den Graben. Nur wer schwimmen konnte, vermochte sich hier zu retten. Von allen Selten fielen uns die Mexikaner mit Ungestüm und ohn Erbarmen an. Eine Menge Tlaskalaner und fast alle unsere Indianerinnen, das ganze Gepäck und sämtliches Geschütz kamen in Feindeshand. Viele Hispanier ertranken und eine nicht geringe Anzahl, die sich schwimmend zu retten suchten, wurden von den Indianern auf den Kähnen eingeholt, herausgefischt und weggeschleppt. Das Rufen und Schreien um Hilfe, das Jammern und Wehklagen ringsum war herzzerreißend.
Jedwede Marschordnung ging verloren. Ein jeglicher war nur noch auf seine eigene Rettung bedacht. Jeder bemühte sich, das Festland zu erreichen. Selbst die Reiter vermochten nichts auszurichten. Von allen Seiten mit Pfeilen, Wurfspießen und Steinen beschossen, starrte ihnen ein Wald von Lanzen, Piken und Schwertern entgegen, vielfach von unseren eigenen, die der Feind den Gefallenen abgenommen hatte. Es war schwer für Roß und Reiter, sich durchzuschlagen. Die Hakenbüchsen und die Armbrüste wurden im Wasser naß und unbrauchbar. Dazu erschwerte die Dunkelheit ohnedies ein genaues Schießen. Selbst das Sichzusammenrotten von je 30 bis 40 Mann half wenig. Man kam dadurch wohl ein Stück vorwärts. Schließlich aber blieb wieder alles stecken und alles lief dann doch auseinander. Nur wer tüchtig um sich hieb, schaffte sich Bahn. Zum Glück war es Nacht.
Endlich erreichten wir bei Takuba das feste Land. Die Vorhut unter Sandoval war bereits angelangt. Eine Menge Reiter und Fußvolk standen da. Wir erkannten einzelne Stimmen. Auf unsere Meldung, was hinter uns vorging, wandten sich Cortes, Sandoval, Olid, Avila, Morea, Rominquez und sechs bis sieben andere Ritter um. Da kam Peter von Alvarado an, hinkend, zu Fuß. Er hatte seine Fuchsstute eingebüßt und stützte sich schwerverwundet auf seine Lanze. Nur sieben Hispanier und acht Tlaskalaner waren noch um ihn, alle triefend von Blut. Als Cortes den Alvarado und seine Begleiter sah und er von ihnen das Schicksal der Nichtangekommenen vernahm, rannen ihm Tränen aus den Augen, denn mit Alvarado waren in der Nachhut 20 Reiter und 100 Mann zu Fuß gewesen. Juan Velasquez von Leon war samt 200 Mann trotz der tapfersten Gegenwehr an der ersten Brücke von den Mexikanern niedergemacht worden.
Auch an der zweiten Brücke hatte ein heftiger Kampf getobt. Nur durch Gottes besondere Gnade war Alvarado gerettet worden. Dort soll auch sein bekannter Sprung mit der Lanze über den Wassergraben vorgefallen seinNoch heute zeigt man die Stelle des Salto de Alvarado.
Pedro von Alvarado, Großritter des Sankt-Jakobs-Ordens, der Eroberer von Guatemala, gestorben 1538 infolge eines Unfalles mit seinem Pferd auf einem Krlegszug ln Neu-Galizien. Dle Indianer haben ihm den Beinamen »Sohn der Sonne« verliehen. Clavigero schildert ihn nach den alten Quellen: «Alvarado war ein wohlgestalteter schöner Mann, sehr gewandt, einnehmend, leutselig gegen jedermann, der Schwelgerei und dem Vergnügen ergeben, wenig heikel in seiner Gier nach Gold, das er als Großtuer und Verschwender rasch wieder unter dle Leute brachte, heftig und manchmal unmenschlich.« 1519 bekam er die Tochter des tlaskalanischen Generals Xikotenkatl, später Doña Luisa genannt, zur Frau. Seine Kinder von ihr sind die Ahnherren heute noch blühender Häuser des spanischen Hochadels. Seine spätere Gattin war Beatrice de la Cueva, mit der er in sehr glücklicher Ehe gelebt hat. Als man ihr den Tod ihres Mannes, des Statthalters von Guatemala, Honduras und Chiapa, vermeldete, brach sie in die Worte aus: »Ein größeres Unglück kann mir Gott fürder nicht schicken!« Sodann schnitt sie sich, ihrer Tochter und allen Frauen ihres Hauses das Haar ab. Auch ließ sie sich sofort von den Truppen Treue schwören. Gomara begeht die Lächerlichkeit, der leidenschaftlichen Frau jene Worte als Gotteslästerung vorzuwerfen. Er berichtet, zur Sühne wäre der nahe Vulkan in Tätigkeit getreten und habe Alvarados Haus zerstört. Alvarado hatte von ihr drei Kinder: Pedro, auf einer Reise nach Spanien verschollen, Diego, gefallen ln Peru; Leonora, verheiratet mit Francisco de la Cueva. Im Buche ist Alvarado weiterhin erwähnt: S. 16, 33, 249, 231, 256f., 260ff., 266ff., 285, 288, 291, 293, 305f., 313f., 353, 359, 360, 372, 385, 392f., 400, 421, 430, 432f., 439ff., 494.