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40. Das Brigittenschloss.

. Eine halbe Stunde von Sasbach, östlich vom Erlenbad, wo Turenne's Denkmal steht, erhebt sich ein hoher, steiler Berg, der auf seiner Spitze die wenigen Ueberreste der uralten Burg Hohinrodt trägt, bekannter unter dem Namen des Brigittenschlosses.

Die Sage erzählt, in uralter Zeit habe das Schloss tiefer gestanden, da wo jetzt der freundliche Landsitz Aubach liegt, und in dem Schlosse habe eine Edelfrau gewohnt, Brigitte mit Namen: die sei in allen bösen Künsten Meisterin gewesen und habe oft die Umgegend mit Seuchen, Hagel, Insekten und andern Plagen heimgesucht. Darob zürnet das Volk, und als einst ein furchtbares Gewitter allen Segen des Feldes zerstört hatte, sammelten sich die Bewohner aller umliegenden Dörfer und Höfe und zogen mit Sensen, Dreschflegeln, eisernen Gabeln, auch einige mit Bogen und Streitäxten bewaffnet, gegen die Burg der Frau Brigitte und forderten laut ihren Tod. Dem Zuge voran trug man ein Kreuz, das man aus einer Kirche mitgenommen hatte, als das sicherste Mittel, den Zauberspuk der Frau Brigitte unwirksam zu machen. Als der Haufe bei der Burg anlangte, fand er die Thore verschlossen, die Zugbrücke aufgezogen, und auf der Mauer sah man eine Menge kleiner Männlein sich hin- und herbewegen, die eher Affen, als Menschen glichen. Manchen kam ein Grauen an, aber ein Mönch, der den Haufen begleitete, erhob den gesunkenen Muth durch die Versicherung: sobald sich Jeder mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichne, müsse alles höllische Blendwerk verschwinden.

Da man sah, dass die Burg nicht im Anlauf genommen werden könne, wurde beschlossen, Leitern herbeizuschaffen und den andern Tag zu stürmen, die Nacht aber sollten rings um die Burg Wachtfeuer angezündet und alle Aus- und Eingänge streng bewacht werden.

Die Nacht brach herein, die Wachtfeuer loderten hoch empor, kein Schlaf kam in die Augen der Belagerer. Um Mitternacht sah man aber plötzlich auf dem Thurm der Burg drei blaue Flämmlein tanzen. Gleich darauf erschien Frau Brigitte, einen Zauberstab in der Hand, womit sie nach den vier Weltgegenden deutete und dabei eine Zauberformel sprach. Plötzlich zitterte der Boden, ein fürchterliches Geheul liess sich in der Luft hören, die Sterne erloschen, und mit einem Knall, als wolle die Erde bersten, riss sich der feste Bau aus seiner Tiefe los und schwebte, von einer unsichtbaren Kraft getragen, auf die Spitze des Berges, wo jetzt die Mauerreste des Brigittenschlosses stehen, und wurzelte da im Boden, als wäre es ursprünglich an dieser Stelle gegründet worden. Erstarrt vor Entsetzen, schauten der Mönch und sein Heer der Erscheinung nach, aber ihr Schrecken wurde noch grösser, als die Zauberin von dem aufwärts schwebenden Thurme herabrief: »Wenn ihr mich in meinem Wohnsitz an seiner neuen Stelle beunruhigt, werde ich eure Wohnungen und was darin ist, wie jetzt meine Burg, durch die Lüfte forttragen und sie am Rheine oder Bodensee niederstürzen!« Der ganze Haufe kehrte nun in Hast nach seinen Wohnungen zurück, und viele Jahre vergingen, ohne dass ein Mensch den Muth gehabt hätte, den Berg, worauf jetzt das Schloss stand, zu besteigen. Ungefähr sechzig Jahre später verirrte sich ein Mädchen, welches Waldbeeren sammelte, bis an den Eingang der Burg. Da sah sie eine schwarz verschleierte weibliche Gestalt hervortreten, die einen goldenen Schlüssel in der Hand hielt und ihr winkte. Aber das Mädchen wurde von unsäglicher Angst überfallen, und lief den Berg hinab. Die Burg zerfiel nach und nach, und als später einige kecke Jäger es wagten, in die Ruine zu dringen, fanden sie nichts als Schaaren von Fledermäusen und Eulen, und menschliche Gebeine.

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