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Mr. Laporta, auf dem »Neptun« ein heiterer Urlaubsmann von bürgerlichem Horizont, der alle Sprachen Europas so fließend sprach. daß er mit jedem vom Essen, vom Kurs, von den täglichen Seemeilen plaudern konnte . . . auf der Heimfahrt, machtvoll durch seinen Geldbeutel, ein Wüterich, der sich in allen Sprachen Europas überschrie, weil nichts nach seinem Wunsch ging – vor Senhor Hauff war er Employé, ein geducktes, angestelltes Männchen.
Senhor Hauff hatte nie in seinem Leben gewettert, jedenfalls seit Jahrzehnten nicht. Er hatte trotz der großen, melancholischen Augen ein unbewegtes Gesicht und trotz der romanischen Blutmischung unbewegte Hände.
Ob er zufrieden oder enttäuscht war, ließ sich im Gespräch nur erraten. Was er an Gnade oder Vernichtung von sich gab, kam per Ukas.
Herr Laporta wußte, daß dreißig Jahre an Verantwortung steigender, immer wertvollerer Arbeit im Hause Hauff ihn nicht vor dem Ukas schützten: »Sie sind entlassen.«
Freilich war er reich, mindestens wohlhabend – vernichtet konnte er nicht werden. Aber mit wenig Jahren über fünfzig ein Haus verlassen, an dessen Größe man mitgebaut hat, den letzten Aufstieg noch vor sich?
Denn wenn der Chef, fast zwanzig Jahre älter, 153 vor ihm starb – wer sollte dann dies Gewirre von Unternehmungen und Spekulationen fortführen, als er? Wer konnte diese Armee über halb Amerika und halb Europa zerstreuter Angestellter kommandieren, diese General-Vertretungen, Sub-Vertretungen. Klein-Filialen?
Wer fand sich ins Budget der Casa Hauff, von der man an allen Börsen der Welt sprach? Sie hatte Krisen durchgemacht, – war vor kurzem einmal totgesagt worden, und das bloße Gerücht hatte von ihr abhängige, kleinere Häuser zu Boden geworfen. Eine ungeheure Spekulation an der Kaffee-Börse war dann doch eingeschlagen und hatte alles gerettet.
Oder war dieser drohende Zusammenbruch gleichfalls Spekulation – vielleicht eine Gegenmine vertrusteter Konkurrenten gewesen?
Manchmal wurde erzählt, der Turf koste den alten Hauff mehr als er an der Börse, in seinen Fabriken und Plantagen gewinnen konnte. Seine Pferde liefen in New York und Kapstadt, es gab in Rio ein Wettbüro, das eigentlich ganz privat, nur für ihn installiert war.
Fest stand, daß Senhor Hauff am Tanz hing. Er liebte nicht Balletteusen, sondern Balletts.
Sonder-Vorstellungen im Theatro Magnifico fanden statt, die niemand verantwortete, von denen man nicht wußte, wie sie finanziert waren, von wem, nur daß er einsam in der Loge saß. 154
Es wurde erzählt, daß Senhor Hauff seine »Winkel« hatte, geheime Chalets, mit exaltiertem Luxus ausgestattet, in denen er die Tänzerinnen empfing. Das kostete Tausende – wieviel Tausende mochte es kosten, daß nie ein Skandal entstand, nie ein Prozeß, in dem der Name Hauff genannt wurde, daß diese Tanzmädchen im Rudel über den Ozean herüber, hinüber schwammen, Jahr um Jahr, ohne mehr zu erzählen, als daß sie vor beinah leerem Haus getanzt hatten?
Fast sicher war all das nicht wahr, nur erfunden, weil man sich einen Mann ohne Privatleben nicht vorstellen kann.
Fest stand für Laporta, daß kaum ein anderer den Nervenfäden der Casa Hauff nahe genug war, um im gegebenen Augenblick ordnen und leiten zu können.
Fest stand ihm, daß Senhor Hauff fähig war, ihn, den Ober-Satrapen seines Reiches, per Ukas in die Verbannung zu schicken; ungeachtet der Folgen, wenn er ihn einmal verworfen hatte.
Schlaflose Nächte hatten Herrn Laporta durchschüttelt und verwandelt – das Weltbild, mit dem er vor drei Monaten Rio verlassen hatte, war rissig und bizarr geworden. Immer wieder sagte er sich: Hauff ist siebzig Jahre alt, über siebzig. Die Kolben des Dampfboots wackelten ganze Stunden hindurch nichts anderes: über siebzig, über siebzig! 155
Der junge Zeichner Blux, eben noch ein harmloser Zeitgenosse, mit dem man beim schwarzen Kaffee plaudern konnte, der seine lustigen Blättchen »Shuffle-Board« oder »Unser Commodore« für fünf Pfund freudig verkaufte, ein Courmacher der jungen Damen, einer unter Zehntausend, denen man im Leben begegnet – Blux wuchs zu Dimensionen eines dämonischen Intriganten!
Denn starb Senhor Hauff heute oder morgen – diese Art verschlossener Willensmensch ohne Privatleben stirbt plötzlich, trägt die Drohungen des Todes geheim vor allen – dann war Mona die Erbin!
Hieß Mona bis dahin Madame Blux – es würde sich inzwischen herausstellen, was hinter diesem einsilbigen Pseudonym eigentlich steckte, – dann war Chef der Casa Hauff ihr Gatte! Mr. Blux als Chef . . .
Man stand seit dreißig Jahren im Dienst eines Hauses, unter den Befehlen eines Despoten, – und kannte die geheimste Struktur dieses Hauses noch nicht. Nun würde man plötzlich unter dem Befehl eines Zeichenkünstlers, ach, eines Karikaturen-Schmierers, stehn, der überhaupt nicht wußte, was das ist: ein Handelshaus.
Vielleicht kam man gerade dadurch zur Macht? Vielleicht würden die jungen Chefs sagen: »Machen Sie's, bewährter Herr Laporta« und weiter um die Welt promenieren?
Vielleicht aber reckte sich ein gefährlicher 156 Machtinstinkt in diesem jungen Blux und riß an sich, was an Zügeln nur greifbar war?
Die Begegnung fand in Paris statt. Mme. Hauff empfing Laporta zuerst, auf der Chaiselongue, mit Kopfschmerzen und in Tränen, ungnädig.
»Sie, Herr Laporta, Ihre Schwester, Brebis! War diese Garde noch nicht stark genug?«
»Es scheint mir selbst, daß sie es nicht war, Madame.«
»Wie konnte das nur geschehen!«
»Solche Dinge geschehen vielleicht mit Naturnotwendigkeit. Erst schien alles so harmlos – plötzlich . . .«
»Ein Wort, Mr. Laporta, ehe mein Gatte erscheint! Ist . . .? Sie wissen, was ich meine – darauf kommt es allein an . . .«
»Ich mutmaße . . .«
»Ist Unwiderrufliches geschehn?«
»Bisher wahrscheinlich nicht!«
Dann kam ein Telephonat, das Herrn Laporta zum Chef befahl.
Er ging mit Zittern über breite Korridore, wartete in einem Vorzimmer, hatte das Gefühl, ein Kilo abzunehmen, so schlank und gelenkig er war. Aber dann verlief alles ohne Vorwürfe, bei sachlichen Fragen.
Herr Hauff saß zwischen zwei Telephonen in einem Klubsessel, beurlaubte Privat-Sekretär und 157 Stenographin für den ganzen Abend, lud den Direktor gleich zum Diner ein.
»Es handelt sich nicht um einen ausgesprochenen Verbrecher, Mr. Laporta?«
»Der junge Mann machte zunächst nicht den Eindruck.«
»Nur ein Desperado?«
»Vielleicht nicht einmal das. Bisher weiß ich nur von ihm, daß er Gast der Linie ist, und das . . .«
»Vielleicht einfach verliebt? Aber nein, Mona ist kein Mädchen, für das man sich blindlings entzückt. Sie kann eine gefährliche Frau werden. Bis jetzt ist sie ohne Farbe, ohne Physiognomie, nichts als meine Tochter! Wer ihr nachstellt, meint mich.« Hauff sprach absolut, als handelte es sich um Geschäfte von geringer Bedeutung. Laporta trocknete sein Gesicht und setzte zum systematischen Vortrag an.
»Der junge Mann, der schon einmal verheiratet war, begann die Reise als Bord-Don Juan. Es waren zwei Kalifornierinnen an Bord, um die er sich nicht erfolglos bemühte, als er Mlle. Mona schon kennengelernt hatte. Wirklich konzentriert hat er sich erst in den letzten Tagen vor meiner Abreise – woraus Sie sehen, daß ich nichts versäumt habe.«
»Schon gut.«
»Von einem bin ich absolut überzeugt: er hat sich genähert, ohne zu wissen, wer Mlle. Mona ist, 158 welche Stellung die Casa Hauff gibt. Als er es erfuhr, kam das große Interesse. Ich bin überzeugt, daß ein geringes Opfer unsererseits ihn beseitigen wird, falls sich auch sonst ernstliche Schwierigkeiten zeigen.«
»Das stärkere Interesse wäre also auf seiten von – Mlle. Hauff?«
»Eine erste Leidenschaft . . . fast kindlich . . . zugleich tragisch.«
Wenn es zutraf, was man in Rio zu wissen glaubte: daß Mona nicht das Kind des Herrn Hauff war, sondern einer späten Leidenschaft seiner Gattin ihr Leben dankte, über das Herr Hauff nur schonend Namen und Ansehn gebreitet hatte, konnte seine weiß umrahmte Stirn nicht klarer, sein Mund nicht fester sein. Aber dann stimmte es auch und absolut, daß er alles tat, um seinen Namen vor den Echos der Zeitungen zu schützen. Auch für seine Familie durfte es kein Privatleben geben.
»Zunächst – wir haben nur noch dreißig Minuten zum Diner, und ich möchte rasch alles regeln – zunächst rechne ich mit einer Spekulation des Herrn ohne Vornamen und einem Coup de foudre seitens Mlle. Mona. Wenn es Ihre Zeit erlaubt, Mr. Laporta, fahren Sie morgen nach Berlin, ziehen Erkundigungen ein, und wir lassen die jungen Leute einstweilen unter dem Schutz Ihrer verehrten Schwester. Mit einer Tasche voll Material wird 159 sich Mlle. Mona leicht überzeugen lassen – Material findet sich gegen jeden Menschen, am leichtesten gegen einen Typ wie diesen.
»Was ist das übrigens für eine Familie, Blux?«
»Eine Familie, die es nicht gibt. Der junge Mann besitzt nicht einmal einen Taufnamen.«
»Sehr interessant. Fräulein Laporta soll gar keinen Widerstand mehr leisten, telegraphieren Sie ihr das. Kein Oel ins Feuer! Diese Kinder dürfen sich nicht wichtig vorkommen. Mona liebt ihre Mutter, glaube ich. Mme. Hauff wird das Material, daß Sie ihr geben, auszunützen wissen.«
»Sollten wir uns nicht – mit einem größeren Angebot – direkt an den jungen Mann? . . .«
»Es wäre schade darum, Herr Laporta. Sein zweifellos schlechter Ruf ist wirksamer als unser armes Geld.«
Herr Laporta zitterte nicht mehr um seine Stellung in Gegenwart und Zukunft. Acht Tage oder vierzehn Tage unsympathischer, ein wenig schmutziger Arbeit – dann würde er seiner Verantwortung ledig, würde alles im alten Gleise sein.
Auf seine nächste Reise nahm er kein junges Mädchen mit, lieber ein Schock alter Tanten.
Dieser unberührbare Hauff konnte noch lange leben. Aber kaum so lang wie er, der zwanzig Jahre Jüngere! Die Nachfolge war seines Schweißes wert. 160
Radio und Peterl, Klavier und Peterl, – dazu die trübe, dickflüssige Geselligkeit einer Stadt, in der Ursel nicht zu Hause war, in die sie nicht paßte, – so war das Leben einer sechsundzwanzigjährigen Frau, die sich mit dumpfen, zornigen Instinkten blindlings verfahren hatte.
Einmal würde das Radio melden:
»Dampfer ›Neptun‹ der Hamburg-Amerika-Linie, siebzehntausend Tonnen, als Luxus-Touristen-Dampfer ausgestattet, ist mit Mann und Maus untergegangen.«
Oder:
»Der unter dem Namen Blux bekannte Zeichner und Illustrator Bernhard Lux ist von einem Amokläufer in Asien niedergestoßen worden und seinen Verletzungen erlegen.«
Oder, wenn man über alle Wellen hinfegte, einen tschechischen Komiker, dann römische Kammer-Musik, einen englischen Vortrag über italienische Lege-Hühner, eine französische Ministerrede anschlug, fallen ließ, das ganze knatternde, pfeifende, sinnlose Janitscharen-Orchester des Kosmos in seinem stillen Zimmer sammelte – auf einmal würde sich klar und erhaben eine Stimme aus dem Chaos der Geräusche aller Welten lösen, die Ursel kannte.
Blux würde sprechen! Von einem Sender in Australien oder in Frankfurt aus, von tragischen Erlebnissen oder von einer Spazierfahrt würde er 161 erzählen, in die Wolken hinaus erzählen, damit sie ihn einmal wieder hörte.
»Ist das unmöglich? Unmöglich ist gar nichts.«
Ursel hatte Telephon, Radio, den Briefträger, Freunde, Zuträger, nichts konnte ihr entgehn!
Daß Blux nicht bald wiederkam, glaubte sie nun. Auf drei Jahre hatte er Abschied genommen, das Herz voll Wut und Entschlossenheit.
Aber kann ein Mensch verschwinden, auf drei Jahre verschwinden? Und wenn er es tat – in drei Jahren war sie drei Jahre älter, und das war alles. Die wartete Ursula ab, mit Schnauben manchmal und oft in Tränen. Jetzt grad wartete sie, grad, weil er sich vergessen machen wollte. So ungefähr hatte auch der Beichtvater in Ragusa geraten.
Manchmal gab es einen Herren-Abend bei Daddy, und Ursel war eingeladen, sollte die Hausfrau ersetzen.
»Ein junger Hamburger kommt, Kinding. Junior-Chef, ein fixer Junge. Wenn der dir nur nicht gefährlich wird!«
»Ich möcht schon Papa, aber, weißt, ich mag nit.«
»Das Mädel ist schwer an den Mann zu bringen« klagte Sörissen-Gorissen in der Stille. »Erstens, statt zu angeln, wo's doch an der Zeit wäre, spielt sie die Spröde. Genau besehn tut sie, als wäre sie gar nicht auf dem Markt, sondern verheiratet oder eine untröstliche Witwe. Zweitens hat sie nichts 162 als ihre Villa und den Jung. Denn Kapital wird nicht mehr ausgeschüttet, das weiß jeder, und ich sag's auch jedem! Ihre Rente würde ich erhöhn, aber das ist alles, Schluß, Punkt, Anhängen.«
Wenn er direkt in Ursel drängte:
»Einmal mußt du doch heiraten! Diese Kinderei von damals kann doch nicht . . .,« wurde sie verdrießlich bis zur Grobheit, oder sie tat geheimnisvoll.
»Meinst, ich hätt gar nix? Schau ich aus, als ob ich kein Verhältnis hätt?«
Auf dieser Basis war nicht zu reden. Schon das Wort »Verhältnis« war unerträglich in bezug auf Ursula.
Sowas gab's, das wußte Sörissen-Gorissen nicht nur, sondern er wechselte selbst oft den Gegenstand freier Beziehungen. Er dachte nicht gering von den Verlassenen oder Kommenden, trug sich manchmal mit Heiratsplänen, wenn ihm eine besonders liebenswürdige Geliebte beschert war.
Für Ursel war ihm das alles undenkbar, war dieser Boden unbetretbar. Alp seiner Nächte die Vorstellung, sie könnte Blux wieder begegnen, mit ihm Beziehungen haben, seinetwegen das Leben einer Witwe führen.
Lieber schloß er die Augen, fragte nicht mehr und wartete.
Trotzdem wußte er, daß Blux ganz verschwinden müßte, aus der Welt oder mindestens aus Ursulas Vorstellungskreis, damit sie ihr Leben neu anfing. 163 Er stand ihr ohne Wärme gegenüber, aber es war schimpflich und störend, daß seine Tochter vor ganz Bremen das Leben einer Verlassenen führte.
Herr Laporta fand unter diesen Umständen kein Wasser auf seine Mühle.
Ein Direktor der Casa Hauff wurde natürlich sofort und mit allen Ehren empfangen, auch wenn es sich um Angelegenheiten fremder, privater Art handelte. Aber man hatte auch dem riesigen Geld-Kastell jenseits des Atlantischen gegenüber seinen bremensischen Stolz.
»Herr Blux . . . soso . . .«
Laporta hatte sich mit sehr offenem Visier eingeführt – er war kein Spitzel und glaubte fromm an die natürliche Einheit der Guten, Soliden hienieden gegenüber den Werwölfen der Besitzlosigkeit.
»Würden Sie nach den Erfahrungen, die Sie gemacht haben, eine Ehe des Fräulein Hauff mit Herrn Blux gutheißen? Sie dürfen auf meine vollste Diskretion rechnen, mein Herr!«
Sörissen-Gorissen lachte zunächst nur, breit, hanseatisch, überlegen.
»Warum nicht, wenn Herr Hauff in sechs Monaten eine verlassene und verheulte Tochter mit verspielter Mitgift im Haus haben will?«
Aber das sagte er nicht. Er hatte viel zu überdenken.
Blux sollte heiraten, wenn er sich schon auf 164 keiner seiner endlosen Fahrten das schmale Genick brach! Es ging dem Bremenser durch den Sinn, daß er nur seine Politik zu machen hatte, daß dieser Bursche Blux ihn nichts anging, so wenig wie die brasilianische Gesellschaft, so wenig wie irgendein half-cast-girl Mona Hauff, das für seine Erfahrungen im Leben selbst zahlen konnte.
Er stand auf, und unwillkürlich erhob sich auch Laporta. Was für Kroppzeug, diese Brasilianer, kaum zur Schulter reichte ihm der!
Sörissen-Gorissen stand wie ein Elefant da, neben einem zutunlichen Aeffchen. Der Kerl war höflich und gar nicht würdelos, ein Bonhomme, der seine Pflicht tat. Aber so mickrig, so biegsam, so – dorthin paßte Blux!
Außerdem sollte er für Ursel verschwinden, spurlos. Und zudem: war man nicht hier in seinen vier Pfählen, auf deutschem Boden, Chef eines deutschen Hauses, zu dem, trotz allem, Blux einmal gehört hatte?
Kommt da ein Halbwilder aus dem brasilianischen Urwald, um laut und ungeniert zu schnüffeln!
Die Herren setzten sich wieder, schnitzelten an Zigarren herum, bliesen große Wolken.
»Daß Herr Blux und meine Tochter keine glückliche Ehe geführt haben, spricht weder gegen sie noch gegen ihn. Im übrigen hatte ich seither wenig Anlaß, mich um das Privatleben dieses – Künstlers zu kümmern.« 165
»Und seine Kunst?«
»Na, was man heutzutage darunter versteht! In der Bremer Kunsthalle finden Sie ihn jedenfalls nicht.«
»Herr Hauff interessiert sich natürlich besonders für die Abkunft des jungen Herrn.«
»Ich dachte immer, in Amerika fragt man nur . . .«
»Sie wissen sicher, daß das Märchen sind?«
»Tja – Familie? Die Verwandten machen wenig Gebrauch von ihm, er wenig von den Verwandten. Seine Mutter – ich glaube sehr gutes Haus. Sein Vater Schauspieler oder so was ähnliches, natürlich längst geschieden, beide wieder und wieder verheiratet. Das murkst so mit auf der Welt und weiß nicht, woher, wohin.«
»Sehr interessant für Herrn Hauff! Und sonst: Schulden? Lebenshaltung? Sicherheiten?«
Sörissen-Gorissen nahm sich vor:
Noch diese Antwort, dann schmeiß ich den Kerl hinaus!
Sein Ton wurde übertrieben hanseatisch.
»Er hat meiner Tochter standesgemäßen Unterhalt angeboten. Daß sie abgelehnt hat, sich und ihr Kind von ihm erhalten zu lassen, ist unsere Sache.«
Schließlich hatte Laporta ganz das Gefühl, in Wasser gegriffen zu haben. Einen Augenblick schien die Hand voll, dann hielt man nichts.
»Im ganzen befürworten Sie die eventuelle Werbung dieses Herrn?« 166
Da standen sie schon wieder, Sörissen-Gorissen mit einem runden, breiten, bösartigen Widderkopf hoch über dem klugen Köpfchen des Brasilianers.
»Wenn Sie das herausgehört haben, Monsieur Laporta, bitte . . .«
Ursulas Villa lag in Spätsommerglanz, Peter schaffte im Freien. In London erzeugte Five-o'clock-Musik hallte aus dem Lautsprecher bis auf die Straße. Dazu Klavier! Ursel versuchte, das Londoner Orchester auf ihrem Flügel zu begleiten. Hier war's friedlich und wohlriechend. Laporta kam sich als häßlicher Störer vor. Die eheverlassene Frau sprühte ihm auch entgegen, als er sein Anliegen kaum vorgebracht hatte:
»Was! Auskunft geben! Der Blux kann heiraten, wen er mag, fragen's meinen Vater, ich kenn ihn kaum, nur der Bub is von ihm, wenn ich mag, werd ich schon sprechen, adieu!«
So verlief der Besuch, von dem Laporta sich viel versprochen hatte. Nicht einmal ein Stuhl, von Tee und Vertrauen zu schweigen.
»Ich bleibe noch drei Tage in Bremen, falls Sie mich sprechen wollen, Madame. Hotel Continental – ich bitte Sie, anzurufen.«
Am andern Tag rief Ursel an.
»Gehn's, Herr Laporta, wie schaut die Fräulein Hauff aus? Schön, gelt?«
»Eine sehr angenehme Erscheinung, aber . . .«
»Kommen's halt zum Tee, gelt Herr Laporta!« 167
Zwischen diesen beiden Gesprächen hatte Ursel geheult und gelitten.
Zum erstenmal ging ihr auf, was sie bisher nicht geglaubt hatte: daß nicht über Blitz und Wetter ein Einssein, ein Zusammengehören zwischen ihr und Blux war.
Von ihr würde kein Mensch ein böses Wort auf ihn hören! Aber was von ihm zu wissen war, über ihn – das mußte sie restlos wissen!
Als Laporta auf hundert Fragen erzählt hatte, was er an Bord gehört, gesehen, erklärte ihm Ursel:
»Lieber hätten's das für sich behalten, Monsieur!«
Damit warf sie ihn zum zweitenmal hinaus.
Er ging trotzdem mit dem Gefühl, eine Bundesgenossin gewonnen zu haben, und telegraphierte in diesem Sinne nach Paris. Sie war eifersüchtig. Einen Schritt weiter in's Leben dieses Herrn Blux hatte der Besuch ihn geführt. Nun wandte er sich an Frau Ingwer, eine ganz objektive, hochgeachtete Dame, in deren Haus Blux seine erste Frau kennen gelernt.