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Ein wesentliches Element in dem, was in unseren Vorstellungen sich an die Vergangenheit anlehnt, entsprießt den Ruinen .
Wertvoller ist ein Leben, das Ruinen hinterläßt als ein spurlos verflossenes. Dauerhaftere Bauwerke machen uns nicht einen tieferen Eindruck, weil wir von der Furcht befreit sind, sie könnten über den Köpfen ihrer Bewohner zusammenfallen, sondern weil sie von mehr als nur einem Geschlecht erzählen. Sie sind Vermächtnis und Überlieferung, sie knüpfen die Geschlechter zusammen. Ein Volk, das Zeugen seines Daseins hinterläßt, lebt in seinen Werken fort, alle anderen sind tot, auch wenn etwa eine alte Inschrift ihre Namen überliefert hat.
Es sind indessen auch nicht alle Ruinen von gleichem Werte. Es gibt ein Leben, das groß im Vernichten, und ein anderes, das groß im Aufbauen und Erhalten ist. Beide sind auch reich an Spuren ihrer Vergangenheit.
Von den Ruinen alter Städte und Paläste im östlichen Ceylon schweift die Frage: Wie konnten große Bevölkerungen im dürren Lande leben? zu den Ruinen der Bewässerungskanäle und -reservoire hinüber, welche die singhalesischen Könige errichteten. Wassermangel war hier die Krankheit, an der die Geschlechter hinsiechten. Wir erinnern an Mesopotamiens Verfall, der mit der Zerstörung der Kanäle und mit Überschwemmungen schon vor der Türkenzeit begonnen hatte.
Der Boden ist ein anderer, in den die Geschichte ihre Streifzüge eingezeichnet hat. Er ist nicht nur in topographischem Sinne verändert, er hat als geschichtlicher Boden einen höheren Wert erlangt.
Der Hauch der Einsamkeit, der Widerspruch zwischen der Bestimmung dieser Mauern, Straßen, Häuser und ihrem jetzigen Zustande, zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist poetisch. Es weht uns das Friedhofgefühl an, welches in diesem Gehobensein ins Geschichtliche, Große eine Höhenatmosphäre geschichtlicher Betrachtung ist. Es ist ein ganz anderes Lernen auf dem Tempelfeld von Selinunt als im Vitruv. Nur die herrlichsten Literaturwerke können mit der Akropolis von Athen verglichen werden.
Es gibt Länder, Ruinenländer , die in ihrer Gesamtheit nur als Trümmerstätten aufzufassen sind, wo kein Schritt und vor allem kein Neuschaffen ohne Rücksicht auf die Spuren des Altertums möglich ist. Wo eine ganze Kultur vernichtet ist, ohne daß neues Leben aus den Ruinen erblühte, trägt das ganze Land den Charakter des Verfallenden, Zurücksinkenden.
Eine so gründliche Verwüstung, wie sie das Euphrat-Tigris-Land heimgesucht, wandelte das Antlitz jener Erdstelle in ihr Gegenteil um. Daß ein Land, welches heute harte Wüste oder fieberhauchender Sumpf, Überschwemmung oder Dürre ist, dasselbe sei, auf welchem sich Feld an Feld mit berühmter Fruchtbarkeit reihte, welches von zahlreichen schiffbaren und Bewässerungskanälen durchschnitten wurde, eine Menge Städte und Dörfer trug, Städte, in denen Reichtum, Kunst und Wissenschaften blühten, und von welchen Kulturströme bis an die damals weit zurückstehenden europäischen Gestade sich ergossen, ist schwer zu glauben.
Die Steppenländer sind alle auch Ruinenländer.
Die ruinenreichsten Länder liegen stets im Grenz- und Kampfgebiet großer und dauernder natürlicher oder geschichtlicher Gegensätze. Sie bezeichnen die Grenze zwischen Steppe und Fruchtland, zwischen Nomaden und Kulturvollem, zwischen Islam und Christentum.
Eine niedrigere, von weniger hochstrebender Richtung der Arbeit zeugende und minder dauerhafte Art von Ruinen steht in den Resten verschollenen Acker- und Gartenbaus vor uns. Sie sagen uns nicht mehr als: Auch hier waren einmal Menschen.