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Der Sommer 1873.
Befreiungsversuche, Treiben im Eismeere.

Umwandlung des Eismeeres. – Der Sommer. – Thauwetter und Schmelzungsproceß. – Die Arbeit des Grabens, Sägens und Sprengens, um die Zersplitterung unserer Scholle durch Stürme zu erleichtern. – Veränderungen in der Lage des Schiffes. – Seine teilweise Entlastung. – Wir warten vergeblich auf Sprünge in unserer Nähe. – Wir verlieren die Hoffnung auf Befreiung. – Wanderung zu einem Eisberge. – Stellen offenen Wassers, aber keine fahrbaren Canäle. – Weiteres Getriebenwerden. – Eine Bank. – Lothungen.

 

Mit unbeschreiblicher Monotonie schlich die Zeit dahin, wohl füllten sie schwere Arbeiten aus, aber keine Ereignisse; die einzige Veränderung unserer Lage war der fortschreitende Verfall der Eisgerüste und Wälle, bis das Eismeer als schneeiges Chaos vor uns lag. Reines scharfkantiges Eis war fast nirgends mehr zu erblicken, seine Schneiden waren nicht mehr durchscheinend; die Verdunstung hatte die Oberfläche zu einer Art Firnschnee umgewandelt. Der erste Tag des Juni enthielt noch das Kälteextrem von -8,6° R.; allein schon der letzte Tag dieses Monats erhob sich auch in seinem Minimum bis +0,1° R. und die mittlere Monatstemperatur zu -0,4° R. Jede Woche brachte neue Verheißungen des Sommers. Am 1. Juni erreichte das Schwarzkugelthermometer +29° R., am 14. Juni fiel zum ersten Male Regen, am 16. Juni erreichte die Temperatur schon um neun Uhr Vormittags +4,2° R., am 26. Juni +6,4° R. und am 29. Juni sogar +8,1° R.

An solchen Tagen schien die Luft die liebliche Milde des Südens zu besitzen, und trat Windstille hinzu, so empfanden wir das Gefühl drückender Schwüle. Flüchtige Nebelschleier wandelten über die sonnenglühende Eiswüste, ihr grelles Licht unterbrachen die schwarzen Reihen beschatteter Eiswälle. Vögelschaaren durchzogen die Lüfte, Tag und Nacht erscholl das Geschrei der Raubmöven, denen die Hunde bellend nacheilten; unbefangen lärmten die Familien der zierlichen Rotjes, mit dem kichernden Gesang ihrer hellen Stimmen, in den engen Bassins der noch fernen Canäle. Nur die Großmöve sah man, die gemeine Geselligkeit verabscheuend, stundenlang auf einer Eisklippe oder in der Mitte einer Scholle.

Man ahnt nicht, welche Lichtmenge im Eismeer an klaren Tagen herrscht, welche Glut zuweilen über den kalten weißen Flößen schwebt, deren ferne Säume in der vibrirenden Luft flattern, während die Eisberge durch die Refraction eine beständige Umwandlung ihrer Formen zu erleiden scheinen. Die Lichtfülle ist in der That zuweilen so groß, daß sie die Haut binnen wenigen Stunden förmlich versengt und, wenn die Augen nicht geschützt sind, die heftigste Schneeblindheit erzeugt. Das Meer dagegen erscheint in geringer Entfernung tiefschwarz, wenn es auch in den engen Canälen ein Ultramarinblau behält; selbst der reine blaue Himmel ist, mit dem Glanze des Eises verglichen, fast schwarz zu nennen. Mitte Juni gab es ein unausgesetztes Sickern, Flüstern und Stürzen, Lawinen kleinsten Maßes; überall eilten die Schmelzwasser durch zahllose Rinnsale in die geöffneten Meeresspalten. Ende Juni nahm das Eis auch im Innern einen schneeigen Charakter an; selbst noch in einiger Tiefe erschien es zähe, statt glashart und spröde wie vorher zur Zeit der Kälte. Thauwasser rannen durch den gänzlich erweichten Schnee; auf ebenen Flächen bildeten sich kleine grüne Seen, und schneeige Sümpfe mit trügerischer Oberfläche umsäumten sie an ihren Rändern. Der Schmelzungsproceß des Eises besteht, wie erwähnt, vorzugsweise darin, daß seine Oberfläche durch die Sonnenwirkung verdunstet und thaut. Im Sommer 1873 beobachteten wir eine Verticalabnahme des Eises von vier bis sechs Fuß, und zwar von oben nach unten, während von unten aus, d. h. im Wasser selbst, wenig oder nichts thaute, weil dessen Oberflächentemperatur innerhalb des Eises noch unter dem Nullpunkte liegt. Da nun der folgende Winter das Eis abermals von unten aus ansetzt, so ist der ganze Proceß ein schmelzendes Abstoßen nach oben, ein jährliches Häuten der Eisoberfläche in der Stärke von etwa zwei Meter.

Lästig ward die Nässe, der wir nirgends entrannen. Ungeachtet wasserdichter Lederstiefel, hatten wir während des nun folgenden Sommers dennoch niemals die Annehmlichkeit trockener Füße, was um so schlimmer war, als die seit Ausgang Mai unternommenen Arbeiten zur Befreiung des Schiffes einen fortgesetzten Aufenthalt im Freien erheischten.

Ende Mai begann das Schiff sich langsam zu setzen; das Wasser stieg am Vordertheil zwischen dem Eise und dem Schiffskörper empor. Allmälig aber gewannen wir die Ueberzeugung, daß diese geringen Veränderungen unserer Haft nicht hinreichen würden, uns zu befreien und daß wir versuchen müßten, die uns umgebenden Bande zu lockern, sei es auch nur, um durch Thätigkeit die trüben Aussichten in die Zukunft zu bannen. So folgte nun ein durch die Monate Mai, Juni, Juli und August fortgesetztes Graben, Sägen Aehnliche Arbeiten geschahen durch Phipps, Roß und Parry. Letzterer ließ 1819 einen Canal von 12.246 Fuß Länge durch sieben Zoll dickes Eis sägen, um in den Winterhafen zu gelangen. und Sprengen an unserer Scholle, eine Arbeit, woran eine Zeitlang die gesammte Bemannung des Schiffes mit Ausnahme der Kranken und des Koches theilnahm, und die uns täglich an die Ohnmacht mahnte, womit der Mensch den Kampf gegen die Größe der Natur aufnimmt. Das Durchgraben der Scholle rings des Schiffes erwies sich nur backbord ausführbar; steuerbord war ihre Mächtigkeit durch das Uebereinanderschieben der Platten so groß, daß wir das Eis nach Herstellung eines achtzehn Fuß tiefen Brunnens noch immer nicht durchbrochen hatten; das durch die Poren des Eises empordringende Wasser nöthigte uns endlich, von der ferneren Arbeit in diesem Brunnen abzustehen. Das Sägen war also nur innerhalb des durchbrochenen Eises, d. h. backbord vorne, möglich; doch selbst hier erforderte die große Stärke der Schollen die Construction neuer langer Sägen, zu denen die Eisenbekleidung des Maschinenhauses das Material liefern mußte. Ueberhaupt wächst die Schwierigkeit des Sägens im Eise mit dessen Stärke in ganz unglaublicher Weise. So leicht es ist, eine Scholle von bis vier Fuß Stärke zu durchschneiden, so schwierig wird die Zerstückelung solcher von acht bis zehn Fuß. Unseren Sägen aber blieb selbst nach ihrer Verlängerung noch immer nur ein Spielraum von einem Fuß; und nicht minder hemmend erwies sich das Verdrehen der Säge in ihrer Längenebene bei tiefgehenden Schnitten. Außerdem froren sie fast jedesmal fest, sobald ein Schnitt die Länge einer Klafter überstieg, und wenn man ihre Befreiung durch Pulversprengungen versuchen wollte, so zerbrachen sie nicht selten. Aber auch die anstandslos beendeten Sägenschnitte waren häufig werthlos, weil sie oft unmittelbar nach ihrer Herstellung durch das Bindemittel des in ihren Spalten haftenden Eisschlammes wieder zusammenfroren. Das Sprengen endlich erwies sich ebenso wirkungslos wie im verflossenen Jahre, kurz nur dann anwendbar, wenn es sich um die Zerstörung bereits losgesägter Eisblöcke handelte, deren Losbrechung mit Brechstangen allein nicht gelingen wollte.

Mitte Juni überzeugten wir uns endlich, daß es wegen der Stärke des Eises unmöglich sei, die zweiundzwanzig fast rings um das Schiff gegrabenen Löcher durch Sägeschnitte zu verbinden; von nun an wurden die Arbeiten auf die Herstellung eines Bassins in der Nähe des Vorderstevens beschränkt. Wenn wir gleich die Unmöglichkeit erkannten, das auf einem Berge ruhende Schiff aus seiner Haft zu erlösen, so hofften wir doch, daß eine gewaltsame Zerstörung unserer Scholle durch dieses Bassin erleichtert und der »Tegetthoff« dann von selbst in seine normale Lage zurückkehren würde. Ein solches Herabgleiten oder Einbrechen des erhobenen Schiffes bis zu seiner natürlichen Wasserlinie konnte für die Expedition zwar leicht zu einer ernsten Katastrophe werden; allein so sehr sich auch diese Besorgniß uns aufdrang, sie ward noch überboten durch den traurigen Ueberblick der bisherigen Hilf- und Rettungslosigkeit. Wenn sich auch das Schiff im Laufe des Sommers so weit senkte, daß seine Erhebung oberhalb der Wasserlinie am 23. Juni vorne nur mehr zwei Fuß und achter drei Fuß betrug, so wog diesen Vorgang zu unseren Gunsten doch wieder der Nachtheil auf, welcher in der immer beschleunigter auftretenden Wegschmelzung des Eises an seinen Seiten lag.

Das Emporragen des unbedeckten Schiffes aus dem Eise wurde dadurch so gesteigert, daß wir, um der Gefahr seines Kenterns vorzubeugen, in der zweiten Hälfte des Sommers gezwungen waren, es an allen Masten durch starke Spieren zu stützen; es sah keinem Schiffe mehr gleich, sondern einer Einsturz drohenden Hütte! Mitte Juli hatte Schiffslieutenant Weyprecht durch den Maschinisten Krisch schwere Meißel und Bohrer construiren lassen, die, an langen Stangen befestigt, dazu dienten, die Dicke der Eistafeln zu untersuchen. Das Ergebniß dieser mühsamen Arbeit war, daß wir nahe dem Steuer, nachdem wir mehrere untergeschobene Platten in der Gesammtstärke von siebenundzwanzig Fuß durchbrochen hatten, abermals auf Eis stießen! Jeder Versuch, dieses Bollwerk zu zerstören, mußte aufgegeben werden, und wir begnügten uns damit, das kleine Bassin am Vordertheil des Schiffes durch einen Canal längs seiner Backbordseite zu verlängern. Am 27. Juli wurden zwanzig Tonnen Kohlen auf das Eis geschafft, um das frei ragende Schiff thunlichst zu entlasten, und täglich nach seinen Stützen gesehen, da ihre Verläßlichkeit durch das Schmelzen des Eises immer wieder beeinträchtigt wurde. In den folgenden Wochen sank das Schiff immer mehr nach vorne in das offene Wasser; die natürliche Folge war, daß sein Achtertheil sich erhob.

Auch im Monate Juli war das Wetter vorherrschend trübe; mehrmals fiel 2-3 Zoll Schnee, und eben so oft wie im Juni schwankten die Niederschläge zwischen den Formen von Nebel, Schneefall und Regen. Vorherrschend waren westliche Winde, und die mittlere Monatstemperatur erhob sich bis +1,2° R. (10. Juli -1,8° R. die Minimaltemperatur des Monats); am 8. Juli zeigte das Schwarzkugelthermometer +33,7° R., die Temperatur im Schatten betrug gleichzeitig +1° R.

Diese Vorgänge brachten uns nicht vorwärts. Die Sonne, von der unsere Befreiung zunächst abhing, war nur selten sichtbar; die Stürme, auf die wir gerechnet hatten, blieben gänzlich aus. Unermüdlich lauerten wir seit Wochen auf die Bildung von Sprüngen im Umkreis des Schiffes; sie bildeten sich wohl, doch in solcher Ferne, daß sie alles Werthes für uns entbehrten. Am 16. Juni war ein Sprung in Südost entstanden; doch betrug seine Entfernung zwei Meilen, und bis Mitte Juli hatte er sich uns erst auf die Distanz von 1½ Meilen genähert. Von Deck aus vermochten wir absolut nichts als Eis zu sehen, und der lakonisch-schwermüthige Ausruf des eines Tages von der Marsraa herabsteigenden Tirolers Klotz, kennzeichnete unsere Lage: »Nix als Eisch und nix als Eisch und nit a bisserl a Wosser!«

Unter solchen Eindrücken schwand allmälig unsere Hoffnung. Fernes Eisschieben hatte seine belebende Kraft auf sie verloren, und auch die Näherung eines Sprunges am 29. Juli bis auf ¾ Seemeilen in Folge heftiger Winde aus Süd und West brachte nur eine vorübergehende Täuschung; eine Bewegung des Eises, welche am 6. August fern in Südwest eintrat, hatte kein anderes Resultat, als daß sie unsere Flarde etwas verkleinerte. Auch im weiteren Verlaufe des August trat keine wesentliche Aenderung ein, nur daß die Temperatur bis zum Monatsmittel +0,32° R. herabsank. Das Wärmeextrem: +4,4° R. gehörte dem 4. August an, am letzten Tage dieses Monats hatten wir bereits wieder 4,6° Kälte.

Seit einiger Zeit schon war uns eine dunkle Eismasse aufgefallen, von deren Untersuchung uns bisher nur die große Entfernung abhielt. Unser Leben auf dem geringen Raum einer Scholle hatte vollkommen den Charakter genügsamer Insecten angenommen, die ein Baumblatt bewohnen und keinen Anlaß haben, auch nur die Ränder desselben kennen zu lernen. Ausflüge von ein bis zwei Seemeilen galten als Züge besondern Unternehmungsgeistes. Am 14. August aber drangen Etliche von uns vier Seemeilen weit bis zu der genannten Eisgruppe vor und erkannten in ihr einen Eisberg von großem Umfange; zwei Moränen lagen auf seinem breiten Rücken. Es waren die ersten Steine und Felsblöcke, welche wir seit langer Zeit wieder sahen, Kalkschiefer und Thonglimmerschiefer, und so groß war unsere Freude über diese Sendlinge irgend eines Landes, daß wir mit einem Eifer in dem Schutt umherwühlten, als befänden wir uns unter den Schätzen Indiens. Die Leute fanden auch vermeintliches Gold (Schwefelkies) darin, und sie hatten kein anderes Bedenken, als den Zweifel, ob sie im Stande sein würden, damit nach Dalmatien zurückzukehren. Obgleich die Gletscher Nowaja Semlja's kaum Eisberge solchen Umfanges zu entsenden im Stande sind, wie ihn der betretene besaß, so hielten wir doch dafür, daß er von dort stammen müsse; wir hatten keine Ahnung davon, daß er neuen Ländern angehören konnte, in deren Nähe wir uns bereits befanden. Und auch die andern Eisberge, die wir in den folgenden Tagen in wachsender Zahl entdeckten, redeten zu uns noch nicht die Sprache einer so heiß ersehnten Botschaft. Der Spaziergang zum »Schutt-Eisberg«, ein Ereigniß ohne Gleichen in unserm einförmigen Leben, seitdem fleißig wiederholt, gab zugleich ein deutliches Bild von der Größe unserer Flarde und befähigte uns ihren Durchmesser zwischen 5-7 Meilen zu schätzen.

Am 18. August, dem Geburtsfeste Seiner Majestät unseres Kaisers, wurden die Flaggen des Schiffes gehißt – nur diese Form unserer Loyalität war uns übrig geblieben; unser Mittagstisch war reichlich besetzt, obgleich strenges Fasten näher gelegen wäre, denn drei Tage darauf erschien der traurige Jahrestag unserer Einschließung vom Eise. Um einen Eisberg zu besuchen, der in Nordwestrichtung vor uns lag, wagten wir uns zum ersten Male außer das Bereich unserer Scholle und setzten auf treibenden Eisflößen über einen Sprung. Ein Seehund, der auf dem Eise lag, wurde von unsern Hunden überfallen; nur unter großer Anstrengung gelang es ihm, sein Wasserloch wieder zu erreichen und zu entschlüpfen. Von dem etwa sechzig Fuß hohen Eisberg aus überzeugten wir uns, daß die wenigen Eisöffnungen, welche wir erblickten, nicht fahrbare Canäle seien, sondern nur vereinzelte Löcher, und daß sie eines schiffbaren Zusammenhanges völlig entbehrten.

Unausgesetzt waren wir mit geringen Modificationen seit dem Februar, wo wir unsere östlichste Länge erreicht hatten, nach Nordwesten und sodann nach Norden getrieben worden; wieder schienen, wie vorher, die Winde die Hauptursache dieses Treibens zu sein. Ende Februar hatte Windstille geherrscht und nahezu bewegungsloses Stillliegen in einer Breite über 79° und einer Länge über 71°. Die nächsten Monate verliefen unter folgenden Ortsveränderungen:

Zeit Breite Länge   Zeit Breite Länge
1873   1873
3. März 79·13' 69·32'   20. Juni 79· 8'6 61· 2'8
9." 79·19 68·28   22 ." 79 9·2 60 54·9
14." 79·20 68·28   24." 79 8·4 60 31·8
20." 79·33 68·52   25." 79 11·2 60 14·6
25." 79·23 67·17   26." 79 13·3 59 55·3
27." 79·15 67·29   27." 79 13·7 59 46·0
29." 79·14 67·35   28." 79 15·5 59 35·4
2. April 79·5 66·49   3. Juli 79 15·2 59 14·8
3." 79·5 66·42   4." 79 14·8 59 13·3
7." 79·4   8." 79 15·2 59 5·8
10." 79·12 68·1   10." 79 13·2 59 9·0
12." 79·19 67·43   15." 79 9·8 59 52·6
13." 79·20 67·40   18." 79 7·3 59 50·4
15." 79·14 67   19." 79 7·6 59 35·1
19." 79·18 65·51   20." 79 8·7 59 33·6
20." 79·19 65·37   21." 79 9·2 59 33·1
27." 79 13·5 64 37·0   22." 79 9·0 59 34·1
28." 79 12·2 64 41·8   23." 79 6·6 59 34·2
1. Mai 79 15·8 64 58·8   24." 79 7·1 59 29·5
2." 79 17·1 65 3·9   25." 79 6·6 59 27·3
6." 79 16·0 65 0·5   31." 78 58·5 60 25·5
10." 79 20·4 65 41·9   1. August 78 56·9 60 40·6
11." 79 20·2 65 32·4   4." 79 0·4 61 6·2
13." 79 19·7 65 15·8   13." 79 25·4 61 6·6
14." 79 19·8 64 45·6   14." 79 24·5 61 16·3
16." 79 15·5 63 39·0   16." 79 27·8 61 7·6
17." 79 13·1 63 21·7   19." 79 29·1 61 31·0
22." 79 9·2 62 3·5   21." 79 31·3 61 44·8
29." 79 2·4 62 55·5   30." 79 43·0 60 23·7
30." 79 2·5 62 54·2   31." 79 42·5 60 5·6
31." 79 2·5 62 53·9   2. September 79 40·2 60 32·9
1. Juni 79 2·4 62 43·2   5." 79 41·3 60 12·5
3." 79 0·4 62 29·7   8." 79 34·2 59 47·3
5." 79 1·3 62 24·8   9." 79 33·6 59 45·9
6." 79 1·1 62 20·2   10." 79 32·2 59 53·1
9." 79 5·4 61 31·4   16." 79 45·6 61 30·5
10." 79 5·3 61 23·6   23." 79 49·6 61 58·1
11." 79 4·3 61 21·3   30." 79 58·3 60 41·1
18." 79 6·6 61 5·2   16. October 79 54·6 60 34·7
19. October 79·53'9 60·40'6   29. October 79 44·8 59· 9·8
23. " 79 44·5 60 7·9   30. " 79 49·0 58 59·9
26. " 79 44·3 59 17·1   31. " 79 50·6 58 53·7
27. " 79 44·0 59 14·1   Schiff im Landeise 79 51·1 58 56·0
28. " 79 43·8 59 6·6

Viceadmiral Baron von Wüllerstorff-Urbair hat die meteorologischen Beobachtungen und den Curs des eingeschlossenen »Tegetthoff« einer ebenso klaren als scharfsinnnigen Analyse unterworfen, und indem ich auf die ausführliche Form seiner Erörterung in den Mittheilungen der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften verweise, reihe ich die wesentlichsten Satzgruppen derselben im Nachfolgenden aneinander:

»Unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte das eigener Bewegung unfähige Schiff in der Zeit, in welcher dasselbe von einer Eisscholle festgehalten trieb, nur dem Andrange des Windes und der Meeresströmungen folgen müssen; sein Curs sollte mithin der vereinigten Wirkung dieser Kräfte entsprechend sein. Weil aber das Schiff nicht in freiem Meere, sondern zumeist im dichten Packeise zu treiben gezwungen war, so mußte dasselbe zum überwiegendsten Theile der allgemeinen Bewegung des Eises folgen, welche zwar ebenfalls von der Windrichtung und von den etwaigen Meeresströmungen abhängig war, aber auch unter dem Einflusse näherer Küsten und größerer oder kleinerer Eisanschoppungen stand.«

»Nur insoferne, als der ›Tegetthoff‹ mit seinem Körper und seinen Masten dem Winde einen größeren Angriff gestattete, mußte derselbe, wie alle sonst emporragenden Eismassen einen Ueberschuß an Bewegung in der Richtung des Windes erhalten. Wenn dieser Ueberschuß an Bewegung in der Richtung des Windes mit der Richtung der allgemeinen Eisbewegung einen Winkel einschloß, so mußte die Schiffsscholle nach der Seite des geringsten Widerstandes ausweichen und nach der Resultante zwischen Wind und Widerstand treiben. So mag es sein, daß das Schiff mit entgegengesetzten Winden auch nach entgegengesetzten Seiten von der Windrichtung abwich. Aber die Anomalien, welche überhaupt sich daraus ergeben, sind in Mitte des übrigen Eises gewiß nicht groß gewesen und können nicht gut beurtheilt werden, wenn diese entstandenen Abweichungen von der Windrichtung, von der Dichtigkeit und Mächtigkeit des Eises überhaupt von Ursachen abhängen, die sich ziffermäßig nicht darstellen lassen.«

»Stellt man die Angaben über Eistreiben und Eispressungen aus dem meteorologischen Tagebuch zusammen, so findet sich, daß das Maximum dieser Erscheinungen eben in denjenigen Meerestheilen vorgekommen ist, in welchen das Schiff im Bereiche des vom karischen Meere kommenden Eises war, was für sich schon den Beweis liefert, daß hier größere Unregelmäßigkeiten in den Ablenkungen vom Schiffscurse stattfinden mußten.«

»Was eine andere anormale Ablenkung anbelangt, so hängt sie unzweifelhaft von der Nähe des Franz Josephs-Landes ab, gegen welches die durch anhaltenden südöstlichen Wind getriebenen Eismassen gedrängt und zu einer Rückkehr gezwungen wurden, einer Kreisbewegung folgend. Die nächstliegende Annahme wäre die einer Meeresströmung; aber es können auch Ländercomplexe mit ihren Küsten, oder mehr oder minder fest stehendes Eis, endlich auch die Vertheilung der vorherrschenden Winde in diesen Gebieten Einfluß auf die Richtung des Eisganges, mithin auch des Schiffscurses ausgeübt haben.«

»Betrachtet man hingegen die Vertheilung der Winde, wie sie durch die fast zweijährigen Beobachtungen Weyprecht's gegeben ist, so findet man, daß in dem südlichen Theile des befahrenen Meeres die Südwestwinde, im nördlichen Theile hingegen die nordöstlichen vorwiegend waren.«

»Würde nun das Meer östlich vom Franz Josephs-Lande von keinen größeren Inselcomplexen und Ländermassen durchzogen sein, sondern ein größeres landfreies Gebiet darstellen, so müßten die Winde verhältnißmäßig frei vom Einfluß des Landes bleiben und in der That im Norden des hier betrachteten Meerestheiles in nordöstlicher Richtung beharren, fast möchte ich sagen, einen polaren Nordost-Passat vorstellen. Wenn dem so wäre, daß gleichzeitig im Norden des 78. oder 79. Grades nördlicher Breite vorwiegend nordöstliche, im Süden hingegen vorwiegend südwestliche Winde herrschten, so müßte allerdings zum größeren Theile von einer Meeresströmung abgesehen und eine Drehung des Eises angenommen werden, welche letztere innerhalb der Zone wechselnder Winde vor sich gehen würde, und zwar in verkehrter Richtung des Zeigers einer Uhr, wie dies bei den Winddrehungen ebenfalls stattfindet, welche letzteren selbst aus den Beobachtungen Weyprecht's constatirt werden können.«

»Die allgemeine Ablenkungscurve würde dieser Annahme genügend entsprechen.«

»Diesen Voraussetzungen läßt sich indeß nicht weiter nachgehen, bis es in Ermangelung eines erneuerten Versuches, in diesen Gebieten vorzudringen, möglich sein wird, gleichzeitige Windbeobachtungen im Süden des 79. Grades Breite für die Zeit zu erhalten, in welcher auf dem »Tegetthoff« im Norden desselben beobachtet wurde.«

»Für die Annahme einer Meeresströmung würden hingegen folgende Argumente sprechen: der anfängliche Ablenkungscurs stimmt mit der Richtung ziemlich nahe überein, welche die über den Norden Norwegens hiehergerichtete Abzweigung des Golfstromes haben müßte. Der weitere Verlauf der Ablenkungscurve würde hingegen mit jener Strömung übereinstimmen, welche aus dem karischen Meere zwischen Nowaja-Semlja und Cap Taimyr heraustritt, und die, wenn auch einer näheren Bestimmung bedürftig, doch unzweifelhaft vorhanden ist.«

»Wie wenig Werth man auch den Bestimmungen der Ablenkung vom Windcurse beilegen wollte, immer wird es unmöglich sein, solche Erscheinungen, wie sie sich ergeben haben, aus den Einfluß der Küstenbildung zurückführen zu wollen, und es bleibt nur übrig anzunehmen, daß entweder die gleichzeitig vorwaltenden verschiedenen Windrichtungen in diesem Meere eine beständige Drehung des Eises bewirkten, oder aber Strömungen anzunehmen, die zum großen Theil in diesen oder den anliegenden Meerestheilen erkannt und constatirt sind, folglich von dem verhältnißmäßig kleinen Meerestheile zwischen Nowaja Semlja und Franz Josephs-Land nicht geradezu ausgeschlossen werden dürfen.«

Vice-Admiral Baron Wüllerstorff zieht aus diesem und Anderem die Schlüsse, daß:

Lothen im Eismeere.

1. »in dem Meerestheile zwischen Nowaja Semlja und Franz Josephs-Land das Vorhandensein einer Meeresströmung einige Wahrscheinlichkeit für sich hat; daß mindestens dieselbe in keinem Falle geradezu geleugnet werden kann, wenn auch die herrschenden Winde ähnliche Erscheinungen hervorbringen sollten«;

2. »daß die Wahrscheinlichkeit einer größeren Meeresausdehnung im Norden und Nordosten des östlichen Theiles Nowaja Semlja's vorhanden ist.«

Durch Schiffsfähnrich Orel wurde im Laufe der Sommermonate die nachfolgende Reihe von Lothungen der Meerestiefe ausgeführt, deren Fortsetzung im Winter der Frost verhinderte. Sie erweisen die geringe Tiefe der See im Norden Nowaja Semlja's, besonders in der Richtung nach dem Franz Josephs-Lande. Eine Bank, über welche wir im Sommer 1873 hinweggetrieben, und welche wir mittelst des Schleppnetzes untersucht hatten, war die vorzugsweise Quelle jener Sammlung der marinen Fauna, von welcher in einem spätern Abschnitt die Rede ist. Die Lothungen gaben Orel auch Gelegenheit, die bekanntlich geringe Zunahme der Meerestemperatur nach unten neuerdings zu constatiren. Er bediente sich dabei der Minimal- und Maximalthermometer von Casella.

Der Meeresboden erwies sich nach den gesammelten Grundproben als abwechselnd aus Schlamm und Schotter bestehend. Es folgen die Lothungen:

Zeit Meter   Zeit Meter   Zeit Meter
1872   1873 1873  
20. Juli 400   2. Juni 210   8. Juli 266
28. " 115   3. " 183   9. " 250
31. " 250   4. " 207   10. " 250
3. August 130   5. " 200   11. " 236
4. " 80   6. " 198   12. " 265
22. " 36   7. " 190   13. " 247
30. " 170   8. " 215   14. " 215
16. September 100   9. " 231   15. " 195
25. " 90   10. " 203   16. " 184
29. " 85   11. " 240   17. " 200
30. " 190   12. " 218   18. " 240
2. October 170   13. " 211   19. " 232
9. " 450   14. " 235   20. " 231
14. November 345   15. " 161   21. " 231
  16. " 184   22. " 226
1873   17. " 222   23. " 198
28. Jänner 510   18. " 200   24. " 205
27. März 450   19. " 186   25. " 216
28. April 350   20. " 220   26. " 218
17. Mai 230   21. " 195   27. " 218
18. " 187   22. " 200   28. " 236
19. " 172   23. " 169   29. " 260
20. " 163   24. " 178   30. " 236
21. " 138   25. " 195   31. " 234
22. " 186   26. " 220   1. August 225
23. " 162   27. " 227   2. " 219
24. " 177   28. " 233   3. " 173
25. " 182   29. " 240   4. " 188
26. " 186   30. " 240   5. " 210
27. " 249   1. Juli 240   6. " 107
28. " 251   3. " 245   7. " 216
29. " 254   4. " 250   8. " 184
30. " 253   5. " 235   9. " 244
31. " 256   6. " 235   10. " 225
1. Juni 238   7. " 274   11. " 209
               
1873   1873   1873
12. August 214   28. August 180   13. September 132
13. " 189   29. " 132   14. " 137
14. " 177   30. " 211   15. " 111
15. " 170   31. " 197   16. " 134
16. " 170   1. September 260   17. " 178
17. " 174   2. " 142   18. " 175
18. " 148   3. " 212   19. " 275
19. " 152   4. " 215   20. " 300
20. " 138   5. " 178   21. " 220
21. " 130   6. " 188   22. " 188
22. " 131   7. " 204   24. " 237
23. " 128   8. " 250   25. " 325
24. " 145   9. " 240   28. October 165
25. " 140   10. " 218   31. " 210
26. " 185   11. " 168  
27. " 219   12. " 127  

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