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Jagden und Thierleben in Ostgrönland.

Der grönländische Bär. – Der arktische Luchs. – Das grönländische Renthier. – Der Moschusochs. – Der Polarhase. – Das Walroß. – Der Seehund. – Vögel. – Meerthiere.

 

Das Thierleben der arktischen Region ist von dem der antarktischen bekanntlich insofern verschieden, als dieselben keine Vierfüßler, Vögel oder Landinsecten gemein haben, weil diese eine Wanderung durch die Tropen nicht zu vollziehen vermögen. Dagegen gehören viele wirbellose Seethiere beiden Zonen Unter dem Aequator wurden sie in größeren Tiefen gefunden; in Regionen, welche sich durch geringe Meerestemperatur auszeichnen und dadurch J. C. Roß' Anschauung widerlegen, daß in sehr tiefen Oceanen überall die unveränderliche Temperatur von +3,8° C. vorkomme. an, indem sie ihren Zug, durch die, die Temperatur ausgleichenden Tiefen des Meeres unbeschadet vollführen können.

Die Thierwelt der Nordpolargegenden hat sich in einigen Gebieten durch das Eindringen der Menschen nicht unerheblich vermindert. Nur das noch wenig bekannte Ostgrönland macht hievon eine Ausnahme. Die Züge der Nomaden, neue Ansiedlungen, Walfisch- und Robbenfänger, selbst wissenschaftliche Expeditionen haben in gleicher Weise dazu beigetragen, sie zu verscheuchen oder auszurotten. Das Walroß ist aus dem Nowaja Semlja- und dem Ochotzky'schen Meere fast verschwunden. Das Renthier, in Spitzbergen scheu und selten geworden, hat sich aus dem Südwesten Grönlands zurückgezogen; zahllose Fallen haben die Zahl der Füchse, Zobel und Hermeline Sibiriens außerordentlich vermindert, der Wolf wird nur noch in Lappland, Nordasien und einigen amerikanischen Polardistricten gesehen. Oft wurden die Thiere herdenweise gemordet, ohne daß man von ihrer Erlegung hätte Nutzen ziehen können. Außer den Bewohnern der Lüfte scheint es, daß nur die Eisbären diesen Angriffen gegenüber ohne erhebliche Verminderung ihrer Zahl haben widerstehen können. Wir selbst haben jedoch nicht dazu beigetragen, ihre Existenz zu erleichtern.

Cap Wynn und die Griper-Rhede im Mondlicht.

Die Jagd beginnt in Grönland häufig, wo sie bei uns aufhört, bei der Selbstverteidigung. Dem Zoologen gewährt sie wissenschaftliches Interesse, dem Entdecker verlängert sie die Frist, bis zu welcher er vom Schiffe fern bleiben kann; im Ganzen gehört die Jagd also mehr der Notwendigkeit als dem Vergnügen an. Nur die Jagd auf Eisbären und Walrosse ist mit Gefahr verbunden.

Der grönländische Bär, der mit seinem gelblichweißen, zottigen Fell und mit seiner schwarzen Nase weithin von den Schneefeldern absticht, wird 6 bis 10, ja bis 12 Centner schwer, übertrifft seine in zoologischen Gärten oder Menagerien sichtbaren Verwandten Jung nach Europa gebracht, müssen sie unter den ihrer Entwicklung so ungünstigen Verhältnissen verkommen. Der bis jetzt am nördlichsten angetroffene Eisbär ist der, welcher von der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition unter 81° 35' getödtet worden ist. bei weitem, steht an Kraft weder dem Löwen, noch dem Tiger nach. Die Kraft seiner Kinnbacken ist so groß, daß ein solcher, wie Scoresby erzählt, eine eiserne Lanze von einem halben Zoll im Durchmesser entzwei gebissen hat. Aber die kalte Zone, in der er lebt, hat sein Blut abgekühlt; er ist bedächtig und mißtrauisch. Die widersprechenden Berichte über seinen Muth erklärt der Umstand, daß sich aus dem Verhalten eines Eisbären nie auf das eines andern schließen läßt, daß somit jeder individuell auftritt, indem er von dem augenblicklichen Nahrungsbedürfniß und andern Motiven geleitet wird. Zuweilen geschieht es auch, daß Bär und Jäger unmittelbar nach wechselseitigem Erblicken davon laufen, bis sie in einer Entfernung sind, welche ihnen gestattet, über die Feigheit des Andern ohne Beunruhigung zu staunen. Auch bei solchen Jägern gilt der Bär so lange als völlig ungefährlich, bis sie selbst angegriffen werden, während sie ihm die Angriffe auf Andere nicht zur Last legen. Nur dadurch erklären sich so manche unbedachte Angriffe auf Eisbären unter den Grönlandsfahrern. Einzeln, mit einer Stange oder einer Lanze bewaffnet, gingen sie ihnen entgegen; sie wurden entweder weggeschleppt und zerrissen, oder nur mit genauer Noth gerettet. Gegenwärtig befähigen die Hinterlader einen Schützen allerdings zu hinreichender Sicherheit bei einer Jagd auf diesen Feind. Der Bär lebt vorzugsweise von Seehunden, lauert ihnen an Eisspalten auf, überfällt sie, wenn sie auf Eisflößen sich sonnen, mit der Hinterlist des Tigers, mit welchem er überhaupt die geräuschlose Annäherung gemein hat. Lautlose Stille ist für den arktischen Wanderer noch durchaus keine Gewähr, daß nicht fünf Schritte hinter ihm ein Bär einherschreitet. Er verfolgt auch die untertauchenden Robben, denn er ist ein gewaltiger Schwimmer. Nur das Renthier übertrifft ihn an Schnelligkeit. Ueber zerrissene Felshänge klettert er mit katzenartiger Gewandtheit; hiezu, wie zum Gehen auf glatten oder geneigten Eisflächen befähigen ihn die Rauheit seiner Sohlen, seine Klauen und die Behaarung seiner Tatzen. Einem getödteten Eisbären zog ich die Felle von den Hinterfüßen ab, säuberte sie mühsam vom Fett, rieb sie mit Alaun ein und zog sie an; es war eine prächtige Fußbekleidung, – der Bär hatte gute Sohlen, – leider ging sie bei einem Brand im Schiffe zu Grunde.

Da die Seehunde vorzugsweise im Packeis oder an dessen äußeren Kanten sich aufzuhalten pflegen, so ist auch der Bär während des Sommers daselbst ein gewöhnlicher Gast. Er folgt den Robbenschlägern Schritt für Schritt, um die abgehäuteten Thiere zu verzehren, oder schwimmt, im Ueberflusse schwelgend, auf der Riesenleiche eines Wales einher. Der Bär tödtet seine Beute, bevor er von ihr frißt; doch liebt er es vorher, mit ihr zu spielen. Auf den der Polarströmung folgenden Schollen fährt er nach Island hinab und sucht diese Insel heim. In Europa kommt er bekanntlich selbst im äußersten Norden nicht vor. Oft sieht man ihn viele Meilen vom Lande entfernt; er schwimmt aus Boote oder Schiffe zu, bis ihn Schüsse vertreiben. Den übermäßigen Genuß fetter Robben pflegt er durch jenen nahrhafter Enteneier zu unterbrechen; wenige Stunden genügen ihm, auf einer kleinen Insel damit aufzuräumen. Es ist für Polarreisende gewiß sehr lästig, der Willkür der Bären, ihren bis zwei Zoll langen Vorderzähnen preisgegeben zu sein; jedoch zum Schutze gegen sie ein Gewehr und eine in den Rock eingenähte, beständig mit Kupferpatronen gefüllte Tasche zu tragen, ist immer noch einfacher, als einen todten Seehund mit sich herumzuschleppen. Ist man unbewaffnet, kann den Bären eine auffällige, Mißtrauen verrathende Bewegung beunruhigen, ja, seine Gewaltthätigkeit herausfordern. Doppelt bedenklich aber ist es, ihm in der Dunkelheit zu begegnen und von ihm für einen Seehund gehalten zu werden, – ein Mißverständnis das sich erst klärt, wenn es zu spät ist. Ist man bewaffnet, so flößt dem Thiere die Ruhe des Gegners und die Politik der freien Hand Achtung und Wohlgefallen ein.

Doch der Bär verdient auch unser Mitleid. Sein Leben, eine beständige Jagd, bildet eine Kette von Nahrungssorgen; nur gegen die Kälte ist er durch eine mehrere Zoll dicke Fettschichte geschützt. Einst fanden wir in dem Magen eines solchen Thieres, das dem Belagerungcorps angehört hatte, welches unser eingefrorenes Schiff im Winter und Frühjahr unausgesetzt beobachtete und uns zur höchsten Vorsicht zwang, nichts – als einen von unseren Schneidern weggeworfenen Flanelllappen; bei vielen war derselbe ganz leer. Zuweilen enthielten auch die Magen getödteter Bären nur Wasser und große Stücke Seekraut ( Laminaria). Hieraus ersieht man, daß der Bär durch Hunger zum Pflanzenfresser wird. Es ist gewiß keine Kleinigkeit, in dieser Welt der Erstarrung, Kälte und Finsterniß, mit ihren grauenhaften Schneestürmen, denen nur Berge widerstehen, rastlos nach Nahrung suchend umherzuirren, inmitten chaotisch zusammengedrängter, sich wechselseitig zermalmender Eisfelder, umringt von gähnenden Spalten, oder auf einem abgetrennten Eisfloß in die offene See hinauszutreiben. Wahrlich, sein brauner Vetter lebt in Europa in den Paradiesen der Wälder behaglich und beneidenswerth; – in einigen Gegenden Sibiriens genießt er sogar den Charakter und Vortheil unantastbarer Heiligkeit. Castrén erzählt, daß die Samojeden und Ostjaken einen Eid, auf dessen Schnauze geschworen, für besonders kräftig halten.

Im ersten Frühjahr fehlt dem Bären die dicke Fettschichte des Hochsommers und Herbstes unter seinem Fell. Ein großer männlicher Bär, am 1. April 1870 bei dem Schiffe erlegt, war äußerst mager, dagegen eine Bärin, am 7. Juli 1870 auf der Sabine-Insel geschossen, schon ziemlich fett. In Beziehung auf die sehr bestrittene Frage, ob der Bär einen Winterschlaf halte, haben wir keine directen Beobachtungen gemacht. Mein Freund Copeland bemerkt darüber: »Wir können anführen, zu welchen Jahreszeiten wir Bären gesehen haben. Am 10. Jänner 1870 kam ein Bär zum Schiff, wir machten vergeblich Jagd auf ihn. Am 13. wurde Klentzer von einem Bären gejagt. Am 6. März wurde Dr. Börgen von einem Bären überfallen. Nach diesem günstigen Erfolg ihrer Bemühungen besuchten die Bären uns fast täglich. Füge ich hinzu, daß ich selbst am 28. October 1869 mit einem Bären ins Handgemenge gerieth, so wird man leicht einsehen, daß der Winterschlaf des Bären entweder sehr kurz, oder sehr unruhig sein muß. Am 9. März sahen wir einen Bären im Sturme, der mit gewaltigen Schritten gemächlich herumstrich und sich ganz und gar nichts aus dem Unwetter zu machen schien, obgleich ein Mensch sich selbst bei der besten Bekleidung widerstandslos dagegen gefühlt hätte. Einen anderen Bären schossen wir am 1. April; es kostete die größte Anstrengung ihn nach dem etwa 300 Schritt entfernten Schiff gegen Nordwind heranzuschleppen.« Die Walfischfänger wissen vom Bären allerlei Fabeln zu erzählen, z. B., daß er im Winterschlaf sich mit der Sonnenwende auf die andere Seite drehe und dann weiter schlafe.

Die Sinne des Eisbären sind ungemein scharf, besonders der Geruch; angebrannter Speck lockt das Thier meilenweit herbei. Auf der Wanderung pflegt der Bär erhöhte Eisgruppen zu besteigen; man sieht ihn da, den Umkreis ausspähend, mit hocherhobener Schnauze nach Nahrung schnüffeln. Die Eskimo's greifen ihn erfolgreich mit Spießen an, – ein Manöver, zu welchem große Geschicklichkeit und Kaltblütigkeit gehört. Viele von ihnen tragen deutlich Spuren solcher Zweikämpfe. Kopfwunden ausgenommen, reicht ein Schuß selten aus, das Thier widerstandsunfähig zu machen.

Klentzer in Gesellschaft eines Bären.

Begegnungen mit Eisbären haben den ungleichartigsten Ausgang. Es geschieht nicht selten, daß Schlittenreisende, durch Zeitmangel genöthigt auf die Jagd zu verzichten, an einem oder mehreren Eisbären vorbeiziehen, welche erst einige Hundert Schritte, nachdem sie vorbei sind, sich umsehen und in ein verspätetes Staunen gerathen. Oder es genügt ihrer Neugierde, den Kopf beständig nach dem Schlitten gewandt, diesen zu umgehen. Eine Situation dagegen, die ebenso gefährlich als komisch war, erlebte einer unserer Matrosen im Winterhafen. Er schritt unbewaffnet an den Abhängen des Germaniaberges hin, als er, etwa 2000 Schritte vom Schiffe entfernt, nahe hinter sich einen Bären gewahrte. Die unglaubliche, jeden Fluchtversuch vereitelnde Schnelligkeit dieser Thiere war ihm bekannt, ebenso die schon oft erfolgreich angewandte List, ihre Aufmerksamkeit durch fortgesetztes Fallenlassen von Gegenständen abzulenken, während man beschleunigt fortschreitend und hilferufend sich dem schützenden Umkreis des Schiffes nähert. Also warf er nach und nach Kapuze, Handschuhe, Rock u. s. w. von sich, welche Gegenstände der Bär einzeln zerzauste. Allein durch solche Ausflüchte ließ dieser sich nicht auf die Dauer irre führen; plötzlich stand er neben dem Matrosen und beroch einem Hunde gleich seine Hand. Da faßte der Mann, beständig nach Hilfe rufend, den ebenso verzweifelten als ohnmächtigen Entschluß, seinen Feind mittelst des abgenommenen Leibriemens zu erwürgen, falls dieser ihn angriffe. Sein durchdringendes Schreien wurde beim Schiffe gehört. Bewaffnet eilten wir herbei; dennoch war der schlimmste Ausgang zu befürchten. Die große Entfernung gewährte nämlich dem Bären Muße, sein Opfer zehnmal zu vernichten; aber er überlegte so lange, bis ihn unsere Annäherung, Rufe und Schüsse zur Flucht trieben. Diese führte über scharf abfallende Felsgruppen, – er war wie weggeblasen.

Der Maschinist Krauschner lieferte den Schneebedarf für die Küche und hatte deßhalb täglich zweimal mit einem Schlitten den Verkehr mit dem nächsten Gletscher zu unterhalten. Einmal geschah es, daß ungesehen ein Bär sich ihm zugesellte. Der Bär schritt würdevoll als Escorte hinter dem Schlitten des zum Schiff zurückkehrenden Maschinisten einher; erst hier verstimmte ihn der Lärm, den wir erhoben, um Krauschner auf seinen zweifelhaften Gefährten aufmerksam zu machen.

Aus der Rückkehr von der großen Frühjahrsschlittenreise wurden wir dagegen von einem Eisbären geradezu überfallen. Da wir durch Pelze vermummt, durch Masken im Gesichtskreis beschränkt, den Schlitten arglos über Eishöcker zogen, gelang es dem Thiere, sich rückwärts von uns bis auf ungefähr 15 Schritte zu nähern. »Ein Bär dicht bei uns!« rief einer der Matrosen, und indem wir uns umwandten, sahen wir ihn zu unserm Schreck im Galopp heranstürmen. Sofort warf Jedermann die Zuggurte und den Schulterriemen von sich und flüchtete hinter die Brustwehr des beladenen Schlittens. Jeder ergriff eine erreichbare Waffe, Zeltstange oder Axt. Die Gewehre vermochte man in der Hast nicht sofort unter den scharf angeholten Stricken der Packung hervorzuziehen. Der Bär hatte inzwischen unsere schützende Stellung umgangen. Der Zimmermann schoß zuerst und fehlte; gleich darauf traf ich das Thier in den Rücken. Der Bär machte wie gewöhnlich einen Sprung; ein zweiter Schuß streckte ihn nieder.

Gegen plötzliche Ueberfälle schützt in der Regel die Bedächtigkeit der Bären; ein Schiff oder ein Zelt ist ihm ein völlig unerklärbarer Gegenstand, der ihm Neugierde und Mißtrauen erregt. Kane's Begleiter, einst aus dem Schlafe aufgeschreckt durch das Brummen eines Bären, der den Kopf zur Zeltthüre hereinstreckte, halfen sich mit Geistesgegenwart dadurch, daß sie demselben eine angezündete Schachtel Schwefelhölzchen unter die Nase hielten, – eine Beleidigung, die er großmüthig ungerächt ließ, indem er sich entfernte.

Unsere erste Begegnung mit Eisbären fand am 4. August, dem Tage vor der Landung in Grönland, noch im Packeise statt. Wir hatten vorübergehend an einer Flarde angelegt, als wir 300 Schritte entfernt zwei Eisbären erblickten. Das Anbrennen von Seehundsspeck reizte ihre Aufmerksamkeit; sie hoben die schwarze Nase hoch in die Luft, scheuten sich jedoch, dem Schiffe zu nahen. So bestiegen Copeland, Sengstacke und ich ein Boot und fuhren durch die Flarde gedeckt, zu der den Bären nächstgelegenen Landungsstelle. Neugebildetes Eis gestattete es mir allein, diese sofort zu betreten. Indeß die Andern eine feste Eisdecke ermittelten, war ich den Gegnern, die unverwandt auf uns blickten, auf 80 Schritte nahe gekommen. Der Jagd völlig ungewohnt, schoß ich übereilt und fehlte. Die Bären verbargen sich gleich darauf hinter Eishöcker, alles Nachforschen war vergeblich.

Es ist nicht rathsam, sich einem ebenso kräftigen als unter Umständen wilden Feinde unvorsichtig zu nähern, bevor man ihn absolut kampfunfähig gemacht hat. Wir trafen Bären, die gegen Schüsse gleich einem Festungswall unerschütterlich blieben, in die man förmlich Bresche schießen mußte, obgleich sie, sah man die Kugel eindringen, heftig zuckten und das Blut mächtig hervorbrach. Eine am 7. Juli erlegte Bärin lief noch 80 Schritt weit, ehe sie todt hinstürzte, obgleich ihr eine große Kugel durch beide Lungenflügel und den dicksten Theil des Herzens gedrungen war.

Nicht immer nahmen jedoch unsere Begegnungen mit Bären einen günstigen Ausgang; oft traten diese selbst als Jäger auf, ja, einer unserer Gefährten entging mit genauer Noth der Gefahr, zerrissen zu werden. Es geschah am 6. März Abends (Tags vor dem Aufbruch nach Norden), daß wir, glücklicherweise schweigsam, in der Cajüte saßen, als Koldewey plötzlich durch einen schwach vernehmbaren Hilferuf von außen aufgeschreckt wurde. Eiligst stürmten wir sämmtlich die Treppe hinan, durch den Schneetunnel auf Deck, um das Zelt zu öffnen, das dieses überdeckte. Börgen's Ruf: »Ein Bär schleppt mich fort!« schlug als furchtbare Mahnung, ihn zu retten, an unser Ohr. Es war finster, fast nichts zu sehen; wir stürzten, unser tapferer Capitän voran, in der Richtung, von woher die Rufe erschollen, mit Stangen, Gewehren Diese waren nicht sofort bei der Hand, weil verabsäumt war, einen »Gewehrstand« einzurichten. Ein solcher aber ist auf jedem Expeditionsschiff ein nothwendiges Erforderniß. u. s. w. über Hummocks und Schneewehen fort, um unsern Gefährten dem Thiere zu entreißen. Ein in die Luft abgefeuerter Schreckschuß hatte den Erfolg, daß der Bär seine Beute einmal aufgab und einige Schritte entlief. Freilich kehrte er zurück und holte sie wieder; sein Opfer über das klippige Strandeis schleifend, kam er dicht an die nach Süd ziehende ebene Eisfläche. Alles hing davon ab, daß wir ihn einholten, bevor er diese gewann; über ihre ununterbrochene Bahn wäre er trotz seiner Last mit der Schnelligkeit eines Pferdes entkommen. Es gelang. Der Bär wandte sich einen Augenblick gegen uns, ergriff aber beim allgemeinen Andrang und dem fortgesetzten Schießen die Flucht und ließ seine Beute fallen. Wir hoben unsern armen Gefährten vom Eise auf und wollten ihn in die Cajüte tragen; aber nach wenigen Schritten bestand der unerschrockene Börgen darauf, im Eilschritt an Bord zu laufen. Entsetzen überfiel uns, als Licht gebracht wurde; der Bär hatte Börgen die Kopfhaut in verschiedenen Richtungen aufgerissen, ihn auch an anderen Stellen mehr oder minder stark verletzt, Kleidung und Haar waren förmlich in Blut getränkt. Wir improvisirten in der hintern Abtheilung unserer Cajüte ein Lager, da Börgen's Koje nicht Platz genug bot, und zogen uns auf die zwei Quadratklafter große Fläche zurück, welche Tisch, Mast, Ofen und Bett noch übrig ließen. Die ersten chirurgischen Operationen wurden auf dem Cajütentisch gemacht. Dabei mag der merkwürdige Umstand Erwähnung finden, daß, obgleich Börgen mehrere 100 Schritte weit mit halbentblößtem Schädel bei -20° R. gelaufen war, dennoch seine Kopfhaut so vollständig zusammenheilte, daß nicht ein einziges Stückchen abgestoßen wurde. Wie wir nachher erfuhren, war Börgen von der stündlichen Ablesung der am Lande 250 Schritte vom Schiff entfernt. aufgestellten Thermometer zurückgekehrt, als er nur mehr 20 Schritte vom Schiffe entfernt, von dem Bären, der geräuschlos hinter Eisblöcken hervorsprang, überfallen wurde. Börgen trug das Gewehr ohne gespannten Hammer unter dem Arm, durch den Bären plötzlich überrascht, suchte er diesen, indem er ihm die Blendlaterne entgegenhielt, zu verscheuchen. Der Bär jedoch ignorirte dieses Manöver völlig, warf Börgen im Sprung um, trat auf ihn, biß ihn etliche Male in den Kopf und schleppte ihn fort. Zum Glück verhinderte die dicke Pelzcapuze, daß der Rachen des Raubthieres den Kopf umfaßte; wie unser Gefährte später erzählte, glitten die Zähne der Bestie an dem Schädelknochen knirschend ab. Als das Thier vom Schiffe her den Lärm vernahm, ergriff es Börgen an der Hand, deren Pelzhandschuh ganz zermalmt wurde, dann am Fuße, dessen Stiefel es auszog, und schleifte ihn im Galopp über die Eishöcker und Schneehohlwege fort. Die blutbedeckte Spur ließ sich noch am nächsten Tage verfolgen. Es war ganz ohnmächtige Gegenwehr, daß Börgen seinen furchtbaren Feind durch Hiebe mit dem noch angezogenen Pelzhandschuh zu verscheuchen suchte. Ließ der Bär für einen Augenblick von seiner Beute ab, so umfaßte er sie sofort von Neuem, wenn die Verfolger nahten. Börgen ließ dabei ein Taschenchronometer fallen; bewaffnet und mit Laternen, ausziehend fanden wir die Uhr Nachts wieder auf dem Eise. Sie war stehen geblieben, ging indeß wieder, nachdem sie in der Hand erwärmt worden war. Der Bär aber, nach der Walroßinsel entkommen, erschien schon am folgenden Tage wieder in der Nähe des Schiffes.

Börgen von einem Bären überfallen und weggeschleppt.

Des Fettes ledig und hungernd, streiften diese Raubthiere im Frühjahr die Küste entlang, bis die Entdeckung eines Schiffes und die Bewegung der Menschen daselbst ihre Aufmerksamkeit in einem Maße erweckte, daß sie die Nähe unseres Winterhafens nicht mehr verließen und sich schließlich, – mit geringer Übertreibung darf man es sagen, – gewissermaßen zu einem Cernirungscorps ansammelten. Oft pflegten sie lange unschlüssig vor dem Schiffe auf und ab zu wandeln, eine ihren Interessen höchst unglückliche Angewöhnung, besonders wenn das Sichaufrichten hinzukam. Wer von uns im Freien, wenngleich nur einige Schritte vom Schiffe fern, zu thun hatte, bedurfte in der langen Polarnacht des Gewehres, dessen Hammer in der ersten Ruhe stand. Das Aechzen und Rauschen des durch die Fluth bewegten Eises ließ sich so leicht mit dem Geräusch schwerer Tritte verwechseln, daß wir beständig eines Ueberfalles gewärtig waren. Die Zudringlichkeit unserer grimmigen Nachbarn wurde so groß, daß sie sich den Salven der hinter dem Zeltdach lauernden Jäger aussetzten, ohne die Spaziergänge in unmittelbarer Nähe des Schiffes aufzugeben, ja, daß eine Bärenjagd auf Deck nicht außer dem Bereich des Möglichen lag. Nachts vernahm einmal der Maschinist daselbst Geräusch, und wie die Fußspuren Morgens zeigten, war ein Bär über die Schneemassen, welche das Schiff umgaben, zur Regeling und dem Schneezelte vorgedrungen. Wenn uns das Treiben dieser Unholde zu arg wurde, schaffte ein kräftiger Ausfall aus unserer Festung mit Feuerwaffen, Spießen u. s. w. vorübergehende Erleichterung. Auch unsern ans Land geschafften Lebensmitteln statteten die Belagerer wiederholt Besuche ab; den schlimmsten Streich spielten sie jedoch den Astronomen, denen sie die Meßapparate zur Bestimmung der Basislänge wegtrugen. Es ist ein großer Uebelstand, daß man bei Anlage der so wichtigen Proviantdepots nie mit völliger Sicherheit darauf bauen kann, daß diese Tiger des Eises sie nicht zerstören. Die Kraft des Bären, solche Verstecke zu erbrechen, ist ungeheuer. Der Verschluß mit gefrorenem Sand und Wasser ist besser, als die Bedeckung mit den schwersten Steinen, weil sich der Bär die Klauen daran abstumpft. In einem von Kane errichteten Depot, das sie geplündert hatten, verschmähten sie das Salzfleisch, bezeigten dagegen besondere Vorliebe für gemahlenen Kaffee und Segeltuch. Die Gummiröcke mußten ihnen doch zu zäh geschienen haben; sie hatten diese aber zu unsäglich harten Knoten zusammengearbeitet und selbst die Flagge bis auf den Stock abgenagt. Trotz ihrer großen Anzahl sieht man selten mehr als drei Bären, gewöhnlich Familienglieder, in Gemeinschaft. Scoresby berichtet, daß er bei einer Reise an der Küste von Grönland an hundert Eisbären sah, von welchen zwanzig getödtet und vier lebendig gefangen werden konnten. Andere wollen diese Thiere daselbst »in Scharen wie Schafherden auf einer Gemeintrift« Doch kann dies wohl nur als eine Redensart betrachtet werden. gesehen haben. Es ist selbstverständlich, daß man zuerst die Alten tödtet; eine Bärin, ihrer Jungen beraubt, ist eine furchtbare Gegnerin. Werden die Jungen nur verwundet, so schiebt sie diese flüchtend vor sich her, oder deckt sie mit dem eigenen Leibe, während die ersteren selbst nicht anstehen, von dem Fleisch der eben erlegten Mutter zu fressen.

Im Allgemeinen steht das Fleisch des Eisbären, Die Tatzen insbesondere sind nur im äußersten Fall genießbar, während die des braunen Bären, schon von den Römern als Delicatesse betrachtet wurden. besonders das älterer Thiere, weit unter dem des braunen Bären; es ist grobfaserig, zäh und besitzt, je nach dem Maß des angesammelten Fettes, einen mehr oder minder starken Thrangeschmack. Es ist daher rathsam, die Fetttheile sofort nach der Tödtung von dem Fleische abzutrennen. Wie schon Davis und Barentz, so überzeugten sich auch Andere, daß die Leber des Bären der Gesundheit nachtheilig sei. Auf der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition wurde dieser Versuch mit denselben Folgen erneuert. Den Genuß des Fleisches haben wir dagegen unter normalen Verhältnissen durchaus unschädlich befunden. Nur die Eskimo's im Westen der Davis-Straße wehren nach Brown ihren Hunden, davon zu fressen.

Dem Bären sind die Eisfelder seiner Heimath ein lieblicher Anblick, nur ungern trennt er sich von ihnen. Die hohe Bordwand des Walfischfängers »Bienenkorb«, den wir 1869 besuchten, verschloß einem solchen Thiere, das in einem auf Deck aufgestellten Käfig verwahrt war, Man hatte es mit einer Schlinge im Wasser gefangen, mittelst eines Flaschenzuges auf Deck gehißt. die Aussicht auf die umgebenden Packeismassen. Der Bär ertrug leicht die Haft, da ihm fortgesetzt große Stücke Seehundsfleisch servirt wurden; aber wenn ihm eine stärkere Bewegung des Schiffes es gestattete, über die Bordwand das Eis zu erblicken, da begann er grimmig zu brummen. Ja, der Anblick regte das Thier so auf, daß man genöthigt war, einen Segeltuchvorhang vor dem Käfig anzubringen. Am 23. August 1870 sahen wir auf der Rückfahrt durch das Packeis, etwas vom Nebel verhüllt, die letzten drei Bären, sie wurden am Rande einer Scholle erlegt, fielen jedoch ins Wasser und versanken.

Der arktische Fuchs ( Canis lagopus L.) ist eine sehr interessante Art seiner Gattung. Er ist, unabhängig von der Jahreszeit, entweder weiß oder graublau. Zwischen diesen Varietäten finden Kreuzungen statt. Sein Pelz, minder zart und länger als der des blauen Fuchses, bildet dennoch einen wichtigen Handelsartikel der Hudsonsbai-Gesellschaft. Er ist bedeutend kleiner, als der Polarhase, welcher ausgewachsen etwa 4 Kilogramm wiegt. Anfang Mai erhält der weibliche Fuchs 6-8 Junge. Das Fleisch des Fuchses ist kein Leckerbissen, Barentz, und seit ihm viele arktische Reisende, haben dasselbe jedoch recht genießbar gefunden; auch wir haben es versuchsweise gegessen. Der Polarfuchs hat mit seltenen Ausnahmen wenig von jener Arglist, welche man unserem Reineke nachrühmt; uns wenigstens sind nur wenige Züge dieser Art erinnerlich. Es gelang uns nämlich im Winter, einige Füchse nach Eskimo-Weise mittelst Fallen zu fangen. Einst wurde einer, den man für todt hielt, aus der Falle gezogen und hingelegt. Nach einiger Zeit sprang er jedoch auf und lief davon. Jungen Enten, für welche der Fuchs eine große Schwäche besitzt, ist er ein arger Feind. Er lebt von Allem, dessen er habhaft werden kann, im Winter auch von Schalthieren und andern Meeresproducten, welche die Fluth am aufgebrochenen Strandeise zugänglich macht. Auch im Fischfange soll er nicht ohne Geschicklichkeit sein; die große Entfernung, in welcher man ihn im Winter zuweilen vom Lande trifft, zeigt, daß ihn die Noth zwingt, sich weit auf das Eis hinaus zu wagen. Während des Sommers scheinen Lemminge seine Hauptnahrung zu sein. Nach J. C. Roß sind die Weibchen der Füchse weniger zähmbar als die Männchen. Fast den ganzen Winter und das Frühjahr hindurch hielten wir einige Füchse im Maschinenraum gefangen. In unmittelbarer Gesellschaft der Kohlen wurden sie schwarz; zwei von ihnen erlagen der Lungentuberculose, wie die Section ergab. Ein schöner grauer Fuchs wurde wegen Widersetzlichkeit in der Cajüte garottirt, ein anderer entlassen; der letzte desertirte aus dem Käfig neben dem Schiff auf dem Eise. Diese Desertion, herbeigeführt durch den Fall eines abgeschmolzenen Eisblockes, auf welchem der Käfig gestanden, – wir sahen ihr vom Deck aus zu, – hatte etwas unbeschreiblich Komisches. Der Fuchs, zum behaarten Skelet verkommen, begann sich zu dehnen, den buschigen Schweif wie einen Besen auszustrecken, den dürren Leib in einem Schmelzwassertümpel zu wälzen und hüpfte endlich zierlich, wie ein Balletmeister, freiheitslustig, mit allen Füßen zugleich laufspringend, davon, ohne das Schiff eines einzigen Blickes mehr zu würdigen.

Der weiße Fuchs.

Der europäische Fuchs verabscheut die Nähe des Menschen, der grönländische dagegen sucht harmlos und ohne Mißtrauen seine Gesellschaft; überall hofft er von ihm zu profitiren. Er drückt ihm zuerst, nach stattgehabtem Jagdglück, seine Bewunderung dadurch aus, daß er sich beeilt, von der Beute mitzugenießen. Er sieht nichts Arges darin, einen Renthierschinken Nachts vom Schlitten zu zerren und fortzuschleppen; in ehrerbietiger Entfernung begleitet er seinen mächtigen Gönner auf Jagd und Schlittenreisen und benutzt dessen Schlaf zur Eröffnung, Visitation und Plünderung der mitgeführten Proviantsäcke. Ein eingeeistes Schiff betrachtet er mit Wohlgefallen; es gibt da immer Abfälle, welche ihm zu Gute kommen, Dinge, welche sich leicht wegschleppen lassen. Ja, er gewöhnt sich so sehr an die Rolle des Schmarotzers, daß es oft schwer wird, sich seiner Unverschämtheit zu erwehren. Tritt man aus dem Zelt, um sein seit Stunden gehörtes Nagen, oder ist es eine Gesellschaft, ihr neidisches Knurren, das Zerren an den Leinen zu verwehren, so schleicht er nicht etwa demüthig fort, er sieht seinen Wohlthäter frech an, bellt, wenn man schießt, entfernt sich unwillig und zögernd. In anderen Fällen kommen Füchse neugierig herangetrabt, selbst ohne sich durch Schüsse abschrecken zu lassen; der Fund einer Speckrinde verlockt sie, einer Schlittenspur meilenweit zu folgen. Es ist ein mühsames Stück Arbeit, einen eben erlegten Fuchs bei großer Kälte abzuziehen; desto erfreulicher wirkt sein warmes Fell als Halsbinde. Das Benehmen von Fuchs und Bär wird selbstverständlich davon beeinflußt, ob sie sich unterm Wind befinden oder nicht. Steht man still und wittern sie Einen nicht, so verfolgen sie ihre Pläne ganz ungenirt.

Das grönländische Renthier ( Rangifer tarandus L. var. groenlandicus) ist von dem amerikanischen, lappländischen und spitzbergischen vielleicht als Varietät verschieden. Sein Geweih ist nicht wie bei diesem an den Spitzen geschaufelt, auch ist es steiler aufgerichtet; Hals und Kopf trägt es hoch, der ganze Bau ist zierlich und erinnert in jeder Beziehung an den europäischen Hirsch. Sein Gewicht erreicht ohne Aufbruch drei bis vier Centner. Ungewöhnlich scharf ist das Gesicht des Renthieres, nach Ansicht der nordischen Stämme geht es am liebsten auf einen weißen Anzug los. Mehr noch als durch einen ungewöhnlichen Anblick wird es indeß durch einen auffallenden Geruch erschreckt. Die geographische Verbreitung des Renthieres ist sehr bedeutend. Kane und Hayes haben es auch im nördlichsten Theile Westgrönlands angetroffen. In Europa reicht es bis 66° nördl. Breite herab, im Ural sogar bis 50°, in Nordamerika bis 45°. Schon oft hat man den Versuch gemacht, das Renthier auch in unseren Gegenden einzubürgern, Zu Anfang dieses Jahrhunderts geschah dies auch bei Neuberg in Steiermark. stets ohne Erfolg; wie es scheint, weil man unterließ, höhere waldlose Gebirge zu seinem Aufenthalt auszuwählen. Unsere Excursionen lehrten uns, daß die Renthiere nach dem Innern Grönlands hin an Zahl zunehmen; ja, im Hintergrunde des Kaiser Franz Joseph-Fjords trafen wir förmliche, von Renthieren getretene Fußsteige.

Der Moschusochs ( Ovibos moschatus Blainw.) ist etwas kleiner, als der europäische Ochs. Sein Aussehen ist im Widerspruch mit seiner Harmlosigkeit drohend, die Farbe schwarz, seine Haare sind lang und fallen in rauhen Mähnen herab; doch ist die Wolle auf dem Rücken an Feinheit kaum übertroffen. Das Fell des Moschusochsen ist zu stark, um sich zu Kleidern zu eignen. Auffällig klein sind die Augen dieses Thieres, dessen Existenz in Ostgrönland nachgewiesen zu haben, eines der interessantesten Resultate der Expedition bildet. In Westgrönland ist es ziemlich selten; außerdem kommt es nur noch auf den nördlichen Parry-Inseln und in Nordamerika vor, vordem fand es sich auch in Sibirien. Wie schon der Name lehrt, zeichnet das Thier ein starker Moschusgeruch des Fleisches und Fettes aus, er ist besonders bei alten oder mageren Thieren, Stieren und in der Brunstzeit ausgesprochen; bei dem so häufigen Gegensatz des Thrangeruchs gewöhnt man sich an ihn jedoch sehr leicht. Im Uebrigen ist das Fleisch dem unserer Ochsen sehr ähnlich. Back erzählt indeß, daß sich seine Mannschaft weigerte davon zu essen, lieber wollte sie drei Tage lang darben; auch die sonst nicht wählerischen Yellow-Indianer wissen es nicht zu schätzen.

Das Gewicht eines Moschusochsen erreicht bis 7½ Centner, mehr als die Hälfte davon entfällt auf reines Fleisch. Den ersten Moschusochsen sahen und erlegten wir im August 1869 auf der Insel Shannon. Da wir das Thier noch nicht kannten, geriethen wir auf die seltsamsten Vermuthungen, als wir dasselbe, – es läßt sich mit einem Gnu vergleichen –, etwa 600 Schritte entfernt, bemerkten. Wie das Renthier, ist auch der Moschusochs auf vegetabilische Nahrung angewiesen, um die es freilich hier zu Lande kärglich genug steht. Beide Thiere nähren sich von denselben Pflanzen (vorzugsweise von Flechten und Moosen), begegnen sich ohne Feindseligkeit; ihre Fährten sind schwer von einander zu unterscheiden. Wie weit Moschusochs und Renthier nach Norden verbreitet sind, läßt sich kaum vermuthen. Den ersteren trafen wir noch unter dem 77. Breitegrad, das letztere nur bis zum 75. Im Uebrigen nöthigen sie die kargen Existenzmittel, welche das Land gewährt, zu beständigen Wanderungen. Beide Thiere werden vorzugsweise in Herden angetroffen, die oft 20 bis 30 Stück zählen. Die größte Anzahl Renthiere, 100 bis 200 Stück, sahen wir auf dem Hügellande westlich Cap Broer-Ruys, die meisten Moschusochsen auf der braunkohlenreichen Kuhn-Insel; beide Heerden litten stark durch unsere Angriffe.

Dem Jäger gegenüber verhalten diese Thiere sich höchst ungleich. Die Renthiere nähern sich neugierig, im Trab bis auf wenige Schritte, sie kämen oft ganz an ihren Gegner heran, wenn dessen Bewegungen sie nicht verscheuchten. Die Eskimo's ahmen die äußeren Erscheinungen des Rens nach, setzen Kopf und Geweih erlegter Thiere auf ihre eigenen Köpfe, und so gelingt es ihnen oft, sich unter die Herden zu mengen. Die Moschusochsen bleiben überrascht, wie festgebannt stehen, starren den gänzlich unbekannten Feind an und kommen nur langsam zu einem Entschluß. Zuweilen nähern sie sich jedoch mit großer Geschwindigkeit, ihr scheinbarer Angriff endet aber stets mit wilder Flucht. Aeltere, besonders vereinzelte Thiere setzen dem Feuer, selbst wenn verwundet, die größte Kaltblütigkeit entgegen und begnügen sich, ihren Körper zu decken, indem sie den unverwundbaren Kopf senken und eine ihre Seiten gefährdende Stellung meiden. Viele von ihnen verrathen auch furchtsame Aufregung; rathlos stehen sie dem Jäger gegenüber, der witternd eingezogene Athem dringt rauschend durch die Nüstern hervor. Den Moschusochsen zeichnen riesige Hörner aus, welche die Stirne an der Wurzel bedecken und nach unten abgebogen sind; sie tragen zum Schutz des ungemein massiven Schädels bei. Es geschah, daß eines dieser Thiere einen Schuß auf die so gepanzerte Stirn aus einem Wänzlgewehre Mit diesem Hinterlader durchschossen wir Eisbären nach der Länge. ertrug, ohne das geringste Zeichen einer empfundenen Störung kund zu geben. Die Kugel fiel, zu einer Scheibe plattgedrückt, auf den Boden! Wird eine Moschusochsenfamilie oder eine Herde mit Jungen überrascht, so bildet sie entweder das Quarré, – die Jungen werden in die Mitte genommen, die Alten bilden die Außenseiten und senken die Köpfe, – oder der als Wache aufgestellte Ochse ergreift die Flucht, die andern jagen ihm nach. Es ist dann eine fast vergebliche Mühe, ihnen, wenngleich noch so gedeckt, anschleichend zu folgen; denn diese Thiere sind in ihrem Vorpostendienste wahrhaft bewunderungswürdig. Selbstverständlich ist die Jagd auf Renthiere oder Moschusochsen J. C. Roß erwähnt dagegen einen Fall, wo ihn ein Moschusochs angriff, den er nicht gleich tödtlich verwundet hatte. sehr harmloser Natur und macht eben so wenig Schwierigkeit, als von einer Sennhütte aus, eine rings um diese gelagerte Ziegenherde anzuschießen. Gerade diese Harmlosigkeit ist oft ihr Verderben; es war nicht leicht. Jedermann von uns zu überzeugen, daß die Moschusochsen dasselbe Recht des Daseins besaßen, als wir selbst, sobald wir ihres Fleisches nicht bedurften.

Eine bezügliche Jagdinstruction ließe sich ungefähr in folgenden Worten zusammenfassen: Wie der Jäger die Thiere erblickt, hat er sich ruhig zu verhalten, platt auf den Bauch zu legen, einige Patronen neben sich, das Gewehr in Anschlag zubringen und erst dann abzudrücken, wenn die Ochsen neugierig herbeieilend, in nächster Nähe sind. Sollte er nicht treffen, so möge er das Schießen immerhin fortsetzen; endlich wird doch eines der Thiere fallen.

Die Moschusochsen sind auch vortreffliche Bergsteiger. Ueber eine etwa 45 Grad geneigte harte Schneebahn erstieg eine im Rückzug befindliche Herde einst einen hohen Berg in der Nähe unseres Winterhafens; – ein anderes Mal sahen wir zu unserer höchsten Verwunderung eine Herde inmitten der klippigen Wände von Cap Hamburg.

Mein Freund Dr. Copeland gibt eine so treffliche Schilderung einer solchen Jagd, daß ich es nicht unterlassen kann, sie hier einzuschalten. Ein Renthier verfolgend, erblickten er und seine Gefährten auf den Abhängen eines Berges der Sabine-Insel plötzlich zwei Moschusochsen und eine Kuh, die friedlich in einiger Entfernung von ihnen grasten. Dr. Copeland erzählt: »Sengstacke und Wagner machten einen weiten Bogen nach dem Binnenlande zu, um die Thiere zu verhindern, in das Innere der Insel zu flüchten, während ich mich längs der Küste aufhielt, geschützt vor dem Gesehenwerden durch die Hügelreihe nächst des Strandes. Sengstacke konnte erst in ziemlicher Nähe zum Schuß kommen. Mit einem Male aber fingen die Ochsen an zu schnauben, was bei ihnen immer ein Zeichen von Schrecken oder Zorn ist; alle drei ergriffen die Flucht geraden Wegs nach dem Hasenberge zu, wo sie rasch in den Schluchten an seinem Fuße verschwanden. Nun trennten wir uns noch weiter von einander als vorher; wir hofften sie in einer der tiefen Schluchten zu finden, als wir sie plötzlich wieder erblickten, wie sie eben einen steilen Abhang von losen Steinen hinaneilten. Es war wirklich ein schöner Anblick, sie da hinaufspringen zu sehen mit wahrhaft überraschender Behendigkeit, während ein Mensch hier die größte Mühe gehabt hätte, überhaupt nur festen Fuß zu fassen. Sie blieben immer dicht bei einander, wie das gewöhnlich Thiere, die in Herden leben, thun. Hätten sie anders gehandelt, so würde der, der am weitesten nach unten war, einem regelrechten Steinhagel ausgesetzt gewesen sein, welcher durch die vordersten, in ihrem Eifer, uns zu entkommen, hinabgeschleudert wurde. Dies war das letzte, was wir an diesem Tage von ihnen sahen. Denn obgleich wir beinahe den ganzen südlichen Abhang des Hasenberges absuchten und noch einen großen Bogen in die Berge hinein machten, so waren und blieben die Thiere doch verschwunden. Am andern Tage machten Wagner und ich uns auf, um noch einmal nach den Ochsen auszuschauen.«

»Als wir uns dem Hasenberge näherten, bemerkten wir mit Hilfe eines Taschenteleskops unsere Freunde vom Tage vorher, wie sie höchst friedlich auf einem Schneefelde ausruhten, in einer Höhe von 1200 Fuß über uns. Wir kletterten nun so rasch als möglich hinauf, und nach ungefähr einer Stunde waren wir in ihrer Nähe. Aber obgleich wir nun von beinahe jeder Seite aus versuchten, uns dicht an die Thiere heranzuschleichen, gelang uns dies nicht, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Endlich mußten wir uns entschließen, es in einer weniger vorsichtigen Weise zu versuchen. Anfangs schienen sie auch ganz ruhig bei ihrem Geschäfte des Wiederkäuens zu bleiben und nichts von der ihnen drohenden Gefahr zu ahnen; aber jetzt fuhren sie mit einem plötzlichen Satz auf und davon. Ich war so außer mir über unser Mißgeschick, daß ich aus purer Verzweiflung einige Schüsse hinter ihnen herschickte, die natürlich ohne Erfolg blieben. Hatte uns ihre große Behendigkeit und Schnelligkeit schon am Tage vorher in Erstaunen gesetzt, so war unsere Verwunderung heute noch größer, als wir sahen, wie sie den Abhang hinaufjagten, der so steil war, wie Basalttrümmer nur immer sein können. In 3 bis 4 Minuten hatten sie die Höhe von 450 Fuß, die Entfernung von uns bis auf den Gipfel des Berges, erreicht. Wir folgten ihnen langsam nach, und wirklich, das Hinaufsteigen war dermaßen schwierig, daß bei uns eine volle halbe Stunde in Anspruch nahm, was die Ochsen in wenigen Minuten vollbracht hatten. Wir fanden eine kleine Blutspur und schlossen daraus, daß einer unserer aufs gerathewohl abgefeuerten Schüsse doch wohl nicht ganz ohne Wirkung geblieben sein mußte. Auf dem Gipfel angelangt, bemerkten wir, daß die Ochsen eine sehr steile Schneerinne an dem äußeren Abhang des dachförmigen Berges hinabgeklettert waren. Da wir nun recht gut wußten, daß eine augenblickliche Verfolgung ihre Flucht nur beschleunigt haben würde, so setzten wir uns auf einige Augenblicke ruhig hin und nahmen eine kleine Erfrischung zu uns. Dabei entging uns nicht, daß die Ochsen aufhörten hinabzusteigen und sich langsam nach der nordwestlichen Seite des Berges hin zurückzogen. Hier war der Boden sehr ungleich; tiefe Schluchten wechselten mit hohen steinigen Hügeln ab. Wir sahen jetzt ganz genau, daß einer der Stiere weniger mobil war als die anderen, und da die Unverletzten fest entschlossen zu sein schienen, ihren Kameraden nicht zu verlassen, so ging ihr Vorwärtskommen nur sehr langsam vor sich. Wir warteten so lange, bis sie durch eine der schon erwähnten Hügelreihen aus unserem Gesichtskreise waren, und dann folgten wir ihnen, so schnell es uns bei der außerordentlich steilen und steinigen Beschaffenheit des Berges an dieser Seite möglich war. Nun passirten wir rasch, aber vorsichtig eine Hügelreihe nach der andern und jedesmal, ehe wir auf eine freie Stelle kamen, wo uns die Thiere hätten sehen können, untersuchten wir vorsichtig, ob die Ochsen auch nicht in der nächsten Schlucht wären. So waren wir schon über mehrere Hügel hinübergegangen und fingen an zu fürchten, daß unsere Beute uns abermals entgangen wäre, als ich gerade in dem Augenblick, als wir wieder über einen Hügel wollten, den Rücken eines der Thiere erblickte. Dasselbe kam grasend auf uns zu. Ich zog mich augenblicklich wieder zurück, und nachdem ich Wagner aufmerksam gemacht hatte, duckten wir uns nieder und krochen nun auf Händen und Füßen weiter auf die arglosen Thiere zu. Ehe sie sichs versahen, waren wir ganz nahe bei allen dreien. Wagner's österreichischer Hinterlader und meine gute Doppelflinte machten es uns möglich, ihnen drei Schüsse in eben so vielen Secunden beizubringen. Einer der Ochsen war sofort vollständig kampfunfähig; Wagner machte sich mit dem andern zu schaffen, der, wie es schien, wohl auch bald genug haben würde, die arme, kleine erschreckte Kuh versuchte den Abhang hinunterzustolpern, ich jagte hinterher. In zwei Minuten stand ich ihr auf wenige Schritte gegenüber und feuerte, indem ich nach dem Kopfe zielte. Es war das erste und das letzte Mal, daß ich diesen Schuß auf einen Moschusochsen versuchte. Ich traf die Kuh gerade in die Mitte der Stirn, ungefähr einen Zoll oberhalb der Augen; sie schien aber kaum zu zucken, und ich war sehr froh darüber, ihr sogleich einen zweiten Schuß in die Schulter geben zu können. Schien sie doch versuchen zu wollen, was sie wohl mit ihren scharfen, kleinen, krummen Hörnern zu ihrer Verteidigung ausrichten könnte. Unterdessen war auch Wagner mit seinem Antheil an der Arbeit fertig geworden, so daß wir, nachdem wir allen dreien die Kehlen durchschnitten hatten, sie einige hundert Fuß tief den steilen Abhang hinunterrollen konnten, bis sie auf einem ziemlich ebenen Schneehaufen liegen blieben. Dann folgte die weniger angenehme, aber doch nothwendige Arbeit des Abhäutens. Weil die Thiere so nahe beim Schiffe waren, wünschte ich sehr, die Felle so abzuziehen, daß wir sie unserer Sammlung einreihen könnten, und wirklich hatten wir nach Ablauf von zwei Stunden die Freude, das Fell des dritten Ochsen, mit Kopf und Füßen daran, vollständig ausrollen zu können und denselben fertig ausgeweidet zu haben. Während wir so beschäftigt waren, hielten wir immer scharfe Umschau nach weniger angenehmen Gästen; konnte es doch wohl sein, daß ein Bär, angelockt durch den Geruch der getödteten Thiere, uns einen Besuch abstatten würde. Aufgeregt über den glücklichen Erfolg unserer Jagd, machten wir uns eben auf den Rückweg, als Wagner mit einem Mal eines mächtigen Bären ganz nahe bei uns ansichtig wurde. Auf dem Rücken der nächsten Erhöhung stehend, drehte er seinen langen Hals bald nach rechts, bald nach links hin, dabei die Luft durchschnuppernd und mit allen Anzeichen von Ueberlegung und Mißtrauen. Er zeigte sich recht von seiner besten Seite, wie er so dastand, seine mächtige Brust in voller Breite darbietend, die gewaltigen Tatzen fest auf den Boden gestemmt, oder sie zuweilen ein wenig erhebend, wenn er sich auf die Hinterbeine stellte, um seine Luftuntersuchungen wirksamer auszuführen. Sobald wir ihn erblickten, bückten wir uns zwischen den Steinen nieder und überzeugten uns, ob wir auch noch genug Patronen hätten. Ich war im Schießen geübter, als Wagner, und nahm deßhalb seinen Hinterlader als die für diesen Fall am besten geeignete Waffe. Vorsichtig schätzte ich die Stelle ab, wo ich in dem weiten silberglänzenden Pelz des Bären das Herz vermuthete, und schoß. Mit einem fürchterlichen Gebrüll verschwand derselbe hinter dem Hügel. Wir folgten ihm so schnell, als unsere Beine uns tragen wollten, und fanden das riesige Thier zwanzig Schritte von der Stelle entfernt, auf der es gestanden hatte, tödtlich verwundet auf seinem Bauch liegen. Wir gaben ihm noch eine Extraladung, damit wir ganz sicher gingen, und dann öffneten wir seine großen Pulsadern am Halse. Selbst unseren vereinten Anstrengungen war es nicht möglich ihn umzudrehen, und so waren wir genöthigt, ihn fürs erste zu verlassen. Aber am folgenden Tage kehrten wir zu sieben Mann mit zwei Booten und einem Schlitten zurück, und Nachmittags waren wir mit dem Schädel und Pelz des großen Bären, den Körpern Schädeln und Fellen unserer drei Ochsen wieder an Bord. Dazu kamen noch einige Füchse, die wir überraschten, wie sie sich unsern Fleischvorrath schmecken ließen. Einer derselben schien besondere Vorliebe für Leber zu haben und wollte sich gerade mit einem großen Stück dieses Leckerbissens davon machen, als ein Schuß ihn niederstreckte. Mittags, als die Leber auf den Tisch kam, zeigten mir einige Schrotkörner in dem Stücke, das auf meinen Antheil gefallen war, daß ich mit dem unglücklichen Fuchse den letzten Bissen theilte, der ihm in diesem Leben zu Theil geworden war.« Doch zurück zu unserm Thema im Allgemeinen.

Herannahende Renthiere machen auf den ersten Schuß einen jähen Sprung und bleiben hierauf gewöhnlich erschreckt stehen. Erst die folgenden Schüsse oder das Fallen eines Thieres vertreiben sie. Es kostet Ueberwindung, das harmlose Vertrauen, mit welchem sie dem Menschen entgegenkommen, so grausam zu täuschen. Einmal lief ein Renthier einem anlegenden Boote zu. Das Thier stand in nächster Nähe mit vorgestrecktem Kopf am Strande, sah uns mit seinen klugen großen Augen treuherzig an und lief erst davon, als Einige von uns hastig aus dem Boote sprangen. Ein anderes Mal kamen sie in Menge dicht an unser Zelt. Morgens und Abends pflegt das Renthier seine Nahrung aufzusuchen, Mittags wiederkäuend zu rasten, mit Vorliebe auf einem Schneefelde oder an einem Rinnsal. So fanden wir eine Herde im August 1870 in der Nähe von E. Benett; es war eine Scene, um welche uns mancher Jagdfreund beneidet hätte. Wir waren aus unserm Boot ans Land gestiegen, um sieben, einige Tage vorher erlegte und zurückgelassene Renthiere einzuschiffen. Leider waren die Cadaver bereits in Verwesung übergegangen. Da kamen 20 bis 30 Renthiere in äußerster Schußweite von einem Bergabhang über uns herangezogen, und als sie bei einem Schneefeld anlangten, lagerten sie sich, verlockt durch die einladende Kühle und durch das Beispiel, womit wir ihnen vorausgegangen waren. Als wir endlich aufbrachen, um die Weiterreise anzutreten, erhob sich auch die Avantgarde der Renthiere und zog von dannen. Es geschah aber, daß eines derselben, offenbar der Anführer, zu seinem Mißfallen wahrnahm, daß das Gros, den Abmarsch der Avantgarde ignorirend, noch der Ruhe pflegte. Der Anführer brachte die Einen zum Stehen und kehrte nun zu den Andern zurück, indem er Thier für Thier so lange mit dem Geweih stieß, bis es aufstand und den »Gänsemarsch« nach den neuen Weideplätzen antrat.

Das Fleisch des Renthiers ist gut, wenn auch etwas weichlichen und schwammigen Geschmackes; seine Zunge gilt, halb getrocknet und geröstet, als Delicatesse. Beim Eintritt der Brunstzeit nimmt das Fleisch der Böcke einen piquanten Geschmack an. Es leuchtet ein, daß uns die Renthiere von hohem Nutzen waren; zuweilen hätten wir uns ohne sie in einiger Verlegenheit befunden.

Nicht allein durch Wärme, auch während großer Kälte gerathen die erlegten Thiere in Fäulniß, sobald man nämlich unterläßt, sie auszuweiden. Die innere Magenwärme durch die gefrierende Oberfläche des Thieres am Entweichen verhindert, erzeugt diese Zersetzung und das Entstehen von Gasen, welche das Fleisch durchdringen.

Der europäische Hase zeichnet sich durch seine unruhige Hast, meilenweite Flucht und durch seine Furchtsamkeit aus. Der grönländische dagegen ( Lepus glacialis) sitzt wie angenagelt in seiner Steinfuge, mag der Jäger auch noch so nahe an ihm vorübergehen. Zuweilen sieht man weiße Punkte an Berghängen, die man ihrer Unbeweglichkeit wegen für Schneeflecke halten möchte; allein es sind weiße Hasen. Sie gleichen den unsrigen an Größe, doch, wie es auch bei Alpenhasen der Fall ist, nicht an Wohlgeschmack. Hasenjagden führen in Grönland die drolligsten Scenen herbei. Das Gehör, noch mehr aber das Gesicht scheint bei diesen Thieren sehr schwach ausgebildet zu sein; es geschieht nicht selten, daß man so zusagen auf sie tritt, daß sie, durch Schießen und das Geräusch von Tritten beunruhigt, sich aufrichten, im Kreise drehen, oder eine halbe Stunde hindurch in aufrechter Stellung verbleiben. Einmal stand ich dicht neben einem Hasen, der durch wiederholte Schüsse aufgeschreckt, Schuß für Schuß nur wenige Schritte floh. Das Thier fraß dabei sorglos vom Moos; ich zog mein Skizzenbuch heraus, zeichnete es in verschiedenen Stellungen, welche das Lachen und die Conversation meiner Begleiter dem beunruhigten Geschöpfe abnöthigten. Wir ließen es am Leben. Der Hase lebt vorzugsweise von der arktischen Weide, von Beeren etc., im Winter sucht er in Schneehöhlen Schutz.

Der grönländische Hase.

Eine Wolfsart, wie man solche in andern arktischen Gegenden antrifft, gibt es in Ostgrönland nicht, ebensowenig jene wolfsähnlichen, durch Krankheiten aussterbenden Hunde, von welchen der Eskimo in Nordwestgrönland völlig abhängt. Sie fehlen auch im nördlichen Europa nicht und gehören gleich Eisbären, Füchsen und Renthieren zu den circumpolaren Thieren. Die übrige Thierwelt Grönlands: Lemminge, Mäuse, eine Art Bienen, Schmetterlinge, Spinnen, Mücken etc., letztere zu gewissen Jahreszeiten und in einzelnen Gegenden eine wahre Landplage, besitzt zwar großes Interesse für den Zoologen, liegt jedoch außerhalb der hier beabsichtigten Darstellung.

Wenn irgend einem Thiere, so gebührt dem Walroß ( Trichecus Rosmarus) der Name Ungeheuer. Es ist ein Fettkoloß, 10 bis 15 Fuß lang, bis 20 Centner schwer, von einer ¾zölligen Haut Sie ist äußerst biegsam und geschmeidig und wird u. a. zu Leder für Maschinenriemen benützt. wie mit einer Panzerplatte umspannt, mit einem Kopf von abschreckender Häßlichkeit, ziemlich großen, mit Lidern versehenen Augen und bis 30 Zoll langen Zähnen, welche dem Thiere dazu dienen, seine Nahrung, Nach Scoresby auch Seehunde und Crustaceen. hauptsächlich Muscheln ( Mya truncata und Saxicava rugosa), am Meeresboden zu suchen und sich gegen Eisbären zu vertheidigen. Mit ihrer und der Brustflossen Hilfe erklimmt es auch die ihm als Ruheplätze dienenden Eisflösse. Der Menschheit leistet das Elfenbein des Walrosses den Dienst, daß es den Bedarf an falschen Zähnen deckt. Der Hals des Walrosses ist unbiegsam, desto grimmiger verdreht es die Augen. Seinen Rachen umgeben katzenartige, lange Borsten von der Stärke großer Stopfnadeln. So dämonisch, wie sein Aussehen, ist auch seine Stimme, – ein stoßweises, kaum nachahmbares Schreien, Bellen, Brüllen und Pusten, welches es oft wiederholt und in dem es sich zu gefallen scheint. Das Walroß ist ein circumpolares Thier, tritt nicht überall in Heerden auf; sporadisch an Asiens Nordküste, fehlt es an der Nordwestküste Amerikas gänzlich, und ist in den spitzbergischen Gewässern fast ausgerottet. Noch 1818 erlegte Buchan's Expedition auf der Bäreninsel binnen sieben Stunden über 900 Walrosse. Nach Middendorff gehört es zu den wenigen Thieren, welche unter den allerungünstigsten Verhältnissen im äußersten Norden angetroffen werden. Im neunten Jahrhunderte lebte es noch an der Küste Norwegens.

Walroß und Seehund sind durch ihren Thranreichthum für die arktische Fischerei wichtig, den Eskimo's aber unschätzbar. Ja, in vielen Fällen zieht die Unmöglichkeit, wegen zunehmender Vereisung der Küsten, oder in Folge des Abzuges der Herden ihrer habhaft zu werden, den Untergang der Bevölkerung durch Hungersnoth nach sich. Der Eskimo pflegt die Robben unter Anderem auch in der Weise zu erlegen, daß er allmälig einen weißen Schirm vorschiebt, hinter welchem er kauert, oder indem er ihnen an Eisspalten auflauert und sie harpunirt.

Die Jagd auf Walrosse ist ein gefährliches Unternehmen; sie vermögen bis 6 Zoll dickes Eis durch wüthendes Emportauchen prasselnd zu durchbrechen. Es ist daher nothwendig, wenn man ihnen nicht auf sehr festem Eise begegnet, beständig und rasch den Platz zu wechseln; als Säugethiere sind sie gezwungen, ungefähr alle 10 Minuten durch offen gehaltene Spalten oder Eislöcher an die Oberfläche zu kommen, um Athem zu schöpfen. Da das Walroß genöthigt ist, seine Nahrung vom Meeresboden tauchend zu holen, so liebt es die Nähe des Landes. Die Tauchzeit wird hauptsächlich bedingt durch die Muße, welche das Thier gehabt hat, sich auf das Tauchen vorzubereiten. Jagt man ein aus dem Schlaf aufgeschrecktes Walroß ins Wasser, so muß es sofort wieder zur Oberfläche kommen. Hat es dagegen hinreichend Zeit, sich mit Sauerstoff zu versehen, so erblickt man es oft gar nicht wieder, oder erst nach langer Zeit. Auch beachten sie genau die Richtung und Entfernung ihrer Feinde und verstehen es, wieder emporkommend, die Stelle, wo sie dieselben zuletzt erblickten, zu treffen und zu zersplittern. Wir hatten öfter Gelegenheit, uns davon zu überzeugen, so auf der Rückkehr von der Schlittenreise nach dem Tyroler Fjord. Im Gegensatz zu ihrer Furchtbarkeit im Wasser, kann es nichts Unschuldigeres und Harmloseres geben, als eine Walroßherde, die sich auf einer Eisscholle oder am Strande sonnt, oder ein im Wasser schlafendes Walroß; leider ist der Vergleich mit einem Torpedo, den man, um Unheil zu verhüten, nicht berühren darf, nur zu gerechtfertigt. Ein einziges Eisfloß trägt oft zwanzig, ja eine noch viel größere Zahl dieser Thiere. Ihre dunkeln sphinxartigen Leiber lagern dicht nebeneinander; der Kopf ist der langen Zähne wegen zur Seite geneigt, oder ruht auf dem nachbarlichen Fettmassiv. So pflegen sie einen großen Theil ihres Lebens zu verschlafen; doch nicht ohne sich durch ausgestellte Wachen vor Feinden zu schützen. Litke erzählt ein Beispiel, wie schnell sich diese Thiere übrigens an Schüsse gewöhnen. Er ließ auf eine Walroßherde, die auf einer Scholle gelagert war, von seiner Brigg aus mit Kanonenkugeln schießen. Nach dem ersten Schusse sprangen alle Walrosse auf, legten sich aber wieder, nachdem sie sich rings umgesehen hatten. Nach dem zweiten Schusse erhoben sie nur die Köpfe, die folgenden erregten nicht einmal ihre Aufmerksamkeit.

Kampf mit Walrossen.

Das Walroß ist am Strand, oder wenn man es auf einem Eisfeld überrascht, in hohem Maße unbehilflich, obgleich es wüthend mit den Zähnen, um sich haut. Furchtbar aber ist es, wenn man seinen Grimm im Wasser erregt. Mit vielen Dickhäutern des trockenen Landes theilt es eine gewaltige Angriffslust. Eine Eigenschaft, die unter Umständen ebenso gefährlich werden kann, ist seine große Neugierde. Eine unfreiwillige Jagd auf die gewöhnlich in Gesellschaft, häufig herdenweise anzutreffenden Walrosse hat ungefähr folgenden Verlauf: Erblickt ein solches Ungeheuer ein Boot, so erhebt es sich verwundert über die Wasserfläche, beginnt sofort den Alarmruf, ein stoßweise fortgesetztes Bellen und schwimmt so rasch als möglich auf dasselbe zu. Die Rufe locken andere Walrosse herbei, wecken die schlafenden, an welche das Boot anzustoßen vermieden wird; in kurzer Zeit zieht dem kleinen Fahrzeug eine Menge dieser Kolosse nach, tobend vor scheinbarem oder wirklichem Grimm und von unheimlicher Häßlichkeit. Es mag sein, daß die Thiere dabei nur von Neugierde geleitet werden; allein die Form, in welcher sie diese zum Ausdruck bringen, ist auch in dem Falle unglücklich gewählt, und der Verdacht, daß sie das Boot, um es gründlich kennen zu lernen, umstürzen wollen, liegt so nahe, daß man zur Kampfbereitschaft schreiten muß, umsomehr, als man gar bald die Ueberzeugung gewinnt, ihnen auch durch das schnellste Rudern von fünf Mann nicht entkommen zu können. Die brüllende, spritzende und tauchende Herde ist nur mehr wenige Schritte vom Boot entfernt; – es fallen die ersten Schüsse, – dies entflammt ihre Wuth. Ein wilder Kampf beginnt, in welchem die Einen den gräulichen Sphinxen mit der Axt auf die Brustflossen schlagen, womit sie das Boot umzuwerfen oder zu zerreißen drohen, die Andern sich mit Spießen vertheidigen, mit der Schneide der Riemen Hiebe auf die riesigen Dickschädel führen, oder schwer verdauliche, bleierne Pillen in den weit ausgesperrten Abgrund der ununterbrochen brüllenden Rachen senden. Geschrei erfüllt die Luft, Boot und Vertheidiger kämpfen mit dem Gleichgewicht, das Wasser schäumt in heftiger Bewegung; neue Ungeheuer tauchen plötzlich empor oder schwimmen heran, andere sinken tödtlich getroffen, die Wasserfläche mit ihrem Blute färbend, in die Tiefe. Die drohende Gefahr, daß das Boot durch die Wucht eines mit den Zähnen über die Bordwand schlagenden Walrosses umgerissen, oder durch ein tauchendes von unten aus schwer beschädigt werde, vermag oft nur die tödtliche Verwundung des Anführers dieser ebenso tapfern, als ausdauernden Thiere zu beschwören. Der Schuß in den Rachen ist in solchen Fällen einzig anwendbar; denn der Kopf ist mit Ausnahme der Augenhöhlen unverletzbar, Verwundungen am Körper sind von geringer Wirkung. Ein schlafendes Walroß, welches ich einst, auf einer Eisscholle anschleichend, überraschte, und dem ich in unmittelbarer Nähe acht Schüsse beibrachte, erwachte zwar und blutete stark, schob und stürzte sich indeß sofort ins Wasser, worauf es wüthend an die Eisfelder stieß; doch diese waren fest und unzerstörbar.

Walrosse auf einer Eisscholle überrascht.

Oft lassen die Thiere, durch irgend einen Umstand plötzlich erschreckt, vom Kampfe ab, tauchen unter und erst in einiger Entfernung wieder empor, wenden die häßlichen Schädel zurück und erfüllen die Luft mit ihrem Rachegeheul. Im Sommer 1869 entging eine Bootsexcursion nach Cap Wynn mit Mühe der Zerstörung ihres Fahrzeuges durch Walrosse. Ein anderes Mal wurde ein Fahrzeug, dem es gelang, von einer Herde verfolgt, nach dem Strande einer Insel zu entkommen, daselbst förmlich blockirt. Je länger man in arktischen Regionen lebt, desto mehr gewöhnt man es sich ab, diese Thiere in ihrem Element, dem Wasser, anzugreifen, es sei denn, daß irgend ein zwingender Umstand es erheischt, und immer ist es rathsam, sich bei Bootfahrten ausreichend mit Patronen zu versehen. Am erfolgreichsten aber werden die Walrosse gejagt, wenn man sie auf Eisschollen schlafend überrascht. Im letzten Stadium der Annäherung werden die Riemen eingenommen und das Boot geräuschlos angelegt. Im Rücken der Thiere betreten die Jäger die Scholle; kaum ist eines derselben, den Kopf mit verächtlicher Wuth aufrichtend, erwacht, so weckt es auch die andern auf. Die ganze Herde drängt nun, die Jungen mitschiebend, unaufhaltsam gerade vor zum Schollenrand und stürzt kopfüber ins Wasser. Nur diese kurze Zeit bleibt dem Jäger, seine Schüsse müssen rasch und sicher fallen. Wird einem weiblichen Walroß das Junge getödtet, so trägt sie es mit den Brustflossen und fordert den Feind mit grimmigem Glanz ihrer Augen zum Kampf heraus. Ein getödtetes Walroß wird rasch, bevor es sinkt, an die Leine genommen und am Boote festgemacht. In den spitzbergischen Gewässern erlegt man die Walrosse mit schweren Lanzen, die man in ihre Brust stößt. Die Jagd mit Feuerwaffen ist Dilettantensache und nicht handwerksmäßig. Die Robbenschläger pflegen sich gegen angreifende Walrosse auch dadurch zu vertheidigen, daß sie ihnen feinen Sand in die Augen streuen.

Das Gewicht der Walrosse ist so groß, daß zwei von ihnen, einst auf dieselbe Seite des Decks gehißt, dem Schiffe eine merkliche Neigung gaben. Wir lernten sowohl Seehunde als auch Walrosse roh zu genießen. Ihr Fleisch hat einen starken Thrangeschmack; das der letztern ist fast schwarz, die Leber schön violett. Beide Thiere haben die sonderbare Gewohnheit, zuweilen Steine zu verschlucken. J. C. Roß fand im Magen einer Robbe neun Pfund Granitsteine.

Der Seehund ist 3 bis 6 Fuß lang, völlig harm- und wehrlos; letztere Eigenschaften waren offenbar Ursache der Behauptung, daß ihm, gefangen, Thränen aus den Augen treten. Er ist vorsichtig, trotz seiner Neugierde mißtrauisch; der geringfügigste Anlaß bestimmt ihn unterzutauchen. Ueberhaupt verweilt er nur kurze Augenblicke über dem Wasser. Nur zur Zeit der Paarung pflegen sich die Seehunde sprungweise über dasselbe zu erheben. Sie leben ebenfalls in Herden. Oft treffen die Jäger Hunderte von Robben auf einer einzigen Eisscholle; während die Thiere schlafen oder sich sonnen, stellen sie Wachen aus, welche man zuerst zu tödten trachtet, weil dann gewöhnlich die ganze Herde zur Beute fällt. Die Jagd auf Seehunde findet auf verschiedene Weise statt, massenhaft, indem man sie mit Keulen erschlägt; getödtet sinken sie sehr rasch unter Wasser, ihr Schädel ist sehr schwach, Kugeln unserer Hinterlader hatten stets die zerstörendste Wirkung auf sie.

Die ergiebigsten, mit hin besuchtesten Gebiete zum Robbenschlag sind die Umgebungen von Neu-Fundland und die der einsamen, schon innerhalb des Polarkreises liegenden Insel Jan Mayen. In südlicheren Breiten kommen Seehunde nur vereinzelt vor, aber selbst in dem süß gewordenen Baikal-See Sibiriens. Dem Eskimo sind Seehunde und Walrosse fast von universeller Verwendbarkeit. Er schneidet Riemen aus ihrem Fell, fertigt Kleider daraus, zimmert damit sein Boot aus, belegt den Boden der Schneehütte und die Wände mit ihren Häuten, die Knochen dienen ihm zu Werkzeugen, zur Herstellung von Schlitten und Waffen, das Fett als Brennmaterial, das Fleisch zur Nahrung; mit Einem Worte, Seehund und Walroß sind für das Dasein der Eskimos geradezu unentbehrlich.

Der Seehund.

Interessant ist das mehr oder weniger periodische Auftreten einer großen Anzahl Vögel, wovon einige die arktische Welt wenige Sommerwochen, andere das ganze Jahr hindurch beleben. Zu den letzten gehören Schneehühner Sie leben vorzugsweise von den Trieben der Weiden etc.; ungleich den Wandervögeln nähern sie sich dem Menschen ohne Scheu, selbst wenn man mit Steinen auf sie wirft. und Raben, zu den ersten eine Anzahl Singvögel (Schneeammer, Strandläufer, Regenpfeifer), mehrere, sich durch Freßgier auszeichnende Mövenarten, Alken, Taucher, Teiste u. s. w., vor allem aber Eiderenten. Diese rasten in großer Menge gleich weißen Punkten an den zerrissenen Wänden, oder durchziehen schreiend und sich wechselseitig lockend die Luft; sie sitzen auch rings um den Rand einer Eisscholle, schwimmen in langen Fronten, in dichten Gruppen in den Canälen, oder sie sind beschäftigt, ihre Jungen im Marschiren, Schwimmen und Fliegen abzurichten, wenn diese gleich ohne Anleitung damit fertig würden. Ein kurzer Sommer, der eine frühzeitige Vereisung der Küstenwasser herbeiführt, zieht für sie manche Verlegenheiten herbei; denn der Abzug nach südlicheren Regionen tritt unerwartet rasch als unabweisliches Gebot heran. Man sieht sie da eifrigst quackend, schreiend, mit starken, weithin schallenden Stimmen den Strand entlang thätig, die breiten Schwimmhäute im Takt des Gleichschritts aufsetzen, oder mit Präcision die Form einer beweglichen, von kurzem Wellenschlag geschaukelten Flotille annehmen, besonders wenn ein verräterischer Fuchs naht, der gern die Aufsicht über diese Exercitien führen möchte. Die Vögel erfreuen auch den Polarfahrer durch ihre Emsigkeit im Eierlegen; manche wählen hiezu die Köpfe unzugänglicher Basaltsäulen, andere, wie z. B. die Enten, deponiren dieselben am Strande, doch hoch genug, um von der Fluth nicht erreicht zu werden. Der Eskimo benützt die Bälge der Enten zur Kleidung. Die Westküste Grönlands besitzt einen weit größeren Vögelreichthum, als die Ostküste, weßhalb unsere Ausbeute verhältnißmäßig gering war. Das Fleisch arktischer Vögel hat, da sie sich von Meerthieren ernähren, einen stark entwickelten Thrangeschmack.

Die Polarmeere sind von kleinen Fischen Am reichsten scheint das Meer im Westen Spitzbergens, – bis jetzt sind 26 Arten bekannt, – davon bevölkert zu sein. und von unzähligen Thieren niederer Entwicklung (Crustaceen u. s. w.) belebt, welche den Riesen derselben, dem Polarwal, dem Finnfisch, dem Narwal u. s. w. zur Nahrung dienen. Die jahrhundertelang fortgesetzte Jagd hat die letztgenannten Cetaceen, welche die Polargewässer niemals verlassen, in bisher noch unerreichte Meere verscheucht; nur in der Baffins-Bai wird der Walfischfang noch mit größerem Erfolg betrieben. Ein einziger Wal deckt zuweilen die Kosten einer Fahrt; er liefert bis 600 Centner Speck und 100 Centner Fischbein. Unser Verkehr mit diesen Thieren beschränkte sich auf zwei Finnwale im Packeis, die in unmittelbarer Nähe des Schiffes schwammen und Gewehrsalven erhielten, welche ihnen höchstens ein vorübergehendes Unwohlsein bereiteten, sie jedoch zu raschem Untertauchen veranlaßten. Auch Walfische sahen wir nicht selten; der ausgesprühte Wasserbogen verrieth sie schon aus der Ferne; wahrscheinlich waren es Finnwale.


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