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Monas Bekanntschaft macht Blux im Suez-Kanal, tief unter dem Wasser – sie tauchten im Schwimmbassin nach dem gleichen Geldstück, stießen fast mit den Köpfen aneinander und stiegen in einer Art Umarmung empor.
Er reichte ihr das Geldstück, bat um Entschuldigung und hatte den Eindruck einer jungen Dame, die nicht ganz in diese Situation paßt. Sie war scheinbar von seiner Umarmung degoutiert – aber nur, indem er sie an den Schultern faßte, waren zwei blutige Nasen verhindert worden.
Die achtzehn Kalifornierinnen sind nicht mehr an Bord. Kitty und Irmelin strebten den bestellten Zimmern im klassischen Theben entgegen, während der unsterblichen Götter Reiseprogramm Blux und seine Freunde nach Jerusalem warf.
Jetzt ist das alles vorbei – ein Geschmack wie von Rosenblättern ist ihm, aber wohl auch Steinkopf, auf den Lippen geblieben.
Das Leben ist wieder ernst – Suez ist die letzte Station, von der er seine Island-Blätter abschicken kann. Treffen sie noch rechtzeitig ein, dann wird man ihm Geld drahten. Lindpeitner ist eine Seele, aber auf die Dauer kein Bankhaus.
Kamele ziehen schwer beladen im Gänsemarsch, die Wüste silbert. Schwarze Truppen marschieren in Khaki, englische Offiziere zu Pferd an der Tête, Propeller knattern durch die Luft, Piloten winken 107 dem »Neptun« zu. Da sitzt Blux, zeichnet den Geysir und Menschen auf dem Polarkreis, deren Herzen die kühle, erbarmungslos große Mitternachtssonne gefrieren macht.
Es ist ganz früher Morgen, aber Blux dampft schon von Arbeit. Er weiß nicht recht, ob er etwas kann – aber was er vielleicht kann, kann er immer. Auch das ist ein kleiner Trost, den Steinkopf beigesteuert hat: »Vor seinem Tod weiß keener, ob er Talent hat«.
So wirft Blux in Gottes Namen seinen Bleistift über die weiße Fläche, haut daneben und fragt sich, ob es vielleicht grade das »Daneben« ist, was den Leuten gefällt.
Lindpeitner hat geäußert:
»Ihr Glück, daß Sie nichts gelernt haben. Du bist eine Art Natur-Jodler in Schwarz-Weiß.«
Es ist schön, keinen Beruf zu haben, – aber qualvoll, wenn man trotzdem arbeiten muß. Blux ist für jedes kleine Lob dankbar wie ein ausgehungerter Köter für einen Knochen.
»Das gibt doch eine Spur von Idee!« hat über seinen Blättern Mullah bekannt. »Wenn ich an die andern denke . . .«
Und dann folgt tobend eine Vernichtung all des Volkes, das in Europa Illustrator heißt.
»Effekthascher, Faiseure, Hochstapler, Falschmünzer, Plagiatoren.«
Blux denkt mit warmem Dank an seine 108 mitreisenden Freunde und wirft einen Einfall aufs Blatt: oben Asien, unten Afrika als Landkarten. Dazwischen dies Kanalgerinnsel, ein Boot mit einer Zeitung als Segel, darin sie alle Vier sitzen: Steinkopf, Lindpeitner, Mullah, er, jeder eine dicke Frankfurter Wurst im Mund, eine Riesenzigarre in der Hand.
Dann hat er genug. Alles ekelt ihn. Es kommt noch ein solcher Morgen vor Suez. Das Blatt ist gut, – sieht aus, als drehe die Welt sich um Steinkopfs gothischen Schädel. Aber ihn ekelt's. Die junge Dame aus dem Schwimmbassin ist ganz verlorengegangen. Der kurze Augenblick ihrer Begegnung hat keine Spur gezogen, und trotzdem geht Blux, sie suchen.
»Es ist sehr schwer, mit Frauen zu leben, aber unmöglich ohne sie.«
Unmöglich!
Seit Kitty und Irmelin das Schiff verlassen haben, fehlt ihm diese Atmosphäre, die man Flirt nennt. Wenn er am Grabe seines Glaubens an Talent kniet, muß eine Frau ihn trösten.
Ein ganz junges Mädchen steht an der Reling, sucht mit dem Stecher durch die Wüste, setzt das Glas ab, schaut trostlos um sich, als erwachte sie aus schönen Träumen auf einer kahlen Insel. Blux weiß nicht, welche Hoffnung die Wüste ihr eben verweigert hat; aber es ist kein Zweifel, daß sie Wasser im Auge hat, das ihr jetzt, rechts und 109 links je eine kleine Träne, über die Wangen zieht. Blux pürscht sich an – aber da taucht Mullah zwischen ihm und der traurigen Zartheit auf.
»Mein Fräulein, reisen Sie, oder werden Sie gereist?«
Blux hört das arme Stimmchen mit ungarischem Akzent und ganz voll Trauer.
»Ich werrde gereist.«
Beim Lunch erzählt Mullah, daß die Kleine eine ungarische Komtesse ist, einen Handelsschüler liebt, der im Examen durchgefallen ist, und – und nicht mehr leben will. Jetzt wird sie von der Mutter um die Welt kutschiert, um zu vergessen.
»Die Mutter!« rät Steinkopf. »Erobern Sie die Mutter, Kolleje! Trostbedürftige Mädchen gewinnt man leicht, des Menschen Schicksal aber sind die Mütter!«
Mullah ist heute sonnig – kein Begebnis in Europa oder Amerika, kein Minister, keine internationale Konferenz hat ihn gekränkt. Im Gegenteil . . .
Er ist schon auf die Gräfin-Mutter zugegangen, die allein und gelangweilt in ihrem Streckstuhl lag. »Gnädigste Gräfin, welches ist der angenehmste Moment im Leben einer Amme?«
Als sie die Antwort gehört hat:
»Der Moment, in dem sie auf ihren Beruf vorbereitet wird,« zeigt sie das gütigste Lächeln auf schönen Zügen. 110
»Gähn's, Sie sind ein liebärr Kehrl.«
Sie haben Ilonas trauriges Schicksal besprochen. »Schaun's, das Mädel, das orrme! Zehn Kilo hot's runterr geheult.«
Mullah hat aus der Mutter Händen sein Amt bekommen: Ilona aufheitern, ablenken, ihr neue Eindrücke vermitteln, andere Gedanken . . .
Mullah trifft's!
»Zweihundert Millionen kostet diese Reise. Mein Gotte, der orrme! Und noch gorr kein Erfolg.«
Jetzt hat Mullah eine Wunderkur garantiert, der liebä Kehrl.
In Suez nimmt Lindpeitner Blux am Arm, und sie schlendern in eine Sonnenglut hinein mit -Öl- und Zwiebelgestank, der so rasant ist, daß man kaum sieht und hört, nur riecht.
»Wenn Sie bestimmt nicht gekränkt sind, lieber Blux, geb ich Ihnen einen Wink.«
Sie sitzen unter Steinbogen, die sich rund um einen phantastisch schmutzigen Platz ziehn, trinken Limonade und erleben – nun ihre Nasen akklimatisiert sind – Farben und Geräusche in herrlicher Dissonanz.
Bettler und Hausierer wie Fliegen. Der Orient bestürmt sie.
»Herr Baronn, Schweinerei!«
Jeder Mensch bietet an, lasterhafte Photographien von kindlicher Primitivität, verbotene 111 Opium-Zigaretten ohne Opium, auf Ehrenwort gestohlene goldene Uhren, Adressen zu allen Orgien dieser Welt. »Determinismus, lieber Blux, ist die Lehre vom Vorbestimmten. Vous êtes déterministe? heißt – Sie glauben nicht an Ihren Willen sondern an die Unbedingtheit Ihres Schicksals?«
Blux starrt und staunt.
»Dann hab ich ja sinnlos dummes Zeug geschwätzt!«
»Es macht nichts, Blux. Das Mädchen ist gescheit genug für euch beide, nicht nur gebildet. Aber ich wollte Ihnen zu seinen Gedanken helfen –. Das ist eine Frau, Blux, ein Mensch! Halten Sie sich an die!«
Es handelt sich um die Dame vom Boden des Schwimmbassins. Blux hat sie gesucht, sie aber hat ihn gefunden. Sie lag im Streckstuhl, eine schwarze Brille mit breiten Trägern ums Gesicht, eine Schirmmütze in die Stirn gezogen, die Füße bedeckt – kein Mensch hätte sie angesehn.
Blux hatte sich gerade deshalb in ihre Nähe gesetzt. Er wollte beobachten, suchen und von niemand gestört werden. Gerade sie wollte er suchen, die er nicht ansah.
»Sie sind nicht treu, Monsieur! Unter Wasser umarmen Sie mich, unter dem Himmel grüßen Sie nicht.«
Fünf Minuten später trieben sie Philosophie – Blux rudert sich mühsam durch alle Sprachen, die 112 er radebrecht. Sie antwortet immer französisch, aber sie verstand – oft nur zu gut! –, was er aus Englisch, Französisch, Spanisch oder im Notfall sogar Deutsch zusammenfischte.
Er hatte betont, daß man doch nur ein Stein ist, den ein anderer geworfen hat. Man möchte brav und fromm sein, ein gutes Kind, wenn man wüßte: wer ist der Vater, was befiehlt er?
»Aber, màs o menos, Mademoiselle, it's only necessity ce que nous faisons . . . Wir stehen am dreißigsten Geburtstag schon vor dem Spiegel unserer Tage und forschen aus unseren Taten: wer bist du, seltsames Gebilde? Unter welchem Gesetz, in welcher Richtung?«
»Sie sind Determinist!«
»Mais non!« Er kannte das Wort nicht und verwahrte sich dagegen, Determinist zu sein.
Jetzt bedeutet es gerade das, was er eigentlich war und bekennen wollte.
Lindpeitner hilft noch ein bißchen für die Zukunft aus. Er hatte nicht gehorcht, nur seine Schilderung einer indischen Witwenverbrennung, die er bald erleben würde, auf Minuten unterbrochen, um die Flüglein beide über seinen Schützling Blux zu breiten.
»Posieren Sie nie vor diesem Mädchen! Gestehen Sie restlos jede Unbildung, jede Unsicherheit, jede meinetwegen kriminelle Möglichkeit Ihrer Mördergrube, aus der Sie ein Herz zu machen suchen. 113 Hier gewinnen Sie eine Schwester mit Mutteraugen.«
Am Abend trat Blux vor Mona hin, die jetzt reich und sehr anmutig wirkte, ein bißchen nonnenhaft freilich auch – jetzt viel zarter, als sie im Schwimmbassin schien. Aber bei aller Anmut so rührend wenig hübsch!
»Ich bin doch Determinist, mein Fräulein! Ich wußte heut früh nicht, was es bedeutet.«
»Ah, vous êtes étonnant! Comme vous êtes étonnant!«
Sie saß mit einem würdigen Paar und einem Mädchen bei Tisch, dessen schwarze Augen unergründlich und furchtbar schienen. Seine kurzen Locken ringelten sich wie Nattern – »Die Sünde von Stuck« kommentierte Mullah und schwur, daß Stuck der letzte Kitsch sei. Aber diese Sünde hörte auf brebis – »Lämmchen«.
Mullah stellte Herrn Dittelhei, den Chef des Vergnügungsdienstes, zur Rede.
»Raus mit der Sprache, Herr Dittelhei! Keine Geheimnisse vor mir, ich bin selbst von der Linie. Wieviel Paare haben wir bisher an Bord?«
Dittelhei hatte schon Bälle und Pantomimen, Vorträge und Shuffle-Board-Konkurrenzen, Tennis-Tourniere, Dinner-Parties im Ritz-Restaurant arrangiert. Bei den Landausflügen war er in Berührung mit jedermann, hatte Aufgaben zu 114 erfüllen, denen kein Diplomat gewachsen war. Die Besetzung der Autos, Nachbarschaften im Hotel, Nachbarschaften im Bahnwagen.
Vier alte Gents aus Nordamerika waren an Bord, die einfach und absolut jede Fühlung mit anderen ablehnten. Jugendfreunde, die wahrscheinlich als Handwerksgesellen angefangen hatten. Einer von ihnen war reich geworden und hatte die andern eingeladen. Sie wurden saugrob, diese vier handfesten Greise, wenn sie nicht allein waren!
Eine deutsche Exzellenz mit Frau Gemahlin, die sich gern unterhalten hätte, suchte Standesgenossen. Sie hatte sich an Ilonas Mutter gewandt, aber eine grausame Abfuhr bekommen.
»Mau sollte auch auf solchen Schiffen mehr unter seinesgleichen bleiben, Gräfin!«
»Donn wärr ich gonz allein, ich orrme!«
Die Exzellenz war nämlich nur Baron.
All das mußte Dittelhei im Kopf haben und vieles mehr. Er war aber so elegant und vergnügt, daß sein Beruf ihm Freude machte.
»Also, Hand aufs Herz, Herr Mullah – bisher ein schlechtes Ergebnis. Wir haben's nur auf zwei Paare gebracht. Und vom einen fürchte ich, es ist mit dem Joker; ein unechtes Paar.«
»Wieso?«
»Weil ›er‹ schon verheiratet ist. Schad um die herrliche Partie.«
»Bl . . .?« 115
». . . ux.«
»Sofort rum, Herr Dittelhei, von Ohr zu Ohr, als tiefstes Geheimnis! Mein Freund Blux ist seit vielen Jahren richtig und ehrlich geschieden. Keine Rede von Joker.«
»Gottseidank! Dann kann alles gut und herrlich werden. Nachts liegen sie auf dem Radio-Deck, bis die Matrosen mit der Spritze kommen. Dann gibt der arme Blux noch ein Trinkgeld, um eine Viertelstunde zu gewinnen. In diesen acht Tagen hat er eine Art Französisch gelernt! Schön klingt es nicht, aber es geht wie geschmiert. Die Chaperons von Senhorita Hauff schlagen ihre Augen längst überm Kopf zusammen.«
»Was wissen Sie von dieser Senhorita?«
»Hmmm . . .«
»Na, los doch, Herr Dittelhei! Ich hab die Verantwortung.«
»Ja, kennen Sie die Casa Hauff nicht? – Kaffee-Plantagen, Häute en gros, Därme en gros, alles en gros, Fabriken, Rennpferde, Vertretungen, alles . . . Riviera-Veilchen sogar.
Sie hat doch auch die Vertretung unserer Linie in Rio, Santo, Sao Paolo. Ich kenne die Casa. Sagen wir, wenn der alte Hauff einverstanden ist: eine dot von hunderttausend Pfund cash, außerdem eine Rente von . . .«
»Auf Ehrenwort?«
»Selbstredend Ehrenwort! Aber der alte Hauff 116 ist uralt und bockig. Wenn er nicht einverstanden ist, kein Cent und Enterbung. Nach seinem Tod . . .«
»Ein Deutscher? Hauff?«
»Alles: Deutscher, Brasilianer, Indio. Die Senhora Hauff Russin, Holländerin, Javanin, Jüdin – eine Musterkarte aller Geblüte, die sich nirgendwo sammeln als in Brasilien etwa. Die Senhorita vertritt schätzungsweise siebzehn lebende Rassen, außerdem vielleicht die der Inka.«
»Ueber das Geschäftliche schweigen wir, Herr Dittelhei. Mein Blux wird scheu, wenn er Geld wittert. Davor hat er Angst – schon seine erste Frau war viel zu reich für ihn. Ihr Geld hat ihn dem Hungertod nah gebracht. Im übrigen: Volldampf! Jede Unterstützung von seiten der Linie! Die Matrosen sollen erst um acht Uhr morgens spritzen. Blux bekommt eine richtige Frau, oder er geht mir vor die Hunde . . .
Und das andere Paar?«
»Sie und Komtesse Janusch, die orrme.«
Ei, strahlte da Mullah, ehe er seine Wut bekam. »Kein Wort dran wahr! Infamer Klatsch, Erfindung, boshafte Verleumdung! Die alte Gräfin hat mich nur gebeten . . .«
Dittelhei notierte sich:
»Klatsch, Infamie, Erfindung, boshafte Verleumdung. Noch was, Herr Mullah?«
»Schreiben Sie auch noch unqualifizierbar!«
»Gut, das auch.« 117
Die »Reporters« saßen rings um eine Flasche, in Korbstühlen, im erwachenden Mond, der breit über den Indischen Ozean seine silberne Brücke schlug. Steinkopf war vielleicht eine Spur zu rund geworden – seine Gottähnlichkeit litt darunter. Blux, dieser zerfahrene Seiltänzer des Lebens, immer auf der Jagd, immer auf der Flucht, war jetzt satt und strahlend. Nie hatte er so sauber, nie so gebügelt den Smoking getragen, nie – seit die alten Freunde ihn kannten – so jung und hell ausgesehn.
Lindpeitner sogar hatte allmählich gelernt, ganze Viertelstunden des Tages ohne Arbeit auszukommen! Mullah, der diese Gesellschaft zusammengebracht, im Namen der Linie eingeladen hatte, buchte mit Recht die vollen Gesichter, glänzenden Hemdbrüste, alles Glück und Behagen der anderen drei auf sein Verdienst-Konto.
Da glitt, im Abendmantel, eine blasse, stille Silhouette, Mona an der Reling hin, nur von Blux bemerkt.
»Einen Augenblick, Verzeihung!«
Er holte sie ein, sie kletterten Treppe um Treppe hinauf, in ihre dunkle, stille Ecke.
»Ihr habt so friedlich beisammen gesessen, um eure Flasche herum, und ich hab gestört! Was für eine schlechte Frau bin ich für Sie.«
In sein Hirn grub sich das Wort »Quelle mauvaise femme je suis pour vous!« 118
»Ich bin Ihnen doch nachgelaufen.«
Aber sie wiederholte traurig:
»Quelle mauvaise femme je suis pour vous.«
Sie blieben nur eine Viertelstunde, höchstens zwanzig Minuten zusammen. Blux warf in Rousseaus Sprache, die er böslich mißhandelte, in kurzen, kleinen Abschnitten seine Lebensbeichte in Monas Herz.
Das war die Frau zum Zuhören, die der zerfahrene Seiltänzer brauchte. Grau und weit offen immer ihre Pupillen, immer weiter ihr Herz im Verstehen als er im Gestehen, immer die Absolution vor seiner Beichte.
Kam etwas ganz Schlimmes – denn er gestand nicht nur Taten, auch Regungen, die schäbigsten Regungen seines Herzens, – dann faßte sie seine Hände und drückte sie:
»So bin ich auch!«
Kam etwas Tüchtiges, das nach gutem Sport aussah: ein Sprung ins balkenlose Leben hinein, ohne Gürtel, ohne Kompaß, wie er ihn oftmals getan:
»Ah, vous êtes étonnant!«
Sie zählte seine Lieben, von denen er keine verschwieg, und fand es natürlich, daß er immer zugegriffen hatte, wenn etwas Schönes zu greifen war.
»War sie hübsch? War sie sanft?«
Wenn »sie« nicht hübsch gewesen, kam ein befreiter Seufzer, denn Mona, so vornehm und anmutsvoll, 119 hatte sich in den Gedanken verbissen, eine selten Häßliche zu sein.
»Sie haben sie geliebt, obwohl sie nicht hübsch war? Oh, nicht wahr, eine Häßliche, die gefährlich ist, ist sehr gefährlich?«
Später kamen sie zu zweit an den Reportertisch. Steinkopf erzählte Geschichten mit Berliner Pointen.
»Ahh! Das ist gutt!« jubelte Mona. Sie war oft die einzige Dame am Tisch, kam als Freundin von Blux so selbstverständlich, lebte sich in Tagen in diese Atmosphäre, diese fremde Sprache hinein. Eine ganze Welt, das geistige Deutschland von Jahrzehnten, Siegreiche und Enttäuschte, zogen durch diese Gespräche, und sie vergaß keinen Namen, kein Aperçu, lernte Berlinisch.
Später weitete sich der Kreis, die Gräfin, Ilona, der Kommodore und Dittelhei . . . Steinkopfs neuer Flirt wurde zugezogen, eine sechzehnjährige Edith, Kind der Vereinigten Staaten, im Matrosenkleidchen; ein Kind, das im Dunkeln zu phosphorizieren schien, so blond, so weiß und frisch! Es nannte Steinkopf nicht »Sir« sondern »Daddy« und schmiegte sich in seinen Arm.
Aber was erzählt wurde, wurde Mona erzählt, wer immer sprach, sprach zu Mona, die so meisterhaft hörte, verstand, weitergab und übersetzte, die jeden im Kreis fest und warm hielt.
Sie schwieg so weise und sprach doch oft wie ein 120 ganz junges, ganz vom Leben überraschtes Mädchen.
»Ihr Freunde sind herrlich, Monsieur Blux!«
Und wenn sie den Kreis verließ:
»Seid gut zu Monsieur Blux.«
Lindpeitner und Mullah rieben sich die Hände wie Brauteltern, deren Plan geglückt ist.
Trotzdem: »Es ist unmöglich, ohne Frauen zu leben – aber sehr schwer mit ihnen.«
Eines Abends kam Mona nicht an den Tisch der Reporters, eines Abends kam sie nicht aufs Radio-Deck, ein langer Abend ging hin, den sie ohne Blux, aber nicht verborgen zubrachte.
Bei ihren Schutzeltern erst . . . Dann mit einem Jüngling, der bisher einfach nicht vorhanden gewesen, einem Neuseeländer oder Neufundländer, allerdings mit den schmalsten Fesseln an Bord, Rekord, unglaublichen Fesseln.
Zuletzt war sie wieder bei Brebis und den Alten, saß da, lächelte trüb-geheimnisvoll, war still und verschwand.
So war Mona? . . .
Meister Steinkopf sogar war gekränkt, der Weise, der in seinen fünfundsechzig Jahren viel Liebeslust und Liebesbluff gesehn.
»Dich kannse malträtieren, Blux. Aber uns nich!«
Er – er hatte sein Mädel im Arm, zu dem er nichts sagen konnte als »na, Mausi«, und das ihm treu war. 121
Mullah hatte den Platz zwischen der Gräfin und Ilona, wie jeden Vormittag, jeden Nachmittag, jeden Abend.
»Ich muß Ihnen noch etwas erzählen, Gräfin.«
»Ilona, ich hob mein Riechfloscherl vergessen, Du orrme! Gäh, ich biet Dich . . .«
Ehe das Kind zurückkam, war die Geschichte erzählt.
»Ich donk dir, Ilona!«
Ilona lächelte klug. Sie ging protestlos, wenn ihr Stichwort fiel. Hoffentlich würde Mama es ihrer Zeit auch tun.
Blux war unstet und hielt sich krampfhaft bei Laune. Er verschwand oft, aber er kroch nicht in Monas Spuren, seit er sie neben dem Neufundländer festgestellt hatte. Sein Weg ging zur Bar. Dort saß er viertelstundenlang allein, starrte in sein Glas, das den stärksten aller Neptundrinks barg, und wer ihn mit »Halloh, what can I do for you?« begrüßte, bekam ein höfliches aber ganz verwüstetes Gesicht zu sehn.
Im übrigen brachte dieser Abend voll Unglück in der Liebe Glück im Spiel. Man traf Blux so selten allein, – aber er war Mode an Bord, und jeder Passagier wollte einen Original-Blux als Andenken an diese Reise haben. Während er Drink um Drink in sein Elend goß, bekam er fast ein Dutzend Aufträge. 122
Das Herz verbrannt, schwindlig und fünfzig Pfund in Aufträgen reicher, kam er in seine Kabine.
Etwas fehlte, das zum Schlafen nötig war. Ein großes Vakuum stak tief in seinem Leben – das war, das ließ sich nicht überbrüllen und übertrinken. Er und Mona? Sie ihm ein Flirt, eine Konversation, vielleicht eine Stufe zu sich selbst zurück. Er ihr Erfüllung einer Neugier. Vielleicht der erste Deutsche, sicher der erste Künstler in ihrem Leben?
Zwischen Mona und den Kalifornierinnen war kein Unterschied, als daß diese mit Schönheit zu blenden pflegten, Mona mit Teilnahme. Verspielte, grausame Kinder, sie alle drei!
Mona, die mit schwarzen Brillen und versteckter Stirn, verhüllten Beinen, die Nase im Buch, herumgelegen, – er hatte sie en vogue gebracht! Er, den man als Künstler für den Experten im Artikel: Frau hielt, hatte an Bord das häßliche Entlein zum Schwan gemacht.
Jetzt flog sie frei. Jetzt ließ sie sich von der Schafschur in Neuseeland oder der Hundeschur in Neufundland erzählen, fand jede Sachkenntnis »étonnant!«, die Hunde oder Schafe betraf, fand die Fesseln des neuen Boy so étonnant wie gestern seine Salto Mortales ins Vagantentum oder Steinkopfs prangendes Stirngewölbe.
So, in bitterstem Streit und bübischem Unrechttun, 123 schlief Blux ein, stöhnte im Schlaf und wachte mit dem Gefühl auf:
»Weh! Das tut weh! Das Leere in mir!«
Er stahl sich durch linde Nacht die Decks entlang, horchte an Monas Kabinentür, die fest geschlossen war und nichts verriet . . . Belauschte Paare, hörte Geheimes, das Dittelhei sogar entgangen war. Er kroch zum Radio-Deck hinauf, das schon gespritzt war, nach feuchtem Holz und etwas faulig roch.
Da waren Sterne, da war Mond, da war Luft, die wie ein Trunk sich gab, so voll, süffig und kühl, daß man sie an den Gaumen preßte.
Ihre Stühle, Monas und seiner, lagen sich, zusammengeklappt, Brust an Brust. Aber sie waren leeres Geflecht in hölzernen Rahmen, tote Stühle in toter Nacht.
Hier stand Blux, es dauerte lang, bis er Energie fand, das Paar toter Stühle auseinanderzureißen, seinen Namen auf der angehefteten Visitenkarte zu finden. Er wollte nicht Monas Gast sein, nicht da liegen, wo sie zu liegen pflegte.
In ein paar Tagen war der »Neptun« in Bombay. Von dort fuhr ein Teil der Passagiere ins Land hinein, tausend Meilen weit, nach Benares, Agra, Delhi. Ein anderer Teil kreuzte die Küste hinunter, blieb an Bord bis Colombo. – – –
Es war leicht, bei der Gesellschaft zu sein, bei der 124 Mona nicht war. In Bombay konnten sie sich trennen.
Von Colombo war es nicht mehr sein Plan, die Gastfreundschaft des »Neptun« zu genießen. Erst wollte er Ceylon studieren – auf eigene Faust, nicht mit gebundener Marschroute und unter Herrn Dittelheis Kommando.
Dann, dann . . .
Irgendwohin würden Glück und Reiselust ihn tragen. Nicht nach Deutschland zurück, wo Ursel ihm die Luft nahm, nicht auf den »Neptun«, wo Mona . . .
Jetzt war dieser Schmerz wieder da – kein Schmerz, dies Leersein, dies Gefühl, verloren zu haben.
Drei Tage bis Bombay, die mochten schlimm werden. Aber dann . . . Ein paar Reisetage nur, dann war alles Vergangenheit.
Syndetikon klebt, leimt, heilt, kittet alles . . . Reisen löst, befreit, heilt, entkittet alles.
Jetzt war Blux so müde, daß sein Hirn nur noch Wortsalat sammelte.
»Vous êtes étonnant! Vous avez les chevilles étonnantes!«
Richtig – heute früh noch hatte sie seine Fesseln erstaunlich gefunden. Jetzt hatte sie erstaunlichere gefunden.
»C'est du passé, Mademoiselle.«
Er streckte sich im Stuhl, Hände vor den Augen, 125 weil's Tag wurde, labberte vor sich hin, als säße sie neben ihm und bettelte.
»C'est du passé, Mademoiselle! Vorbei, alles vorbei, mein Fräulein!«
Dann dachte er an Ursel, an alles, was Frauen ihm je gebracht.
Daß er kindisch war, ein boshaft kindisches Kind, war ihm absolut klar. Keine Distanz, kein bißchen Ueberlegenheit. Aber was half diese Erkenntnis? Sie brachte nicht Schlaf noch Glück.
Zweimal im Lauf des Vormittags war Mona ihm begegnet, mit ihren warmen Augen und ihrer tiefen Stimme.
»Schlechte Laune, mein Freund?«
Nein, nur Kopfweh.
»Vous avez fait la bombe, hière?«
Ja, sie hatten die Bombe gemacht, hatten sich zu sehr amüsiert, bis tief in die Nacht hinein. Ein höchst ausgelassener Abend war das gewesen, Bar, Tanz, Poker bis in den Morgen.
Jetzt ging man schwimmen, Maître Steinkopf war noch tot, Lindpeitner hatte sich eben erst mühsam ins Bett geschleppt.
Es wurde fast glaubhaft, was er sagte, denn Lindpeitner und Mullah sahen beim Lunch aus wie tiefbetrübte Lohgerber, denen die Felle weggeschwommen. Steinkopf war gemessener als sonst, 126 buhlte mit seinem Glas, aus dem goldener Wein schimmerte. Lustig war nur Blux.
Schmecken ließ es sich nur Blux, der Monas Augen im Nacken fühlte. Er verhandelte mit dem Steward über wichtige Hors d'oeuvre-Fragen, stand zweimal auf, um zum Buffet zu gehn.
Dort stand, vor einem riesigen Aufbau kalter Herrlichkeiten, ein weißgekleideter, glattrasierter Herr, dessen blaue Augen im Wohlleben fast verschwunden schienen. Sie glitzerten nur noch aus dem schön durchbluteten Fett seiner Wänglein heraus. Welche Grazie besaß dieser Herr, wenn ein Gast Rat suchend zu ihm kam . . .
Wildschweinkopf in Aspik, mit Worcestershire-Sauce?«
Er machte sie gleichsam bekannt miteinander – den Wildschweinkopf und seinen Gast. Er hielt die große silberne Platte in Händen, wie eine Hebamme den Neugeborenen, Gebadeten, Gepuderten präsentiert.
»Ein bißchen Kater?«
Man war nicht waffenlos.
»Ich schicke Ihnen« – dicke und doch gefühlvolle Finger spitzten sich rhetorisch, überzeugend in der Luft, »ich schicke Ihnen ein Platte, die jeden Kater niederkämpft. Trinken Sie Pilsner dazu, sehr langsam, Herr Blux, eiskalt. Und ganz langsam essen, mit Pumpernickel!« 127
Mona sah das alles, mußte sehn, daß er keine Sorgen hatte als diese Konferenz.
Plötzlich stand sie hinter ihm.
»Das ist gutt! Und das – und das . . .«
Sie zeigte auf den Schweinskopf, den Eisblock mit Kaviar, den Riesenschinken, der sanft rötlich strahlte, zwei Finger tief in blendendweißem Fett. »Essen Sie Schinken!«
Dann war sie hinaus, Brebis und die alten Herrschaften waren allein, erstaunt, empört.
Blux hatte die rollenden Tränen in ihrer Stimme gehört, da war plötzlich alles ganz, ganz anders.
Ein Narr, der heute Nacht in die Tücher gebissen, Cocktails heruntergegossen und den Mond einen krummen Hund geschimpft hatte! – – –
Beim Shuffle-Board war Mona seine Partnerin. Sie standen der Meisterschaft im mixed double nicht fern, aber heut spielten sie jammervoll und brachten sich um jede Anwartschaft auf Dittelheis goldenes Zigaretten-Etui mit der Inschrift:
»Erster Preis des ›Neptun‹.«
Sie verwarfen absichtlich, nur um die Gegner an's Spiel zu lassen, sprachen leise und traurig aufeinander ein.
»Ich bin so enttäuscht, Herr Blux. Ich bin Ihnen nicht böse, aber so traurig.«
»Man kann nicht Illusionen über Freundschaft züchten, wenn man seine Freunde so behandelt.« 128
»Freunde dürfen nichts übelnehmen. Sie müssen wissen, warum man sie kränkt.«
»Nur Freunde dürfen übelnehmen. Freunde haben Anspruch auf Lügen. Fremde Menschen darf man en canaille behandeln.«
»Miß Hauff, it's your turn, please!«
Sie stieß die Holzscheibe gleichgültig ins Weite, traf aus Versehen das Feld, das am höchsten plus zählte.
»Good shot!« brüllte der Chorus.
Deutsche, Brasilianer, Franzosen – alle brüllten »good shot!« Blux auch, der noch gar nicht verziehen hatte.
Aber der Erfolg hatte Monas Augen wieder heller gemacht.
»Werden Sie noch einmal mit mir sprechen?«
»Ich bin zu Ihren Befehlen, gnädiges Fräulein.«
Sie trennten sich, als die Partie mühsam verloren war, noch immer en délicatesse, aber leichteren Herzens.
Blux zeichnete gleich darauf die Shuffle-Board-Spieler, ihre vorgebeugten Köpfe, mit denen sie die Scheibe noch im Lauf zu lenken schienen, ihre komischen Hände, die offenen Mäuler der »Good shot«-Brüller.
Man riß ihm die Blätter weg, ehe er sie mit seinem wuchtigen Krackel signiert hatte. Dies sollte er ausführen! Und dies! Drei!
Es war längst ausgemacht, daß jeder, der ein Blatt 129 an sich gebracht hatte, ein Couvert mit fünf Pfund in Blux Kabine schickte. Geld strömte auf Blux herein.
Und trotzdem bitter: Hogarth oder Daumier oder irgendein Großer, Wirklicher, hätten auf diesem Schiff nichts verdient, kein Pfund, keinen Sou! Blux gab den Ausdruck des kunstfremden Millionär-Pöbels – jedes Honorar aus dieser Gesellschaft war ein Fußtritt, mit dem er aus dem Tempel der Kunst gewiesen wurde.
Trotzdem . . . Geld macht absolut froh.
Wenn er heute Abend andere Gesellschaft suchte? Mit einer anderen steppte, walkte, Tango-Schritt übte? Momentan war er obenauf und konnte grausam sein.
Aber eilig, als hätte er den glühendheißen Gedanken nur gestreift, um seine Finger zu verbrennen, folgte er dem lieben Schatten, der zur richtigen Stunde die Reling hinglitt.
Dann nahm er mit gerunzelter Stirn den Bericht der Sünderin entgegen.
»Sie wissen, daß Mr. und Mlle. Laporte mich chaperonieren? Man hat mir eine Szene gemacht, ich kompromittiere mich . . . Man wird alles an Papa schreiben . . . Mr. und Mlle. Laporte schämen sich vor Brebis, die mitansehn muß, wie schlecht ich mich benehme.
»Man darf flirten an Bord, man soll flirten. Brebis soll auch flirten, man schämt sich, daß sie 130 mit siebzehn Jahren so hölzern ist, keinen Bestboy an Bord hat.
»Aber, ›il faut changer, Mlle. Mona! C'est un esclandre, comme ça!‹«
»Sehn Sie, – das war alles, Blux! Und deshalb mißhandeln Sie mich.«
Dann kam das Erstaunliche: Mona war kaum neunzehn Jahre alt! Diese Frau, die so sicher und mütterlich war, so zuhörte, so schwieg, so dominant im fremden Kreise war – ein Mädchen, das man ohne Chaperon nicht auf die Straße ließ. Ein Kind!
»Jetzt weiß ich alles!« dachte Blux, dachte es oder rief es aus, in einem Mischmasch aus fünf oder sechs Sprachen, die Mona alle verstand. Wer mit zwanzig Jahren so Frau war, würde mit fünfzig noch so Mädchen sein! Diese Reife war golden echt wie diese Kindlichkeit! Weiser Lindpeitner, der alles gleich erkannt! Hier war die Schwester mit den Mutteraugen!
»Ich hab gedacht, ich kann gehorsam sein, Blux! Ich hab nicht gedacht, daß ein Abend ohne Sie ganz tot ist. ›Shall I kiss you? Shall I kiss you?‹ hat der australische Boy ein dutzendmal gefragt, und ich hab jedesmal gesagt ›No thank you awfully much.‹ Dann war er blechern und trüb. Wenn ich mit Ihnen zehn Minuten gesprochen habe, bin ich immer ganz reich und hab was zum Durchdenken 131 und Nachkosten für die Nacht – so wie als Kind, wenn ich Pralinés am Bett wußte.«
»Shall I kiss you?«
»Do it! Do it!«
Von Stuhl zu Stuhl, über die Armlehnen hinüber, die ins Fleisch drückten, daß man blaue Flecken bekam, küßten sie sich und sahen sich in die Augen.
»Das ist unser dreizehnter Abend, Blux! Zwölf Abende lang hast du mir nur von anderen Mädchen und anderen Küssen erzählt.«
»Ich hab gedacht, du bist die Freundin.«
»Und ich habe doch gesagt: was für eine schlechte Frau bin ich für dich!«
»Ich bin ein Schulbub, ein Blinder.«
»Es macht nichts, Blux. Wenn du eine Häßliche geküßt hast, war mir immer, als hättest du mich geküßt.«
»Du bist tausendmal schöner als die Schönen!«
»Nicht wahr, eine Häßliche, die gefährlich ist, ist sehr gefährlich?«
»Und ich hab dir weh getan mit all meinen Beichten.«
»Jeden Abend hast du mir weh getan. Erst nur fünfzehn Minuten lang, bis wir zu den Reporters gingen. Dann noch zwei Stunden lang, bis die Matrosen kamen.«
»Das hast du verzeihen können?«
»Ich war glücklich, wenn du mich gequält hast. 132 Jetzt kenn ich dich ganz, deinen Glanz und deine Schwärzen.«
»Und weißt, was auf dich wartet? Jetzt, wo du gewarnt bist?«
»Jetzt weiß ich, daß ich alles gern hab, was von dir kommt. Soviel Kummer hast du mir schon gegeben, und es war schön.«
Zum zweitenmal fielen schwarze Brillen und dunkle Hüllen von ihrem Gesicht, zum zweitenmal entfaltete sie sich, tat ungeahnt schöne Augen auf, zeigte den heimlichen Mund, der so bestimmt war, Schmerzen zu verschweigen.
»Wenn du mich verlassen willst, – du wirst es tun. Wenn du mich schlagen wirst, – du sollst mich schlagen. Wenn du eine andere küssen wirst – küsse!«
»Du weißt, wie haltlos und stillos ich bin? Wie schlecht!«
»Es gibt kein Gut und Schlecht. Ich liebe Dich.« Das klang noch wach. Dann kam wie aus dem Schlaf: »Je t'ai–me«