Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das achtzehnte Kapitel

Jetzo muß ich etliches vermelden über den Hofstaat des Herrn Montezuma, wobei ich Eurer Kaiserlichen Majestät frei bekenne, daß ich nicht weiß, wo ich den Anfang nehmen soll und wo ich das Ende finden werde. Ich bin imstande, nur das wenigste davon zu berichten. Wie groß muß doch die Gewalt dieses Barbarenfürsten und wie ungeheuer sein Reichtum sein, dieweil er, wie schon gesagt, von allem, was es unter dem Himmel seines Reiches gibt, Abbilder aus Gold, Silber, edlem Gestein und Federwerk besitzt. Die Werke aus Gold und Silber sind von solcher Natürlichkeit, daß sie bei uns auch der größte Goldschmied nicht so trefflich fertigen könnte. Vor den Arbeiten aus edlem Gestein begreift die menschliche Vernunft nicht recht, mit was für Werkzeug man solche Dinge herstellt. Noch wunderbarer ist die Federstickerei, an der man keine Spur von Wachs oder Seidenfäden wahrnimmt.

Ich habe noch nicht feststellen können, wie weit sich das Reich des Herrn Montezuma erstreckt; nur weiß ich, daß er Boten aus Temixtitan nach Orten geschickt hat, die bis zu 200 Meilen entfernt und ihm doch noch Untertan sind. Man kann wohl sagen, daß er über ein Land herrscht, das ungefähr so groß wie Hispanien ist.

Die Edelleute des Landes stellen meistens ihre erstgeborenen Söhne in den Hofdienst. Wie schon gesagt, wohnen sie den größten Teil des Jahres in der Hauptstadt. Hinwiederum besitzt Herr Montezuma in den Gebieten seiner Lehensherren Burgen, in die er Kriegsvolk gelegt hat. Daselbst schalten auch Schatzmeister und andere Beamte, die die Abgaben und Zölle berechnen und eintreiben, die jede Grafschaft zu leisten schuldig ist. Alle ihre Akten sind in der Bilderschrift des Landes geschrieben. Die Leistungen jedweder Gegend richten sich nach dem, was selbige erzeugt. Herr Montezuma bekommt von allem seinen Teil. Er ist mehr gefürchtet, als ein anderer Machthaber in der Welt.

Die Zahl seiner Schlösser in der Stadt wie außerhalb ist sehr groß und ihre Pracht gar nicht zu beschreiben. Je nach ihrem Zweck sind sie verschieden auf das trefflichste eingerichtet. Sein Palast in der Hauptstadt ist so weit und wunderbarlich, daß es mich unmöglich dünkt, einzelnes davon zu erzählen. Ich kann nur sagen, daß es in Hispanien nichts ihm gleiches gibt.

Außer diesem Schlosse, das er von seinen Vätern ererbt hat, besitzt Herr Montezuma ein anderes, das er selbst erbaut hat, aus Marmor mit reichem Schmuck aus Jaspis, mit einem herrlichen Lustgarten, in dem es zehn Weiher gibt, voll von allerlei Wasservögeln, alle zahm wie Haustiere. In etlichen ist Salzwasser, dieweil Seevögel darin sind. Je nach ihrer Art bekommen die Vögel ihr Futter. Die Würmerfresser erhalten Würmer, die Maisfresser Mais und die Fischfresser Fische. Für letztere braucht man täglich 250 Pfund Fische aus dem Salzsee. Für alle diese Vögel sind 300 Wärter da, die sonst kein ander Geschäft betreiben. Die Tiere haben sogar Ärzte. An den Weihern stehen schmucke Gartenhäuser, in die Herr Montezuma öfters kommt, um seine Kurzweil an den Vögeln zu haben.

In einem besonderen großen und schönen Hause werden Raubvögel aller Arten gehalten, in Käfigen, anderthalb Mannslänge hoch und sechs Schritt im Geviert breit und tief. Der Boden und die untere Hälfte der Wände ist aus Stein, die obere aus Rohrgeflecht. Die Vögel sitzen auf Stangen und sonnen sich; bei Nacht und wenn Regenwetter ist, hocken sie in gedeckten Winkeln. Gefüttert werden sie mit Hühnern.

Im Erdgeschoß desselbigen Hauses findet man lange Säle mit vergitterten Käfigen aus starkem Holz, darinnen Löwen Tiger, Wölfe, Füchse und alle Arten von Katzen gehalten werden, alle in großer Anzahl. Auch sie werden mit Hühnern gefüttert und von wiederum 300 Wärtern gepflegt.

In einem anderen Hause wohnen Zwerge, Bucklige und allerlei andere Mißgeburten und Ungestalten, Männer wie Weiber, jedes in einem abgesonderten Raume. Auch sie haben ihre Wärter. Wieder besonders werden seltsame Menschen gehalten: Männer, Weiber und Kinder, die von Geburt an Angesicht, Leib, Haar, Augenlider und Brauen ganz weiß haben.

Ich übergehe die Menge weiterer Häuser, die zu Belustigungen aller Art dienen, und will nun etliches vom Hofhalt des Herrn Montezuma erzählen.

Wenn der Tag anbricht, stellen sich an die 600 Standespersonen im Schlosse ein, um in den Sälen und Hallen zu sitzen oder hin und her zu wandeln, bis die Sonne untergeht, ohne in die Gemächer zu gehen, wo sich der König in Person aufhält. Die Dienerschaft all dieser Herren füllt allein zwei oder drei große Höfe. Wenn Herr Montezuma Tafel hält, werden die Edelleute ebenso gespeist wie er; auch die Diener bekommen ihr Teil. Küche und Keller stehen jedermann offen. Die Gerichte, die zahllos sind, werden von mehr denn 3OO Edelknaben aufgetragen. Früh, mittags und abends gibt es allerlei Fleisch, Fische, Früchte und Gemüse. Jede Platte und Schüssel steht auf einer Wärmpfanne voll glühender Kohlen, da die Luft hierzulande häufig kalt ist. Die Mahlzeiten finden in einem großen Saale statt, der mit kostbaren Matten ausgelegt ist. Herr Montezuma sitzt auf einem kleinen Ledersofa, umgeben von einer beweglichen Wand aus geschnitztem und vergoldetem Holz. Nicht weit von ihm sitzen an einem Tisch fünf oder sechs vornehme alte Würdenträger, denen er von den Speisen seines Tisches hinüberreicht. Dem Edelknaben, der ihn bei Tisch bedient, wird von anderen Edelknaben gereicht, was nötig ist; ebenso gibt dieser ihnen zurück, was nicht mehr gebraucht wird, ohne sich selbst von der Stelle zu entfernen. Vor und nach der Tafel wäscht sich Herr Montezuma die Hände. Kein Handtuch wird von ihm mehr denn einmal benutzt. Auch pflegt er jedes Gericht auf einem ganz neuen Teller zu essen.

Herr Montezuma kleidet sich viermal am Tage um, wobei jedes Stück Kleid immer neu ist. Wer sein Schloß betritt, muß dies in bloßen Füßen tun. Wer zu ihm gerufen wird, nähert sich ihm, Haupt und Augen gesenkt und in demütiger Haltung. Auch wenn jemand von ihm angeredet wird, darf der ihm nicht ins Angesicht sehen; dies erfordert die Ehrfurcht und Achtung. Viele mexikanische Edelleute haben sich mir gegenüber verwundert, daß meine Hispanier geradestehen und mir in die Augen schauen, wenn ich mit ihnen rede, was wenig ehrfurchtsvoll und untertänig erscheine.

Wenn Herr Montezuma ausgeht, was selten geschieht, so verharren alle seine Begleiter in untertänigster Haltung. Wer ihm begegnet, bleibt stehen und blickt unbeweglich zu Boden, bis der Herrscher vorüber ist. Vor selbigem schreitet stets ein Kammerherr mit drei dünnen, hohen Stäben, was, wie ich vermeine, ein Zeichen für das Volk ist, daß Herr Montezuma in Person gegenwärtig ist. Meistens läßt er sich in einer Sänfte tragen. Die am mexikanischen Hof üblichen Gebräuche sind vielfach, prunkvoll und umständlich wie kaum am Hofe morgenländischer Fürsten.


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