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Nach zwei Tagen hatte sich die Aufregung gelegt, und alles war wieder wie sonst.
Die Einförmigkeit auf See wirkt erdrückend. Sie legt sich auf die Seele wie eine Eisenwalze, die über einen Grasplatz rollt, und ertötet alle Keime der Gedankenwelt; sie belastet das Gemüt und erzeugt Mattigkeit und Flauheit der Stimmung.
Hemmeridge ließ sich nicht mehr blicken. Er blieb in seiner Kabine, wohin ihm, auf Befehl des Kapitäns, die Mahlzeiten gebracht wurden. Er hatte geschworen, nicht die kleinste Pille mehr zu verabreichen, keinen Finger mehr zu rühren, wenn auch das ganze Schiff mit Mann und Maus die Pest kriegen sollte.
Der Oberst, der von jedem Menschen immer das Schlimmste dachte, hatte natürlich nicht den Schatten eines Zweifels an der Schuld des Doktors, wir übrigen aber hielten ihn für völlig unschuldig, vor allen der kleine Saunders, der sich, seit man seines Gutachtens bedurft hatte, eine wichtige Miene gab und kaum noch von etwas anderem als von Morion sprach. Mich, den er besonders in sein Herz geschlossen hatte, plagte er am meisten mit den Ergüssen seiner Weisheit. Nolens volens schleppte er mich einmal in seine Kabine, wo er mich an einem mächtigen Folianten festnagelte, indem er mit einem gewissen Hochgenuß sagte: Jetzt werde ich Ihnen die Mandragora des Hippokrates, das Gewächs zeigen, aus welchem das Morion extrahiert wird. Und ich Unglückseliger mußte mir Blüten, Staubfäden, Stengel, Fruchtknoten, junge Früchte, und was weiß ich sonst noch alles, mit erheucheltem Interesse ansehen, und dabei bis zur Erschöpfung anhören, was seit der Erschaffung der Welt die Wissenschaft über dieses Todeskraut wußte und nicht wußte. Hierdurch bekam ich vor dem mir sonst so lieben kleinen Kerl solch heillosen Schrecken, daß ich ihn vorläufig, sobald es nur anging, floh. –
Drei Tage vergingen, in welchem sich unsere schwere Tonne kaum merklich fortrollte. Das Wasser war so still, der Himmel so frei, daß man es kaum fassen konnte, sich auf einem der mächtigsten Ozeane der Erde zu befinden.
Eines Morgens um sieben Uhr machte ich meinen Morgenspaziergang auf Deck. Da fiel mir in der Ferne über Steuerbordbug ein blinkender Punkt auf. In meiner Nähe lehnte der alte Schotte, der Zimmermann, rauchend an dem Gangspill.
Bitte, für was halten Sie das glitzernde Ding dort? sagte ich mit dem Finger hinzeigend.
Hab' mer auch erst den Kopf drüber zerbrochen, brummte er in seiner Art, ich hab's nun rausgefunden, es is nich mehr und nich weniger als 'n Schiffsrumpf.
Das war auch so, denn bald wurde durch verschiedene Gläser der interessante Gegenstand als der Rumpf eines kleinen Schiffes festgestellt. Mehr konnte man vorderhand bei dem auf der See lagernden silberglänzenden Nebel und der großen Entfernung nicht erkennen.
Bei Tisch gab natürlich diese Entdeckung den Hauptgesprächsstoff, und ich hörte dabei, wie Fräulein Temple zu Colledge äußerte: Für mein Leben gern würde ich einmal ein einsam auf See treibendes, gänzlich verlassenes Wrack besuchen.
Du meine Güte, Luise, ist das wieder mal ein Einfall! rief die Tante.
Wieso? meinte Colledge. Es wäre doch einmal eine kleine Abwechslung in dem ewigen Einerlei.
Nicht wahr? fuhr das junge Mädchen fort. Und wer weiß, was man nicht alles auf solch einem Wrack finden würde, besonders wenn es schon Monate oder Jahre umhertriebe und verlassen, wie eine unbewohnte Insel, mit Muscheln und Seetang bedeckt wäre. Es müßte wirklich romantisch sein, mal eine mondhelle, totenstille Nacht ganz allein auf solchem Fahrzeug zuzubringen – ringsum nichts als das geheimnisvolle Schweigen. Schauerlich würde es ja sein, aber märchenhaft.
Colledge lachte: Na na, ob das wirkliche so schön sein würde? Und die Tante brummte ärgerlich: Ich begreife nicht, Luise, wie du solch überspanntes Zeug reden kannst. Komm, wir wollen die schöne Morgenluft genießen.
Damit erhob sich die alte Dame, und etwas schmollend folgte ihr die Nichte.
Der Aufbruch der beiden Damen wirkte ansteckend, alles begab sich nach oben.
Es war ein heißer, wolkenloser Morgen und alles deutete darauf hin, daß wir bald Windstille haben würden. Ich trat an die Reling zu Prance, der mit dem Teleskop eifrig in der Richtung nach dem Wrack spähte; hinter diesem, am Rande des Horizonts, bemerkte ich jetzt die Segel eines Schiffes, das langsam heranschlich.
Sehen Sie nach dem Segel da unten? fragte ich.
Ja. Ich beobachte es schon eine ganze Weile, es muß da unten mehr Bewegung in der Luft sein als hier bei uns. Uebrigens ist das Barometer gefallen und das gibt einige Hoffnung auf Wind. Ich habe aber noch etwas ganz anderes entdeckt. Möglicherweise irre ich mich, indessen glaube ich nicht, daß ich mich täusche. Sehen Sie einmal, fügte er hinzu, indem er mir das Teleskop reichte, es wird Sie interessieren.
Wohin soll ich sehen?
Nach dem Wrack.
Ich legte das Fernrohr auf die Reling und kniete nieder. Was mir bisher mit bloßem Auge unsichtbar geblieben war, sah ich jetzt deutlich. Das Wrack lag hoch auf dem Wasser. Ich erkannte seinen Fockmast mit allen Rahen, vom Hauptmast aber nur einen Stumpf; die hintere Backbordschanze war bis aufs Deck niedergeschlagen, und die große Lücke gestattete freien Blick auf ein kleines Deckhaus. So jämmerlich verstümmelt aber auch der ganze Rumpf aussah, zeigte er doch noch eine edle Gestalt. Ganz so, wie ein schönes Weib auch in Bettlerlumpen gehüllt noch schön ist.
Bei Gott, Prance, rief ich. Jetzt weiß ich, was Sie meinen; das ist ja unser Schreckenskind von neulich, die Piratenbrigg!
Nichts anderes, nickte er. Und gewiß ein wunderbares Wiederfinden, wenn man bedenkt, wie groß das Meer ist.
Ja, weiß Gott, das ist es, und zumal nach dem Feuer. Dachte man sich doch, die verkohlten Ueberreste würden wer weiß wo schwimmen. Sonderbar, daß die Teufel das Schiff verließen, da es ihnen doch gelang, des Feuers Herr zu werden. Mehr noch wie das Wrack interessiert mich aber jetzt der da hinten heraufkommende Segler; was halten Sie von ihm? Mir sieht er fast wie ein Kriegsschiff aus.
Nach der Takelung zu schließen, können Sie recht haben, doch kann man nicht urteilen, ehe der Rumpf nicht sichtbar wird, und darüber wird noch geraume Zeit vergehen.
Die Entdeckung, daß das Wrack die Piratenbrigg sei, versetzte alle Passagiere von neuem in Aufregung. Gläser jeder Art richteten sich hinaus, um Gewißheit zu erlangen, ob das Wrack auch wirklich gänzlich verlassen sei. – Vielleicht – hörte ich Emmett sagen, halten sich die Schufte nur versteckt und lauern wie die Spinne im Netz auf eine günstige Gelegenheit, uns plötzlich anspringen und den Garaus machen zu können.
Immer möglich, lachte Prance. Ich würde Ihnen raten, bald Vorkehrungen für Ihre Sicherheit zu treffen.
Dieser Hohn veranlaßte wohl manchen anderen, der ähnlich, wie Emmet fürchtete, seine Gedanken für sich zu behalten. Die Gesichter aber sprachen deutlich genug. Erst gegen Mittag, als sich herausstellte, daß das ankommende Schiff in der Tat eine kleine englische Korvette war, wich der Alp von den Zaghaften, und nun waren sie es, die nichts sehnlicher wünschten, als daß das ganze Räubernest voll säße und all die Bösewichter von dem Kriegsschiff gefangen und gehängt würden.
Leider kam dieses sehr bald ebensowenig von der Stelle wie wir, denn es trat absolute Windstille ein. Kein Lüftchen regte sich mehr. Die schlaff herabhängenden Segel bewegten sich nur noch leise, wenn bei der schwachen Dünung die hohen Spieren sich sanft neigten. Das Wrack der Brigg lag uns jetzt etwa zwei Meilen steuerbord und ungefähr noch eine Meile weiter die Korvette. Es war, als wären wir alle drei verankert.
Um mir die Zeit zu vertreiben, stieg ich aufs Deckhaus und zündete mir eine Pfeife an. Während ich dort, an das Geländer gelehnt, meine Augen umherschweifen ließ, wurde mein Blick durch das merkwürdige Aussehen der Seelinie im Südwesten gefesselt. Der Rand der See zeigte dort eine eigentümliche Vertiefung, was jedenfalls eine Wirkung atmosphärischen Luftdrucks war. Der Anblick war aber um so wunderbarer, als da, wo Meer und Himmel in dieser sonderbaren Einsenkung hätten zusammenfließen müssen, ein verhüllender Dunst lagerte. Ich hätte vielleicht diesem seltsamen Naturspiel weniger Beachtung geschenkt und es nur für eine Folge merkwürdiger Strahlenbrechung gehalten, wenn mir nicht eingefallen wäre, daß mir bei meiner ersten Seereise der eine Maat erzählt hatte, wie er einst eine solche Vertiefung am Horizont bemerkt und sie sich nicht zu deuten gewußt hätte, dann aber plötzlich ein solches Wetter gekommen wäre, das die Segel gegen die Maste geweht und diese über Bord geworfen hätte. Ich nahm mir deshalb vor, Prance auf meine Wahrnehmung aufmerksam zu machen, vergaß es aber schließlich über einer andern Sache.
Beim Frühstück nämlich kam Cocker und machte dem Kapitän eine Meldung.
Schön, antwortete dieser. Der Besuch wird wohl mehr aus Neugier als aus Höflichkeit geschehen. Wie weit ist das Boot noch ab?
Es hat soeben das Wrack verlassen.
Na, dann dauert es ja noch eine Weile, bis es heran ist. Meine Herrschaften, fuhr der Alte zur ganzen Tafel gewandt, fort, die Korvette hat ein Boot nach dem Wrack geschickt, und jetzt kommt es zu uns. Ich zweifle nicht, daß die Korvette nach Hause segelt, und dies würde eine Gelegenheit sein, Briefe mitzugeben. Wer von Ihnen also schreiben will, wird gut tun, die Zeit wahrzunehmen.
Diese Mitteilung verursachte einen fast allgemeinen Aufbruch der Gesellschaft. Es gab nur wenige, die nicht den Drang fühlten, die günstige Gelegenheit zu benutzen. Ich frühstückte in Ruhe zu Ende und ging dann auf Deck, das ankommende Boot zu betrachten.
Unter dem präzisen, taktmäßigen Heben und Senken der hellen eschenen Riemen kam es schnell näher. Ein junger Marineoffizier steuerte es, mit einer ebenso geschickten wie eleganten Wendung legte es sich längsseit, die Riemen flogen mit einem Schlage auf, es hakte an, der junge Offizier enterte flink die für ihn bereit gehaltene Strickleiter empor und betrat das Deck, indem er mit einer gefälligen Handbewegung alle Versammelten begrüßte.
Der alte Keeling empfing ihn mit freundlichem Händedruck. Was verschafft uns das Vergnügen Ihres Besuches?
Mein Kapitän befahl mir, erwiderte der sonnengebräunte frische Leutnant mit vornehmer Sicherheit, das Wrack zu durchsuchen und dann hier anzufragen, ob wir Ihnen irgendwie zu Diensten sein können.
Sehr gütig von Ihrem Kapitän, entgegnete Keeling verbindlich. Meine Passagiere werden Ihnen dankbar sein, wenn Sie einige Briefe mitnehmen wollen.
Bitte, mit Vergnügen. Und der Name Ihres Schiffes?
»Gräfin Ida«; von London nach Bombay. Ich darf die gleiche Frage an Sie richten?
Sr. Majestät Korvette »Zauberin«.
I der Tausend! platzte hier Colledge dazwischen. Verzeihen Sie, dann ist Sir Edward Panton Ihr Kommandeur?
Allerdings, wandte sich der Leutnant ihm höflich zu. Sie kennen ihn?
Er ist mein Vetter. Habe ihn sieben Jahre nicht mehr gesehen. Und ihn nun hier mitten auf dem Ozean zu treffen! Das ist wirklich spaßhaft.
Ja, wirklich, ein eigener Zufall. Dürfte ich Sie um Ihren Namen bitten?
Colledge.
Ah; also jedenfalls ein Sohn von Mylord Sandown. Ich hörte den Namen öfter von Sir Edward. Er wird sich freuen, von Ihnen zu hören. Ich kann ihm doch Grüße bestellen?
Gewiß. Die allerherzlichsten, wenn Sie so gut sein wollen.
Herr Leutnant, begann jetzt wieder Keeling, ich denke, Sie werden nach der heißen Fahrt einen kleinen Imbiß nicht verschmähen. Das Frühstück steht noch auf dem Tisch, wenn es Ihnen gefällig ist, gehen wir hinunter.
Auf eine zusagende Verbeugung schritten beide nach dem Salon, wobei der Leutnant seine Augen neugierig über das Schiff und die umherstehenden Herren und Damen schweifen ließ, unter denen die goldhaarige kleine Hudson mit ihren neckischen Augen einen besonders langen Blick der Bewunderung empfing.
Da hat das hübsche Ding wieder einen, dem sie den Kopf verdrehen kann, raunte mir Colledge zu, indem er seinen Arm unter den meinen steckte. Passen Sie auf, sie geht ihm bald nach. Und richtig, sie schloß sich gleich anderen an, welche die Neugier trieb, zu hören, was der junge Offizier alles zu erzählen hatte. Wir lachten und traten zusammen an die Reling, wo Colledge sagte: Wissen Sie, Dugdale, ich würde meinen Vetter schrecklich gern überraschen; es wäre doch ein riesiger Spaß, ihn zu besuchen! Mir scheint, es ist gar nicht so weit bis zur Korvette. Was meinen Sie?
Oh, die Entfernung würde das wenigste sein, antwortete ich, meinen Blick unwillkürlich wieder nach der Stelle am Horizont wendend, wo mir vorher die sonderbare Vertiefung aufgefallen war, aber ich traue der Windstille nicht, mitunter folgt ihr ganz plötzlich ein böses Wetter.
Ach was; ich bin kein solcher Schwarzseher. Würden Sie mitkommen, wenn ich fahre?
Mit größtem Vergnügen.
Na, das ist aber nett von Ihnen, rief er, mich auf die Schulter schlagend. Wir fahren mit dem Leutnant, und mein Vetter schickt uns wieder zurück. Das wird ein Hauptfest! Ich habe die Marinejungens gern; wissen Sie, man fühlt sich so sicher, wenn sie rudern. – Ah, da kommt was zu trinken für die braven Kerls. Das freut mich. Wahrhaftig, unser Alter trägt doch unter seinem närrischen altmodischen Rock ein mitfühlendes Herz.
Alles ganz schön, Colledge, nur fragt es sich, ob der Leutnant uns überhaupt mitnehmen darf. Vielleicht verbieten ihm das seine Dienstvorschriften. Wie wäre es, wenn Sie hinuntergingen und die Sache mit ihm besprächen? Ist es ihm nicht erlaubt, wird uns wohl Keeling ein Boot geben.
Voller Eifer sprang er davon, und ich trat an das Oberlicht, von wo aus ich den Leutnant vor einer Flasche Champagner sitzen und mit Appetit ein Stück kaltes Geflügel verzehren sah. Neben ihm saß der alte Keeling mit der Tante und Fräulein Temple, die ebenso wie einige andere, welche bis jetzt Briefe geschrieben hatten, ihr unterbrochenes Frühstück fortsetzten. Colledge zog sich einen Stuhl dicht neben den Offizier, und bald sah ich beide in lebhaftem Gespräch.
Ich schlenderte nun nach dem Fallreep, wo das Boot inzwischen angelegt hatte. Die schmucken Burschen waren eifrig über dem ihnen vom Kapitän geschickten Flaschenkorb her, schenkten sich munter ein und spannen ein richtiges Seemannsgarn mit unseren Leuten, die dicht aneinander gedrängt auf der Schanzkleidung hockten. Es wurde viel gelacht; offenbar war der Besuch für das ganze Schiff ein frohes Ereignis.
Nach etwa einer halben Stunde erschien der Kapitän mit seinem Gast, Tante und Nichte, sowie Colledge wieder auf Deck, und letzterer teilte mir sogleich mit, daß der Leutnant uns mit Vergnügen mitnehmen und auch wieder zurückbringen wolle – aber – fügte er, mich fast schüchtern ansehend, hinzu, was werden Sie sagen – Fräulein Temple will mit.
Hm, machte ich etwas betroffen. Auch noch andere Damen?
Er zog eine Grimasse und flüsterte: Nein; der Leutnant schien zwar die größte Lust zu haben, auch Fräulein Hudson einzuladen, aber ich bat ihn, davon Abstand zu nehmen, weil dann Fräulein Luise entschieden zurückgeblieben wäre. Sie wissen ja, sie macht sich nicht viel aus den Damen an Bord, und mir liegt daran, sie mit meinem Vetter bekannt zu machen. Sehen Sie, fuhr er, mich verschmitzt anblinzelnd, fort, er sucht doch jedenfalls meinen Vater zu Hause auf, und da wird er ihm natürlich von ihr erzählen. Das ist so ein kleiner Hintergedanke von mir.
Weiß Fräulein Temple, daß Sie mich aufgefordert haben?
Versteht sich. Das habe ich ihr gleich gesagt.
Und wie nahm sie die Mitteilung auf?
Mit Begeisterung, schrie er.
Kann ich mir lebhaft vorstellen, lachte ich. Aber ich gehe trotz ihrer Begeisterung mit.
Unsere Unterhaltung wurde hier durch einen lauten Aufschrei unterbrochen. Frau Radcliffe hatte ihn ausgestoßen: sie stand bei ihrer Nichte, und diese hatte ihr, wie sich gleich ergab, soeben von ihrer Absicht mitzufahren erzählt.
Davon kann gar keine Rede sein, rief die alte Dame in Todesangst. Ich verbiete es dir auf das bestimmteste.
Ach, sei doch nicht so ängstlich, Tante, hörten wir weiter, das Meer ist doch so ruhig wie ein Teich.
Wenn auch. Nein, nein, ich mag nichts davon hören. In dem kleinen Boot! Ich bitte dich um Gotteswillen! Es kann umkippen, und du kannst ertrinken. Ich erlaube es unter keinen Umständen! Bedenke doch, was würde deine Mutter sagen!
Die würde es mir gewiß erlauben, davon bin ich fest überzeugt. Mache mich doch nicht lächerlich, Tante, und sei mir nicht böse, aber ich fahre. Es ist wirklich ein harmloses Vergnügen bei der See. Also sei nicht töricht, Tantchen.
Die alte Dame appellierte nun in ihrer Angst an den Kapitän, der mit dem Kopfe wiegend etwas zweifelhaft den Horizont ringsum betrachtete, aber zu keiner Antwort kam, da jetzt der Leutnant um die Briefe bat und sich empfahl. Der Kapitän und viele, die die Abfahrt des Bootes mit ansehen wollten, begleiteten ihn zum Fallreep. Dann auf einmal, ich weiß nicht mehr, wie es kam, saßen wir drei im Boot, der Leutnant ergriff das Steuer, der Bugriemen stieß ab, die andern Riemen senkten sich, und unter den kräftigen Schlägen der Matrosen schoß das Boot dahin. Das letzte, was wir an Bord sahen, war der Kapitän, lebhaft gestikulierend, wie es schiert, in dem Bemühen, der armen Frau Radcliffe Trost zuzusprechen, die mit dem Taschentuch vor den Augen an der Reeling stand und weinte.