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Man läutete, Blux fuhr auf – endlich!
Es war Ursel, die vor dem schmiedeeisernen Gitter stand, im kalten Regen ohne Schirm.
»Gelt, Blux, in die Nacht hinausjagen, das kannst mich nicht.«
Sie gingen über den maurischen Hof – »Da hast du nichts dafür gekonnt, Blux, es war schon ihr Schicksal« – die Treppen hinauf, saßen im riesigen, kalten Atelier, und gegen die gläserne Nordwand schlug trommelnd der Regen.
»Kalt is bei dir!«
Dann kniete Ursel im nassen Mantel vor dem Kamin, bis helle Flammen aufschlugen und alles belebten.
Sie holte sich seinen Pelz, fing langsam an, sich auszuziehn. Stück um Stück hing sie nahe dem Feuer auf.
»Mir is immer noch kalt, Blux!«
Sie kauerte sich, nur noch Strümpfe und ein Läppchen Wäsche am Leib, ganz nah vor die Flammen, starrte hinein, während Blux tief in seinem Stuhl lag. Reizvoll war sie und so gut beleuchtet. Ursels Seufzer klangen schmerzlicher, bis ein Weinen daraus wurde, aber kein lautes, zorniges Weinen, wie er es oft gehört hatte. Sie heulte genau wie ein erfahrener Hund, der seinen Herrn beim Kofferpacken sieht. 186
»Sagen muß ich dir's doch!« kam traurig und klein dazwischen. »Geh, Blux, deinen Pelz!«
Dann verschwand die zierliche Frau, eben noch so nah und nackt, ganz in dem großen Pelzmantel. Ursel kauerte sich, die Beine untergezogen, in einen Stuhl, schlug den Kragen hoch. Bis zum Teppich reichte der dunkle Stoff. Jetzt waren es nur noch ihre Augen und ihr schwarzes, straffgescheiteltes Haar, womit er zu tun hatte, dazu eine tiefe, traurige Stimme.
»Wissen mußt du's.«
War da nicht eine weiße Strähne, ein fremder Glanz an dieser schmalen schwarzen Schläfe?
Blux trat näher – im Indianerhaar seiner einstigen Squaw glänzte Silber.
»Nicht so nah, Blux, sonst geht's nicht! Geh, schau schon weg, ganz weg mußt du sein wie der Pater im Beichtstuhl.«
Dann brach's los wie damals:
Gelogen! Das Leben aufgebaut, nein, z'sammg'haut mit einer Lüge!
»Daß du's nicht selber gespannt hast, Blux! Blind und dumm, aber das bist du ja immer gewesen! Ich und der Tassilo – geh! Der fade Bimpf, der . . . Die Friseln krieg ich, wenn ich an ihn denk!«
»Das war nicht wahr?«
»Wahr auch noch! Aber, daß du's hast glauben können, dafür schäm ich mich. Ausgedacht hab ich 187 mir's, per Hetz, damit ich seh, ob du mich lieb hast. Und wenn ich's getan hätt, hätt ich's auch nur getan, daß ich seh, ob du eifern tust.«
»Das sagst du jetzt?«
Mit lautem Schluchzen kam:
»Jetzt kann ich's ja sagen, weil du's jetzt glaubst, weil's alles eins ist. Nur wenn du an mich denkst später, dann denk halt richtig, wie ich war, nicht so saudumm, sausaudumm wie damals in Spalato bei der Kirchen, an der Ecke, wo die verreckte Katz gelegen is . . .«
All das Verlassensein und Verstoßensein von damals kam wieder – es war ja alles nur schlimmer geworden seither.
»Gebeichtet hab ich dreimal und geopfert. Dritter Klasse von Spalato bis Bremen in einer Tour, das soll mir einer nachmachen! Nur daß mir Gott die Sünd verzeiht. Ja, Schnecken, Herr Pfarrer, er denkt nicht dran!«
»So, Blux. Jetzt komm wieder her . . .«
Sie hatte die Arme aus dem Mantel gezogen, war wieder nackter als nackt in ihrem seidenen Läppchen, hockte im offenen Pelz wie ein Amsel-Nestling.
»Bös' sein darfst nimmer, gelt? . . . Jetzt trag mich in dein Bett, ach, ich bin ja so müd.«
Er trug sie hinüber, konnte sich diesen bangen Händen nicht entreißen, sich nicht aus diesen schwachen Armen ziehn. 188
»Es macht nichts, daß alles so kommen ist! Ich war nie eine Frau für dich, jetzt bin ich bald eine alte, grantige . . . Heut sei noch gut zu mir, morgen geh ich naus, morgen früh, ganz früh, Blux!«
»Ist sie lieb, deine Mona? Sag ihr, daß ich nicht bös bin, gelt? Ausgeschlossen heirat ich jemand andern, ich denk ja nicht dran! Der Herr Vater kann sich Fusseln reden.«
So ging's, so ging's – Ströme von heißer Traurigkeit flossen über Blux hin, Reue und Schicksal, und über allem stand Ursels Verlangen.
»Gehört sie schon ganz dir, Blux? Gibt's auf Ostern ein Peterl?«
Ein »Ja« hätte ihn geschützt, vielleicht, vor ihr und vor sich selbst. Immer wollte er ja zu Mona gehören, denn sie war Heimat!
Aber Ursel war das Abenteuer, und ihre Stimme klang neuer als je.