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Eisdecke. – Canäle und Wacken. – Erstarrung. – Packeis, Treibeis. – Flächeneis. – Süßwassereis. – Eisberge. – Landeis. – Eisfuß. – Brockeneis. – Baieis. – Eishügel, Klippen. – Charakter der Eisschollen. – Maximalstärke des Flächeneises. – Rapidität der Eisbildung. – Altes Eis. – Hauptursache massenhafter Eisbildung im Polarmeere. – Schneebedeckung des Flächeneises. – Farbe des Meereises. – Zähigkeit des Meereises. – Specifisches Gewicht. – Gefrierpunkt des Meerwassers. – Eisbildung im landfernen Meere. – Sprengung des Eises durch plötzliche Ausdehnung und Zusammenziehung. – Eisblink. – Wasserhimmel. – Gleichgewicht zwischen Eisbildung und Auflösung. – Ruhige See innerhalb des Eises. – Schwerpunktsveränderungen des Eises, phantastische Bildungen. – Aenderung der Meeresfarbe im Eise. – Eigenthümlichkeiten der Eisberge, ihre Gestalt und Sammelplätze.
Der Effect, welchen die tiefe Temperatur innerhalb der Polarmeere ausübt, tritt als Eisdecke zur sinnlichen Wahrnehmung. Neun bis zehn Monate im Jahre wirkt diese erstarrende Gewalt; ihr Resultat müßte eine geschlossene, über die Pole reichende Hülle sein, wenn nicht Sonne, Regen, Wind, Wellenschlag, Strömungen und die Sprengung des Erstarrten durch rapid gesteigerte Kälte ihre Zerstörung und das Auseinandertreiben der Theile herbeiführen würden. Diese Auflösung der riesigen Eishülle in zahllose Theile, Eisschollen genannt, ist die Ursache ihrer vergrößerten Ausbreitung und Beweglichkeit.
Wasserstraßen trennen ihre Glieder, sie werden Canäle genannt; Wacken heißen sie, sobald ihre Ausdehnung beträchtlich ist. Ewig unstät, öffnen und schließen sich die Glieder ihres ungeheueren Netzes durch Winde und Strömungen; nur im Sommer führen Wellenschlag, Regen und Schmelzung eine namentlich in den südlichen Regionen des Eismeeres bedeutende Auflockerung herbei. Vom Spätherbst an verdichtet sich sein Inneres durch erneute Eisbildung, während seine Peripherie, gleich dem Ende eines Gletschers sich in tiefere Regionen vorschiebt, bis etwa Ende Februar der Culminationspunkt der Erstarrung erreicht ist. Bewegungsloses Festliegen der Felder, welche naturgemäß im Winter ihre größte Massenhaftigkeit erreichen, findet indessen auch dann nicht statt; selbst während dieser Zeit unterliegen sie unausgesetzt einer durch die Meeres- und Luftströmungen veranlaßten Verschiebung und Pressung.
Tritt das Eis mehr oder minder bis zur Unschiffbarkeit geschlossen auf, so nennt man es » Packeis«; » Treibeis«, wenn es leicht und innerhalb vorwaltenden Wassers vertheilt erscheint.
Da die Auflockerung der marinen Eisdecke nach der Peripherie und ihre Verdichtung nach dem Innern hin am meisten begünstigt wird, so erklärt es sich von selbst, warum seine Binnentheile zum Charakter des Packeises, sein äußerer Saum zu dem des Treibeises hinneigen. Diese herrschende Regel wird jedoch durch locale Ursachen, Strömungen und Winde an vielen Stellen periodisch oder dauernd derart modificirt, daß am äußeren Eissaume nicht selten dichte Barrieren von Packeis, im Binneneise Wacken (Polynjen) und Treibeis angetroffen werden.
Die Eisschiffahrt hat in ihrer dreihundertjährigen Dauer eine Anzahl von Bezeichnungen der äußeren Form des Eises geschaffen, deren Definition zu kennen unerläßlich ist, wenn ihre Deutung nicht zu Irrthümern führen soll.
Alles Eis, welches aus Salzwasser entstanden ist, gehört zu dem sogenannten Flächeneis; das aber, welches sich aus dem Süßwasser der Flüsse und Seen gebildet hat, wird Süßwassereis genannt. Dieses ist felshart, spröde, und seine große Durchsichtigkeit bringt es mit sich, daß es vom Wasser fast nicht zu unterscheiden ist. Eisberge endlich sind, wie bekannt, die Abbruchstücke der Gletscher. Die Ausdrücke »Scholle, Flarde, Eisfeld« beziehen sich auf die Ausdehnung des Flächeneises in zunehmender Steigerung, von der geringsten Eistafel angefangen bis zu solchen vom Durchmesser vieler Meilen. Der Ausdruck »Eisscholle« wird aber im Allgemeinen für jede Gattung des Flächeneises angewandt, auch wenn es sich nicht um die Unterscheidung seiner Größe handelt.
Landeis nennt man das längs den Küsten oder innerhalb der Sunde einer Inselgruppe festanliegende Flächeneis. Von der Existenz und Beschaffenheit dieses Eises hängen die Schlittenreisen ab. Es wird nur längs des Küstensaumes durch die Fluth gebrochen, seine Aufschiebung und Ablagerung am Strande bildet die gewöhnliche Einfassung des letzteren, den sogenannten Eisfuß. Brockeneis ( brashice) ist eine dichte Anhäufung der geringsten Bruchtheile des Eises; es pflegt nur am äußern Eissaume vorzukommen. Baieis nennt man alles Eis von geringer Stärke und junger Bildung. Das Landeis ist gewaltsamen Störungen minder ausgesetzt, seine Oberfläche daher in der Regel eben und nur da und dort von einem dichten Gewirre von Eishügeln und Klippen ( hummocks, torrossy) durchzogen. Diese sind das Resultat ehemaliger Pressungen; sie werden erst nach jahrelanger Stabilität des Landeises durch Verdunstung, Schmelzung und Schneeüberwehung ausgeglichen.
Alles übrige Eis hingegen, welches als Scholle der unausgesetzten Bewegung durch Winde und Strömungen und daher der wechselseitigen Pressung im landfernen Meere unterliegt, besitzt ein mehr oder minder welliges Aussehen. Barrièren gethürmten Eises durchziehen es; sie erreichen 20-50 Fuß Höhe und wechseln mit kleinen Ebenen, welche während der wenigen Sommerwochen, in denen die Temperatur den Gefrierpunkt übersteigt, das Schmelzwasser in klaren Eisseen sammeln. Das specifische Gewicht dieses Wassers ist in allen Fällen, wo es nicht durch Sprünge mit dem Meere communicirt, nahezu gleich dem reinen Süßwassers; es ist durch die allmälige Auslaugung des Eises fast völlig salzfrei und vortrefflich trinkbar. Die Größe der Eisschollen erreicht im ostgrönländischen Meere häufig mehr als 12 Seemeilen im Durchmesser; dies sind die eigentlichen Felder. Man hat daselbst Felder gesehen, deren Flächenraum dem deutscher Fürstenthümer, oder sogar dem des Herzogthums Salzburg glich. Scoresby gibt den Oberflächendurchmesser der Eisfelder bis 35 Meilen an; auf der zweiten deutschen Nordpol-Expedition geschah es zuweilen, daß wir zwölf bis zwanzig Stunden lang längs der Umgrenzung eines Eisfeldes unter Dampf dahinfuhren. Im spitzbergischen und Nowaja Semlja-Meere hingegen ist sie nach Parry's und unsern eigenen übereinstimmenden Beobachtungen weit geringer.
Die Stärke, welche das Eis bei ungestörter Bildung in der Dauer eines Winters annimmt, beträgt etwa 8 Fuß. Während der zweiten deutschen Nordpol-Expedition in Grönland wurde die Maximalstärke desselben mit 6? Fuß beobachtet. Im Boothia-Golf fand J. Roß, daß das Eis seine größte Mächtigkeit erst Ende Mai erlangt; sie betrug bis 10 Fuß am Meere 11 Fuß an den Seen. Parry fand die Eisdicke im Winterhafen auf der Melville-Insel mit 7-7½ Fuß, Wrangel gibt die Stärke einer im Lauf eines Winters gebildeten Scholle am sibirischen Eismeere mit 9? Fuß an. Hayes beobachtete die Stärke der Eisbildung im Port Foulke mit 9 Fuß 2 Zoll. Für den Smith-Sund hingegen veranschlagt er sie weit höher, er sagt: »Ich habe nie eine durch directes Gefrieren gebildete Eisplatte gesehen, welche die Tiefe von 18 Fuß überstieg.«
Die Intensität der Eisbildung steht mit der fortschreitenden Mächtigkeit der Scholle im umgekehrten Verhältnisse und hört ganz auf, sobald die Dicke der Eisplatte sie nahe zu einem Nichtleiter der Lufttemperatur macht, das Uebereinanderschieben der Platten und die ungeheure, stets wachsende Schneebedeckung dem Durchdringen der Kälte Grenzen setzt.
Während also die spontane Eisbildung nur von geringer Mächtigkeit ist, gewahrt man doch überall im Eismeer das Vorkommen von Eisfeldern, welche eine Dicke von mehr als 30 bis 40 Fuß erreichen. Sie sind das Resultat jenes Ueber- und Untereinanderschiebens der Platten in Folge von Pressungen. Man bezeichnet sie mit dem Namen » altes Eis«.
Da das neuentstandene Eis einen ungleich stärkeren, sich erst allmälig ausscheidenden Salzgehalt besitzt, so zeichnet sich das alte Eis durch größere Dichtigkeit aus; seine Verwandtschaft mit dem Gletschereise wächst noch mehr, wenn es in farbigen Lagen auftritt. Middendorf sieht es als ein charakteristisches Zeichen eines alten Schneefeldes an, daß es im Stande ist, die Organismen des rothen Schnees zu ernähren.
Bei sehr großer Kälte bildet sich eine mehrere Zoll starke Eisdecke auf offenem Wasser binnen wenigen Stunden. Allein sie enthält kein reines Eis, sondern eine große Menge des noch nicht gänzlich abgegebenen Meersalzes, dessen Ausscheidung erst in dem folgenden verlangsamten Ansatz des Eises nach unten hin ermöglicht wird. Diese neugebildete Eisdecke ist lederartig biegsam; erst wenn sie durch anhaltende Kälte erhärtet, dringt ihr Salzgehalt in weißen Frostblüthen an die Oberfläche hervor.
Hayes erwähnt das Vorkommen von 20-100 Fuß dicken Eisfeldern im Smith-Sunde. Ist es in manchen Fällen schon schwer, Gletschereis, wenn es in geringen Fragmenten und nicht als massiver Berg auftritt, von Bruchstücken des Flächeneises zu unterscheiden, so ist die Unterscheidung alten und jungen Eises oft noch schwieriger; die Deutung wird oft zur Willkür, weil die Mächtigkeit nicht allein vom Alter, sondern auch von den Vorgängen abhängt, denen es ausgesetzt war. Ein mehr als zwei- oder dreijähriges Alter kann bei einer Scholle von normaler Stärke gar nicht vorkommen; in den meisten Fällen muß eine durch Pressungen mächtig gewordene Scholle, um recht alt zu werden und ihre Stärke länger zu erhalten, gewissermaßen aus dem Verkehre kommen, sich irgendwo mit dem Landeise vereinigen, so daß sie sowohl der mechanischen Zerstörung, als auch ihrer Auflösung durch die Trift nach Süden entgeht. Viele Schollen beenden ihren Kreislauf vom Gefrieren zum Schmelzen schon innerhalb eines einzigen Jahres. Unverrückt, als Annex des Landeises, wird eine solche anfangs rasch an Dicke verlieren, von Jahr zu Jahr im Winter von unten wachsen und im Sommer an ihrer Oberfläche ebensoviel durch Verdunstung, Regen etc. einbüßen, bis sie endlich die normale Schollenstärke eines bestimmten, klimatisch gleichartigen Eismeerdistricts erlangt, wenn anders nicht gewaltsame Eingriffe ihre Auflösung oder Verstärkung herbeiführen.
Gerade die ewige Unruhe des Eismeeres, welche selbst im strengsten Winter ungeschwächt fortdauert, und der unausgesetzte Wechsel der Wacken leistet der Vermehrung des Eises sowohl hinsichtlich seines Areals, als auch seiner Mächtigkeit den größten Vorschub. Das Aufhören dieser Bewegung hätte die Bildung einer der Erdrundung angepaßten Eisdecke von der gleichmäßigen Stärke von etwa 8 Fuß zur Folge.
Alles Flächeneis wird durch eine Schneelage bedeckt, die im Herbst, gleich dem Eise selbst, ihr Minimum erreicht. Dieser Schnee, im Winter bald compact, bald staubartig, nimmt gegen Ende des Sommers mehr und mehr den Charakter des Firnschnees unserer hohen Alpengebirge an. Seine nassen Körner übertreffen die Größe von Bohnen, ihre Bewegung gleicht dem Geräusch des Sandes. Dieser körnige Schnee ist der Rückstand der unvollständigen Verdunstung der winterlichen Schneedecke und des Zerfalles der zunehmend porösen Eisoberfläche. Seine Krystalle sind häufig 4 bis 8 Millimeter groß; festes Eis folgt oft, selbst im Herbste, erst in der Tiefe von 1-2 Fuß. Parry hat im Norden Spitzbergens wahrgenommen, daß die Oberfläche des Eises durch die auffallenden Regentropfen im Sommer häufig in mehr als schuhlange Nadeln zerschnitten wird, und daß es stellenweise von rothem Schnee überzogen ist. Wir selbst waren nicht in der Lage, diese Beobachtung zu erneuern; die von uns wahrgenommenen Eiskrystalle überschritten nur selten die angegebene Länge.
Alles Flächeneis ist von zart azurblauer Färbung und von großer Dichtigkeit; es scheint nicht, daß das antarktische Flächeneis von dem arktischen sich unterscheidet. Cook nennt das Südpolareis zwar farblos; allein J. C. Roß spricht ausdrücklich von blauen Eismassen. Sowohl hinsichtlich seiner schönen blauen Farbe, als auch seiner Dichtigkeit (Compactheit) übertrifft das Meereis das der Alpen. Die herrliche blaue Farbe der Spalten verdankt bekanntlich dem eindringenden Licht ihre Entstehung, von dessen Strahlen im Eise ein Theil mit blauer Mischfarbe durchgelassen, das Uebrige aber absorbirt wird. Eine Spectralbeobachtung, 1869 auf einem grönländischen Eisfeld angestellt, ergab Braunroth, Gelb, Grün und Blau. Gelbliche Flecke im Eise rühren von unzähligen mikroskopischen Thierchen her.
Das Meereis, bei großer Kälte klingend hart und spröde, verliert diese Eigenschaft bei zunehmender Wärme bis zur Annahme unglaublicher Zähigkeit, welche die des Gletschereises weit übertrifft; selbst mehrere Fuß mächtige Schollen vermögen sich unter gegenseitigem Drucke förmlich zu biegen, bevor sie bersten. In Folge dieser Eigenschaft des Meereises bleiben namentlich im Sommer alle Versuche erfolglos, seinen Zusammenhang durch Pulver zu sprengen.
Das specifische Gewicht des Meereises wird mit 0,91 Das specifische Gewicht des reinen Eises ist nach Bunsen (1870) 0,91674; frühere Beobachtungen variiren von 0,90 bis 0,95. angegeben. Demnach müssen etwa 9 Theile eines kubischen Eiskörpers unter das Wasser tauchen und nur etwa 1 Theil dessen Oberfläche überragen. Bei dem blasenreichen, unregelmäßig geformten Scholleneise jedoch kann sich das Tauchen bis auf ? der Gesammtmasse vermindern.
Aus den Formenerscheinungen im Eismeer selbst läßt sich wegen deren Unregelmäßigkeit nichts Bestimmtes ableiten; es können Fälle vorkommen, wo eine junge, an altes Eis angewachsene Scholle durch ihren Nachbar gezwungen wird, unter ihr normales Niveau einzusinken. In den Eisbildungen herrscht die abenteuerlichste Regellosigkeit, daher man den Tiefgang des Eises nur zu leicht zu überschätzen pflegt.
Das Meerwasser erlangt seinen Gefrierpunkt bei -2,2° R. nach J. Roß, bei -1,7 bis 2° R. nach Koldewey und bei -2,6° C. nach Neumann. Seine größte Dichtigkeit erreicht es nach Marcet bei -5,2° C., nach Horner bei -5,5, nach Despretz bei -3,67° C., nach Kopp bei -4,08° C., nach Erman bei -3,75° C., nach Rosetti bei -4,07 und nach Neumann bei -4,7° C. Der ungleichartige Salzgehalt der Meere ist die Ursache dieser abweichenden Angaben sowohl hinsichtlich des Gefrierpunktes, als auch hinsichtlich der Temperatur des Maximums der Dichte des Seewassers. Der Salzgehalt der Polarmeere nimmt mit der Tiefe zu, ist geringer als der in südlicheren Meeren; das Schmelzwasser der Eisberge und der Ueberschuß von Regen und Schnee gegenüber der Verdunstung tragen hieran die Schuld. Dieser ungleiche Salzgehalt ist zum Theil auch die Veranlassung von dem Abfließen des schwereren Polarwassers gegen Süden hin. Die geringste Bewegung seiner Oberfläche genügt zum Zusammenschießen der Eiskrystalle; es entsteht die Scholle.
Die Temperatur des Eismeeres liegt im Allgemeinen, wo nicht Strömungen einen höheren Wärmegrad mit sich bringen, etwas unter dem Gefrierpunkt des Süßwassers und nimmt nach der Tiefe in geringem Maße zu. J. C. Roß beobachtete, daß die Temperatur sich in allen Oceanen in größerer Tiefe nicht mehr ändert, und glaubte diese constante Temperatur mit +3° R. gefunden zu haben, eine Angabe, der jedoch die Expeditionen des Challenger und der Gazelle im Atlantic widersprechen.
Die Lufttemperatur erhebt sich im Sommer nicht viel über Null und scheint nach J. C. Roß im südlichen Polarmeer geringer zu sein, als im nördlichen, weil er dort keine Thauwasser von den Eisbergen herabströmen sah, wie hier. Erst zu Forster's Zeiten, also vor etwa einem Jahrhundert, wurde die Beobachtung gemacht, daß sich das Salz des gefrierenden Meerwassers ausscheide. Cook war dieser Vorgang noch unbekannt; selbst J. C. Roß konnte noch behaupten: »Davis bemerke ganz richtig, die tiefe See gefriere nicht«. Daß Eis auch in offener See und fern von den Stützen des Festlandes sich bilden könne, ist eine durch Scoresby den Jüngern zuerst gemachte Erfahrung der späteren Polarexpeditionen, welche indeß noch lange nachher angefochten wurde. Im 16. Jahrhundert dagegen dachte man sich die Entstehung alles Eises, der Eisberge wie des Flächeneises überhaupt, durch Condensation der Niederschläge und Wassermassen des Landes bewirkt.
Die häufige Beobachtung des Knisterns des Eises längs seiner vom Wellenschlage getroffenen Peripherie ist eine Wirkung des in seine Poren eindringenden Wassers, welches sofort gefriert und seine Außentheile unausgesetzt absprengt. In weit großartigerem Maßstabe aber wiederholt sich dieser Vorgang durch das Gegentheil: – durch plötzliche Zusammenziehung und Spaltung des Eises selbst bei großen Feldern. Rasches Fallen der Temperatur, wie solches im Winter einzutreten pflegt, ist die gewöhnliche Ursache der Zerreißung der Eisdecke.
Tritt das Eis geschlossen oder als Packeis auf, so wird das einfallende Licht in der überlagernden Luftschichte gebrochen; der dadurch entstehende Lichtbogen » Eisblink« genannt, dicht über dem Horizont, dient dem Seefahrer zur Warnung, bevor er sich noch von der Unschiffbarkeit des vorliegenden Meeres unmittelbar überzeugen kann. Auch über Treibeis wird die erwähnte Erscheinung oft bemerkt, doch weniger intensiv und nicht so gelblich wie über dem Packeis.
Alle Wasserplätze hingegen machen sich in Folge der emporsteigenden Dünste und der Wolkenbildung als dunkle Flecken am Himmel kenntlich; Dazu trägt natürlich auch der Umstand bei, daß das Wasser viel von dem auffallenden Licht verschluckt, und weniger als das Eis reflectirt. sie werden » Wasserhimmel« genannt, sind ein treues Bild der Ausdehnung aller Canäle unterhalb und erreichen über großen Wacken die düstere Farbe der Gewitterwolke, doch niemals deren scharfe Umrandung.
Die jährliche Oberflächenverdunstung des Eises, welche selbst im Winter während des strengsten Frostes niemals ganz aufhört, und die Zerstörung des Eises durch Regen und Wellenschlag steht mit seiner Neubildung und Zunahme durch Frost im Allgemeinen im Gleichgewicht. Das Maximum der Eisanhäufung fällt in das Frühjahr, das Minimum in den Anfang des Herbstes. Nach Ablauf dieser Frist beobachteten wir im Jahre 1873 nicht nur die Verdunstung der winterlichen Schneedecke, sondern auch eine verticale Abnahme des Eises um 4 Fuß. Die Verdunstung ist also der wichtigste Regulator des Gleichgewichtes der polaren Eisanhäufung; ihr folgt zunächst die Trift des den Meeresströmungen folgenden Eises nach Süden, und zwar durch alle die Oeffnungen zwischen den Festländern hindurch, welche die Polarwasser mit niedrigem Breiten communiciren lassen.
So bewegt auch die See im offenen Ocean auftritt, mit welch wilder Brandung sie noch am Eissaum ihre Wogen bricht, so unbewegt ist sie innerhalb dieses Gürtels, zufolge der außerordentlichen Belastung des Meeres durch das Eis. Nur große Wacken gestatten noch einen kurzen Wellenschlag, jedoch nur bei heftigem Wind, während selbst eine isolirte Ansammlung von Schollen hinreicht, einen ruhigen Binnensee einzuschließen; nur ihre äußere Peripherie erfährt den Angriff der Wellen.
Dieser unausgesetzte Angriff, welchem das Eis durch den Wellenschlag an seinem äußeren Saum ausgesetzt ist, verursacht seine Untergrabung und Aushöhlung. Sein Schwerpunkt wird dadurch beständig verrückt; seinem Schwanken folgt das Umkippen und die mannigfachste Wandlung seiner Formen. Je kleiner das Eis auftritt, desto phantastischer gestalten sich seine Umrisse.
Eine häufig, wenngleich nicht immer gemachte Wahrnehmung ist die Aenderung der Farbe des Meeres innerhalb des Eises; fast unmittelbar, nachdem es betreten ist, macht sein normales trübes Grün einem tiefen Ultramarinblau Platz, wie dies namentlich die ostgrönländische See auszeichnet. Dieses blaue Wasser des Meeres erhält sich unter allen Witterungsverhältnissen und wird nur durch Strömungen in seiner Lage und Ausbreitung modificirt. Schon vor 2½ Jahrhunderten fiel es Hudson an der Küste Spitzbergens auf, daß die See eine grüne Farbe besaß, so oft sie frei vom Eise war, und daß ihre Eisbedeckung mit einem bläulichen Colorit in Zusammenhange stand. J. C. Roß erwähnt, daß in beiden Polarmeeren die Farbe des Meerwassers sich in der Nähe des Eises verändere, und daß insbesondere das südliche in der Nähe des Packeises durch eine schmutzigbraune Farbe sich auszeichne, hervorgebracht durch rostfarbige mikroskopische Thierchen, welche dasselbe beleben. Es gibt aber noch ein anderes Merkmal der Nähe des noch unsichtbaren Eises; dies ist das rasche Fallen der Wassertemperatur bis auf den Nullpunkt.
Unter allen Eisbildungen, welche in den arktischen Meeren angetroffen werden, ist die der Eisberge weitaus die imposanteste; die meisten und größten liefert Grönland. Sie entstehen bekanntlich durch die Ablösung der untern Theile eines Gletschers, sobald sich dieser soweit in das Meer vorschiebt, daß das Mehrgewicht des verdrängten, specifisch schwerern Seewassers das des untertauchenden Süßwassereises so sehr überwiegt, daß die aufwärts wirkende Kraft seine Ablösung erzwingt. Dieser Vorgang wird das Kalben der Gletscher genannt; der Verlauf der Gletscherspalten zeichnet die Contouren der abzubrechenden Eismassive stets im vorhinein an.
Die charakteristischen Merkmale der Eisberge sind ihre einfachen Contouren, welche fern sind von der Abenteuerlichkeit, zu welcher sich das Meereis als Bruchstück hinneigt, ferner ihre große Höhe bei geringer Oberfläche, ihre grünlichblaue Farbe, ihre schichtenartige Structur, ihre geringe Durchsichtigkeit und ihr grobkörniges Eisgefüge. Eisberge mit lanzenförmigen Klippen, wie solche in unzähligen Illustrationen vorkommen, existiren in der Wirklichkeit nicht. Nur die Bruchstücke emporgepreßten Flächeneises gewähren dem Wellenschlag und der Verdunstung hinreichende Angriffspunkte, um ihre Formen in bizarrer Weise zu verwandeln. Den Gestalten der Eisberge liegt in der Regel die Tetraëderform, oder die der Tafel zu Grunde; doch kommen auch Bögen etc. vor, alternd werden sie gewöhnlich zu unregelmäßigen Kegeln abgerundet. Die Höhe der Eisberge variirt zwischen 30 und 300 Fuß, J. Roß (1818) erwähnt eines Eisberges von 51 Fuß, Bassin (1615) von 240 Fuß, Parry (1819) von 258 Fuß, Kane (1853) von 300 Fuß, und Hayes fand (1861) einen von 315 Fuß Höhe, dessen Tiefgang er zu einer halben Meile schätzte. An der ostgrönländischen Küste zählte Scoresby einmal 500 Eisberge, wovon einige die Höhe von 200 Fuß erreichten; während der zweiten deutschen Nordpol-Expedition erblickten wir an der Mündung des Kaiser Franz Joseph-Fjord viele Eisberge, deren Höhe bis 220 Fuß gemessen wurde. Im Austria-Sund und an der Ostküste des Kronprinz Rudolph-Landes variirte ihre Höhe von 80 bis 200 Fuß. Die sie umgebende Dunsthülle läßt die Eisberge meist noch weit höher erscheinen, als sie wirklich sind, auch ihr Tiefgang ist nicht so beträchtlich, wie man häufig voraussetzt, weil die horizontalen Dimensionen des untergetauchten Theiles viel größer sind, als die des über das Wasser emporragenden Theiles. Im Mittel darf man bei einem Eisberg von 200 Fuß Höhe über dem Wasser nur eine Totalhöhe von 600-800 Fuß erwarten. Nur sehr große Gletscher sind im Stande, Eisberge zu entsenden; kleine Gletscher, wie jene Nowaja Semlja's, streuen nur eine große Menge von Bruchstücken ins Meer, welche zwar nicht durch ihre Entstehungsweise, wohl aber durch ihre Form mit dem Brockeneise verwandt sind. Es folgt aus dem Gesagten, daß das Auftreten von Eisbergen durch die Nähe gletscherbedeckter Länder bedingt und an diejenigen Strömungen gebunden ist, welche ihre Küsten beherrschen.
Die Bassins-Bai, der Smith-Sund, Ost-Grönland, Südost-Spitzbergen, der Austria-Sund sind ihre vorzugsweisen Sammelplätze; oft lagern sie gleich Flotten vor den Eingängen der Meeresbuchten. Untere Meeresströmungen führen sie nicht selten der Trift des Flächeneises entgegen, weil dieses nur von oberen Strömungen abhängt; anormale Winde vermögen sie zuweilen in Meere zu entführen, wo man sie sonst nur selten erblickt. Im nordatlantischen Ocean bis 40° nördl. B. herab. Dies scheint auch bei jenen Eisbergen der Fall zu sein, welche in einigen Fällen an der Nordwestküste Nowaja Semlja's angetroffen wurden. An der gletscherlosen Küste Sibiriens hingegen sind sie niemals beobachtet worden.
Die fortgesetzte Schwerpunktsverrückung eines Eisberges durch seine unsymmetrische Massenabnahme führt sein periodisches Umkippen herbei, die verschiedene Erwärmung des inneren und äußeren Eises ist der vorzugsweise Grund seiner oft von donnerähnlichem Getöse begleiteten Spaltung; ein Vorgang, welcher vorzugsweise, doch nicht ausschließlich dem Hochsommer angehört.