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Schon lange vor ihrer Zerstörung stand die Burg Lauf (Neuwindeck), die man auf der Eisenbahn zwischen Bühl und Achern hoch oben erblickt, unbewohnt: Geisterspuk hatte die Bewohner daraus vertrieben. Einst suchte ein junger Ritter, der in der Gegend fremd war, Herberge auf der Burg. Im Schlosshof stand hohes Gras, und sein Ruf verhallte schauerlich zwischen den einsamen Mauern. Endlich erblickte er in einem Zimmer der Burg ein Licht und stieg die Treppe hinauf. Im alten Rittersaale sass ein Mägdelein am Tische tief in Gedanken versunken, sodass sie kaum des eintretenden Ritters merkte. Sie war schön wie ein Engel, aber ihre Wangen schienen wie von schwerem Kummer gebleicht. Auf des Ritters Gruss schaute sie auf wie zur Frage. Als er seine Bitte um ein Nachtlager vorgebracht, stand sie auf, holte Wein und Wildpret und nickte ihm zu, sich's schmecken zu lassen. Das that er auch und bald regte der Wein Muth und Lebensgeister des Ritters an, dem es bei des Mädchens Schweigen anfing unheimlich zu werden. Er begann zu sprechen: »Ihr seid wol die Tochter des Hauses?«
Wieder nickte sie mit dem Kopfe.
»Und sagt, wo sind Eure Eltern?«
Sie zeigte auf ein paar Bildnisse an der Wand und sprach mit leiser Stimme: »Beide sind lange todt, ich bin die letzte meines Stammes.«
Das Eis war gebrochen, dem jungen Ritter gefiel die Maid über die Massen, und da er dem Kruge fleissig zusprach, ging ihm das Herz immer weiter auf.
Er war arm und dachte: hier kannst du vielleicht dein Glück machen! Nach einigen weitern Worten ergriff er ihre Hand, sah ihr tief in die schönen Augen und fragte, ob sie noch frei sei?
Abermals nickte sie mit dem Kopfe, und als er, immer wärmer werdend, ihr Herz und Hand anbot, glitt es wie Sonnenlicht über ihr Antlitz. Sie stand auf, nahm aus einer Truhe zwei Ringe und ein Kränzlein von Rosmarin, das sie in die schwarzen Locken heftete, dann winkte sie dem Ritter, ihr zu folgen. Er gehorchte, nicht ohne Grauen. Gern hätte er sein Wort zurückgenommen, aber in demselben Augenblick traten zwei ehrwürdige, festlich gekleidete Greise herein, die ihn und die Jungfrau in die Mitte nahmen und in die Burgkapelle führten. Dort standen mehrere Grabmäler. Auf einem derselben lag ein Bischof aus Erz gegossen, in kirchlichem Ornate. Die Braut berührte die eherne Gestalt, die sich erhob und vor den Altar trat, auf welchem die Kerzen sich von selbst entzündeten. Die starren Züge des Bischofs schienen sich zu beleben, seine Augen im Kerzenglanz zu leuchten, als er mit tiefer, hohler Stimme sprach:
»Kurt von Stein, sagt, soll Bertha von Windeck, die hier vor Euch steht, Euer Weib sein?«
Da fasste Entsetzen den jungen Ritter, das Wort erstarb ihm auf der Zunge und seine Sinne fingen an sich zu umnachten. Da, in diesem furchtbaren Augenblick hörte man das Krähen des Hahnes von einem benachbarten Meierhofe. Die ganze Versammlung verschwand, eine gewaltige Windsbraut fuhr durch die Kapelle und schien die Burg in ihren Grundfesten zu erschüttern. Der Ritter stürzte zur Erde und als er wieder zu sich kam – lag er im hohen Grase des Schlosshofes und neben ihm weidete sein treues Ross. Am morgendlichen Himmel aber stieg golden die Sonne auf.
* * *