Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das dreizehnte Kapitel

Wiewohl ich lieber mit ausgezogen wäre, um die beiden Standorte am See einzurichten, so dünkte es mich doch wichtiger, die Rennschlffe selber herbeizuführen, zumal meine Befehlshaber in Takuba und Kojohuakan trefflich und zuverlässig waren.

Am Tage nach Fronleichnam (31. Mai) hieß ich den Hauptmann Gonzalo von Sandoval samt seinem Krlegsvolk aus Tezkuko nach Iztapalapan abrückenSandovals Abmarsch hatte sich folgender Angelegenheit wegen verzögert. Der tlaskalanische General Xikotenkatl (vgl. S. 21, 23, 95 sowie Anmerkung 26), das Haupt der Vaterlandspartel in Tlaskala, hatte sich aus dem Hauptquartiere der Spanier entfernt, nachdem einer seiner Verwandten durch einen Spanier beleidigt worden war. Cortes benutzte die Gelegenheit, um sich des ihm gefährlichen Mannes zu entledigen. Bernal Diaz berichtet hierzu: Das gesamte Heer der Tlaskalaner hatte den Befehl erhalten, nach der mexikanischen Grenze voraus zu marschieren. Unterwegs merkte der älteste Hauptmann Chichlmekatl, daß der Oberführer Xikotenkatl fehlte. Nachforschungen ergaben, daß er in der Nacht zuvor heimlich nach Tlaskala zurückgekehrt war. Chichimekatl begab sich persönlich zurück nach Tezkuko und erstattete dem Cortes Meldung hiervon. Selbiger sandte dem Xikotenkatl sofort fünf diesem befreundete Edelleute aus Tezkuko nach, die ihn in seinem Namen ersuchen sollten, sich wieder zu seinem Heere zu begeben. Zugleich sollten sie ihm vorstellen, daß sein Vater nur wegen seiner Blindheit und seines hohen Alters sein Volk nicht selber wider den Erbfeind führe, daß ganz Tlaskala den Hispaniern treu ergeben sei und daß er sein Vaterland durch seinen Abfall entehren werde. Schließlich ließ Cortes der Aufforderung, zu seiner Pflicht zurückzukehren, große Versprechen hinzufügen. Xikotenkatl aber gab eine trotzige Antwort. Sein Entschluß stehe fest. Die Gefolgschaft der anderen Tlaskalaner ginge ihn nichts an. Hierauf erteilte Cortes vier Rittern den Befehl, sich elligst nach dem Wohnsitze des Säumigen zu begeben und ihn ohne Verzug aufzuhängen. Er fügte seiner Weisung die Worte hinzu: »An diesem Indianerfürsten ist alles Wohlwollen Verschwendung! Er hat nichts im Sinne, als Verrat und böse Pläne. Das muß ein Ende nehmen. Der Geduld ist Genüge getan.« Den Xikotenkatl erreichte alsbald, noch im Gebiete von Tezkuko, auf der Landstraße, sein Schicksal.

Solis schließt sich – in seiner Conquista de Mejico V, 19 – der Darstellung des Bernal Diaz an, entgegen der des Herrera, nach der die Hinrichtung des edlen Tlaskalaners öffentlich in Tezkuko erfolgt sein soll. Da die Tlaskalaner bereits abmarschiert waren, so ist die Beseitigung des Patrioten wohlweislich nicht angesichts seiner Stammesgenossen erfolgt.

. Der Marsch dahin beträgt sechs Meilen. Um Mittag kamen sie dort an und begannen sofort die Stadt zu bestürmen und anzubrennen. Als die Bürger die große Streitmacht der Angreifer sahen, da wichen sie nach dem See zu und gingen auf ihre Zillen. Sandoval nahm mit seinem Kriegsvolk Quartler in der Stadt und erwartete neue Befehle von mir.

Kaum war der Hauptmann abgezogen, da setzte ich mich eilends auf die Rennschiffe und fuhr mit Segeln und Rudern in den See. Während Sandoval die Stadt Iztapalapan stürmte, erblickte ich in der Fahrt eine FelseninselDer Ort heißt noch heute der Markgrafenfelsen. nahe bei ebengenannter Stadt, darauf viel Kriegsvolk hinter Schanzen. In Temixtitan hatte man erwartet, daß wir zunächst Iztapalapan angriffen. Offenbar um die Wehr dieser Stadt zu stärken, hatte sich Kriegsvolk aus Temixtitan auf der Insel festgesetzt. Als sich meine Schiffe näherten, erhob sich daselbst Krlegsgeschrei, und Rauchzeichen verkündeten unseren Anzug nach der Ferne. Obgleich es mein Plan gewesen war, Iztapalapan von der Seeseite aus anzugreifen, so entschloß ich mich doch, erst zuvor die Felseninsel zu nehmen. Ich landete mit 150 Mann und begann die Höhe, die sehr steil war, und die feindlichen Wälle zu bestürmen. Unter großer Mühe gelang uns das Werk. Außer den Weibern und Kindern kam keiner der Feinde mit dem Leben davon. Fünfundzwanzig Hispanier wurden verwundet. Aber es war ein herrlicher Sieg.

Durch die Rauchzeichen, die man von den Tempeltürmen auf den Hohen bei der Stadt gegeben hatte, erfuhr man in Temixtitan und in allen Orten am See, daß ich mit meinen Rennschiffen auf der Fahrt nach Iztapalapan war. Bald erschienen über fünfhundert Zillen, um unsere Schiffe anzugreifen, und fuhren stracks auf sie los. Als ich dies wahrnahm, ging ich mit meinen gelandeten Leuten eilends wieder auf die Brigantinen und befahl den Schiffshauptleuten, die Schiffe nicht von der Stelle zu bewegen, damit die Fahrzeuge der Feinde näher kämen, in der Meinung, wir griffen aus großer Furcht nicht an. Aber in doppelter Armbrustschußweite blieben auch sie halten. Mein Gedanke war, in einem Gefecht zu Wasser dermaßen zu siegen, daß die Mexikaner Achtung und Angst vor meinen Rennschiffen bekämen; denn die Stadt Temixtitan war einzig und allein vom See her einnehmbar. Die Flotte war somit das Mittel zum Siege. Während einer den anderen ansah wie Hund und Katze, da begab es sich, daß vom Lande her ein starker Wind anhub, sehr zu unserem Vorteil, dieweil wir nunmehr mit den Segeln gegen sie fahren konnten. Sofort befahl ich den Schiffshauptleuten, die Zillen anzugreifen und sie gegen Temixtitan hin zu verfolgen. Vom Wind unterstützt, durchbrachen wir ihre Mitte und überrannten viele der Zillen, wobei viele Feinde ersoffen. Drei Meilen Wegs jagten wir ihnen nach, bis sie sich in die Wasserstraßen der Vorstädte von Temixtitan retteten. Also erlangten wir durch Gottes Hilfe einen noch größeren Sieg, als wir erhofft hatten.

Die Besatzung von Kojohuakan, die besser als die in Takuba die Anfahrt meiner dreizehn Segel beobachten konnte, war voller Freude, als sie meinen Sieg erkannte, denn ohne diesen wäre sie ringsum vom Feinde eingeschlossen gewesen und in große Gefahr geraten. Jetzt aber rückte der Obrist Olid mit dem größeren Teile seiner Reiterei und seines Fußvolkes aus und griff die Mexikaner auf dem Damm an. Dabei nahm er etliche Brücken und Schanzen und trieb die Feinde eine Meile weit zurück. Viele der Mexikaner fielen und viele wurden in den See getrieben. Währenddem näherten sich etliche meiner Rennschiffe der Burg Xolok. Bis dahin drang auch Olid mit seinem Kriegsvolk vor.

Da es bereits gegen Abend war, befahl ich den Schiffshauptleuten, die Verfolgung der feindlichen Zillen einzustellen. Ich selbst landete mit 30 Hispaniern auf dem Damme und erstürmte unter hartem Kampf und großer Mühseligkeit die kleine Veste Xolok, die von nichtsehr hohen Mauern aus Quadersteinen umgeben ist. Darauf ließ ich drei Geschütze aus den Brigantinen eilends ans Land bringen. Das weitere Stück Damm von Xolok bis zur Stadt, das eine halbe Meile lang ist, war dicht von Feinden bedeckt, und zu beiden Seiten davon war der See voller Zillen mit streitbarem Kriegsvolk. Ich gab den Befehl, eines der Geschütze gegen die feindliche Menge auf dem Damm zu richten und einen Schuß abzugeben. Selbiger tat dem Feinde merklichen Schaden, aber durch die Unvorsichtigkeit eines Kanoniers geriet beim Abfeuern des Geschützes der zum Glück nicht große Vorrat an Schießpulver in Brand. Noch in der Nacht sandte ich eines der Rennschiffe nach dem zwei Meilen fernen Iztapalapan zum Obristen Sandoval mit dem Befehl, er solle mir alles Pulver, was er hätte, sofort schicken.

Anfänglich hatte ich mir vorgenommen, mein Hauptquartier nach Kojohuakan zu legen und die Rennschiffe selbständig zu lassen. Nachdem ich aber die Burg Xolok genommen und damit auf dem Steindamm Fuß gefaßt hatte, beschloß ich, mein Lager hier aufzuschlagen und auch die Brigantinen bei mir zu behalten. Ich schickte sowohl nach Kojohuakan als nach Takuba den Befehl, mir am anderen Morgen aus beiden Standorten je 50 Fußknechte herzuschicken.

Die ganze Nacht blieben wir allesamt wach, dleweil wir in großer Gefahr waren. Um Mitternacht machten die Feinde in großen Massen, zu Land auf dem Damm und zu Wasser auf den Zillen, einen Überfall auf uns, der wahrlich kein Scherz war, dieweil er bei voller Dunkelheit geschah. Zu solcher Zelt hatten die Mexikaner sonst niemals gefochten, außer im Übermut errungener Erfolge.

Da wir gerüstet und bereit waren, empfingen wir sie durch unsere Schützen. Auch von den Rennschiffen, deren jedes ein Feldgeschütz hatte, begann das Feuer. Also wagte sich der Feind nicht nahe an uns heran und vermochte uns keinen Schaden anzutun. Schließlich ließ er ganz von uns ab, und wir verbrachten die weitere Nacht in Ruhe.

Am Morgen, als die Sonne aufging, trafen in unserem Lager zu Xolok 15 Armbruster und Büchsenschützen, 50 Fußknechte mit Schild und Schwert und sieben oder acht Reiter aus Kojohuakan ein. Als sie einzogen, hatte das Gefecht wider die Feinde bereits von neuem begonnen. Der Feinde waren so viele, daß der Damm und der See von ihnen ganz bedeckt wurden, und ihr Kriegsgeheul war so wüst, als sollte die Welt untergehen. Trotzdem kamen wir auf dem Steindamm Schritt um Schritt vorwärts und eroberten eine Brücke, die sie abgerissen hatten, und auch den Wall, den sie hinter dem Brückengraben aufgeworfen hatten. Sodann trieben wir sie mit unserem Geschütz und unseren Pferden bis in die ersten Häuser von Temixtitan zurück.

Dieweil nun eine Menge feindlicher Zillen zur linken Seite des Dammes in dem Teil des Sees erschienen, auf den meine Rennschiffe nicht konnten hingelangen, und uns von da mit Pfeilen und Wurfspießen beschossen, da ordnete ich an, daß dicht bei Xolok eine Durchfahrt für die Schiffe hergestellt werden sollte. Als dies geschehen war, ließ ich vier Brigantinen durchfahren. Sie verjagten die Zillen und trieben sie bis in die Wasserstraßen der Vorstadt. Wieder herauszufahren wagten sie nicht. Auf der anderen Seite der Dammstraße kämpften die übrigen acht Brigantinen immer wieder mit einer Menge feindlicher Zillen und trieben auch sie in die Vorstädte hinein. Da der See dort seicht war, verfolgten die Rennschiffe die Zillen anfangs nicht bis dahin, damit sie daselbst nicht sitzen blieben; nachdem sie aber tiefere Stellen gefunden, taten sie es und fochten gar ritterlich mit den Mexikanern auf den Zillen. Hierbei erlegten sie viele Feinde und verbrannten einen Teil der Vorstadt. So verging der ganze Tag im Kampfe.

Am anderen Tage rückte der Obrist Gonzalo von Sandoval mit all seinem Kriegsvolk, Hispaniern wie Indianern, von Iztapalapan nach Kojohuakan vor. Nach einer viertel Meile Wegs kam er vor ein Dorf, das in den See hineingebaut war. Da die Einwohner wider ihn zu kämpfen begannen, so fingen auch die Hispanier mlt ihnen an; aber Sandoval ward ihrer bald Herr und schlug sie in die Flucht. Er erlegte viele der Feinde, nahm das Dorf und setzte es in Brand.

Da mir vermeldet ward, daß der Dammweg von Kojohuakan nach Xolok an einer Stelle von den Mexikanern ein gutes Stück durchstochen worden war, um den Vormarsch von Kriegsvolk zu verhindern, so sandte ich zwei Rennschiffe dahin ab, die in der Lücke eine Art Brücke bilden sollten. Während sein Kriegsvolk Quartier in Kojohuakan nahm, ritt Sandoval selber mit zehn Reitern auf dem Dammwege in mein Hauptquartier, woselbst er mich mitten im Kampfe fand. Er und seine Reiter gaben die Pferde in Xolok ab und halfen uns zu Fuß. Sogleich nach seiner Ankunft erhielt der Obrist einen Lanzenstich in den einen Schenkel. Auch manch anderer Hispanier wurde verwundet. Trotzalledem brachten unsere Geschütze und unsere Büchsen, auch unsere Armbrüste den Feinden so viel Schaden bei, daß selbige weder auf dem Damme noch auf den Zillen standhielten und daß ihre Furcht bald größer ward als zuvor ihr Mut.

So schlugen wir uns sechs Tage lang ohn Unterlaß. Indessen fuhren unsere Rennschiffe um die Vorstädte und verbrannten dort viele Häuser. An etlichen Stellen drangen sie sogar bis in die eigentliche Stadt. Dadurch verhinderten sie das Auslaufen von weiteren Zillen. Auf mehr denn eine viertel Meile wagten sich fortan keine an mein Hauptquartier heran.

Am folgenden Tage kam eine Meldung von Peter von Alvarado, dem Obristen des Kriegsvolks zu Takuba, die mir besagte, daß man auf dem nördlichen Steindamm immer noch vom Lande nach Temixtitan aus und eingehen könnte. Auch befürchte er, daß die ganze Bürgerschaft im Notfalle auf diesem Wege die Stadt verlassen möchte. Wiewohl ich einen solchen Auszug ganz gern gesehen hätte, und zwar deshalb, weil ich ihnen zu Lande mehr Abbruch zu tun vermochte, so entschloß ich mich dennoch, den Ring der Belagerung völlig zu schließen, um dem Feinde jedweden Nutzen vom Festlande zu entziehen. Deshalb gab ich dem Obristen Sandoval den Befehl, ungeachtet seiner schweren Wunde, er solle sein Hauptquartier nach Tepeaka verlegen, einem Marktflecken am Ende des Norddammes. Mit 23 Reitern, 100 Fußknechten und 18 Schützen marschierte er dahin ab. Die 50 bereits einmal erwähnten Fußknechte, die ich mir von ihm aus Iztapalapan hatte schicken lassen, verblieben bei mir. Am anderen Morgen traf er in Tepeaka ein. Von Stund an war die Stadt Temixtitan von allen Seiten gänzlich belagert.


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