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Nachwort.

In der Originalausgabe dieses Buches veröffentlicht W. Schischkoff eine kleine Selbstbiographie, aus der wir erfahren, daß er am 21.9.1873 in der Stadt Bežeck im Gouvernement Twer geboren wurde. Auch über seine Vorfahren schreibt er einiges. Sein väterlicher Großvater war Gutsbesitzer, seine Großmutter eine leibeigene Bäuerin. Der Vater Schischkoffs war Kaufmann, der später durch Mißgeschick und Trunksucht seine Existenzgrundlage verlor, infolgedessen war der junge Schischkoff schon vor seiner Studentenzeit auf sich selbst angewiesen.

Er studierte an einer technischen Hochschule das Tiefbaufach, seine Praktikantenjahre mußte er im Gouvernement Nowgorod ableisten. Die dienstfreie Zeit verbrachte der Student in den Dörfern, er predigte das Evangelium und fand viel Zulauf. Diese Tätigkeit hatte aber bald ein Ende, als der 19 jährige sich in eine verheiratete Bäuerin verliebte und dadurch zur Einsicht kam, daß er zum Apostel doch noch zu jung sei. –

Nach Beendigung des Studiums arbeitete Schischkoff zwei Jahre als Techniker am Ob und bekam danach selbständige Arbeiten von seiner Regierung, verschiedene sibirische Flüsse zu erforschen, Flußläufe zu regulieren und Fluß-Ufer zu befestigen. Die Revolution von 1905 erlebte er in Sibirien, in Tomsk. 1906 führte ihn seine amtliche Tätigkeit an den Irtisch, er lernte dabei die dortigen Kosaken, Kirgisen und deutschen Kolonisten kennen. 1908 mußte er die Stromschnellen des Jenissei untersuchen, das führte zur Bekanntschaft mit Goldsuchern. 1909 erfolgte die Versetzung nach Jakutsk an der Lena. Der Weg dahin führte den Ingenieur, der ein offenes Auge für das Volksleben hatte, durch die Kolonien verbannter Skopzen. Sein Aufenthalt in Jakutsk brachte ihn mit politisch Verschickten zusammen, sein reges Interesse galt dem Volksleben der Jakuten. Schischkoffs Aufgabe, die Lena-Ufer zu befestigen, war nicht leicht, als Arbeitskräfte dienten politische Verbrecher und einheimische Jakuten.

Im Herbst desselben Jahres gab er mit Vjatkin, einem in Sibirien bekannten Pädagogen, die Zeitschrift »Junges Sibirien« heraus, die aber bald wieder einging. Seine Betätigung als Lehrer in einer Sonntagsschule für Erwachsene fand nur die Mißbilligung der Regierung und wurde überwacht.

Das Jahr 1910 brachte neue Aufgaben, er erhielt einen Auftrag in das Altaigebiet an den Fluß Bija. Das Zusammenleben mit Telengiten, Kalmyken mit ihrem Schamanenkult, regte seine Phantasie außerordentlich an. Der Niederschlag dieser Zeit kommt im Roman »Der Schamane« zum Ausdruck.

1911 ging es wieder an die Lena und an die untere Tunguska. Die Fahrt dahin dauerte statt der angesetzten vier, acht Monate, sie war lebensgefährlich, brachte aber reiche Erlebnisse und ungeheure Ausbeute an volkskundlichen Stoffen. In dieser Landschaft ist das Leben der Menschen noch so primitiv wie im 17. und 18. Jahrhundert, die Taiga, also der Urwald, fast menschenleer, die Russen leben an den Flüssen, sonst sind nur wandernde Tungusen anzutreffen. Schischkoff zeichnete während dieser Reise allein 87 alte Heldengesänge auf, die noch im Volksmunde von Generation zu Generation weiterleben.

Das letzte Stück des Lenastromes, fast 3000 Kilometer, ist völlig ohne menschliche Siedlungen und unbekannt. Man kann sich von den Strapazen und Entbehrungen kaum einen Begriff machen, wochenlange Flußfahrten wechseln ab mit Fußmärschen durch die Taiga. Durch einige literarische Arbeiten wurde der berühmte sibirische Asien-Forscher G. N. Potanin auf Schischkoff aufmerksam. Auch die Bekanntschaft und Freundschaft mit dem Schriftsteller Grebentschikoff brachte ihm manche Anregung, und so erschien im Sommer 1912 die erste Erzählung aus dem Tungusenleben. In den folgenden Jahren veröffentlichte Schischkoff in der Zeitschrift »Zavety« und im »Monatsjournal« weitere Erzählungen, die Erlebnisse aus seiner sibirischen Tätigkeit behandeln. 1913 ließ die russische Regierung durch Schischkoff den sogenannten Kuyskerweg untersuchen, der den Altai von Bysk bis zur Mongolei durchschneidet und schlecht angelegt war. In den Jahren 1913/14 lag die Aufsicht über diese Straßenbauarbeiten, die auch auf gefährlichen Berghöhen ausgeführt werden mußten, in den Händen von Schischkoff. Die Altaizeit ergab die Skizze »Auf der Kuyskerstraße«, und die 1917 niedergeschriebene Dichtung »Der Schamane.« Im Altai erlebte er auch die Mobilisierung der russischen Armee, die sich ohne jede Begeisterung, wohl aber mit Tränen, Flüchen, Trinkereien und Sturm auf Weinläden vollzog. Die Eindrücke aus dieser Zeit gibt das Drama »Sturmwind« wieder. 1915 erfolgt seine Berufung in das Verkehrsministerium nach Petersburg. Schischkoff soll einen neuen Entwurf zum Umbau der Kuyskerstraße ausarbeiten. Die Übersiedlung nach Petersburg wird ihm nicht leicht, 20 Jahre hat er sich in den verschiedensten Landschaften Sibiriens aufgehalten und in dieser Gegend seine zweite Heimat gefunden. In Sibirien war er eine literarische Größe, in Petersburg vollkommen unbekannt.

1916 erscheint seine erste große Arbeit, der Roman »Taiga«, den er zwischen 1913 und 1915 niedergeschrieben, in der Zeitschrift »Chronik.« In diesem Jahr trifft er auch im Sommer zum letzten Mal in Tomsk mit seinem Freund und Gönner Potanin zusammen, der 1921 stirbt. Bis 1918 dient Schischkoff im Verkehrsministerium in Petersburg. Am Ende des Jahres gibt er seinen Dienst auf und widmet sich ganz seinen literarischen Arbeiten. Alle seine Erzählungen und Romane nehmen den Stoff aus dem ländlichen Leben, das Schischkoff, wie kaum ein anderer Russe kennen und lieben gelernt hat. Er sagt selbst am Schlusse seiner kleinen Lebensbeschreibung, daß der Schriftsteller das Leben wirklich kennen und große Erfahrungen haben muß, ehe er recht zum Volke sprechen kann, seine Sprache muß einfach und verständlich sein. Diese Bedingungen erfüllt Schischkoff vollkommen, auch der deutsche Leser wird mit großem Genuß die Romane und Erzählungen lesen und Schischkoff sicherlich mit zu denjenigen russischen Dichtern rechnen, die uns Deutschen wirklich etwas zu sagen haben und deren Werke uns bereichern.

 

E.F.M.

 


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