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Nach dem Abzug des Gewitters war die Nacht in Kedrowka ruhiger geworden, aber plötzlich kam jemand die Straße entlang galoppiert und schrie außer sich: »Ihr Bauern! Die Taiga kommt an! … He, Leute! Die Taiga!!«
Brandig rot und drohend erhob sich hinter dem Dorfe die Flammenwand des Waldbrandes, der Wind wurde stärker und trieb das Feuer gerade auf Kedrowka zu.
Mit zitternden Händen wurden Fenster aufgerissen, wurden schlaftrunkene Köpfe hinausgestreckt und verschwinden entsetzt aufschreiend wieder.
Der Wind rüttelt an den Fensterläden, fuhr unter die Dächer und drohte Kedrowka mit dem Untergang.
»Herr Gott und alle Heiligen!« murmelt die zahnlose Moschna, die auf die Straße hinausgerannt war, bekreuzigt sich unaufhörlich, blickt entsetzt in das Flammenmeer, das sich hinter dem Dorf ausbreitet und eilt wieder in die Hütte. Dabei bläst ihr der Wind den Rock auf wie eine Blase, packt sie, schmeißt sie zur Stube hinein und knallt hinter ihr die Tür zu.
»Die Taiga hat sich aufgemacht! … Die Taiga kommt!«
In sinnloser Hast liefen die Kedrowzer aufgeregt durcheinander. Das ganze Dorf war mit einem Schlage lebendig geworden, überall wurden Stimmen laut, unter den Dächern, auf der Straße, Stimme und Töne voller Entsetzen.
Die Firste und Giebel der feuchten Dächer warfen den Schein der Flammen zurück, die Fenster der höhergelegenen Hütten flammten auf und der Himmel ringsum ward um so dunkler und drohender.
»Mikolka! … He, Mikolka-a-a!«
Auf dem Hügel, bei der Kapelle drängte sich eine Menschenmenge, die vor Schreck den Verstand verloren hatte.
Die Leute standen mit offenen Mäulern da, blickten mit weit aufgerissenen Augen in den Brand, ließen vor Entsetzen so leise, wie Steine ins Wasser, ab und zu ein jammervolles Wort fallen.
»Hör nur, wie das braust … Hör nur, hör nur!«
»Es kommt her, Kinder … Och, es kommt!«
»Wir wollen ein Gebet anstimmen! … Heiligenbilder heraus!«
»Ustin her … Ustin!«
»Ustin ist fortgegangen.«
Ein Stöhnen bricht aus der Menge.
»Sucht Ustin! … Wo ist bloß Ustin?«
Die Frauen fangen an zu schreien: »Ihr Verfluchten … Ihr Menschenquäler!«
»Schweigt! … Was geht das Euch an!«
Aber das Meer des Feuers ergoß sich immer weiter über die Taiga. Bald hier bald dort stiegen plötzlich Flammensäulen aus der Erde, wankten nach allen Seiten und schwammen dann weiter auf das Dorf zu.
»Oi, Ihr Heiligen … Oi, das Ende der Welt ist gekommen!«
Von dem Hügel aus sah man, wie das Flammenmeer wütete und wuchs, wie in seinem Flammentanz die Bäume umhergewirbelt wurden und schwankend zu Boden stürzten. Wie die niedrighängende Wolke über dem Flammenmeer brandigrot widerschien.
Auf einem schweißgebadeten Pferd kam barfuß mit wirrem Haar der Starost Prow herangesprengt.
»Christenwelt! … Das Unheil ist da … Wir gehen zu Grunde!«
Aber dann riß er sein Pferd herum und rief zurück: »Zum Fluße, rennt zum Fluß … Oder auf die Felder!«
Wagen knirschen, Pferde wiehern und schlagen unaufhörlich mit den Ohren.
»Wo willst Du hin? Nicht so stürmisch!«
Hunde heulen und jammern unaufhörlich. Ihre paar Habseligkeiten auf dem Arm, stehen Frauen und Kinder im Dorfe herum.
»Zum Flusse, zum Flusse!«
Der Wind ist wieder zum Orkan geworden, Woge auf Woge fegt über das Dorf, tausend rotglühende Funken mit sich führend. Wie ein Geier fährt der Wind plötzlich auf die Erde herab, fährt mitten unter die schreienden Menschen und jagt durch alle Straßen und Höfe.
Brennende Aste werden wie sagenhafte Feuervögel emporgewirbelt, fliegen, vom Wind getragen, dahin und fallen, ihre feurigen Schwingen entfaltend irgendwo mitten im Dorfe nieder.
»Herr Gott, Mutter Gottes … Jetzt ist es aus!«
»Nimm die Okuljka mit!«
»Mit der Wiege … mit der Wiege!«
Jetzt griff die brennende Taiga das Dorf auch rechts und links in der Flanke an. Kedrowka war in einem Flammenmeer eingeschlossen.
Obabok lief mit einem riesigen Bündel auf dem Rücken, zwei wimmernde Kinder unter dem Gürtel eilig den Hügel hinauf, aber hinter ihm liefen jammernd seine vier Jungen: »Väterchen, Väterchen … Oi, Mütterchen ist weg!«
»Ei – ja!« schrie Obabok und versuchte seine immer noch nicht ausgeschlafenen Beine in Bewegung zu bringen.
Timocha zog wie ein Wilder die Glocken, biß sich auf die Zunge und lauschte dem Geläut. Aber die Glocken schienen Timocha auszulachen und ihn zu narren. Er holte deshalb mit einer langen Stange aus und zerschlug auf einen Hieb zwei Glocken.
»Was willst Du, Verfluchter!« zischte Moschna, die auf allen Vieren daherkroch. »Was tust Du?«
»Und was tust Du?«
»Du siehst doch, ich krieche … Ich krieche hundert mal auf allen Vieren um die Kapelle, das wird das Feuer zurückhalten.«
Der hundertjährige Großvater Nasar war schon ein Stück aus dem Dorfe hinaus, er schlürfte tapfer weiter und zog seinen Kater am Schwanze hinter sich. Der Kater zerkratzte ihm die Hände und zerriß ihm die Hose: »Oi, das Feuer, das Feuer … Und der Rauch« … murmelte der Alte und rutschte auf seinen Filzstiefeln wie auf Schneeschuhen den Berg hinab.
»Macht, daß Ihr fortkommt, Kinder … Das kommt alles durch Euch!« jagt der Wächter Keschka den Wanjka Swistopljas und den Anton aus seiner Hütte.
»Das kommt durch Euch!« heult eine schwangere Frau, die gerade vorüberlief, hing sich mit ihrem schweren Leib an den Zaun und brüllte unmenschlich.
»Es brennt! … Es brennt!« rief es jetzt im ganzen Dorfe.
»Flieht! … Rasch, rasch!« – rief der Kaufmann Fedot und zerrte ein großes Bündel hinter sich her.
In dicken grauen Wolken wirbelte der Rauch zum Himmel empor, stieß dort an die niedrige Wolkendecke, wurde vom Wind gepackt und in grauen, rotleuchtenden Fetzen über die Erde gewirbelt.
»Hierher … Hier – heeer!«
»Wie das wirbelt …«
Gleichzeitig von drei Dächern flammten Heubündel auf, die der Wind dort hingetragen hatte, setzten die Höfe in Brand und auch die alte trockene Kapelle auf dem Berge stand schon in hellen Flammen.
Alles Lebendige floh aus dem Dorf: fluchend, stöhnend und mit wildem Geheul flohen die Menschen; die Schwänze hochgestreckt und irrsinnig brüllend galoppierten die Kühe; wiehernd und die Erde erschütternd, jagte eine Herde wildgewordener Pferde die Dorfstraße entlang und stieb plötzlich auseinander vor einem kleinen Jungen, der vergessen worden war und die Straße entlang kroch; flügelschlagend und gackernd flogen unsichtbare Hühner durch das Dorf. Aber die Schafherde rennt, von dem Hammel geführt, geradewegs mitten in die Flammen.
Andrej beugte sich über die noch schlafende Anna, preßte sie an der Schulter und befahl ihr: »Anna, steh auf!«
Anna schlug die Augen auf, blickte Andrej verschlafen an, erhob sich, aber erblühte plötzlich in unerhörter Freude. Sie wollte nachdenken, aber vermag es nicht: »Du?«
»Annotschka, Anna!« packte Andrej sie und zog sie zur Tür. »Es brennt, Anna … Komm rasch!«
Als Anna auf der Straße den hellen Schein der Flamme erblickte, brach sie in einen Schrei des Entzückens aus: »Die Sonne … Die Sonne ist herabgekommen!«
»Nein, die Taiga brennt!«
»Laß mich … Halt mich nicht!«
»Anna, ganz Kedrowka brennt!«
»Was quälst Du mich?« riß sie sich los, klatschte in die Hände und rennt, als ob ein Wirbelwind sie entführt, den Berg hinauf, dem Feuer entgegen.
»Anna! Anna!« stürzte ihr Andrej hinterher. »Prow Michailytsch!«
Aber Prow hatte zu tun, daß er Matrëna festhalten konnte, die durchaus der Tochter nachlaufen wollte.
»Oi, laß mich. Du Bösewicht!« schrie Matrëna, biß um sich, kratzte und spuckte Prow ins Gesicht. »Laß mich, laß mich! Oi, unsere Tochter!«
Die Frau um die Hüfte packend, warf Prow sie zur Erde und schleppte die sich Wehrende zum Fluß hinab.
»Matrenuschka, meine liebe … komm wieder zu Dir!« sein altes Herz brach, nach Anna war jetzt Matrëna an die Reihe gekommen.
Zwei einander gegenüberstehende brennende Hütten schnitten Andrej den Weg ab. Die unerträgliche Hitze stieß Andrej zurück, aber er zog seinen Rock über den Kopf und rannte kurz entschlossen mitten hindurch. Zu seiner Rechten sah er wie die alte grauhaarige Moschna auf allen Vieren um eine Brandstätte kroch. Sie war schon dreißig mal um die Kapelle gekrochen, hustete in einem fort wegen des beißenden Rauches, aber murmelte: »Und wenn ich verbrenne, ich höre nicht auf … Fu – fu … Blast, ihr Winde, blast dem Winde entgegen … Och, Gospodi … Einunddreißig, einunddreißig, zweiunddreißig. A – a? … Es ist heiß? … Heiß ist es … Das ist also die Hölle … Das ist sie!«
»He, Babka!« erblickte sie Andrej, »hast Du sie nicht gesehen?«
»Nun, wo ist sie denn?« hörte er statt einer Antwort die Stimme Prow's neben sich. »Schrecklich … Es ist alles zu Ende!«
Aber da erblickten sie beide gleichzeitig Anna.
Anna stand, am ganzen Leibe zitternd, an eine kahle Fichte gelehnt, deren Wipfel noch glühte.
Wie ein Ährenbündel nahm sie Prow unter den Arm.
»Zum Flusse! Mit einem Anlauf! Gib den Rock her … Über das Gesicht!« zog er Anna durch den Rauch.
»Väterchen … Andrejuschka … Habt keine Angst … Wo ist Mütterchen?«
Andrej kam Prow kaum nach. Ab und zu warf er einen Blick auf das rings um ihn wütende Flammenmeer. Er konnte kaum noch atmen.
»Nun, das hat ja noch mal geklappt … Andrej, Töchterchen, seht, daß Ihr hinüberkommt auf die Insel! Ich suche inzwischen Matrëna!« rief Prow, als sie am Ufer angelangt waren. Hier konnten sie freier atmen.
Den Rock über den Kopf gezogen, rannte Prow noch einmal zurück ins Dorf.
»Zum Flusse, Brüder, zum Flusse! … Werft alles fort! Laßt alles liegen! Du verbrennst ja!« hört man aus dem Feuermeer seine Stimme.
Den Zaun entlang kamen zwei Menschen gerast.
»Was macht Ihr hier, Kinder? Rasch hinüber auf die Insel! Rasch!« schrie er, als er die Landstreicher erkannte und lief weiter.
Anton blickte ihm noch einmal nach und bückte sich.
»Jwanuschka, Täubchen … Rette diese Seele … Faß zu!« An den Füßen und den Händen packten die Landstreicher die fremde Frau, die vor ihnen lag und schleppten sie zum Fluß.
Bis an den Gürtel nackt und ganz rot im Widerschein des Feuers schleifte Dascha mit aufgelöstem Haar auf der Erde. Sie murmelt in einem fort trunken: »Schlag' mich nicht … Schlag' mich nicht, Fedenjka … Du bringst mich noch um.«
»Nun, schlepp' doch! Was bleibst Du stehen!« schrie Wanjka.
»Ich muß erst mal Luft holen … Oi, ich halte es nicht mehr aus!«
Andrej und Anna liefen rasch am Ufer entlang. Ihre Füße blieben in dem feuchten Sand stecken und zogen tiefe Spuren. Anna lächelte vor sich hin und lauschte den Schritten Andrej's, der ihr folgte. Plötzlich hält sie inne, faßt Andrej bei der Hand und sah ihm zärtlich in die Augen.
»Andrej,« flüsterte sie ganz leise. »Andrejuschka!«
Sie ist ganz in der Vergangenheit und ganz in der Zukunft, einer Zukunft so leuchtend und brausend wie die brennende Taiga rings um sie her. Es tat ihr auch nicht leid um Kedrowka, tat ihr nicht leid um die alte niedergebrannte Hütte, nichts tat ihr leid, nichts schreckte sie, weil Andrej bei ihr war und alles ging, wie es gehen mußte.
»Stütze Dich … Halte Dich!« gingen sie Schulter an Schulter durch das seichte rauschende Wasser des Flusses zur Insel hinüber. Das Wasser strömte rasch vorbei, ganz in weißem Schaume, als ob es kochte.
»Es ist nicht schlimm, hier ist es seicht! Komm nur!« übertönte Anna's Stimme das Rauschen des Wassers, als sie merkte, daß Andrej ängstlich wurde.
Die große und feste Insel, die von schweren Steinen bedeckt war, kam ihnen langsam näher.
»Wir sind schon hier! … Wir sind auf dem Pferde hinübergekommen!« rief ihnen Prow zu. »Na, Gott sei Dank!«
Alle Drei standen sie jetzt auf einer kleinen Erhöhung der Insel. Zu ihren Füßen saß, den Rücken gebeugt, Matrëna und schluchzte. Der Wind trieb hier den Rauch etwas auseinander, aber die Rauchwolken zittern immer noch unter dem Geprassel der Flamme und die Luft war von Hitze gesättigt. Von der anderen Seite der Insel war der Fluß tiefer und ruhiger. Über dem glatten Wasserspiegel schwammen bald hier, bald da, wie schwarze Büschel, Menschenköpfe.
»Die haben sich einfach ins Wasser gesetzt.« sagte Prow und machte eine wegwerfende Handbewegung.
Andrej blickte verstört über die Wasserfläche und seufzte.
»Einige haben sich auf die Felder geflüchtet … aber andere … ja … Gott schicke ihnen die ewige Ruhe … sind umgekommen«, heulte Matrëna.
»Die verfluchte Trunksucht … Und überhaupt diese ganze Schweinerei!« sagte Prow. Seine Stimme war hart und streng.
Anna sagte kein Wort, sie sah sehr ernst aus. Mit der rechten Hand hielt sie die Enden ihres Hemdes, das auf der Brust zerrissen war, mit der Linken streichelte sie ihre Mutter. Von ihrem Wahnsinn war nichts mehr zu spüren, ihr Blick war klar, ruhig und nachdenklich.
»Diese Kraft,« sagte Prow mit seinem rauhen Baß und zeigte mit dem Kopfe auf das Feuer. »Wie es dort arbeitet … Fu!« Andrej blickte zu ihm auf und wundert sich. Von dieser Seite hatte er Prow noch niemals gesehen. Er trat sogar einen Schritt zurück, um ihn genauer sehen zu können. Hier war ein anderer Prow, nicht der, der in der Taiga den Gewehrlauf auf seine Brust gerichtet hatte, nicht der, der ihm zu Füßen gefallen war, dort an der Kapelle ihn angefleht und geweint hatte. Ein großer altersgrauer Bär, so stand Prow jetzt vor ihm, schwer auf der Erde stehend, – ein Fels, kein Mensch.
Die starken Schultern Prows, sein breiter Rücken, seine gewölbte Brust umspannte so viel unheimliche Kraft, daß sein Rock zu platzen schien. Seine großen finsteren Augen drohten zu dem Feuer hinüber.
Andrej erschien sich plötzlich so klein, so nichtig und unbedeutend, wie ein verlorenes Sandkorn auf einem einsamen Wege. Welcher Wind hatte ihn hiehergetrieben? War jetzt Schluß mit allem? Schluß mit all seinen bisherigen Gedanken? Seinen stolzen Träumen?
Und wieder erschien ihm in Gedanken Rußland, das mächtige unermeßliche, dunkle und wilde Rußland, wild wie die Taiga selbst. Rußland bewegte sich, raunte, mahlte mit schweren Mühlsteinen. Und es schien Andrej, daß schon grauer Rauch über Rußland hinzog und sich zu Wolken ballte. Ströme unterirdischen Feuers gurgelten und schlugen warnend in seine tränengetränkten Eingeweide. Von Westen bis zum tiefen Osten, von Süden bis zum Norden brandet eine breite Welle. Alles ist in Angst, alles wartet angestrengt, alles ist vorbereitet: dort schreitet der Herr der Ernte. Rußland! Glaube nur! Das Feuer wird Dich reinigen und sauberwaschen. In Tränen wirst Du ertrinken, aber wirst auferstehen.
Diese Kraft!
Andrej erwachte von Prow's Stimme. Das Feuer hatte nicht nachgelassen und jetzt verlor es vor Andrej's Augen alle die Reize, die er vorhin mit seinem neuen Blick in ihm wahrgenommen hatte. Andrej erhob schüchtern die Augen zu Prow. Der breitschultrige Bauer stand unbeweglich wie ein Steinriese, die Hände über der Brust gekreuzt. Seine Haare und sein Bart wehten im Winde, seine Augen drohten dem Feuer immer noch so mächtig wie zuvor: Noch ein Weilchen, dann wird Prow sich zur Erde beugen, wird seine eisernen Finger hineinsenken, die verbrannte Oberfläche abziehen, wie einem Tiere den Pelz und sie unter die Erde pflügen.
Andrej erbebte bei diesen Gedanken, alles verschwamm ihm vor den Augen und ein paar Tränen tropften zur Erde.
»Prow, wenn Du willst … Du könntest uns alle retten,« wollte sein Herz sagen, aber der Mund gehorchte nicht.
»Es wird alles zu Grunde gehen … Mein Gott … Es wird alles umkommen!«
»Andrej, Anna!« knurrte Prow in seinem Baß. »Nitschewo … Die Sache ist nicht so schlimm … Vielleicht ist es ein Feuer der Reinigung.«
Er holte tief Atem, streckte seine gewaltigen Fäuste zum Himmel empor und schüttelte sie so stark, daß sein langes Haar flatterte und ihm um die Ohren schlug.
»Brenne … Brenne nur! Ihr habt es nicht anders verdient!« schrie er mit dumpfer Wut und schwankte, als ob seine Kraft sich überschlug. Dann ließ er die Hände sinken, faßte sich an die Schläfen, setzte sich schwer und lehnte mit dem Rücken an einen Baumstumpf.
»Das arme Volk … Was bleibt denn übrig … Davon kann ja niemand existieren.« Und er schüttelte verzweifelt den Kopf und starrte vor sich auf die Erde.
»Liebes Väterchen!« ließ sich Anna vor ihm nieder und blickte ihm ins Gesicht. »Gräme Dich nicht, es wird alles neu und besser werden. Väterchen, Andrejuschka … Mütterchen!«
»Lebt und regt Euch,« sagte Prow leise ohne den Kopf zu heben. »Vielleicht wird es Euch leichter … Ech-ma.«
Aber der Brand lief unaufhaltsam wie ein überschäumendes Meer durch die Taiga. Wirbelnde Feuerbrände flogen knallend und krachend zu dem brandigroten Himmel auf und färbten die schwarzen Rauchwolken rot. In der breiten Lichtung hielt das Feuer einen Augenblick ein. Auf der anderen Seite der Lichtung bewegten sich auf einmal die Wände des Waldes. Als ob sie lebten, schwankten und zitterten die Bäume. Auf einmal schoß die Flamme mit einem gierigen Satz über die Lichtung.
In ganzen Scharen, die buschigen Schweife hochgereckt jagten die Eichhörnchen über die Lichtung; zähnefletschend und in das Licht blinzelnd, rannten die Füchse mit vorsichtigen Sprüngen hinüber. Hinter dem Rande des Waldes ging plötzlich eine Bärin auf die Hinterpfoten, schlug ihre scharfen Krallen in den Stumpf einer Fichte und klagte über ihre verlorenen Jungen.
»Ho – ho – ho – ho« … – dröhnte bald hier bald da das wilde Lachen des Waldteufels und der scharfe Schlag seiner Geißel peitschte pfeifend die Luft.
»Ho – ho – ho – ho – ho« …
Die Tiere lauschten, ihr Fell sträubte sich und sie rannten noch schneller von dannen.
Ein Rudel Wölfe, das sich zum Flusse hindurchgearbeitet hatte, ließ sein jammervolles Klagelied ertönen.
Aber auch hinter der Lichtung brannte jetzt die Taiga: die Nadeln knisterten und fuhren sprühend in die Höhe. Wie glutrote Lavabäche lief das Feuer über die Erde. Hunderte von Vögeln kreisten über dem Feuermeere, wurden von dem Wirbel der Flammen ergriffen und stürzten wie Steine hinein. Aus brennenden Gruben und Höhlen krochen, von Rauch und Glut hinausgetrieben, die letzten Schlangen.
Sie zischelten, zeigten ihre scharfen Zungen, rollten sich zusammen, versuchten an den Bäumen hochzuklettern und vor der heißen Erde zu fliehen. Aber das helle Licht blendet ihnen die Augen und das Feuer überschüttete sie mit tötlichen Funken. Ihre Leiber wurden plötzlich aufgetrieben, platzten und ließen nichts zurück als ein paar Fetzen Haut auf glühenden Ästen. Das Feuer floß lawinengleich durch die Taiga, allem Lebenden den Tod bringend. Die Bäume bewegten sich als ob sie vor ihm fliehen wollten, machten verzweifelte Versuche sich von ihren Wurzeln loszureißen, aber es gelang ihnen bestenfalls die Wurzeln ein wenig zu lockern. Vergeblich rauschten ihre Wipfel, vergeblich vergossen sie blutige Tränen.
Noch einen Augenblick – explosionsartig ergriff das Feuer eine ganze Wand ächzender Bäume, verwandelte im Nu die Nadeln in glühendes Gold und alles versank in den Flammen. Weiter und weiter, mächtig und drohend floß die glühende Lava daher und es war keine Kraft sie aufzuhalten.