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Bei dem Pfarrdorfe Sinzheim, wo die Ebene gegen das Gebirge anzusteigen beginnt, lag die Altenburg, von welcher nichts mehr vorhanden, als der Name, den ein Hofgut trägt, das wahrscheinlich aus den ehemals zur Burg gehörigen Ländereien entstanden. Das Geschlecht der Edlen von Altenburg, die hier ihren Wohnsitz hatten, mag bald nach dem dreissigjährigen Kriege erloschen sein. Kaspar von Altenburg war der letzte seines Stammes. Noch als Jüngling verlobte er sich mit einem schönen aber armen Fräulein aus der Gegend, brach aber später sein Wort, und ehelichte eine junge, reiche Wittwe. Darüber grämte sich seine erste Geliebte so sehr, dass sie in eine schwere Krankheit fiel, von der sie zwar wieder genas, doch nur um dem Grabe langsam entgegen zu siechen.
Kaspar's Ehe schien indess glücklich; seine Frau gebar ihm vier Söhne und eine Tochter, und er war reich an Gütern und gedachte nie der Vergangenheit. Aber eines Tages meldete man ihm einen Franziskanermönch, der mit ernster fast trauriger Miene in das Gemach trat. »Herr Ritter«, sagte er, »ich komme als Bote von einem Sterbebette, wo ich eine Jungfrau einsegnete zum letzten schweren Gange. Sie war ehemals Eure Braut. Ich bringe Euch ihre Verzeihung, aber auch ihre fromme Bitte, Euch mit Euren Gedanken von der Erde zu Gott zu wenden. Auf Euch warten grosse Trübsale, und Ihr werdet der letzte Eures Stammes sein.«
»Ich weiss, ich habe unrecht an der gehandelt, die meiner noch gedacht in der letzten Stunde«, antwortete der Ritter; »aber ihre Prophezeiung kann mich nicht schrecken, blühen mir doch vier lebensfrohe, gesunde Knaben.«
»Die Sterbenden sehen oft helle«, erwiderte der Mönch und empfahl sich.
Der Ritter konnte sich jedoch einer bangen Ahnung nicht erwehren, aber er dachte: wenn mir der Himmel auch zwei oder drei meiner Kinder nimmt, wird er mir doch eines lassen, in welchem der Name der Altenburger sich forterbt. Noch war er mit diesen Gedanken beschäftigt, als ein Diener mit der Nachricht eintrat: der jüngste Knabe sei im Garten in den Teich gefallen, der zweite habe ihm Hülfe leisten wollen, sei aber auch in das Wasser gestürzt, und beide hätten ihren Tod darin gefunden.
Am andern Morgen fand man die beiden ältern Knaben erschlagen in ihren Betten. Die Decke des Zimmers war über ihnen eingestürzt.
Da erkannte der Ritter wie Gott furchtbare Rache an ihm genommen. Er legte sich selbst harte Bussübungen auf, gab reichlich Almosen und versagte sich alle Freuden des Lebens. Eine Hoffnung nur war ihm noch geblieben: sein Töchterlein, welches in der That gesund und frisch heranwuchs. Die Eltern baten täglich: Gott im Himmel, nur diese lass uns! Ihr Gebet schien auch erhört zu werden. Bertha, so hiess das Mädchen, überlebte ihre Eltern, sie war achtzehn Jahre alt, als diese starben, aber das Schicksal ihres Hauses hatte in ihr eine Schwermuth erzeugt, die ihre Lebenskraft aufzuzehren schien. Sie warf sich in die Arme der Religion und wählte zu ihrem Beichtvater einen Jesuiten in Baden. Dieser beredete sie, ehelos zu bleiben und Altenburg den Jesuiten zu vermachen. So geschah es auch, und nach Bertha's Tode traten die Väter der Gesellschaft Jesu in den Besitz ihrer Güter.
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