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Die Rückreise zum Schiffe.

Verlassen des Cap Fligely.– Vereinigung mit den Zurückgebliebenen.– Ihr Zustand.– Drohende Schneeerweichung.– Reduction des Gepäcks.– Schneeblindheit.– Coburg-Inseln.– Bärenjagd.– Kräfteabnahme.– Einbrechen in Meeresspalte.– Besteigung des Cap Hellwald, 2200 Fuß.– Vögel ohne Scheu.– Verminderung der Rationen.– Besteigung des Cap Tyrol, 3000 Fuß.– Halbinsel la Rouciére le Noury.– Collinson-Fjord.– Ein Vegetationsbild des Sommers.– Treibholz. – Kälte.– Unsicherheit der Eisdecke.– Gefährdung des Rückwegs durch ein offenes Meer.– Eilmarsch.– Schneesturm.– Proviantmangel.– Rettung.– Ermüdung.– Hochstetter-Inseln.– Unberührtes Lebensmitteldepot.– Ich reise mit den Hunden voraus.– Gefährliche Nachbarschaft der Eisberge.– Das Orgelcap.– Wiederfinden des Schiffs.– Beendigung der magnetischen Arbeiten.– Basismessung.– Stiglich verwundet.– Zudringlichkeit der Bären.– Ueberfluß.

 

Dann wandten wir uns zur Rückkehr nach dem Schiffe,– hundertsechzig Meilen fern im Süden. Jahr für Jahr verstreicht nun abermals über diesen unwirthbaren Gestaden des äußersten Nordens, und ihre Einsamkeit ist wieder so groß, wie vom Anbeginne. Nur die Seevögel schwirren in ewiger Wiederkehr in den Felsenhängen, und in ununterbrochener Reihenfolge ziehen die weißen Tafeln der Eisfelder nach wie vor unter der Willkür des Windes dahin an den verschollenen Küsten. Gleich ungehörten Klagen branden die Wellen eines kurzen Sommers an ihren geborstenen Klippen, und Jahrtausende lang tragen die Gletscher ihre kalte Last wieder in das Grab des Meeres herab. Die Berge unter diesem winterlichen Himmel, von Vegetation unbekleidet, veralten und verfallen, und gleich Gebeinen strecken ihre Trümmerhänge die kahlen Glieder durch die wechselnde Schneedecke. Die Winde und Wolken eilen dahin, ohne Merkmale zu hinterlassen; sie dienen weder der Barke eines Fischers, noch dem Grün der Saaten!

Schneeschmelzen auf Cap Germania.

Einer Welt voll Oede und Geheimniß hatten wir den Rücken gekehrt. Das Schiff aber, dem wir jetzt zustrebten, – lag es noch an der verlassenen Stelle, oder war es inzwischen weggetrieben? Ans Seil gebunden, kehrten wir über die Gletscher zurück, und als wir das auf Cap Germania hinterlassene Gepäck erreichten, bereiteten wir etwas Wasser; das in einer Gummiflasche mitgenommene Festgetränk, Kaffee, Rum und Fleischextract hatte nicht unsere Kraft, sondern nur unseren Durst erhöht. Erst spät Abends erreichten wir unser Nachtlager nahe dem Säulencap, in einem Zustande von Erschöpfung, welcher jedoch durch die Freude über unsern Erfolg etwas Behagliches an sich hatte, weßhalb der Gedanke an unsere Isolirtheit nicht im Mindesten unangenehm berührte. Nur Orel begann Nachts etwas schneeblind zu werden. Nachdem wir unser noch unangetastetes Geräthe ausgegraben, begaben wir uns für drei Stunden zur Ruhe. Länger durften wir nicht verweilen; jeder Windhauch konnte das Eis aus der Bucht im Norden des Alkencaps aufbrechen und wegtreiben.

Diese Unsicherheit des Weges bis zum Alkencap trieb uns am 13. April (-9° R.) schon zeitig Morgens wieder fort; schwer erschien uns der Rückweg, erst jetzt fielen die großen Hindernisse ins Gewicht, die wir während der Hinreise leicht überwunden hatten. Orel ging der Schneeblindheit wegen fast mit geschlossenen Augen; wir thaten dasselbe aus Schlafmangel, dessen lange Dauer unsere Kräfte fühlbar vermindert hatte. Auch die Hunde waren erschöpft und sanken jedesmal wie leblos in den Schnee, so oft wir hielten. Es war ein beständiges Auf- und Abladen des Schlittens, ein Anrücken und Heben, Zusammenbinden der gebrochenen Theile; selbst die Flächen ebenen Eises waren des dichten, nassen Salzschneebreies wegen lästig, der sich auf seiner Oberfläche mehr als ehedem gebildet. Das Wetter, trübe und unfreundlich, hielt die Vögel des Alkencaps nicht ab, sich wie im Sonnenschein durch Umherschwärmen zu ergötzen. Mittags kochte ich in grenzenloser Zerstreuung unsere Mahlzeit mit Salzwasser, so daß wir nicht im Stande waren, sie zu verzehren.

Der Weg durch die Schneewüste vom Cap Brorock bis zum Cap Schrötter war anscheinend endlos. So schnell wir auch gingen, so beharrlich wir die Schritte zählten, fast vier Stunden lang blieb unser Ziel derselbe kleine schwarze Punkt in der trüben Schneeluft des Horizonts. Erst gegen Abend kamen wir in seine Nähe, und als wir innerhalb des Bannes der dreihundert Schritte traten, empfingen uns die Abgesandten Haller's. Es war charakteristisch zu sehen, wie wenige Tage ohne Arbeit und Aufsicht hinreichen, Menschen unter solchen Umständen zu demoralisiren: die Zurückgebliebenen waren kaum mehr zu erkennen. Geschwärzt vom Thrankochen, matt, vom Durchfall befallen und von Langeweile heimgesucht, krochen sie eben so erfreut als verwahrlost aus dem geschwärzten Zelte; wenige weitere Tage hätten sicher genügt, sie ernstlich krank zu machen. Doch hatten sie genau nach meinen Weisungen gehandelt und ihren Proviantverbrauch möglichst eingeschränkt. Wie bereits erwähnt, hatte ich ihnen vor meinem Aufbruche nach Norden alle Mittel hinterlassen, sich in der Einöde zu orientiren und sie zu befähigen, die Rückkehr nach dem Schiffe anzutreten, falls sie fünfzehn Tage vergeblich auf unser Eintreffen warten sollten. Als ich sie aber jetzt fragte, welche Richtung sie nach dem Schiffe eingeschlagen hätten, wiesen sie zu meinem Entsetzen auf den Rawlinson-Sund anstatt auf den Austria-Sund Es ist natürlich, daß namentlich die Matrosen mit denjenigen Compassen völlig vertraut waren, welche zur See in Gebrauch kommen. Die Boussole aber, welche ich zu ihrer Verfügung gab, war sehr klein, und sie verwechselten die Lage der Declination..

Die mir von Haller in Hieroglyphen auf einem Erbswurstumschlag übergebenen Temperaturbeobachtungen erwiesen eine Differenz von 1-2 Grad R. zwischen den Beobachtungsstationen der letzten Tage zu Gunsten des Nordens. Dem Schiffe gegenüber war diese Differenz noch viel bedeutender. Der Einfluß des offenen Wassers sprach daraus; doch weil er sich noch weiter hinab nach Süden erstreckte, und die Schneewehen, über die wir soeben marschirt, mit dumpfem Donner vor uns zusammenbrachen, so erwachte die Befürchtung, daß die Zeit plötzlicher Schneeerweichung und Trennung des Landeises bereits begonnen habe und den Rückzug ungemein erschweren dürfte.

Lag schon allein in dieser Betrachtung hinreichender Grund, zur größten Eile anzuspornen, so wurde die Hast, mit welcher wir daran gingen, uns des entbehrlich gewordenen Gepäcks zu entledigen und das getheilte Zelt wieder zusammenzunähen, noch durch die Thatsache erhöht, daß wir, abgesehen von den Depots, nur noch über Proviant auf 10 Tage verfügten. Indem wir den gemeinsamen Schlafsack, das Hundezelt, alle Pelzhandschuhe u. dgl. zurückließen, wurde unser Schlitten so erleichtert, daß eine namhafte Vergrößerung unserer Tagesmärsche sich erwarten ließ.

Am 14. April (bis -12° 4' R.) verließen wir die Hohenlohe-Insel bei trübem Wetter und schlugen die Route nach den nur selten sichtbaren Coburg-Inseln ein. Dieser Weg lief zwischen hummocks hindurch, welche den Hunden willkommenen Vorwand gaben, sich von den Anstrengungen der letzten Tage auszurasten; um recht thätig zu sein, bedürfen sie eines gleichmäßig raschen Fortganges. Südlich der Coburg-Inseln sollte der große Schlitten unsere frühere Route innehalten, während ich einige abseits des Weges gelegene Oertlichkeiten mit dem Hundeschlitten zu bereisen gedachte.

Zu den bestehenden Hemmnissen unseres Rückmarsches kamen noch andere Uebelstände; Klotzens Fuß hatte sich verschlimmert, und sämmtliche Zurückgebliebenen waren mehr oder minder schneeblind geworden, obgleich unsere Mannschaft mit Ausnahme von Scleritiden, die im letzten Sommer vielfach aufgetreten waren, niemals zu Augenkrankheiten inclinirte. Es war sehr zu verwundern, daß nicht auch unsere Hunde erblindeten, da sie dem grellen Lichte des Schnees am nächsten und durch Nichts geschützt waren. Die Schneeblindheit tritt sowohl in den Polarländern, als auch bei uns in den Alpen auf; ihre Heftigkeit richtet sich nach der Beschaffenheit des Schnees, dessen Härte und Glätte die Lichtreflexion und Entzündung verursacht, weil die fortwährende Einwirkung der blendend weißen Farbe eine Affection der Netzhaut hervorbringt.

Zur Linderung dieses Uebels bedient man sich verschiedener Mittel, selbst das Einstreuen von Schnupftaback in die Augen ist schon versucht worden. In Europa heilt man die Schneeblindheit bekanntlich binnen 1-2 Tagen durch nasse Umschläge. Anders verhält es sich bei tiefer Temperatur im hohen Norden. Umschläge sind kaum im Zelte möglich, und eine einfache Binde, während des Marsches getragen, befreit nicht von den wahrhaft glühenden, ununterbrochenen Schmerzen. Auf Schlittenreisen ist die Anwendbarkeit der Gegenmittel daher sehr beschränkt; namentlich litt die Mannschaft von J. C. Roß auf ihren Landreisen im Norden Amerikas außerordentlich. Dr. Richardson und Nordenskjöld benützten gegen die Schneeblindheit mit Erfolg täglich zweimal Einträuflungen einer schwachen Opiumweinlösung in die Augen; binnen zwanzig bis dreißig Stunden trat Heilung ein, vorausgesetzt, daß der Patient nicht genöthigt war, zu marschiren. Parry bediente sich am Schiffe einer Lösung von Bleizucker und kaltem Wasser, welche durch drei bis vier Tage fortgesetzt werden mußte; doch ist dieses Mittel bedenklich, weil es leicht eine Trübung der Hornhaut nach sich ziehen kann. Ein anderes Mittel, das schon binnen sechs Stunden wirken soll, ist auf einer Nordpol-Expedition leider nicht anwendbar; denn es bedingt Eiweiß, Zucker und Kampfer, vermischt auf einem Zinnteller so lange zu reiben, bis es zu Schaum wird, welcher in Compressen über das Auge zu legen ist. Einige amerikanische Stämme heilen die Schneeblindheit durch warme Dämpfe; die Creeh-Indianer benützen eine Abkochung von den harzigen Knospen der Balsampappel; doch ist dieses Heilverfahren mit heftigen Schmerzen verbunden. Wir selbst aber bedienten uns der nassen Umschläge im Zelte und der Einreibung mit Atropinsalbe vor dem Schlafengehen, ohne jedoch raschen Erfolg zu bemerken. Das einzig vorbeugende Mittel gegen die Schneeblindheit besteht in dem beständigen Gebrauche rauchgrauer, kobaltblauer oder grüner Brillen. Ihre Metalleinfassungen bedürfen der Kälte wegen des Umwindens mit Wolle; sie sollen des seitlichen Drahtnetzes entbehren, weil dieses das Beschlagen der Brillen schon bei geringer Kälte herbeiführt, während sich offene Brillen erst bei -30° R. unter Null störend zu trüben beginnen und unausgesetzt mit der Hand aufgethaut werden müssen Die Eskimos beugen der Schneeblindheit durch das Tragen von Scheiben aus Leder oder Holz vor, durch welche man mittelst einer Ritze sieht; die Kamtschadalen bedienen sich eines Netzes von Birkenrinde oder Pferdehaaren; die Tungusen, Buräten und Jakuten tragen rings mit Tuch gefütterte Siebe von Silber oder Kupfer..

Doch zur Rückreise. Es war Abend geworden, als wir die Coburg-Inseln (81° 35' N. B. geschätzt) erreichten, deren doleritisches Gestein von ungemein grobkörnig krystallinischem Gefüge war. Mehrmals hatten wir Spuren von Eisbären und Füchsen überquert, doch ohne eines dieser Thiere zu sehen. Erst am 15. April bis -14° R., Schneetreiben aus Nordnordwest) verließen wir nach einem angestrengten Marsche die bisherige Region der Eishöcker und zogen mit dem Segel vor dem Winde hinab nach Süd. Ein Bär kam uns entgegen, und als er die gewöhnliche Distanz von dreißig Schritten erreicht, brach er unter unsern Schüssen todt zusammen. Nach wenigen Minuten hatten wir den Schlitten mit frischem Fleisch beladen und setzten die Reise fort.

Nachtlager bei den Coburg-Inseln.

Inzwischen hatten übermäßige Anstrengung, Schlafmangel und das Uebergewicht von Fleischnahrung unsere Kräfte sehr vermindert, während der Appetit aller Berechnungen spottete. Das Mißverhältniß zwischen Fleisch- und Mehlnahrung erzeugt Hungergefühl, und dieses steigert die Empfindlichkeit wie die Reizbarkeit der Nerven bekanntlich in demselben Maße, als es die Muskelkraft herabsetzt. Franklin sagt von seiner ersten Reise: »Die von uns soeben eingenommene Nahrung aus dem Thierreiche schien uns sogar geschwächt zu haben.« Die Eskimos dagegen pflegen bis zwanzig Pfund Fleisch, also einen Seehund geringer Größe, an einem Tage zu verzehren, und da sie sich hiebei Wohlbefinden, so zeigt dies abermals, wie unnachahmlich civilisirten Menschen die Lebensweise der Wilden ist. Die Taninpulver nahmen rasch ab; Haller, Sußich und Lukinovich, welche das Bärenfleisch nicht vertrugen, wurden während des Marsches öfters vom Schwindel befallen und deßhalb auf »halbe Diät« gesetzt. Diese Uebelstände steigerten sich im Laufe der folgenden Woche noch dadurch, daß wir niemals Zeit fanden, uns ordentlich auszuschlafen. Daher kam es, daß namentlich die nachmittägigen Marschstunden ungemein beschwerlich fielen und die Schlittenlast, wenn auch sehr verringert, anscheinend unverändert blieb, ja wir überhaupt nicht mehr im Stande gewesen wären, ihr ursprüngliches Gewicht fortzuschaffen. Es wäre daher ein Irrthum, wollte man voraussetzen, daß zunehmende Uebung die Marschfähigkeit ohne vollkommene Schonung der Kräfte erhöht. Ihre Verminderung wird namentlich beim Rückwege fast plötzlich empfunden, weil die Wiederholung der Eindrücke die geistige Anregung herabsetzt und nichts übrig läßt als ein Zugthierleben.

Wir waren längs der Andrée-Insel nach Süd hinabmarschirt, hatten das flache Eisgewölbe der Rainer-Insel überquert, und sahen nach West die mit vielen Eisbergen erfüllte Back-Einfahrt. Von dieser Höhe aus erblickten wir noch einmal den fernen Silberstreif der Schneegebirge von Kronprinz Rudolph-Land, das gleich darauf im Ocean des Nebels verschwand, der seine weißen Wogen über die Ebene wälzte. Als wir wieder auf die Eisfläche des Meeres herabstiegen, brachen wir, peinlich überrascht, überall tief in schneeüberdeckte Meerwassertümpel ein, welche uns gänzlich durchnäßten; erst nach längerem Irregehen fanden wir Abends (81° 20' geschätzte Breite) eine trockene Lagerstelle. Am 16. April (bis -20,3° R.) wurde die mittägige Breite mit 81° 12' beobachtet, und als wir Abends vier Meilen im Norden vom Cap Hellwald anlangten, waren Jene, welche gefastet, völlig marschunfähig.

Am 17. April zog Orel mit dem großen Schlitten gerade nach Süd, während ich mit dem Hundeschlitten vorausging, um Cap Hellwald zu besteigen. Die Temperatur war Morgens bis auf -22° R. gefallen, alle Eisberge flatterten refractionsverzerrt. Bald erschienen sie wie geöffnete Thorflügel; unbedeutende Eishöcker des fernen Horizontes nahmen als blaue Scheiben eine riesenhafte Größe an, gleich darauf verbanden sich mehrere dieser Trugbilder zu langen Linien, welche schon beim nächsten Schritte auseinanderrissen. Am Strande der Insel hatte ich die Hunde ausgespannt, den Schlitten zurückgelassen und die schroffen, festgefrornen Hänge eines feingeschichteten Thonschiefers schwerbelastet hinansteigend, erreichte ich mit großer Anstrengung das 2200 Fuß hohe Vorgebirge. Aufgewirbelter Schnee empfing mich, trieb als glühender Dunstsaum von dem bleichgrauen Schatten der Schneehänge empor, hinaus in das sonnige Luftmeer und zog pfeifend um die kalten schwarzen Zinnen des Felsgrates. Der Gipfel bestand aus zerrissenen Basaltklippen, auf deren Säulenköpfen Taucher und Teiste in großer Zahl nisteten, welche mich, nach Aufstellung meines Theodoliten, ohne Scheu umflatterten und sich dicht zu mir in den Schnee gesellten. Mit Leichtigkeit wäre ich im Stande gewesen, ein halbes Dutzend von ihnen mit einem Schrotschuß zu erlegen; es störte sie nicht im Geringsten, daß ich etliche von ihnen erschlug und mit Kugeln erlegte, nachdem die nachgekommenen Hunde sie auf unzugängliche Klippen vertrieben hatten. Mein hoher Standpunkt ermöglichte einen befriedigenden Ueberblick über das Bergland im Nordwesten und ließ mich das betretene Land als Insel erkennen, welche der Sternek-Sund von den westlichen Territorien schied; nur nach Ost war er ungenügend. Mehrere der erlegten Vögel hatte ich mit Schwierigkeit von steilen Eishalden herbeigeholt, abgezogen und geöffnet, bevor sie gefroren; aber nach Beendigung meiner Arbeit sah ich, daß Jubinal sie inzwischen sammt meinen Handschuhen gefressen. Nur zwei Stück waren noch übrig, welche ich für das gemeinsame Mittagmahl mitnahm.

Orel war in großer Tiefe unter mir vorbeigezogen, und so groß ist der Vortheil des Reisens mit Hunden, daß ich nach dem Verlassen des Berges fast zu gleicher Zeit (Mittags) mit ihm beim Ostercap anlangte; seine Breite wurde diesmal mit 81° 0' bestimmt. Nachmittags zogen die Hunde die Hälfte unseres Gepäcks allein und kamen demungeachtet schneller vorwärts, als wir. Halbe und ganze Fasttage wechselten von da an mit einander ab; denn unser Proviant bestand nur noch in Brod und Bärenfleisch für 2½ Tage, auch die Hunde konnten nicht länger wie bisher begünstigt werden.

Wenige Meilen vor uns erhoben sich, von zerrissenen Gletschern umflossen, die ungeheueren Felsenkegel der Insel Wiener Neustadt; es war nicht zu bezweifeln, daß die Ersteigung eines dieser Berge die wichtigsten Aufschlüsse für die Aufnahme gewähren mußte. Ich entschied mich daher für das imposante Cap Tyrol, und am 18. April (-23,5° R.) standen Haller und ich nach einem beschwerlichen Gletschermarsche fast 3000 Fuß hoch auf seiner schwarzen, wetterzerklüfteten Höhe, deren herrliche Säulenstructur unter allen Neigungen verworfen war. Selbst auf dem Gipfel gewahrten wir noch Spuren und Excremente von Füchsen; nur die Unzugänglichkeit der Plätze, wo die Vögel nisten, mag den letzteren einigen Schutz vor ihnen gewähren. Wir hatten einige Kugeln zu einer Art Schrot zerschnitten, und obgleich wir viele Alken und Taucher an den Wänden erblickten, so enthielten wir uns doch, auf sie zu schießen, weil die große Steilheit des Gebirges es verhindert hätte, die erlegten Thiere zu erbeuten. Der leuchtende Baldachin des Himmels war über uns, unterhalb ein Nebelmeer, worin Orel unsichtbar der Küste entlang nach Süden zog. Die fernen Gletscherwüsten des Wilczek-Landes ragten daraus hervor; nur ein Wolkenschatten schied den Höhenzug der Halbinsel La Roncière le Noury von den bleichen Einöden der Lindeman-Bai. Jenseits des malerischen Collinson-Fjords war alles ein Gewirre von Einbuchten, nackten schneeglänzenden Felsen und weiten Hochflächen. Schmerzlich bedauerten wir, daß die Dringlichkeit unserer Rückkehr zum Schiffe das Eindringen in dieses Labyrinth von Bergen und Sunden verhinderte.

Der Collinson-Fjord und die Insel Wiener Neustadt vom Cap Tirol aus.

Als wir herabsteigend die gewöhnliche Reihenfolge dreier Basaltetagen überwunden hatten, kamen wir an einen mit dichten Gespinsten von Usnea melaxantha bedeckten Trümmerhang, ein neues Zeugniß von der großen Fähigkeit der Flechten im Ertragen der Temperaturextreme, der großen Kälte im Winter und der glühenden Erwärmung der Steine im Sommer, Nebel stiegen empor, aus der Tiefe herauf schimmerte zum ersten Male ein mattgrünes Gelände ohne Schnee. Der Sonne warmer Glanz lag darauf; dieser Anblick schien den Alpen anzugehören, nicht dem einundachtzigsten Breitegrade. Um so greller war der Gegensatz, als die wallenden Dünste, sich völlig öffnend, die eiserfüllten Sunde und Eisberge entschleierten. Als wir jene mattgrünen Berghalden erreichten, sahen wir uns zwischen Gräsern, deren untere Halmtheile bereits zu grünen begannen; auch die wenigen schon genannten Blüthenpflanzen ( Saxifraga oppositifolia, Silene acoulis, Papaver nudicaule etc.) standen in dichteren Gruppen als sonst versammelt. Jetzt erst waren wir einigermaßen im Stande, uns ein Bild des Sommers in diesem Lande zu vergegenwärtigen. Schneequellen ohne Zahl mögen dann diese spärlichen Grasfluren antreiben, sich sommerlich zu schmücken, Wildbäche in geschäftiger Hast die öden Schnee- und Trümmerschluchten hinabstürzen. Zur Zeit aber war noch Alles starr; nur ein grünlicher Anflug deutete darauf hin, daß wir uns in einem der geträumten Paradiese des Franz Joseph-Landes befanden. Mit anderen arktischen Ländern verglichen, war jedoch auch dieses eine Wüste. Näher dem Strande lag viel Lignit festgefroren in dem Boden, gleich dem wohl ein Jahrhundert alten Treibholz, das etwas oberhalb der Meereisfläche in einer Zone gelben Sandsteines lag.

Geraume Zeit suchten wir unsere Gefährten vergeblich; einiges Schneetreiben hätte hingereicht, uns für immer von ihnen zu trennen. Wir fanden sie jedoch im Zelte wieder (in etwa 80° 50' N. B. nahe dem Forbes-Gletscher), und weil die Mannschaft schon seit zwei Wochen keinen Tabak mehr besaß, so begrüßte sie die Flechtensammlung Haller's als willkommenen Ersatz.

Die Kälte hatte in den letzten Tagen abermals zugenommen, daher wir von jetzt an bei Tage schliefen in der Nacht marschirten. Denkwürdig war für uns die Wanderung in der Nacht vom 18. Bis 19. April (-20° R.). Wir zogen einem heftigen, unseren empfindlichen erfrorenen Nasen höchst unangenehmen Südwestwind entgegen und bemühten uns stundenlang, unsere Fußsohlen durch heftige Bewegung der Füße vor Erfrieren zu schützen. Als dies einigermaßen gelungen, nahm die Tiefe und Erweichtheit des Schnees so zu, daß wir Schritt für Schritt tief einbrachen. Es kam noch schlimmer; Wasser erfüllte die tieferen Schneelagen, drang in die Stiefel ein, und weil diese Erscheinung in Anbetracht der tiefen Temperatur nicht durch das Schmelzen des Schnees erklärt werden konnte, so thaten wir jeden Schritt mit mißtrauischem Zögern, in beständiger Furcht vor unsichtbaren Abgründen.

Einbrechen in Meeresspalte.

Anfangs glaubten wir, das Wasser sei den Bächen zuzuschreiben, welche möglicherweise unterhalb der Gletscher herabflossen, oder dem Umkippen der Eisberge, oder dem Vorrücken der Gletscher, welche die Ebene des Eises an einzelnen Stellen aufgebrochen hätten, weßhalb wir uns von den Gletscherwänden entfernten. Daß aber die Eisdecke des Meeres selbst und zwar auf eine große Ausdehnung hin zersprungen sei, daß uns unsichtbare Spalten umringten und das Wasser unter dem Schnee nichts anderes war, als das empordringende Meerwasser, daran wollten wir nicht eher glauben, bis uns das plötzliche Versinken der Vorangehenden keinen Zweifel mehr darüber ließ. Haller wäre auf diese Art ohne rasche Hilfe einmal vor unseren Augen verschwunden; mit einer langen Stange fanden wir da und dort, wohin wir reisen wollten, keinen Grund mehr. Klotz ging jetzt mit einem Bergstocke voran; mit großer Geschicklichkeit führte er uns, beständig sondirend und häufig einbrechend, zwei Stunden lang sicher durch die Klüfte; wir waren sehr glücklich, als wir die noch ungebrochene Bahn erreichten. Etliche zogen sich bei dieser Gelegenheit Frostschäden an den Füßen zu; wir konnten jedoch nicht mehr für sie thun, als sie mit Schnee reiben und ihre Fußbekleidung nothdürftig verbessern. Die Sonne war jetzt zum ersten Male auch um Mitternacht zu sehen, die Berge des Markham-Sundes empfingen ihr röthliches Licht.

Vor uns nach Süd lag schwarzer Wasserhimmel, die Länder zur Seite waren in Nebel gehüllt; alle Sophistik boten wir auf, diese Erscheinung anders, als durch ein offenes Meer zu erklären. Doch bald hörten wir das unzweideutige Geräusch von Eispressungen und naher Brandung, und als wir uns in 80° 36' zur Ruhe begaben, geschah dies nur, um der unzweifelhaft unser harrenden Gefahr mit neuen Kräften zu begegnen. Obwohl sehr beunruhigt, schliefen wir dennoch einige Stunden, bis das Näherrücken des Geräusches uns weckte. Entlang der wiedergefundenen alten Schlittenspur zogen wir weiter. Orel und ich gingen voraus, und schon nach wenigen hundert Schritten hatten wir den niederbeugenden Anblick offenen Meeres vor uns; kein weißer Saum war jenseits zu sehen. Wälle hochemporgepreßten Eises Es war 1-2 Fuß stark, somit geringen Alters. umringten dieses Wasser, das, von heftigem Winde bewegt, sich in hohen Wellenkämmen schwang; dreißig Schritt weit peitschten die Flugwasser seiner Brandung den Eisstrand. Dicht an ihm lag ein Eisberg; nachdem wir ihn erstiegen, blickten wir über die schwarze Wasserwüste hinaus, worin jetzt alle Eisberge schwammen, an denen wir einen Monat früher vorbeigezogen waren, die entlegenen als düstere Gestalten im Lichtbogen des fernen Horizonts, die nahen in blendender Klarheit unter finsterem Wasserhimmel. Auch der Eisberg unseres Depots schwamm wohl unter ihnen; wir aber standen jetzt da, – ohne Fahrzeug, fast ohne Proviant, fünfundfünfzig Meilen vom Schiffe entfernt! Eine heftige Strömung von 3-4 Meilen in der Stunde zog nach Süd Wahrscheinlich eine Ebbe- und Fluthströmung; Eisstücke trieben vor dem Winde umher mit spielender Sorglosigkeit, als müsse uns ihr Umherirren erfreuen, als sei nicht das Mindeste nachtheilig verändert für jenes Häuflein Menschen, das sich in Wirklichkeit vor einem unüberschreitbaren Abgrunde befand.

Ankunft vor dem offenem Meere.

Wohin sollten wir uns nun wenden? Verzehrten wir die Hunde und schmolzen wir den Schnee mit unseren zertrümmerten Schlitten, so konnten wir noch acht Tage leben. Unser Gepäck mußten wir dann tragen. Doch die wichtigste Frage lag in dem Wohin! In welcher Richtung lag das Eis noch ungebrochen? Bot das Land im Westen zusammenhängende Brücken? Communicirte das Meer vor uns mit seinen südlicheren Außentheilen, dort wo das Schiff lag? Nur eine Wahl blieb, der Ausweg über Land, und weil sich das offene Wasser noch über die nackten Riffe der Hayes-Inseln hinaus nach West verfolgen ließ, und schwere Dünste über dem Markham-Sund darauf hinzudeuten schienen, daß auch dieser bereits aufgebrochen sei, so entschied ich mich für den Ausweg über die Gletscher des Wilczek-Landes. Alles hing davon ab, daß das Eis im Süden des Austria-Sundes noch geschlossen lag. Mit tiefer Bekümmerniß vollendete ich eine Zeichnung dieses unheimlichen Bildes, indeß Orel zur Mannschaft zurückkehrte, um diese von unbedacht betretenem Jungeise zurückzuführen auf älteres Eis unter Land. Während der große Schlitten hielt, und die Mannschaft vor sich hinstarrte in den Schnee, stieg ich von meinem erhöhten Standpunkte herab, und ging, von der Brandung durchnäßt, dem Eisstrand entlang in Südostrichtung nach dem Lande. Vielmals kamen überschneite Spalte, nur dadurch erreichten wir das Land ungefährdet, daß Orel die Bewegungen des nachkommenden Schlittens genau nach den verabredeten Zeichen leitete.

Bald darauf aber war alles in Nebel gehüllt; die Temperatur stieg auf -11° R., Schneetreiben kam, wuchs zum Schneesturm an, und um nicht abgeschnitten zu werden, mußten wir uns wieder vereinigen. So furchtbar auch das Wetter, wir durften nicht daran denken, das Zelt aufzuschlagen, sondern mußten marschiren, um einen Ausweg zu finden, bevor der Wind alle Brücken unseres Rückweges durchriß. Entlang ungeheurer Gletschermauern zogen wir, vom dichten Schnee umwirbelt, dahin; oft im Kreise umhertappend, entgingen wir nur mit Noth den Abgründen, kaum vermochten wir Athem zu schöpfen und uns gegen den Wind zu halten. Unsere Kleider waren im Nu dicht mit Schnee bedeckt, das Gesicht mit Eisrinden, Augen und Mund verschlossen, das dunkle Meer rechts unterhalb den Blicken entzogen. Auch sein Brausen hörten wir nicht mehr, Alles übertäubte die Gewalt des Sturmes. Haller ging wenige Schritte voran, sondirend suchte er durch Spalte den Weg, kaum vermochten wir ihm zu folgen, oder seine Gestalt zu erkennen, auch von den ungeheuren Gletscherwänden zur Seite sahen wir nichts, als zeitweise die große Höhe, zu der ihre Klippen emporragten. Je hundert Schritte wurde für Augenblicke gehalten, um uns umwendend die erstarrten Glieder zu erwärmen und das festanklebende Eis aus dem Gesichte, namentlich von Augen und Mund, zu entfernen, wobei wir die Augenbrauen mit ausrissen. Den Hunger aber beschwichtigten wir mit der Hoffnung, es werde gelingen, den gefrornen Cadaver des weiter im Süden vor einem Monat erlegten Eisbären aufzufinden und auszugraben. Nicht eher konnten wir rasten und das Nachlassen des Sturmes abwarten, bis der Gletscher überwunden, eisfreies Land unter uns war. Dies geschah erst nach siebenstündigem Marsche. Dann erst schlugen wir das Zelt auf einer steinigen Berglehne auf, völlig erschöpft, weiß, durchnäßt, von Eis starrend betraten wir sein Inneres, trotz unsers Hungers mußten wir uns schlafen legen, ohne zu essen; denn unter den herrschenden Verhältnissen konnte von dem geringen Vorrath, der uns noch geblieben, auch nicht ein Stückchen Brod ausgegeben werden. Unsere Aussichten waren sehr düster; trennte uns das offene Wasser oder ein breiter Sprung auch beim Cap Frankfurt vom Schiffe, so mußten wir diesseits auf den einförmigen Gestaden des Wilczek-Landes umkommen.

Der Ausweg im Schneesturm.

Nach wie vor raste der Schneesturm; Hunger, Kälte und Nässe ließen uns nicht schlafen, die Hunde lagen, in brausenden Schnee gehüllt, vor dem Zelte. Am 20. April -13,5° R.) nach einem Frühstück für Typhuskranke, anstatt für hungrige Wölfe, verließen wir das Zelt in unseren dampfenden Kleidern, und als wir uns an seine windgeschützte Seite stellten, um zu warten, bis es gereinigt war, gefroren diese sofort zu Panzern. Indem wir weiter zogen, blies das Unwetter fast den Rest unserer Standhaftigkeit hinweg. Erst Abends verminderte sich der Sturm zum Schneetreiben und wir hatten das Glück, den Eisberg unseres letzten Depots nahe dem Strande noch unverrückt zu finden. Mit Spannung gruben die Einen in den schneeerfüllten Fugen des Eisberges, die Anderen, von den Hunden geleitet, an einer durch Nichts markirten Schneeflur. Dort wurde das boiled beef (45 Pfund) gefunden, hier der Bär. Er lag zwei Fuß tief im Schnee; eine Stunde brauchten wir, ihn auszugraben und seine gefrorene Masse, fast nichts mehr als Knochen, Fett und Fell, die nun Proviant hieß, auf den Schlitten zu laden. Nachdem jeder von uns drei Pfund boiled beef und Bärenfleisch verzehrt hatte, ging es wieder fort. Das offene Wasser hatte sich zu unserer unbeschreiblichen Freude nach West zurückgezogen; in einem großen, südlich gerichteten Bogen vermochten wir es zu umgehen. Noch hatten sich die mit ihm communicirenden Spalten unserer Bahn nicht unüberschreitbar erweitert; von Eisbergen aus gelang es, unsern Weg so zu wählen, daß wir glücklich Cap Frankfurt (etwa 80° 20') erreichten. Mit hoher Befriedigung betraten wir an seinem Fuße den ununterbrochenen Zusammenhang des Landeises bis zum Schiffe hin; wir feierten dieses rettende Ereigniß durch einen Grog aus Wasser und Spiritus. Unser nächstes Ziel blieb die Aufsuchung des Lebensmitteldepots auf der Schönau-Insel.

Das Ausgraben des Depots und des Eisbären.

Am 21. April (bis -17,5° R.) zog Orel mit dem großen Schlitten voraus; ich blieb mit dem Hundeschlitten zurück, um von einer Anhöhe des Cap Frankfurt aus einige für die Karte unerläßliche Winkelmessungen nachzutragen.

Erst nahe oberhalb Cap Berghaus vereinigten wir uns wieder und überquerten einen breiten Streifen von Eishügeln. Das Wetter war klar, die glühenden Kreise der Nebensonnen schwebten vor dem tiefblauen Hintergrund der Berge. Der Schnee lag wieder sehr tief; nur mit Anstrengung kamen wir vorwärts, weßhalb wir uns des Bären entledigten, nachdem wir alles noch einigermaßen Genießbare davon abgehackt. Doch half auch dies nicht viel, wiederholt waren wir gezwungen zu rasten. Lukinovich und selbst den ausdauernden Zaninovich ergriffen vorübergehende Anfälle der Ohnmacht, die Folge übergroßer Anstrengung. Wir waren sämmtlich heruntergekommen und abgemagert. Eine dieser Rasten benützte ich zu einer Predigt, um die gesunkenen Kräfte durch das bewunderungswürdige Beispiel von Mac Clintock's Schlittenreisen zu beleben. Die Dalmatiner enthielten den Engländern ihre Bewunderung nicht vor; aber die Tyroler erwiesen sich diesmal schwach im Glauben. Haller insbesondere meinte: »Und dös glaube Sie, schaug, schaug, mit Zieh'n wern s'schon 's gleiche Temperament g'habt hobn, moan i, als mir«, und Klotz, – der abgerissene Klotz, der von der Würde des Propheten nichts mehr hatte, als den langen schwarzen Bart, fügte hinzu: »Nit acht Tog kunnt m'r so fortmochen, mieh zappeln wie de Anter Enten. am Eis rum, bis m'r alle umfallen!«

Schlittenziehen.

Am 22. April (bis 17° R.), bald nach Mitternacht, erreichten wir die 400' hohe Schönau-Insel, um die das Eis rings aufgebrochen war, so daß wir abermals in Spalte einbrachen. Als wir das Zelt aufschlugen, war die Sonne bis zu den violetten Säumen der Eishügel hinabgesunken. Eine lange Dunstbank lag darüber, von einer hohen Sonnenfackel durchglüht; nur der ungeheure Kegel Cap Berghaus trat unverhüllt hervor. Auf dem Gipfel der betretenen Insel beendete ich die Aufnahmsarbeiten dieser Reise, ihre günstige Lage kam diesem Zwecke sehr zu statten. Nahe östlich der Hochstetter-Inseln war das Eis aufgebrochen. Orel hatte inzwischen das Nachtlager aufgeschlagen, Klotz das Proviantdepot ausgegraben und zu unserer Freude von Bären unberührt gefunden. Die Zeit des Darbens war vorüber; nach siebenstündigem prächtigen Schlafe setzten wir die Reise wieder fort.

Fünfundzwanzig Meilen trennten uns noch vom Schiffe. Diese Strecke beschloß ich mit dem Hundeschlitten vorauszugehen, um zuerst zu erfahren, ob es noch auf der verlassenen Stelle sei. Orel sollte mit dem großen Schlitten nachfolgen. Der Tag war wieder von ungewöhnlicher Klarheit; alles Land, vor einem Monate noch der Herd der Stürme und Schneebedeckung, schimmerte mit seinen braunen Felswänden jetzt im Sonnenlichte. Meine Route lief nahe der Koldewey- und Salm-Insel nach Süden. Anfangs diente jeder auffallende Gletscherabbruch dieser Inseln den Hunden als willkommener Vorwand, vom wahren Curse abzuweichen; eine Bärenspur brachte sie ganz außer sich. Es half nichts, daß ich immer wieder voranging, ihnen den Weg zu zeigen; kaum der Bevormundung entzogen, betrachteten sie bald Cap Tegetthoff, bald Cap Berghaus als Reiseziel, noch lieber, als Alles, die Sonne. Immer wieder drängte Toroßy seinen Collegen Jubinal vom wahren Wege ab, und wenn ich ihn zur Ordnung verhielt, nahm er die Miene erstaunter Unschuld an. Dieser Unfug nahm erst ab, als wir die größentheils verwehte alte Schlittenspur wiederfanden. Plötzlich schienen die Hunde den Eintritt in bekanntere Gegenden zu errathen; mit erhobenen Köpfen und Schweifen liefen sie dahin, 180 Schritte in der Minute, selbst wenn ich auf dem Schlitten saß. Das südwestliche Eck der Salm-Insel war von einer Schar anscheinend gestrandeter Eisberge umlagert. Die windgeschützte Seite eines dieser Kolosse wählte ich zu einer kurzen Rast und zündete die Kochmaschine an, um etwas boiled beef aufzuthauen und mit meinen aufmerksam zusehenden Gefährten zu theilen. Angelegentlich beobachtete ich einen langsam vorrückenden Punkt am nördlichen Horizont, – Orel's Colonne, – als der Eisberg, dem ich mein Vertrauen geschenkt, plötzlich einstürzte; in mehrere Theile gespalten, wälzten sich seine krystallenen Kolosse in dem Eise, das sie in starren Wogen aufbrachen, Alles um mich bestand im Nu aus Spalten, Wasserfluthen und tanzenden Eisstücken. Die brennende Kochmaschine und die Hunde erfassend, entkam ich nur mit Mühe. Oft vorher schon bemerkte ich, daß Eisberge von Kränzen zertrümmerten Flächeneises umgeben waren, innerhalb deren Klüfte das Meerwasser stand. Das Umkippen der Eisberge war die naheliegende Erklärung dafür; allein sie fand häufiger statt, als ich vorausgesetzt. Es ist sehr zu widerrathen, den Umkreis eines Eisberges zu benützen, um ein Zelt aufzuschlagen oder ein Depot zu errichten.

Mitternachtsonne und Zeltlager zwischen Cap Berghaus und der Koldewey-Insel.

Als wir in die Straße zwischen der Salm- und Wilczek-Insel einbogen, war das weithin sichtbare Orgel-Cap der einzige dunkle Fleck im Umkreise; ohne Anstand gingen die Hunde darauf zu, um Mitternacht langte ich daselbst an. Wenige hundert Schritte noch, so stand ich auf seinem Gipfel und mußte das Schiff im fernen Eismeere erblicken, war es überhaupt noch hier. Wenn nicht, dann wollte ich zu meinen Gefährten zurückkehren, um sie auf die unheilvolle Kunde vorzubereiten. Schweren Herzens stieg ich hinan und zog die Hunde nach. Ein steiniges Plateau dehnte sich vor mir aus; bei jedem Schritte, mit steigender Aufregung nach vorne gethan, sank das Land vor mir, der ferne Horizont des Eismeeres stieg empor, weithin seine unermeßliche weiße Oede. Kein Schiff lag darin, keine menschliche Spur auf Tausende von Meilen; nur hier ein Kairn Ein aus Steinen erbauter Kegel. Mit den flatternden Resten einer Flagge, dort ein schneeüberwehtes Grab. Höhe für Höhe stieg ich hinan; plötzlich tauchten drei feine Masten vor mir auf, ich hatte das Schiff gefunden, drei Meilen fern im Eismeere erschien es nicht größer als eine Mücke. Die Schneewehen und Eisberge seines Umkreises hatten es meinen Blicken bisher verborgen. Mit einem Feldstecher sah ich nach ihm; seine Raaen und Segel führten nicht mehr stumme Klage, daß sie ihre Schwingen nie mehr erheben sollten, sie schienen die lebendige Verkündigung des glücklichen Ausganges unseres Wagnisses. Und damit auch die Hunde Theil nähmen an meiner Freude, richtete ich ihre Köpfe nach dem Schiffe und streckte meinen Arm nach dessen Richtung aus. Jubinal hatte die Ohren gespitzt und sah aufmerksam hinaus; Toroßy jedoch verharrte in seiner Einfalt, immer wieder drängte er seinen Gefährten nach der Küste hin ab, als wir die Höhe hinabstiegen und über das Eis dahinzogen nach dem Schiffe. (23. April, -15°.)

Das Erblicken des Schiffes.

Erst auf 100 Schritte Entfernung erblickte uns die Wache; es war Nacht, die übrige Besatzung lag im Schlafe. Die Wache war sehr erschreckt, mich allein zu sehen; erst als ich sie darüber beruhigt und Pekel's freudiges Gebell gedämpft hatte, der alle Selbstbeherrschung verlor, als er sah, daß Sumbu, sein Feind, nicht mehr unter uns sei, ging ich in die Cajüte hinab, um die Schlafenden zu wecken. Mit großer Freude empfingen sie die Nachricht von der hohen erreichten Breite und den gemachten Entdeckungen, welche ich in einem rohen Kartenumriß entwarf. Nach einigen Stunden waren alle Fragen beantwortet; Jedermann verließ das Schiff, um den ankommenden Schlittenreisenden entgegenzugehen. Sie hatten die Flagge auf den Mast des Schlittens gehißt; festlich wurden sie bewillkommt, und der Appetit Die stets so heiß als möglich genossene Nahrung hatte unsere Zungen und Gaumen lederartig gehärtet, so daß wir den Geschmack der Speisen nicht mehr unterschieden. Unser Nahrungsverlangen galt aber jetzt nicht dem Fleische, sondern dem Weißbrod, den Kartoffeln und der Milch. der Abgemagerten bildete eine Woche lang die bekümmerte Aufmerksamkeit der Uebrigen. Alle gewährten einen interessanten Anblick, den höchsten Ruhm aber erwarb sich Klotz in dem Aufzuge eines Magiers. Niemals hatte er die Schwäche gehabt, der Verwitterung seiner Kleider entgegenzuwirken; seine Kapuze, eine Vereinigung von Lappen, glich dem geflügelten Helm eines Ritters, von seinen Stiefeln war nichts mehr erhalten, als der Vorderfuß, in Blättern zerfallen hing ein Kranz von Stulpen darüber herab. Carlsen, als er ihn so wallonenhaft stolz einherschreiten sah, vergaß für einen Augenblick auf seine Walrosse, prahlte mit ihm, indem er ihn mit dem heiligen Olaf verglich, der so reckenhaft war, daß er nur in Gulbrandsdalen ein Pferd fand, stark genug, ihn zu tragen.

Klotz auf der zweiten Schlittenreise.

Während unserer Abwesenheit hatte auch auf dem Schiffe die regste Thätigkeit geherrscht. Die Schiffslieutenante Weyprecht und Brosch hatten ihre magnetischen Beobachtungen zum Abschlusse gebracht Der k. k. Akademie der Wissenschaften ist ihre Veröffentlichung vorbehalten. Hier aber will ich hervorheben, welcher Art diese Arbeiten waren, und mit welcher Gediegenheit sie durch die genannten Herren und zu andern Zeiten auch durch Herrn Orel gefördert wurden. Ich kann dies nicht vollkommener thun, als indem ich die Worte Viceadmirals Baron Wüllerstorf darüber anführe: »Wenn man weiß, wie sehr lange andauernde Gefahren und solche dem Leben und Wirken feindliche Erscheinungen endlich abspannend auch auf den Geist wirken, so kann man sich bei Durchsicht des Geleisteten bei Prüfung dieser mit seltener Ausdauer und Pünktlichkeit durchgeführten Arbeiten einer gerechten, tief empfundenen Bewunderung und Anerkennung nicht erwehren.« und die bereits erwähnte Basis auf dem Eise gemessen, welche dem trigonometrischen Theile der Landesaufnahme als Grundlage diente. Die Mannschaft hatte die Ausrüstung der Boote für die Rückreise nach Europa begonnen und den Proviant wasserdicht verpackt. Die Zahl der Kranken hatte sich vermindert, die Frostschäden, welche sich einige der Reisenden zugezogen, wichen beharrlichen Umschlägen und Bädern. Dagegen hatte Stiglich das Unglück gehabt, sich durch unvorsichtige Berührung eines Gewehres den rechten Vorderarm durch eine Schußwunde schwer zu verletzen. Geschwüre und Wunden bedürfen in den Polargegenden langer Zeit zur Heilung, besonders während des Winters. Die schwere Verletzung von Stiglich heilte Dank der Sorgfalt unseres Arztes verhältnißmäßig rascher als unbedeutende Geschwüre während der Kälteperiode.

Im Uebrigen hatten sich die Gesundheitsverhältnisse wesentlich gebessert, Dank dem reichlichen Zuschüsse an frischem Fleisch, den die Jagd lieferte. Schon vorher hatten die Zurückgebliebenen mehrere Bären erlegt; jetzt verlief fast kein Tag, ohne daß ein Bär in die Nähe des Schiffes kam. Am 25. April erlegten wir einen in dem Augenblick, als er versuchte, ein im Eise steckendes Faß mit den Vordertatzen umklammernd, ruckweise herauszureißen; am folgenden Tage fiel ein anderer als Opfer seiner Neugierde, indem er dem in Blechkisten verpackten Mehl zudringliche Aufmerksamkeit widmete. Am 27. April kamen wieder zwei Bären; der eine fiel, der andere entkam. Auch die Vögel (namentlich Taucher) wurden wieder häufig, selbst die Klippen der Wilczeck-Insel waren nicht mehr so verödet wie sonst; Es wäre indessen eine irrige Vorstellung, sich den Sommer an den betretenen, Küsten mit einer gewissen Mannigfaltigkeit des Thier- und Pflanzenlebens vorzustellen; der sterile Charakter des Landes widersprach dem nicht minder, als die Rauheit des Klimas. so kam es, daß wir fortan vor Schüsseln gedünsteter Vögel und gebratenen Bärenfleisches im Ueberflusse schwelgten. Sieben Bärenzungen hatten wir von der letzten Reise mitgebracht, fast täglich kamen neue hinzu; unsere Kunst verfeinerte diese Zungen und das Gehirn der Bären zu den köstlichsten Genüssen an Bord.

Während unserer Abwesenheit hatte Schiffslieutenant Weyprecht ein Boot und Proviant für drei Monate ans Land schaffen lassen, welche den Schlittenreisenden für den Fall zu statten kommen sollten, daß sie durch das Hinwegtreiben des Schiffes abgeschnitten würden. Jetzt wurden diese Vorsichtsmaßregeln entbehrlich, die genannten Gegenstände daher wieder an Bord geschafft. Die Lebensmittel waren von Bären visitirt worden, aber Dank ihrer geruchlosen Verpackung in Blechbüchsen uneröffnet geblieben. Nur die Stiefel hatten sie umhergestreut und eine Flagge nahe dem Grabe des Krisch zerrissen. Im Uebrigen haben unsere späteren Erfahrungen die Unmöglichkeit einer Rettung im gedachten Falle erwiesen; denn es bedurfte der Anstrengung von dreiundzwanzig Männern, um ein solches Boot auch nur auf den Schlitten zu heben.


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