Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Von dem Gottesdienst und den Tempeln der Mexikaner

Die Mexikaner hatten vor der Eroberung für ihre Götzen überaus große und prächtige Tempel, in denen gebetet, geopfert und überhaupt ein vollständiger Gottesdienst abgehalten wurde. Alles dies lag einer besonderen Kaste ob, mit ähnlichen Würdenträgern, wie bei uns die Bischöfe, Domherren usw. sind. Sie wohnten in den Tempeln selbst, die zu diesem Zweck mit gar geräumigen und trefflich eingerichteten Wohnungen versehen waren. Hier wurden auch die Söhne der Vornehmen erzogen und unterrichtet. Sie verblieben daselbst, bis sie sich verheirateten.

Die Tempel oder Moscheen besaßen ihre eigenen Einkünfte, aus denen der Unterhalt der ihnen zugehörigen Priester und Mönche bestritten wurde. Die Götzen waren Standbilder von der gewöhnlichen Menschengröße, aus einer Masse geformt, die aus den Körnern aller eßbaren Bodenfrüchte des Landes bestand und mit dem Herzblut von Menschen zusammengeknetet war. Sie saßen auf einer Art von Thron, trugen Schild und Schwert in den Händen und waren in turmartigen Kapellen oben auf den Tempelpyramiden aufgestellt.

Die Tempel selbst waren auf folgende Welse erbaut. Zuerst führte man ein Viereck in einer Länge von 150 und mehr Schritten und einer Breite von 115 bis 120 Schritten auf. Dasselbe ward massig und bis zu doppelter Mannslänge hoch mit Kalk aufgemauert. Auf dieses Geviert setzte man ein zweites von gleicher Höhe, aber von geringerem Umfang, so daß es auf drei Seiten einen Raum von zwei Schritten Breite freiließ. Auf diesen Würfel wurde wieder ein dritter gesetzt, und man fuhr auf solche Weise fort, so hoch, daß die Treppen, durch die die verschiedenen Stufen der Pyramide miteinander verbunden waren, l20 bis 130 Stufen hatten. Auf dem höchsten Stockwerk war eine geräumige Plattform, in deren Mitte zwei schon erwähnte turmförmige Kapellen standen, die zehn bis zwölf Mannslängen Höhe und nach oben Fenster hatten. In diesen Türmen nun waren die Götzen aufgestellt, und die Hallen, darin sie standen, gar kostbar ausgeschmückt.Die Hauptmoschee ln der Stadt Mexiko schildert Prescott (I, 493f.): Der große Teokalli nahm mit seinen Nebengebäuden die große Bodenfläche ein, auf der heutzutage die (1759–1792 erbaute) Kathedrale, ein Teil des Marktplatzes und einige anstoßende Straßen liegen. Wahrscheinlich ist diese Stelle seit der Gründung der Stadt immer zum gleichen Zwecke bestimmt gewesen. Der 1519 stehende Tempel war vom Könige Ahuitzotl errichtet und 1436 angeblich unter Hekatomben von Menschenopfern eingeweiht worden. Die weite Fläche, in deren Mitte er stand, war umschlossen von einer ungefähr acht Fuß hohen Mauer aus Stein und Lehm, die auf der Außenseite mit Schlangenbildnissen in halberhabener Arbeit geschmückt war, wovon sie den Namen Schlangenmauer erhalten hatte. Die Mauer bildete ein Viereck, unterbrochen von vier riesigen burgartigen Toren, durch die man in die vier Hauptstraßen der Stadt gelangte. Der Tempel selbst war eine Pyramide aus Erde und Kieselsteinen, nach außen mit behauenen Steinplatten belegt. Wahrscheinlich bildete der Grundriß ein gleichseitiges Viereck, die Seiten nach den vier Weltgegenden gewandt. Der Bau gliederte sich ln fünf Stockwerke, jedes immer geringer in seiner Masse als das darunter. Außen führte eine breite Treppe empor; zunächst vom Erdboden um das unterste Stockwerk herum zu dessen oberer Fläche. Von da ging sie wiederum um den Bau herum bis zur oberen Fläche des zweiten Stockwerks. So mußte man viermal um die Pyramide steigen, bis man auf die Plattform gelangte, auf der die Kapellen standen, die das letzte Stockwerk bildeten. Der langsam aufsteigende Zug der Priester in ihren (roten) Prunkgewändern, unter wilder Musik, auf diesen breiten Freitreppen entlang der Riesenmauern, muß auf die von unten zuschauende Menge gewaltigen Eindruck gemacht haben. Die Größenverhältnisse des Baus sind nicht genau bekannt. Vermutlich betrug sein unterster Grundriß 300 Geviertfuß; und da die Eroberer von 114 Stufen berichten, so ist er wahrscheinlich nicht ganz 100 Fuß hoch gewesen. (1 Fuß = 0,325 m). In den Raum aber, wo der Hauptgötze seinen Platz hatte, durfte niemand anderes eintreten als der Oberpriester. An jedem Feste, das diesen Götzen zu Ehren gefeiert wurde, schlachtete man eine Menge von Männern, Frauen und Kindern, und bei allem öffentlichen Unglück, z.B. wenn große Dürre auf dem Land lag oder wenn zu viel Regen fiel oder wenn der Staat von Feinden hart bedrängt war, stellte man solche Opfer an.

Bei den Menschenopfern verfuhr man auf folgende Weise. Die Unglücklichen, die man hierzu bestimmt hatte, wurden festlich aufgeputzt und unter großer Feierlichkeit und Freudenlärm durch alle Straßen und Plätze herumgeführt. Unterwegs vertraute ihnen jeder, der ihnen begegnete, seine Wünsche und Bedürfnisse an, damit sie solche dem Gott vortrügen, vor dessen Thron sie doch nun kommen sollten, um ihre Erfüllung zu bewirken. Dafür reichte man ihnen etwas zu essen oder machte ihnen sonst ein Geschenk, so daß sie von diesem Umzuge durch die Stadt eine Menge Sachen in den Tempel brachten, die alsdann den Opferpriestern zufielen. Nach der Rückkehr stellte man Feste und Tänze an, wobei den armen Schlachtopfern aufs neue alle mögliche Ehre widerfuhr. War auch diese Freude vorbei, so entkleidete der Oberpriester einen nach dem anderen und führte jeden einzeln auf die Plattform des Tempels, wo vor den Türmen ein steinernes Götzenbild stand. Hier wurde der Unglückliche auf den Rücken gelegt und mit Händen und Füßen festgebunden. Man fing von neuem an, um ihn herumzutanzen und ihm allerlei Aufträge an den Gott mitzugeben. Endlich trat der Opferpriester, der kein geringes Ansehen unter den übrigen Pfaffen genoß, herbei, schlitzte dem Ärmsten mit einem scharfen Messer von Stein die Brust auf, wobei er vorher und darnach kreuzartige Zeichen machte, riß ihm das noch warme und zuckende Herz heraus und reichte es dem Oberpriester dar. Dieser drückte das blutige Herz an den Mund des Götzen, spritzte einige Tropfen gegen die Sonne oder, wenn es Nacht war, gegen die Sterne, sprengte auch den übrigen Götzen Blut in den Mund und bestrich schließlich das Türgesims der Kapelle des Hauptgötzen. War diese heilige Handlung vorbei, so verbrannte man das Herz und bewahrte die Asche davon als Reliquie. Desgleichen wurden auch gewisse andere Körperteile des Schlachtopfers verbrannt und die Asche gleichfalls, jedoch von der ersten abgesondert, aufgehoben.

Übrigens waren diese Opferfeiern in den einzelnen Landschaften des Landes verschieden; ebenso gab es in den Gegenständen der Gottesverehrung Abweichungen. In einigen Gegenden wurde die Sonne, in anderen der Mond und die Sterne, auch Schlangen, Löwen und andere wilde Tiere göttlich verehrt. Von all diesen Gegenständen hatte man Darstellungen und Standbilder in den Tempeln. In manchen Gegenden, besonders am Panuko, betete man das Mannesglied an. Abbilder davon sah man nicht nur im Tempel, sondern auch auf den öffentlichen Plätzen. Daneben waren alle Arten der Fleischesvermischung von Mann und Weib greifbar abgebildet.

In der Gegend am Panuko sind die Einwohner überhaupt der Völlerei stark ergeben. Wenn sie keinen Wein mehr durch die Kehle jagen können, heben sie die Beine hoch und lassen sich durch ein Rohr Wein in den Hintern gießen, was fürwahr eine ergötzliche Art ist zu zechen.

Die Frömmigkeit der Indianer ging bis zum Wahnwitz. Es geschah nicht selten, daß sich Leute freiwillig zur Opferung anboten. Viele brachten sich auch selber Wunden an den Armen und Beinen, an den Ohren oder an der Zunge bei und opferten das Blut daraus den Göttern.

An den Landstraßen standen kleine Kapellen, in denen die Reisenden derartige Blutopfer darbrachten. Auch auf der Höhe der Gebirge gab es welche, die weit und breit als heilige Orte galten.


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