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In der Frühe des neuen Tages (am 22. Juli) war Sandoval mit 15 Reitern zur Stelle. Mit den 25 aus der vormaligen Besatzung von Kojohuaka waren nun bei mir im ganzen 40. Von selbigen erhielten 10 den Befehl, mit allem Fußvolk eilends aufzubrechen. Unter dem Beistand der Rennschiffe sollten sie in der Ordnung wie am vorigen Tage vorrücken und wider die Feinde fechten, dabei soviel wie möglich erobern und alles Erstürmte einebnen. Um die Zeit aber, da wir gewöhnlich den Rückzug antraten, sollten sie einen heftigen Angriff wider den Feind machen. Zu ebendieser Zeit wollte ich mit den übrigen 30 Reitern in einem Hinterhalt in der Nähe der Paläste am Hauptmarkte bereitstehen.
Die Hispanier taten, wie befohlen. Um 1 Uhr nachmittags ritt ich mit meinen 30 Reitern nach der Stadt, und als ich auf dem Hauptplatze angekommen war, versteckte ich sie in einem der Paläste. Ich selbst stieg, wie dies meine Gewohnheit geworden, auf die Plattform der großen Pyramide. In meiner Anwesenheit erbrach man allda eine Grabstätte und fand allerlei goldene Dinge im Werte von mehreren 1000 Dukaten. Als dann die rechte Stunde gekommen war, gab ich den Befehl an die kämpfenden Truppen, in größter Ordnung den Rückzug zu beginnen. Sobald die 10 Reiter wieder auf dem großen Platze wären, sollten sie einen neuen Angriff machen, sich dabei aber stellen, als müßten sie, schwankend geworden, wieder umkehren, und dies sollten sie in einem Augenblicke tun, wo recht viel Feinde ihnen gegenüberstünden.
Währenddem konnten die 30 Reiter im Hofe des Palastes, wo sie versteckt hielten, die Zeit kaum erwarten. Alle waren sie voller Eifer, einen guten Handstreich zu verrichten. Bald nachdem ich mich nun zu ihnen gesellt hatte, traten die Hispanier zu Roß und zu Fuß, desgleichen unsere Indianer, die von meinem Plan wußten, den Rückzug an und kamen auf den großen Platz. Dicht hinter ihnen tummelte sich der Feind in Massen, unter solchem Kriegsgebrüll, als hätt er den größten Sieg der Welt erfochten.
Jetzt stellten sich die 10 Reiter, als wollten sie einen Gegenangriff machen, stutzten aber und machten wieder kehrt. Als sie dies Manöver wiederholten, wurden die Feinde dermaßen übermütig, daß sie bis an die Gäule herandrängten. Also wichen die Hispanier langsam zurück bis an den Palast, wo wir im Hinterhalte lagen, und noch an diesem vorüber. Als wir sodann den Büchsenschuß vernahmen, der als Zeichen verabredet war, daß es Zeit für uns war, hervorzubrechen, da fiel ich mit meinen 30 Reitern den Verfolgern in den Rücken. Unter dem Ruf Hie Sankt Jakob! ritten wir über den weiten Platz und stachen alles nieder, was uns vor die Lanzen kam. Eine Menge Temixtitaner trieben wir vor uns her, bis sie von unseren Indianern abgefangen wurden. Mehr denn 500 Feinde kamen um, darunter viele Edelleute und die Tapfersten und die Kräftigsten unserer Feinde. Die uns verbündeten Indianer aber hatten an jenem Abend ein lecker Nachtmahl, indem sie die Toten zerhackten, brieten und verzehrten.
Die Trauer der Feinde war gar groß. In der kommenden Nacht haben sie weder gebrüllt noch gerufen, wie das sonst ihr Brauch war. Keiner ließ sich in den Gassen und auf den Tempeln blicken. Als es dann finster geworden war und wir abzogen, da wagten sich etliche Knechte von ihnen an uns heran, um unseren Abzug zu beobachten. Ich merkte es und ließ sie durch 12 Reiter angreifen und niedermachen.
Unser Sieg jagte den Feinden solch einen Schrecken ein, daß sie bis ans Ende des Krieges niemals wieder auf dem großen Platz erschienen, wenn wir den Rückzug antraten, auch nicht einmal dann, wenn nur ein einziger Reiter da war. Sogar die Fußknechte und unsere Indianer blieben unbehelligt, aus Angst vor einem Hinterhalt. Auch glaub ich, daß der Sieg, den wir mit des Allmächtigen Hilfe an diesem Tage errungen, die größte Ursache gewesen ist, daß wir die Stadt nunmehr doch endlich gewinnen sollten, dieweil der Feind fortan furchtsam und zaghaft ward, wir aber und unsere Bundesgenossen um so mutiger.
Also sind wir in unser Lager zurückgekehrt, entschlossen, nimmer zu feiern, vielmehr Tag um Tag zu fechten, bis wir dem Feldzug ein Ende bereitet hätten. An diesem Tage hatten wir einen nur geringen Verlust. Beim Herausbrechen aus dem Hinterhalt waren zwei Reiter aneinander gerannt, wobei der eine von seinem Gaule herunterfiel und das ledige Roß in die Feinde hineinlief, bis es, von Pfeilen getroffen, zurückgejagt kam. In selbiger Nacht ist es umgestanden. So sehr wir darüber trauerten, dieweil die Pferde in diesem Kriege unsere Hauptwaffe waren, so ertrugen wir den Verlust doch leichter, als wenn es in die Hände der Feinde gefallen wäre, wie dies anfangs so aussah. Wäre dies geschehen, so wäre das Frohlocken der Feinde darüber größer gewesen als ihre Trauer um die Erschlagenen.
Was schließlich meine Rennschiffe und die Zillen unserer Bundesgenossen anbelangt, so haben sie auch an diesem Tage der Stadt viel Schaden angetan, ohne selbst viel Verluste zu erleiden.
Daß die Temixtitaner in großer Not waren, wußten wir, und dies bestätigten uns auch zwei Überläufer, Leute geringen Standes, die bei Nacht in unserem Hauptquartier ankamen. Selbige erzählten, daß die Belagerten Hunger litten und nachts in den Wassergräben zwischen den Häusern Fische fingen und längst allerlei Kräuter und Wurzeln äßen.
Ich entschloß mich, am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang von neuem wider die Stadt zu rücken, um den Temixtitanern soviel wie möglich Schaden zuzufügen. Als nun der Tag anbrach, liefen die Rennschiffe frühzeitig aus; ich selbst aber rückte mit 15 Reitern, etlichen Fußknechten und einigen hundert Indianern aus. Wir legten uns in einen Hinterhalt und sandten etliche Kundschafter vor.
Auf ein verabredetes Zeichen der genannten Aufklärer überfielen wir einen großen Haufen Leute, der von der Stadt herkam. Es waren aber nur Weiber und Kinder und andere unbewehrte Leute, insgesamt elend Volk, das vor Hunger aus der Stadt gelaufen war. Bei unserem Angriff auf die Stadt haben wir sodann über 800 Temixtitaner erschlagen und gefangengenommen. Auch unsere Rennschiffe übermannten eine Menge Feinde samt ihren Kähnen, auf denen sie Fische angeln wollten. Zu einem Kampf mit den Truppen der Stadt aber ist es an diesem Tage nicht gekommen. Also kehrten wir mit ansehnlicher Beute und lebendiger Speise für unsere Bundesgenossen in unser Lager zurück.
Am folgenden Tage zogen wir in der Morgenfrühe wiederum gegen die Stadt. Große Scharen verbündeter Indianer begleiteten uns. Es waren ihrer so viele, daß wir sie nicht zählen konnten. Es gelang uns, die Takubaer Straße einzunehmen und die bösen Hindernisse darauf einzuebnen, so daß nunmehr der Weg von Alvarados Lager bis in die Mitte der Stadt gangbar war. In der Hauptstraße am großen Markte eroberten wir zwei Gräben nebst zwei wohlbefestigten Schanzen; auch brannten wir den Palast des Herrn Guatemozin nieder, des zweiten Nachfolgers von Herrn Montezuma, eines jungen Mannes von etwa 20 JahrenÜber König Guatemozin vgl. S. 39, 41f., 60f., 73f., 440, 457ff. Der Fürst war damals übrigens sechs Jahre älter, als Cortes vermeint.. Dieses Schloß war wie eine Festung stark verwahrt, groß und weitläufig und von einem Wassergraben umgeben. In anderen Gassen, die auch vom Markt abgingen, nahmen wir zwei Gräben und schütteten selbige zu. Alles in allem hatten wir jetzt von vier Vierteln Stadt drei in unseren Händen. Den Belagerten blieb nun nichts übrig, als sich in den Häusern zu verschanzen, die auf Pfählen im Wasser erbaut waren.
Tags darauf, das ist gewesen am Tage des heiligen Jakob (25. Juli), zogen wir abermals in der nämlichen Ordnung wider die Stadt und drangen in der Hauptstraße vor. Von da aus eroberten wir einen breiten Wassergraben, an dem sich die Feinde ganz sicher geglaubt hatten. Dies geschah unter großer Gefahr und kostete auch so viel Zeit, daß wir bis zum Abend nicht fertig wurden, ihn zuzuschütten. Da wir alle zu Fuß waren, und die Feinde merkten, daß keine Reiter zugegen waren, griffen sie uns von neuem an, heftiger und tapferer denn zuvor. Durch unsere Armbruster aber trieben wir sie bis in die Schanzen zurück, die sie weiter oben aufgeworfen hatten. Dabei fielen eine Menge Feinde. Ich will hier erwähnen, daß die hispanischen Fußknechte mit ihren Piken fochten, die ich ihnen nach unserer vermeldeten harten Niederlage hatte machen lassen und die sich sehr nützlich erwiesen. An diesem Tage war unsere Arbeit vor allen die, daß wir auf beiden Seiten der Gassen die Häuser niederbrannten und niederrissen. Dies war betrüblich anzusehen, aber wir konnten nicht anders handeln, wenn wir unser vorgenommenes letztes Ziel erreichen wollten. Als die Temixtitaner solche Verwüstung erblickten, riefen sie unseren Indianern zu: Fahrt nur fort mit Brennen und Einreißen! Wenn wir gesiegt haben, müßt ihr das alles wieder aufbauen! Wenn aber die Hispanier siegen, dann erst recht!
Am anderen Tage frühmorgens rückten wir wiederum in der gewohnten Ordnung gegen die Stadt. Als wir an den Graben kamen, den wir tags zuvor genommen und noch nicht ganz zugeschüttet hatten, fanden wir ihn, wie wir ihn verlassen. Wir zogen zwei Armbrustschüsse weiter vorwärts und eroberten zwei breite Wassergräben, die von den Belagerten in einer sonst wasserlosen Straße gegraben waren. Auch gelangten wir zu einer kleinen Pyramide mit einem Tempel darauf. Darinnen fanden wir etliche Köpfe von abgeschlachteten Hispaniern, was uns arg betrübte. Von diesem Tempel führte die Straße geradeaus nach Alvarados Lager, während zur linken Seite eine Gasse zum Markte hinführte, in der kein Wasser mehr war. Nur noch in einer einzigen Gasse lief Wasser. Selbige verblieb bis auf weiteres in den Händen der Temixtitaner. An diesem Tage sind wir nicht weiter vorgerückt, wiewohl wir tapfer mit den Feinden fochten. Spät abends kamen wir in unser Lager zurück.
Am folgenden Tage in der neunten Stunde, als wir uns von neuem zu einem Angriff rüsteten, sahen wir auf den zwei höchsten Türmen am Markt Rauch aufgehen, dessen Ursache und Bedeutung wir nicht ermessen konnten. Er war viel stärker als der, den die Mexikaner bei ihren Opfern zu machen pflegten. Da fiel mir ein, es möchte ein Zeichen Alvarados sein, der vielleicht bis dahin vorgedrungen wäre. Und so war es auch, so wenig ich es für möglich gehalten hatte, denn er hatte noch viele Gräben und Wälle zu erobern gehabt, und gerade diese hatten die Belagerten mit aller Kraft verteidigt. In tapferem Kampfe hatte er alles aufgeboten, um bis zum Markt vorzudringen, aber er kam nur bis an die besagten Türme. Seine Reiter mußten schließlich umkehren, wobei drei Pferde verwundet wurden. Also zog sich Alvarado mit seinem Kriegsvolk in sein Lager zurück. Wir aber wollten an diesem Tage den einzigsten Wassergraben, der noch vorhanden und einzunehmen war, nicht erobern, sondern waren nur beflissen, die bereits genommenen Straßen zu ebnen. Auf unserem Rückzug ward uns von den Feinden hart zugesetzt, doch nur zu ihrem Schaden.
Am nächsten Tage in der Morgenfrühe rückten wir von neuem wider die Stadt, um den letzten Wassergraben nebst seiner Schanze am vermeldeten Turm zu nehmen. Während des Angriffes sprang ein Fähnrich mit vier Hispaniern ins Wasser, um den Wall zu stürmen. Alsbald verließen die Temixtitaner ihre Stellung und zogen sich zurück.
Während der Graben zugeschüttet ward, kam Peter von Alvarado mit vier Reitern vom anderen Ende der Gasse hergeritten, zur großen Freude meiner Leute, denn die Verbindung unserer beiden Abteilungen war ein gewaltiger Schritt zum endlichen Siege. Alvarado hatte die ganze Strecke hinter sich bis zu seinem Lager mit Fußknechten besetzt, teils um das Eroberte zu wahren, teils zum Schutze seiner Person.
Als der neu genommene Weg geebnet war, ritt ich mit etlichen Reitern nach dem großen Markte, um ihn zu besichtigen, nachdem ich den in der Gasse Zurückbleibenden den Befehl gegeben hatte, nicht weiter vorzurücken. Auf dem Markte sahen wir, daß die Tempel und die Dächer der noch nicht genommenen Teile der Stadt voller Feinde waren. Da aber der Platz riesig groß ist, und wir alle zu Roß waren, so wagte sich niemand an uns heran.
Sodann stieg ich auf die große Tempelpyramide, die zunächst dem Markte steht. Dort fand ich eine Menge Köpfe von abgeschlachteten Hispaniern, auch viele von Tlaskalanern, die der Temixtitaner Urfeinde sind. Von der Höhe des Tempels nun überschaute ich alles, was wir von der Stadt schon erobert hatten. Ohne Zweifel hatten wir von acht Teilen bereits sieben. Es ward mir dabei klar, daß die Feinde, deren Anzahl noch ungeheuerlich groß war, in dem, was sie von der Stadt noch innen hatten, dicht gedrängt sein mußten, zumal die Häuser daselbst klein und zum größeren Teil in das Wasser hinein gebaut waren. Um so größer war offenbar der Mangel an Lebensmitteln bei ihnen. In der Tat hab ich nach der Eroberung des letzten Teiles der Stadt Bäume vorgefunden, von denen man vor Hunger die Rinden abgenagt hatte.
Nach dieser Betrachtung entschloß ich mich, in den nächsten Tagen nicht zu stürmen, sondern den Belagerten Vorschläge anzubieten, um so viel Volk vor dem völligen Untergange Zu bewahren. Die Not der Stadt tat mir im Herzen leid. Tag Tag um ließ ich ihnen nun den Frieden antragen, aber sie antworteten mir immer wieder, daß sie sich nimmermehr wollten ergeben, sondern sich bis auf den letzten Mann wehren. Und von der Habe, die sie noch hätten, solle nichts in unsere Gewalt kommen; vielmehr wollten sie alles verbrennen oder ins Wasser werfen. Auf solch höhnischen Bescheid wartete ich trotzdem noch mehrere Tage, da ich nicht Böses mit Bösem vergelten wollte, und unternahm keinerlei Angriff und Sturm.