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Den Berg hinauf trottet mühsam eine rote Stute: sie zieht eine Telaga, auf der drei Menschen sitzen. Mit unfrohen Gesichtern gehen ein paar Menschen rechts und links nebenher.
»Komm doch wieder zu Dir, Annuschka … Kindchen!« sagt der ganz zusammengesunkene Prow.
»Gebt mir Andrejuscha!« antwortet schreiend Anna, die an die Telaga gefesselt ist.
»Ich bin hier, Anna … Bei Dir.«
»Geh weg!«
Andrej, der Politische, geht in Prow's Rock gewickelt und streichelt ihr Haar. Aber sie schüttelt den Kopf und möchte ihm das schlechteste Schimpfwort zuschreien, aber sie hat es leider vergessen.
Neben Anna sitzt, mit den Händen seinen Leib haltend, Anton. Der Ausdruck seines Gesichts ist kindlich erstaunt: seine Augen küssen alles was er sieht und segnet einen jeden.
Wanjka Swistopljas lenkt das Pferd. Das eine Bein liegt lang in der Telaga, die linke Hand faßt hin und wieder an das abgerissene Ohr. Wie ein Wolf beobachtet er Krysan, seine Augen laufen hin und her und weiten sich ängstlich beim Anblick der aus dem Dorfe entgegenkommenden Menge.
»Anna!« beginnt Andrej mit gedämpfter Stimme zum soundsovielsten Male. Sein blaubleiches Gesicht zuckt, auf der rechten Schläfe springt eine kleine Ader, sein Blick ist starr auf Anna gerichtet. In seinen Augen erscheint etwas Neues, Erschreckendes. Als sie sich auf Prow richteten, wendet sich dieser ab, seufzt auf und schüttelt abwehrend den Kopf.
Die Brüder Wlasow sind auch hier. Nur der frühere Zuchthäusler Naumenko ist nicht dabei, er ist geflohen, und auch Tulja und Lechman fehlen.
Aber Krysan sieht in seinen Gedanken immer noch den alten Landstreicher vor sich. Er blickt auf Anna, aber nicht die sitzt auf der Telèga – Lechman liegt dort und schreit mit heiserer Stimme unverständliche Worte: Er blickt zu Anton – Lechman sitzt dort und schwankt; er kneift die Augen zu, wieder sieht er Lechman, seine toten Augen, seinen offenen zahnlosen Mund, seine zerschossene blutbedeckte Brust.
Es ist schon kein Funken von Wut mehr in Krysan, es tanzen schon keine Adern mehr auf seinen Wangen, seine Augen sind erloschen, sein trockener Mund steht offen. Er hängt in allen Gliedern, geht gebeugt und vermag kaum seine Beine durch den Staub zu schleifen.
»Es wird Euch schlecht bekommen!« sagt Andrej.
»Kannst Du nicht doch vielleicht für uns eintreten, Andrej Mitritsch …« bitten die Bauern, »denke doch, wir waren alle betrunken.«
»Betrunken? Nein, daran lag es nicht!«
Wieder gehen die Bauern schweigend und seufzend. Bis zum Dorf war es noch eine Werst. Wie sie den Hügel herabkamen, ist die entgegenkommende Menge in dem grünen Meer der Gesträuche verschwunden.
»Väterchen, wo bist Du?« ruft Anna leise. »Binde mich los, Väterchen.«
Aber Prow versteht kaum, was die Tochter sagt, er blickt fragend auf die Bauern, wechselt mit ihnen Blicke.
»Ja, Töchterchen, Du mußt noch etwas Geduld haben.«
Aber er selbst denkt an die Wolke, die sich über ihren Häuptern zusammenballt. Nicht an Lechman, der verlassen in der Taiga liegt, nicht an den trunkenen Beschluß der Bauern, nicht an seine abgeschlachteten Kühe, nicht an das Gefängnis, nicht ans Zuchthaus, an sein Leben denkt Prow: wenn die Tochter ihren Verstand verloren hat, dann ist es auch mit ihm, Prow, zu Ende. Soll alles zu Grunde gehen: Matrëna, die Wirtschaft, die lahme Stute, das ganze Dorf, die Taiga, die schöne Welt, dann hieß es ins Grab steigen, sich unter das Kreuz legen …
»Väterchen!«
Prow hört nicht mehr: wie eine hohe graue Mauer umgibt ihn das Leid. Wie Nacht ist es am hellen Tag. Aber irgendwo leuchtet doch ein Fünkchen: vielleicht kam Anna doch wieder zu sich. Die Zwei sollten ruhig am Leben bleiben, der Mir würde für sie sorgen, wenn sie nur den Mund hielten, dem alten Landstreicher würde das Dorf ein ehrenvolles Begräbnis geben, was war schließlich dabei, es war alles Gottes Wille, Gottes Gericht. Der Mir würde schweigen, würde die Sache unter sich abmachen: einer würde für den anderen einstehen und alle würden sie die Verantwortung auf sich nehmen. Man würde auch Andrej bitten, sich vor ihm verneigen müssen: er hatte keinen Bauernschädel, war ein gelehrter Mann.
»Nu, nu …« sagt Prow laut und blickt schon ein wenig freundlicher drein.
Den Weg vom Dorf her kommt ein Mann geritten. Auf der Dorfstraße kommt allen voran Matrëna gelaufen, hinter ihr Kinder und das ganze Dorf.