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Vierunddreißigstes Kapitel.
Ich entführe die Bark

Nachdem ich wieder zu Atem gekommen, stieg ich die Leiter soweit hinauf, daß ich über die Schanzkleidung lugen konnte. Nirgends in meiner Nähe regte sich etwas, alles war still und in Dunkelheit gehüllt. Behende schwang ich mich an Bord, kroch nach einer Nagelbank Ein an verschiedenen Stellen des Schiffes befestigtes, mit Löchern versehenes Holz, in welchem die Koveynägel stecken, starke eiserne Bolzen von 20 Zentimeter Länge, die zur Befestigung des laufenden Tauwerks dienen. und entnahm ihr einen Koveynagel als Waffe gegen Forrest.

So gerüstet schlich ich vorsichtig spähend weiter, bis ich plötzlich auf der mir gegenüberliegenden Backbordseite, in der Nähe des Kajütenoberlichts, zwei Köpfe bemerkte, die sich gegen den Sternenhimmel abhoben. In dem einen erkannte ich sofort den von Fräulein Temple, den andern vermochte ich nicht so deutlich zu unterscheiden. Es konnte aber wohl Wetherley sein, mit dem das Mädchen da stand, denn niemals würde es sich dem frechen jungen Burschen, dem Forrest, angeschlossen haben.

Indem ich mich noch nach diesem umsah, erklang ein brüllendes Hallo vom Ufer her, dem bald ein wildes Geschrei folgte.

Mit langen Sätzen sprang ich auf das Paar zu. War der Mann, gegen alle Vermutung, doch Forrest, dann fand er mich gewappnet. Es war aber Wetherley.

Beide standen wie versteinert, auf den wüsten Lärm am Strande horchend, als ich plötzlich in meiner mangelhaften, vom Wasser triefenden Bekleidung vor sie hin platzte.

Das Mädchen wich mit einem Ausruf des Entsetzens zurück; als aber Wetherley schrie: Großer Gott, Ma'am, 's is Herr Dugdale! da flog sie mir mit offenen Armen entgegen und umschlang meinen Hals.

Was ich in diesem Augenblick empfand, vermag ich nicht zu beschreiben. Mein Herz durchbrach alle Schranken. Ich drückte sie an mich und jubelte: Mein Mädchen, meine einzig Geliebte, mein Liebling! Ja, Gott sei gelobt, ich bin bei dir!

Dazwischen tönte es fortgesetzt von drüben, als wenn toll gewordene Kannibalen heulten. – Hörst du sie? fuhr ich atemlos fort. Sie haben meine Flucht entdeckt, wir dürfen keinen Augenblick verlieren. Schnell, schnell, wir müssen unter Segel! – Doch wo ist Forrest?

Tot, gab Wetherley kalten Tones zur Antwort.

Was? Wie? Tot?

Richtig tot. Erschossen von der Dame!

Ich starrte sie mit offenem Munde an, doch nur einen Augenblick. Ich mußte zufassen, um die geliebte Gestalt, deren Arme schwer von meinem Hals herabfielen, aufzufangen. – Sie war ohnmächtig geworden.

Schnell, Wetherley, Ihre Jacke herunter! rief ich erschreckt. Dann trug ich die Bewußtlose nach einer geschützten Stelle, ließ sie sanft nieder, legte ihr zärtlich die zusammengerollte Jacke unter den Kopf und öffnete ihr den Halskragen.

So mußte ich sie einstweilen in Angst und Sorge verlassen, denn das anhaltend wütende Gebrüll auf der Insel trieb zur äußersten Eile. Gelangte das Boot in die Hände der Teufel zurück, bevor wir das Schiff vom Anker frei gemacht und wenigstens ein Segel gesetzt hatten, dann waren wir verloren.

Nun hurtig, Wetherley, eine Laterne zum Bratspill! Ich hole inzwischen eine Axt, wir müssen die Ankerkette kappen!

In gleicher Hast stürzten wir beide davon. – Als wir an der Ankerwinde wieder zusammentrafen, nahm Wetherley die Axt, während ich leuchtete, schlug ein Glied der Kette durch, und rasselnd fuhr die Kette vom Anker gezogen durch die Bugklüse in die Tiefe.

Nun hieß es wenigstens einige Segel setzen, um den Wind zu fangen, so schwach er auch war. Eine kurze Besprechung genügte, welche von den gerefften Segeln wir zunächst aufbinden und fallen lassen wollten. Ich brauchte Wetherley nicht zu treiben. Der sonst so schwerfällige Mann war behende wie ein Eichkätzchen, denn er wußte, was ihm bevorstand, wenn wir erwischt wurden.

Mit fast übermenschlicher Anstrengung gelang es uns in kurzer Zeit, mehrere Segel in den Wind zu bringen. Und ein »Gott sei Dank« entstieg unserer keuchenden Brust, als wir bemerkten, daß die Bark Fahrt machte. Sie schlich zwar noch schneckengleich dahin, doch sie war wenigstens glücklich in Bewegung.

Ich rannte nun zum Ruder, stellte es nach Maßgabe des Windes ein, machte es fest, und überließ es dem Schiff, sich kurze Zeit selbst zu steuern.

Erst jetzt konnte ich meinem Herzen folgen und nach Fräulein Temple sehen; sie war mittlerweile zu sich gekommen und versuchte sich aufzurichten, allein aber wollte ihr das nicht gelingen. Ich mußte ihr helfen. Langsam führte ich sie unter zärtlichen Worten nach dem Oberlicht der Kajüte, wo ich sie niederließ und mich neben sie setzte. Ich konnte zwar nur wenige Minuten bleiben, doch auch diese waren glückselige für mich. Sie sagte, daß sie, sobald sie wieder bei Kräften wäre, uns so gern helfen würde, und zeigte kindliche Freude, als ich ihr sagte, daß wir dringend eines Steuermanns bedürften. Mein Glück, sie in solcher Stimmung verlassen zu können, war groß; neu belebt sprang ich eilends wieder Wetherley zu Hilfe, der inzwischen Vorbereitungen getroffen hatte, das große Focksegel auszuschütteln.

Während wir mit dieser schwer zu bewältigenden Arbeit beschäftigt waren, dauerte der Lärm am Ufer drüben ungemindert fort. Mir schien es, als ob sie jetzt nach Forrest riefen. Der machte uns ja freilich keine Sorge mehr, aber die Angst, daß das Boot inzwischen zurückkehren könnte, ließ mir keine Ruhe. Immer und immer wieder schweiften meine Blicke über die Lagune, ohne etwas von demselben zu erkennen, endlich aber bemerkte ich gegen die Sterne einen dunkeln Punkt auf dem schwarzen Wasser, und ihn im Auge behaltend, erhielt ich die Gewißheit, daß es das Boot war. Ich konnte unterscheiden, wie es breitseit dahinschaukelte – ein Zeichen, daß es von keinem Ruder bewegt wurde. Von dem Kerl darin war keine Spur zu bemerken, er mußte also noch immer schlafen. Das nahm mir eine Zentnerlast von der Seele, denn immer noch kroch die Bark wie eine Schnecke durch das Wasser.

Erst als es uns glücklich gelungen war, das Focksegel zu setzen, und der Wind dieses große Stück Leinwand etwas zu bauschen begann, kamen wir ein wenig mehr in Fahrt.

Als wir an ein anderes Segel gehen wollten, erschien mein liebes Mädchen und verlangte angestellt zu sein.

Ich blickte ihr sogleich ins Gesicht und fragte: Wird es auch gehen?

O, ich werde schon können, erwiderte sie mutig. Na, dann komme, mein kleiner Maat, rief ich in übermütiger Freude, ich ernenne dich zu meinem Steuermann.

Am Rade machte ich ihr vor, wie man zu drehen hätte, um das Schiff nach Backbord oder Steuerbord zu wenden, und wie man es in einer bestimmten Richtung hielte. Sie begriff das alles sehr schnell, und nach einer kleinen praktischen Probe, die mir zeigte, daß sie die nötigen Armkräfte besaß, bezeichnete ich ihr als Richtungspunkt einen größeren Stern auf Steuerbord, der genau über der Nock der Großraae funkelte.

Noch einige Augenblicke erfreute ich mich daran, wie stramm sie mit ihren zarten Händen die Spaken umfaßt hielt, und wie unverrückt sie das Schiff den angegebenen Kurs steuerte, dann rannte ich wieder davon.

In äußerster Hast, denn jeder versäumte Augenblick konnte uns zum Verderben werden, fuhren Wetherley und ich fort, der Bark so viel Leinwand aufzupacken, als wir vermochten. Mit jedem neuen Segel gewannen wir an Fahrt und merkten, wie das unaufhörliche Toben am Ufer immer schwächer wurde. Bald drang kein Ton mehr zu uns, doch wir ließen in der Arbeit immer noch nicht nach.

Endlich konnten wir gewiß sein, daß wir von dem Boot nichts mehr zu fürchten hatten, falls der Himmel uns vor Windstille bewahrte. Und darauf setzte ich mein volles Vertrauen, da Gott ja bis hierher alles gnädig hatte gelingen lassen.

Mit dem größeren Gefühl der Sicherheit und der dadurch abnehmenden geistigen Spannung schwanden mir allmählich die Kräfte. Ich konnte nicht mehr.

Wetherley, keuchte ich, nachdem wir noch den Klüver gesetzt hatten – nun steht vorläufig Leinwand genug, nehmen Sie jetzt das Rad; der Dame werden die Arme schon müde sein, und ich bin nachgerade auch fertig.

Kann ich mer denken, erwiderte er, indem wir nach hinten schritten. Hab' mich schon lange gewundert, daß Sie das Geschufte nach Ihrer Schwimmpartie und all der verdammten Angst, die Sie da drüben ausgestanden haben mögen, so lange aushielten. Bin doch mächtig neugierig, wie Se's fertig gebracht haben, sich fort zu machen.

Ja, das glaube ich, aber vorderhand lassen Sie mich damit in Ruh; ich kann jetzt nicht viel sprechen.

Ich fand meinen herzigen Steuermann noch immer das Auge fest auf den angegebenen Stern gerichtet. Als Wetherley ihr das Rad mit einem freundlichen Nicken und: Brav Strich gehalten, Ma'am – abnahm, blickte sie mich ängstlich an, weil sie mich so arg matt sah, ergriff meinen Arm und führte mich sorglich nach dem nahen Plätzchen auf dem Vorsprung des Hecks, auf dem der Kapitän so oft gesessen hatte. Dann sprang sie flink in die Kajüte und kam mit einem Glas Brandy wieder. Der tat mir gut. Ich zog sie an meine Seite, vermochte aber kein Wort hervorzubringen, jedoch nicht etwa aus Schwäche infolge der übermäßigen Anstrengung, sondern vor Herzensjubel. Alles jauchzte in mir und erst jetzt empfand ich die ganze Seligkeit, in ihren Armen gelegen, so plötzlich das stumme Bekenntnis ihrer Liebe erhalten zu haben, und nun – zum Gipfel allen Glücks – uns gerettet zu wissen. Ich streichelte ihr beständig die Hand, während sie, von ihren Gefühlen überwältigt, leise schluchzend ihren Kopf an meiner Schulter barg. Es war, als ob sie dieser Berührung mit mir bedürfte, um sich ganz bewußt zu werden, daß sie mich wiederhabe.

Endlich vermochte ich den Drang meines Herzens nicht mehr zu dämmen, und bebend, beinahe atemlos, ganz, ganz leise entquoll es ihm: Sage einmal »Liebste«.

Und fast nur gehaucht, aber bekräftigt durch einen Druck ihrer Hand kam es zurück: »Liebster«.

Dies Wort von ihren Lippen! – Gott im Himmel, war es denn Wirklichkeit? Träumte ich auch nicht? War es denn möglich, daß ich ihr Herz gewonnen hatte? Ich machte mir Vorwürfe, sie in diesem, uns beide überwältigenden Augenblick zu einem Wort verleitet zu haben, das sie vielleicht später bereute. Ich klagte meine Schwachheit an, mein Herz nicht bis zu unserer Heimkehr zurückgehalten zu haben. Konnte sie bei der hohen gesellschaftlichen Stellung, die sie einnahm, mein Weib werden wollen? Was würde ihre Mutter sagen? Würde sie einwilligen?

In wirrer Folge, wie im Fieber, stieß ich all diese Gedanken und Fragen hervor, und wenn auch stockend und abgebrochen, so doch ohne Widerstreben, verscheuchte sie all meine Zweifel und Bedenken. Besorgt, mich nicht zu verletzen, gestand sie mir in der zartesten Weise, wie allerdings die Ehepläne ihrer Mutter für sie weit hinaus über den Stand eines Bürgerlichen gingen.

Doch ich habe dich ja nun so lieb, endete sie dieses Geständnis, daß meine Mutter, wenn sie hören wird – wie du dich für mich aufgeopfert, in allem selbstlos nur für mich gedacht und gesorgt, ja dein Leben für mich aufs Spiel gesetzt hast, und daß ich dir allein meine Rettung verdanke – ja, wenn meine Mutter das alles hören wird, dann bin ich überzeugt, daß sie ihre Einwilligung zu unserer Verheiratung geben wird. Meine Mutter liebt mich zu sehr, um einem Herzenswunsch von mir entgegen zu treten.

Das alles hatte sie leise, ohne mich dabei anzusehen, gesprochen, bei ihren letzten Worten jedoch richtete sie ihren Blick so liebevoll auf mich, daß ich, hingerissen von meinen Gefühlen, plötzlich ihren Kopf in beide Hände nahm und ihre Augen und Lippen mit Küssen bedeckte.

Sie ließ es geschehen, doch bat sie mich, es nicht wieder zu tun, bis wir zu Hause wären. Das mußte ich freilich versprechen, aber ich sah ja selbst ein, daß die eigenartigen Umstände, unter denen wir lebten, diese Entsagung erforderten.

Wir saßen nun noch eine Weile, unsern Empfindungen stumm hingegeben. Dann brach ich das Schweigen: Nun, Herzenskind, erzähle, wie es mit Forrest kam.

Ich fühlte an ihrer Hand den Schauder, der sie durchbebte.

Es ist zu schrecklich, davon zu sprechen, murmelte sie.

So will ich dich damit nicht quälen, erwiderte ich, ihr sanft den Kopf streichelnd. Soll ich es mir von Wetherley erzählen lassen?

Ja, das ist mir lieber.

Ich trat zu ihm und forderte ihn auf.

Das war nämlich so, begann er. Ich hatt' mich mit Forrest in die Wachen geteilt. Er war von acht bis zwölf Uhr dran, und ich legt' mich auf dem Vorderdeck nieder. Ich dacht', die Dame ist ja unten ganz sicher. Da auf einmal wach' ich auf; 's war mir, als ob 'n Schuß gefallen wär'. Na, denk ich, willst doch mal seh'n, ob bei der Dame alles richtig is, denn dem durchtriebenen Schlingel, dem Forrest, is nich zu trau'n. Wie ich also da nach hinten komm' und keinen Forrest nich seh', krieg ich's mit der Angst und will runter. Da begegne ich das Fräulein, wie's gerade rauf kommt. Se hatt' 'ne Pistole in der Hand und sagt' ganz kalt: »Eben drang ein Mann in meine Kabine. Ich fragte, wer er wäre, und was er wollte, und auf seine Antwort habe ich geschossen. Ich glaube, er ist tot. Bitte, sehen Sie einmal nach. – Ich dacht', sie wandle im Schlaf, so kalt und ruhig sprach sie, doch als ich in ihre Kabine kam, lag richtig der Forrest da, mit dem Gesicht auf dem Boden. Ich dreht' ihn um und befühlte ihn: er war meiner Seele mausetot. Nu, sagt' ich mer, hier kann er nich bleiben und schleppte ihn in Ihre Kabine. Als ich dann wieder rauf kam, mocht' das Fräulein nich mehr runter, und so kam's, daß Sie uns beisammen trafen. –

Während der letzten Worte war sie zu uns getreten.

Mein tapferes Kind, sagte ich, bewegt ihre Hand ergreifend, was hast du durchgemacht!

Sie sah stumm zu Boden, aus ihrem Schweigen fühlte ich zu sehr die Scham, die Pein und das Entsetzen über den Vorfall heraus, ließ daher den Gegenstand ohne weiteres fallen und wandte mich an Wetherley:

Nun, denke ich, hat es wohl keine Not mehr mit dem Boot, was?

I wo! 's hat ja kein Segel. Jetzt könn'n wir lachen. Aber 'n verflucht gefährliches Ding war's schon, was Se da vollbrachten. Wüßt' doch gerne, wie Se's angestellt haben, denen aus'm Garne zu gehn. Jetzt könnten Se's doch erzähl'n, nu haben wir doch Zeit.

Ja, das ist wahr. Ich bin auch schon lange neugierig darauf, stimmte mein Schätzchen eifrig ein, indem es sich wieder in meinen Arm hing.

So erzählte ich denn, und immer von neuem merkte ich an einem plötzlichen Druck meines Armes oder einem unwillkürlichen Zwischenruf, mit welch lebhaftem Empfinden sie meiner Schilderung folgte.

Als ich geendet hatte, meinte Wetherley: Na, wenn sie das Boot nicht wiederkriegen, tun mir die armen Kerle leid, denn es soll da drüben nichts zum Leben geben, als was sie mitgenommen haben.

Ach, grämen Sie sich doch nicht um die Bande, der Kerl im Boot wird seinen Weg schon wieder zurückfinden. Danken Sie Gott, daß wir jetzt nichts mehr zu fürchten haben.

Tu ich ja auch, tu ich ja auch. Bin zufrieden, wie es is. Würd' mich gerne an Land zur Ruh setzen; die Sache hat nur 'nen verdammten Haken – wovon soll man leben?

Na, darüber brauchen Sie sich doch jetzt keine Sorge mehr zu machen.

Er schmunzelte über das ganze Gesicht, und mächtige Wolken aus seiner Pfeife stoßend, gab er sich nun völlig seinen Gedanken hin, die ihn wohl in irgend ein stilles Häuschen versetzen mochten.

Unter all den Aufregungen der letzten Stunden hatte ich noch nicht daran denken können, meine nasse Bekleidung zu wechseln. Jetzt im Zustande größerer Ruhe begann mich zu frieren. Ich sagte deshalb, daß ich hinunter wolle, mich umzukleiden.

Ja, das ist aber auch wahr, stimmte mein Liebchen lebhaft bei. Ich begreife nicht, daß ich darauf nicht geachtet habe, du kannst dich ja in den Tod erkältet haben. Ich mache mir rechte Vorwürfe. –

Aber, Herzenskind – – –

Nein, – schnitt sie mir das Wort ab – du darfst dich nicht länger aufhalten. Ich bleibe inzwischen hier.

Ach du – Ich mußte ihr doch wenigstens noch eine Kußhand zuwerfen, ehe ich glücklich davonsprang.

In meine Kabine tretend, wich ich unwillkürlich zurück. Ich hatte Forrest vergessen, der dort als Leiche lag; sein Anblick entsetzte mich, doch bald war ich darüber hinweg und zog mich um.

Auf Deck zurückkehrend, bat ich mein Schätzchen, das Steuer wieder übernehmen zu dürfen, und raunte Wetherley heimlich zu, mit mir die Leiche über Bord zu befördern. Wir schafften sie nach oben, trugen sie im Schutze der Dunkelheit nach vorn und ließen sie über die Schanze gleiten.

Wir kehrten zum Rade zurück, das Wetherley sogleich wieder übernahm.

Meine Braut und ich begaben uns wieder auf unser altes Plätzchen.

Himmlische Wonne und Ruhe waren an Stelle der schrecklichen Aufregungen getreten. Wir saßen und sprachen nur von unserm Glück und unsern Hoffnungen. Und unbeschreiblich lieblich klangen mir all die Worte, die dem dankerfüllten Herzen meiner Braut – Gott im Himmel, ich konnte es noch gar nicht fassen – meiner Braut entströmten.

Wir schwelgten in dem Gefühl unserer Freiheit und beratschlagten, welchen Weg wir nehmen sollten, um möglichst schnell in eine Fahrstraße zu gelangen, die uns Aussicht gab, einem Schiff zu begegnen und damit Hilfe zu erhalten. Endlich kamen wir überein, die Straße nach Valparaiso zu wählen. Dieser Hafen lag allerdings noch 2600 Meilen fern, aber was verschlug uns das jetzt? Jedenfalls fanden wir dort große Schiffe zur Heimreise und jede Unterstützung bei dem dortigen englischen Konsul. Dieser Gedanke machte uns beide zu fröhlichen Kindern; was planten – was schwatzten wir nicht alles!

Darüber rötete sich allmählich der Osten. Golden stieg die Sonne aus den Fluten empor. Mit einem tief empfundenen stillen Dankgebet begrüßten wir den Tag. –


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