Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das zehnte Kapitel

Zu den Gesandten des Herrn Montezuma, die noch bei mir waren, hab ich nun eine Ansprache gehalten wegen der Verräterei, die in Cholula wider mich geschehen war. Dabei verbarg ich ihnen nicht, daß mir die Edelleute hatten versichert, daß Herr Montezuma der Urheber des Aufruhrs sei. Mich dünke, das Anstiften solch einer Meuterei stünde einem großen Herrn, wie ihr König einer sein wolle, gar übel an. Auf der einen Seite böte er mir durch eine Gesandtschaft seine Freundschaft an, auf der andern Seite aber hetze er Dritte wider uns, und nachdem die Sache nicht nach seinem Wunsche verlaufen sei, leugne er, überhaupt davon zu wissen. Da er sein gegebenes Wort gebrochen, seine Zusage nicht halte und nicht die offene Wahrheit rede, so sei ich entschlossen, nunmehr auch anders zu verfahren. Ehedem wäre es mein Vorhaben gewesen, ihm und seinem Lande in allem Frieden einen Besuch abzustatten, mit ihm in Freundschaft zu verhandeln und ein Bündnis mit ihm zu machen. Jetzt aber sei ich willens, als sein Feind in sein Land einzurücken und ihm allen nur möglichen Schaden anzutun. Solche Notwendigkeit verursache mir großen Kummer, denn ich hätte ihn viel lieber zum Freund und Bundesgenossen gehabt, mir seinen Rat in allen Dingen eingeholt und in seinem Lande ohne sein Einverständnis nichts unternommen.

Die Gesandten haben mir geantwortet, sie hätten, solange sie bei uns seien, keinerlei Kunde von den Umtrieben hierzulande gehabt, und sie wären des festen Glaubens, daß alles das weder auf den Rat des Herrn Montezuma noch seiner Gesinnung gemäß geschehen wäre. Sie bäten mich dringlich, ehe ich ihrem Gebieter meine Freundschaft aussage und Krieg wider ihn führe, solle ich vorher alle Umstände wohl erkunden und mich bemühen, die Wahrheit zu erfahren. In dieser Absicht möcht ich einem von ihnen Urlaub erteilen und zu Herrn Montezuma abfertigen, der mit ihm über all dies spräche und sich darauf baldigst wieder bei mir einstellen werde. Von Cholula bis Temixtitan, der Hauptstadt des Herrn Montezuma, aber seien es nur noch 20 Meilen.

Ich gab zur Antwort, der Vorschlag gefalle mir. Also hab ich einen von den Gesandten reisen lassen. Nach sechs Tagen kam er zurück, zugleich mit ihm auch ein anderer, der schon vordem bei mir gewesen und wieder abgegangen war. Die beiden brachten mir mit zehn feingoldene Schüsseln, anderthalb tausend Stück Stoffe, eine Menge Hühner und reichlich Panikap. Das ist Maiswein, das Lieblingsgetränk hierzulande. Dazu vermeldeten sie mir, Herr Montezuma wäre über den Anschlag der Cholulaner auf das höchste empört. Ich solle gewiß sein, daß er nicht in seinem Sinne noch gar auf seinen Rat hin geschehen wäre. Er gäbe mir sein Wort, das Kriegsvolk, das in der Nähe stünde, wäre ihm zwar Untertan, indessen wäre es ohne seinen Befehl, vielmehr von den Cholulanern gerufen, eigenmächtig ausgerückt, und zwar aus den Grafschaften Akazingo und Izukar, Nachbargebieten von Cholula. Zwischen denen und besagter Stadt bestünde ein Vertrag, daß eins dem andern in der Not zu Hilfe käme. Aus dieser Ursache wäre jenes Kriegsvolk herbeigeeilt, nicht aber auf den Befehl des Herrn Montezuma. An dessen künftigem Verhalten werde ich erkennen, ob dies die Wahrheit wäre oder nicht. Zu guter Letzt bäte er mich ernstlich, ich solle nicht in sein Reich ziehen, denn es sei unfruchtbar und mir werde daselbst nur Ungemach widerfahren. Ich solle aber, wo ich auch wäre, zu ihm schicken und ihm anzeigen, welcher Dinge ich bedürftig wäre. Er wolle mir jeden Begehr gern erfüllen.

Ich habe den Gesandten geantwortet, ich müsse meinen vorgenommenen Weg weitermarschieren, denn es sei meine Pflicht, Eurer Kaiserlichen Majestät von Herrn Montezuma und seinem Reiche auf das genaueste zu berichten. Ich wolle auch alles glauben, was er mir durch seine Gesandten habe vermelden lassen. Da ich aber nicht anders könne, als ihm einen Besuch abzustatten, so möge er mir dies nicht erschweren; andernfalls wäre es zu meinem Leide sein größter Schaden.

Als er nun merkte, daß es mein fester Wille war, ihn und sein Land heimzusuchen, da ließ er mir sagen, ich solle mit Glück meinen Weg weiterziehen. Er erwarte mich in seiner Hauptstadt Temixtitan. Und da ich jetzt sein Reich beträte, sende er mir eine Menge von den Seinen, mich dahin sicher zu geleiten.

Offenbar nun wollte man mich eine Straße führen, die so zugerichtet war, daß es mir darauf übel ergehen sollte. Ich habe dies nachher erfahren und erkannt. Hispanier, die ich in späteren Tagen zu mancherlei Geschäft hin und wieder durch das Land habe geschickt, nahmen wahr, daß wir auf jenem Wege über viele Brücken und Engen gezogen wären, wo man mich und mein Kriegsvolk ohne besondere Mühe hätte vernichten können. Aber Gott der Allmächtige, der Eure Kaiserliche Majestät von Kindheit an immerdar beschirmt, hat gesehen, mit was für Treu und Eifer ich in Allerhöchstdero Diensten zu stehen gewohnt bin, und darum hat er mir einen andern Weg gnädiglich gezeigt. Wenngleich dieser wohl beschwerlicher war, so war er doch nicht in der Art gefährlich wie jener, den man uns führen wollte. Den anderen Weg aber haben wir folgendermaßen gefunden.

Acht Meilen von der Stadt Cholula ragen hoch empor zwei wunderbare Berge (der Popokatepetl und der Iztaccihuatl), deren Gipfel man noch zu Ende des Monats August voller Schnee sieht. Der höhere von beiden (der Popokatepetl) ist Tag und Nacht an der Spitze von einer großen Rauchwolke umhüllt, die sich bis zu den Wolken erhebt. Obgleich oft starker Wind um den Gipfel des Berges weht, vermag er den dicken Qualm doch nicht zu zerreißen und hinwegzufegen.

Dieweil ich nun allweg beflissen bin, alles Seltsame, was ich in diesem Lande finde, Eurer Kaiserlichen Majestät wahrhaftiglich zu beschreiben, und mir allein schon der Anblick von der Ferne sagte, hier sei ein besonderes Wunderwerk, so hab ich wollen auch dies Geheimnis ergründen und hab zehn von meinen Hispaniern entsandt, von denen ich vermeinte, sie wären zu solcher Erkundung tauglich, dazu etliche von den Landesleuten, und hab allen diesen ernstlich befohlen, sie sollten den hohen Berg besteigen und das Geheimnis des Rauches erkunden, von wannen und warum er aus dem Berge hervorschieße.

Sie haben sich bemüht, so weit wie möglich, den Gipfel zu ersteigen, aber sie sind doch nicht ganz hinaufgekommen von wegen der Asche, die ihnen gleich wie eine Windesbraut aus dem Berge in die Augen fuhr, und von wegen des tiefen Schnees und der heftigen Kälte oben auf dem Berge. Aber sie sind sehr weit hinangestiegen, fast bis dahin, wo der Rauch beginnt aus der Tiefe zu wirbeln, was mit solcher Gewalt und solchem Getös geschieht, daß man vermeint, der Berg wolle einstürzen.

Nachdem sie meinen Befehl also hatten verrichtet, sind sie wiederum abgestiegen, und sie haben mir mitgebracht Eis und Schnee, was gar verwunderlich ist in diesem Lande unter dem zwanzigsten Breitengrad, also unter der nämlichen Sonne wie die Insel Hispaniola (Haiti), von der man gemeiniglich weiß, daß es daselbst gewaltig heiß ist.

Unterwegs fanden sie eine Straße, und da sie die Landesleute befragten, wo dieser Weg hinführe, antworteten diese: Nach dem Tale von Mexiko! Es wäre der beste Weg dahin, besser als der, auf den uns die Gesandten des Herrn Montezuma geleiten wollten. Meine Hispanier gingen die entdeckte Straße ein Stück. Sie läuft zwischen den beiden hohen Bergen hin. Und da hat sich ihren Blicken aufgetan die schöne weite Ebene von Mexiko und in der Ferne die Hauptstadt Temixtitan und der große Salzsee, von dem ich Eurer Kaiserlichen Majestät noch genauer berichten werde. Voll hoher Freude, einen neuen guten Weg in das begehrte Land gefunden zu haben, sind meine Gefährten sodann zu mir zurückgekommen.

Nunmehr wandte ich mich an die Gesandten des Herrn Montezuma und gebot ihnen, sie sollten uns den neugefundenen kürzeren Weg führen und nicht jenen, den sie vorhätten. Da gaben sie mir zur Antwort, dieser sei wohl ebener und kürzer, aber die Ursache, daß sie mich auf den anderen geleiten wollten, sei die, daß wir auf dieser Straße einen Tagesmarsch durch das Gebiet von Huexozinko ziehen müßten, deren Bewohner Feinde des Herrn Montezuma wären, so daß wir daselbst nicht Lebensmittel noch andere Notdurft fänden wie im Reiche ihres Herrn. Aber wenn ich trotzdem diesen Weg nehmen wolle, so müßten sie den nötigen Unterhalt für mich und die Meinen anderswoher bestellen.

Also sind wir aufgebrochen, nicht ohne Sorge, daß uns ihre alte böse Tücke neue Ränke anrichte. Da ich aber nun einmal vor aller Welt erklärt hatte, auf diesem Wege zu ziehen, so deuchte es mich nicht ratsam zu sein, davon abzustehen, damit man mich nicht gar der Furcht oder Kleinmuts könne bezichten.

Am Tage, da wir von Cholula abgerückt waren, sind wir vier Meilen marschiert bis zu einem Dorfe, das zur Herrschaft der Stadt Huexozinko gehört. Daselbst wurden wir von den Landesleuten freundlich empfangen. Man schenkte mir etliche Sklavinnen, Stoffe und kleine Stücke Gold, Dinge, die hier nicht gering zu schätzen waren, dieweil sie bei ihnen nicht leicht zu haben sind, denn es geht ihnen gleich wie den Tlaskalanern. Alle ihre Grenzen sind vom Gebiete des Herrn Montezuma eng umschlossen, so daß sie keine Einfuhr haben und deshalb ein dürftiges Leben führen müssen.

Den anderen Tag zogen wir den Paßsteig zwischen den beiden hohen Bergen hinan, von denen ich Eurer Kaiserlichen Majestät berichtet habe. Beim Wiederabstieg schauten wir hinab auf das Reich des Herrn Montezuma. Zunächst zogen wir nun durch eine Grafschaft, die Chalko heißt. Zwei Meilen, ehe wir in die bewohnte Gegend gelangten, kamen wir in ein gut Quartier, das erst unlängst aus Holz war erbaut wordenVermutlich ein Posthof oder ein Unterkunftshaus für marschierende Truppen.. Dort hab ich samt meinen Gefährten recht bequemlich gerastet, auch alle meine Indianer, die mit mir zogen aus Cempoalla, Tlaskala und Cholula, dazu welche aus Huexozinko, insgesamt 4000 Mann. Für alle war Speise und Trank reichlich da, auch Futter für unsere Tiere. In allen Stuben machten wir uns Feuer und legten viel Holz an, denn es war bitter kalt, bei der Nähe der beiden hohen Berge, auf denen viel Schnee lag.

Ebendahin sind zu mir wiederum etliche Gesandte des Herrn Montezuma gekommen, augenscheinlich vornehme große Herren. Wie man mir sagte, war unter ihnen des Herrn Montezuma Bruder. Sie brachten mir 4000 Pfund Gold, indem sie mir im Namen des Königs sagten, ich solle abstehen, weiter durch sein Reich zu ziehen, denn es herrsche dort großer Mangel an Getreide, und der Weg zur Hauptstadt sei sehr beschwerlich, dieweil er mitten durch das Wasser ginge. Ich könne nur auf Kähnen dahin gelangen. Auch sonst sei der Weg reich an Unbequemlichkeiten. Ich solle ihnen deshalb lieber anzeigen, was mein Begehr wäre. Ihr Herr wäre erbötig, gutwillig alles zu geben, was ich fordere, mir auch alle Jahre einen bestimmten Zins zu schicken, nach welchem Orte ich wolle, auch bis ans Meer.

Ich empfing sie mit freundlicher Rede und schenkte ihnen allerhand Krimskrams aus Hispanien, der bei ihnen in hohem Werte steht, sonderlich dem fürstlichen Herrn, den man mir als den Bruder des Herrn Montezuma hatte bezeichnet. Auf die Botschaft aber, die sie mir überbracht, hab ich ihnen geantwortet: wenn es in meiner eigenen Macht stünde, möchte ich dem Wunsche ihres hohen Herrn wohl willfahren, aber der Befehl Eurer Kaiserlichen Majestät gestatte mir dies nicht, sondern geböte mir weiterzuziehen. Unter anderen Obliegenheiten, die mein Allergnädigster Herr und Kaiser mir anbefohlen, wäre dies das fürnehmste, daß ich Eurer Kaiserlichen Majestät umständlich von dem großmächtigen Herrn Montezuma und seiner weitberühmten Hauptstadt berichten solle. Deshalb bäte ich Herrn Montezuma, meine Reise zu ihm geneigtest zu fördern und mich in seiner Hauptstadt gütig zu empfangen. Mein Besuch füge weder ihm noch seinem Reiche irgendwelchen Schaden und Nachteil zu sondern vielmehr reichlich Nutzen, Ehre und Ruhm. Und nachmals, wenn ich Herrn Montezuma hätte kennengelernt und gesprochen, er aber meine Freundschaft und weitere Anwesenheit nicht beliebe, dann wolle ich unverzüglich wieder umkehren und heimziehen, denn es genüge mir, ihn gesehen und ihm das verkündet zu haben, was ich ihm im Namen Eurer Kaiserlichen Majestät zu sagen hätte. Durch Mittelspersonen aber, wie geschickt und treu selbige auch seien, könne dies nicht gut geschehen.

Auf diese Antwort hin sind die Gesandten abgezogen. Während wir in vermeldetem Quartier waren, verrieten nur etliche Anzeichen und Zurüstungen, daß die Indianer der Gegend einen Anschlag wider uns im Sinne hatten und in der Nacht auszuführen gedachten. Wie ich dies vernommen, Hab ich Maßregeln dagegen ergriffen, die sie gewahr wurden, worauf sie ihr Vorhaben änderten. Alsdann sind Scharen von Männern, die sich in der Nähe verborgen gehalten hatten, ebenso heimlich wieder abgezogen. Meine Posten haben alles dies gar wohl beobachtet.


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