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Mit stumpfsinnigem Lächeln schlug Timocha Alarm. Die Glockenschläge brausten, eine nach der anderen warfen die Glocken die tönenden Schläge zurück, jagten sie in alle Winde und überschütteten mit ihrem Metall die ganze Taiga. Am Rande des Dorfes brannte die Hütte Ustin's.
»Holt Beile, Kinder!« tobte die trunkene Menge. »Bei-ei-le!«
»Einen Sturmbalken her, einen Balken!«
»Einen Balken! Ba-a-a-lken!«
Obabok schrie mit heißerer Stimme: »Wo ist Väterchen Ustin? … Wo ist er?« und versuchte in das brennende Haus zu stürzen.
Sie holten ihn aber zurück und stießen ihn weg.
»Ai-cha!« fluchte Obabok und versuchte aufs neue in die Brandstätte zu stürzen. Aber die Hütte war bereits niedergebrannt.
Ustin war während dieser Zeit in der Kapelle. Er stand vor dem Heiligenbilde und betete: »Matuschka, hilf … Beschützerin, hilf!«
Viele Jahre alt war Ustin, aber noch niemals in seinem Leben hatte er so geweint.
Wenn auch früher die Bauern keineswegs so ganz ordentlich gelebt hatten, so viel schwarze Untaten waren noch niemals geschehen. Herr Gott, daß der alte Ustin, der Bauern-Pope und Bauern-Berater das noch erleben mußte! Wer würde Gott für das Dorf Rede und Antwort stehen? Er, Ustin …
»Beschützerin, laß das Gewitter abziehen … Du unsere Iberische Helferin!«
Gewiß waren die letzten Tage gekommen. Wie ein Rad wirbelte es das ganze Dorf durcheinander. Die verfluchte Trunksucht, der Schnaps hatte allen den Kopf verwirrt. Und wenn auch die Taiga dicht und weglos war, so war doch dieses Teufelsgift bis hierher gedrungen, hatte den Bauern die Köpfe verwirrt, ihre Seele verfinstert, ihre Herzen vergiftet. Die Sonne stand nicht mehr am Himmel, es herrschte Finsternis. Ustin fällt auf die Knie, lag lange vor dem Heiligenbilde und klagte der Gottesmutter: »Besänftige den aufgeregten Geist der Bauern und führe sie zurück auf den rechten Weg. Bemühe Dich für die Welt, für Rußland … Ich werde nicht wieder aufstehen, bis Du nicht geholfen hast … Wenn Du, Allerheiligste, nicht für uns eintrittst, wer soll es dann tun? Nun, wer? … Also überleg' es Dir, Herrscherin … Gottesmutter, Mutter Gottes!«
Vieles empfindet Ustin in seinem bäuerlichen Herzen, aber an Worten ist seine Seele gar arm.
Wie ein Wilder schlägt draußen vor der Kapelle Timocha die Glocke. Die Glocken dröhnen, die trunkene Menge lärmt bei dem halberloschenen Feuer und als Ustin den Lärm hört, dann beginnt er mit neuer Leidenschaft und Hingabe zu beten.
Ustin hört, der Lärm kommt näher zur Kapelle, aber die Glocke schwieg plötzlich.
»He, komm heraus … He, Ustin komm herausgekrochen!«
»A-a-a … Willst Du das ganze Dorf anstecken?«
Festen Schrittes trat Ustin vor die Kapelle. Er blieb auf den Stufen stehen, schob sein Hemd zurecht, richtete den Kragen, bewegte den Kopf und räusperte sich.
»Du … Du … Pfui Teufel! … Willst wohl das ganze Dorf niederbrennen … Du alter Teufel!« alle schrien sie mit trunkener Stimme durcheinander. Viele Männer waren darunter. Ustin versuchte die Menge zu überschreien, aber seine Stimme geht im allgemeinen Geheul unter.
»Packt ihn am Bart … Prügelt ihn!«
»Wa-a-as? Verbrennen?« Ustin erhebt die Arme und läßt von neuem seine scharfe Stimme erschallen.
Allmählich verstummen die Bauern, sie umringen den Vorbau wie ein dichter Ring, murmelten nur noch böse Worte und drohen mit den Augen.
»Ach, Ihr Gottlosen!« begann Ustin, und es war nicht genau zu sehen, huschte ein Lächeln über sein Gesicht oder wollte er weinen.
»Was habt Ihr Euch ausgedacht, Kinder? Wo habt Ihr die Landstreicher hingeschafft, wo sind sie, he?« schrie Ustin, am ganzen Leibe zitternd, mit den Beinen stampfend und den Kopf schüttelnd, als ob er sich auf den vor ihm stehenden Obabok stürzen wollte. »Für Schnaps habt Ihr Eure Hände mit Blut besudelt … Pfui! … Ist Gott noch bei Euch, was? Die Wahrheit?«
»Wir haben sie in die Kreisstadt …«
»In die Kreisstadt? … Eh, Okentij!« rief Ustin den Wächter Keschka an. »Was schweigst Du? Wo sind die Landstreicher?«
»Ich kann nichts dafür«, murmelte Keschka, zog sich die Mütze in die Stirn und schob sie wieder zurück. »Das hat der Mir beschlossen … das hat er zu verantworten.«
»Sie waren uns in die Quere gekommen«, wurden jetzt die Bauern lebendig. »Sie waren große Verbrecher, sie haben einen Burschen gestochen, sie haben die Kühe abgeschlachtet. Sie …«
»Gelogen!« schob sich plötzlich Warjka aus der Menge hervor. »Aber der dort hat die Kühe abgestochen … der da!« zeigte sie mit dem Finger auf Senjka. »Rede doch keinen Quatsch! … Gestehe es lieber ein!«
Der fuhr, die Hände gespreizt und ganz zur Erde geduckt wie ein Geier, auf Warjka los. Die flog in die Kapelle.
»Schlagt ihn! Haltet ihn, den Bauchaufschlitzer!«
»Wohin willst Du? Kannst Du nicht sehen?« warf ihn Keschka mit einem schweren Faustschlag die Stufen hinunter.
»Dort führen sie sie … Dort hinten!« schrien welche, die ganz hinten standen.
Die Menge drehte sich um und lief an den Rand des Geheges, denen entgegen, die von dort kamen.
Nur Großväterchen Ustin blieb mit dem und jenem auf dem hohen Vorbau der Kapelle, kniff die Augen zusammen und blickte in die Ferne.