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19. Keine Flitterwochenliebe

Das schöne Hochzeitsfest war nun glücklich vorüber. Die Gäste waren alle nach ihrer Heimath zurückgekehrt, die alten Leute in dem alten Hause erholten sich wieder von der Unruhe, während Elisabeth mit höchstem Eifer sich in ihrer Wirthschaft vertiefte. Als am ersten Nachmittag ihr Gemahl sie aufforderte, mit ihm spazieren zu gehen, sah sie ihn bedenklich an. Ich weiß doch nicht, ob ich Zeit habe, sagte sie.

Zeit? fragte er verwundert.

Den ganzen Morgen habe ich gekocht, erklärte sie, es ist keine Kleinigkeit, ein Mädchen anzulernen; zum Auspacken bin ich nicht gekommen, und ehe ich nicht mit einer großen Kiste wenigstens fertig bin, habe ich nicht Ruhe zum Spazierengehen.

Der Gemahl lachte: Jetzt Elisabeth paß auf, jetzt zanken wir uns, und Du mußt gleich im voraus bekennen, daß Du Unrecht hast, Du mußt doch Zeit zum Spazierengehen für mich haben.

Sie sah ihn einige Augenblicke nachdenklich an und sagte dann entschlossen: Ja, ich gehe mit Dir spazieren.

Möchtest Du wirklich lieber diese Erbsen und Bohnen auspacken, als mit mir gehen? fragte er scherzend.

Nein, ich gehe lieber mit Dir spazieren, versicherte sie aufrichtig.

Die ersten Wochen waren vergangen, und der Hausstand so weit geordnet, daß die jungen Leute Visiten machen und empfangen konnten. Der erste Besuch im neuen Hausstand aber waren die theuren Großeltern, und es war wirklich eine Freude, wie das junge Paar sich bemühte, es den lieben Gästen wohl zu machen, und wie diese beglückt waren im Glücke der geliebten Kinder. Die Großeltern mußten auch die ganze Wirtschaft in Augenschein nehmen und bewundern. Als sie durch die beste Stube wanderten, sah der Großvater auf einer Servante neben anderen Geschenken die schöne Hochzeitsbibel liegen. Er strich unwillkürlich über die Schaale, aber sagte nichts. Lieber Großvater, entschuldigte sich Elisabeth schnell, ich habe wirklich noch nicht ruhige Zeit gehabt zum ordentlichen Lesen, ich habe nur in meinem Ziehkästchen gelesen. – Der Großvater lächelte freundlich, und als nachher beim Abendessen ganz gegen die Gewohnheit der Großeltern ein jeder still für sich beten mußte, sagte der Großvater auch nichts.

Die Sache mit dem Tischgebet hatte sich das junge Paar ernstlich überlegt. Elisabeth hatte sich ja nicht ohne Gebet zu Tische setzen können, aber obgleich es ihr schwer wurde, mußte sie ihrem Manne recht geben: ihr Umgang war so verschieden, die meisten Leute darunter waren nicht gewohnt bei Tische zu beten, es würde nur verlegene Scenen geben, – es war gewiß besser, daß nur ein stilles Tischgebet eingeführt wurde, Elisabeth tröstete sich, sie wollte desto herzlicher für sie beten. Auch als das brave Dienstmädchen gleich am ersten Morgen, weil sie es so bei Oberförsters gewohnt war, nach der Morgenandacht fragte, hatte Elisabeth das schwere Amt, ihr zu sagen: sie würden für jetzt noch jeder allein für sich beten, bis einmal eine rechte Hausordnung erst eingeführt sei.

Dieses Fürsichlesen hatte Elisabeth bis jetzt nur auf einige Verse im Ziehkästchen beschränkt; aber gleich den andern Morgen, nachdem die Großeltern bei ihr gewesen waren, holte sie die Bibel auf ihren Schreibtisch, und hatte, weil sie gern früh auf war, auch gute Zeit, sich in aller Stille zu stärken für den Tag. Als sie bei ihrem Otto freundlich anfragte, ob er wohl mit ihr lesen möchte, hatte er ebenso freundlich geantwortet: sie möchte ihn nur für jetzt allein lesen lassen, er liebte nicht es so regelmäßig zu thun, er folge lieber seiner Stimmung und seinem Bedürfniß. Ihn wirklich darum zu bitten, fehlte es ihr an Muth und Lust, und sie beruhigte sich damit, daß es gewiß ebenso gut sei, wenn ein jeder für sich läse. Ihr Mann las nun auch wirklich zuweilen in der schönen Bibel, besonders des Sonntags Nachmittags, wenn sie Morgens beide in der Kirche zusammen waren, und zwar bei dem gläubigen Prediger, dessen Predigten Kadden einst gegen Elisabeth so verachtet hatte. Wenn er nun mit der Bibel in der Hand saß, konnte es Elisabeth einige Mal nicht lassen, das Mädchen gelegentlich hineinzuschicken, um ihr zu zeigen, daß ihr Herr, wenn er auch keine Andacht hielt, doch ein gottesfürchtiger Mann sei. Man konnte auch nicht wissen, Tante Julchen konnte vielleicht das Mädchen ausforschen, und Elisabeth wollte so gern sagen können: ein jeder hat seine eigene Weise, wir haben unsere Weise, und es wird sich mit der Zeit alles so gestalten, wie es uns Noth thut.

Der Umgang mit Herrn von Kaddens früheren Bekannten wurde sehr vorsichtig angefangen. Es fiel auch weiter nicht auf, weil der schöne Frühling alle Geselligkeit unnöthig machte. Nur die Familie des Obersten, die Mutter samt den Töchtern ließen sich nicht so abfinden, sie hatten einmal das Protectoramt über Elisabeth übernommen und waren in kleinen Gefälligkeiten und Rathschlägen unerschöpflich. Elisabeth wehrte sich zwar, besonders gegen die Eingriffe der Frau von Bonsak in ihren Haushalt, sie sprach es offen aus: sie habe gehört, junge Frauen ließen sich nicht gern von älteren Damen zu sehr leiten, weil es weit mehr Vergnügen mache, alles selbst auszuproben. Wenn man nicht auf den Kopf gefallen ist, versicherte sie eines Tages zuversichtlich, so ist Wirthschaften auch gar keine Kunst, auch das Kochen nicht, man kostet eben, bis es gut schmeckt. – Und muß vorsichtig mit dem Salzen sein, fügte der Oberst hinzu. – Natürlich, sagte Elisabeth sachverständig. Die einzige Schwierigkeit, fuhr sie fort, war eigentlich nur die: ich wußte nie, wie viel Zeit dazu gehörte, bis das Essen gar war. In den ersten acht Tagen war das Mittagsbrodt, aus Furcht, wir möchten uns verspäten, jeden Morgen um zehn Uhr fertig; in der folgenden Woche, weil es wirklich fatal war, das Essen drei Stunden warm zu halten, wurden wir erst um zwei oder drei fertig; aber jetzt paßt es fast auf die Minute.

Es gelang ihr auch, die ungewünschten Eingriffe in ihre Hausfrauenkunst abzuhalten; aber schwieriger war es, die Gefälligkeiten der Töchter zurückzuweisen. Diese fanden den jungen Haushalt zu interessant und hätten gar zu gern Hausfreundinnen gespielt, besonders trieb es Adolfine mit ihrer naiven Zudringlichkeit weit genug. Elisabeth würde sich vielleicht in einer gewissen kleinen Eitelkeit mehr haben hinreißen lassen, als ihr selbst nachher recht gewesen, sie liebte es doch sich etwas verwöhnen und auf den Händen tragen zu lassen, aber ihr Herr und Gemahl war gar nicht einverstanden damit und sprach seine Wünsche ziemlich unumwunden aus. Adolfine sagte ihm dagegen offen: er sei ein Tyrann, und wenn er seiner jungen Frau keinen angemessenen Umgang erlauben wollte, würde sie sich bald genug langweilen. Er versicherte darauf scherzend: er wünsche für seine Frau einen solideren Umgang, als so übermüthige junge Damen, und müsse darum Protest einlegen gegen diese projectirten Kränzchen und musikalischen Unterhaltungen. Der Verkehr wurde für jetzt also, wo die Geselligkeit ruhte, fast nur auf Morgenvisiten beschränkt, und Elisabeth sah es wohl ein, daß es so am besten sei.

Der Frühling brachte immer schönere Tage und immer schönere Spaziergänge, und da Herr von Kadden lieber zu Pferde als zu Fuße Ausflüge machte, wurde zu Elisabeths höchstem Vergnügen beschlossen, daß sie mit ihm ritte. Sie hatte es im vergangenen Sommer schon öfters im Garten der Großeltern versucht, das schöne dunkelbraune Pferd war völlig zugeritten, und als sie zum ersten Mal im schwarzen Reitgewande in Woltheim erschien, war Haus und Hof und die Oberförsterei in Bewegung. Friedrich, der die liebe junge gnädige Frau in Empfang nahm, versicherte, sie sähe eben so schmuck aus, als seine gnädige Frau zu ihrer Zeit, das Ding wäre aber auch so weit gescheiter als mit dem Ypsilanti.

Elisabeth ritt nun öfter. Daß sie nicht recht zuversichtlich und muthig auf dem Pferde war, wunderte sie sich selbst; noch mehr aber wunderte sich ihr Mann, er mußte ihr Pferd immer am Nebenzügel führen. Als er sie darüber neckte und ihr Adolfinen, die wirklich eine kühne Reiterin war, zum Muster stellte, gestand sie ihm: wie seltsam es sei, daß sie nie ohne Herzklopfen das Pferd bestiege und sich während des Reitens immer in einer leichten Aufregung befände. – Also nur ein Vergnügen in der Fantasie? sagte er bedauernd. Er versicherte aber, sie müsse die Aufregung überwinden lernen, sie sei auf dem Pferde so sicher als auf ebener Erde, wenn sie ruhig die Zügel festhalte; das Pferd sei so sanft und verständig und würde nichts ohne ihren Willen thun. Sie sollte gleich einmal versuchen, ohne Nebenzügel zu reiten; er wollte sie überzeugen, das es auch so ginge, es sollte ihr Muth machen. Elisabeth wollte nicht, er bat, er verlangte nur einen kleinen Versuch, aber vergebens. Er wurde endlich böse und versicherte heftig: er würde nie wieder mit ihr reiten. Schweigend ritten sie nach Hause.

Als er ihr beim Absteigen behilflich war, sah er sie schon wieder freundlich an; aber so schnell konnte sie sich nicht besinnen, sie eilte auf ihr Zimmer, um sich umzukleiden und sich die Sache zu überlegen. So ungezogen war er noch nie gewesen, und jetzt freundlich zu ihm zu sein, war eigentlich eine Unmöglichkeit; nein, sie mußte ja gar kein Gefühl haben, wenn sie das nicht verletzen sollte. Das natürlichste war, sie folgte ihrer Stimmung und that sich keine Gewalt an: er hatte Unrecht, die Sache war klar, er konnte sich nicht wundern. Sehr wohl war es ihm zwar dabei nicht, sie dachte an die Großmama, es wäre vielleicht jetzt Zeit für sie gewesen ein Vater Unser zu beten, um den Aerger los zu werden; aber genau betrachtet, war diese Kleinigkeit gar kein Vater Unser werth, sie konnte es recht gut einmal so versuchen. Freilich war ihr auch einmal gesagt, man müsse sehr zart und vorsichtig mit der Liebe sein und auch in den größten Kleinigkeiten nicht albern mit ihr spielen. Spielen wollte sie auch nicht, sie war ernstlich böse und mit Recht. Dennoch nachgeben und demüthig sein, war zu viel verlangt, paßte recht gut für die Großmama und die alten Zeiten, aber vertrug sich nicht mit der jetzigen freieren und selbstdenkenden Erziehung der Töchter. Viel Zeit zu diesen gescheiten Gedanken blieben ihr aber nicht, ihr Mann klopfte schon ungeduldig an die Thür, sie mußte sich eilen fertig zu sein; sie entschied sich also kurz, ihrer Stimmung zu folgen und zu beweisen, daß sie eine selbstdenkende Erziehung hatte.

Denselben Abend, es war schon gegen fünf Uhr, Elisabeth saß nachdenklich vor ihrem Schreibtisch, sie war den ganzen Abend allein, zum ersten Mal in ihrer jungen Ehe. Ihr Mann, weil es ihm natürlich lästig war, eine so schweigsame und zartthuende Seele um sich zu haben, war ausgegangen. Elisabeth hoffte, er würde sehr bald wiederkommen, und nahm sich vor, dann freundlicher zu sein. Sie nahm ihr Arbeitszeug und ging in den kleinen Garten, sie wohnten sehr freundlich vor dem Thor, an derselben Stadtseite, wo die Großeltern einst gewohnt hatten. Sie setzte sich in die Jasminlaube und war fleißig. Sie ging dann in den Wegen auf und ab, blieb vor den schönen duftenden Rosen stehen, schaute auch über die Hecke hinaus in das weite Feld. Sie wurde immer unruhiger, aber es war gewiß eine Stunde vergangen, ihr Mann war noch nicht zurück. Sie verließ nun den Garten, trat in den Pferdestall zu dem schönen braunen Thier, der unschuldigen Ursache ihres heutigen Kummers. Sie streichelte und klopfte es und sah ihm in die klaren hübschen Augen. – Du bist nicht daran Schuld, sagte sie, ich bin es ganz allein. – Sie kam wieder aus dem Pferdestall, sie brachte ihre kleine weiße Hühnerfamilie zur Ruhe, dann dachte sie das Abendbrot anzuordnen, um sieben Uhr mußte er jedenfalls kommen. Sie ging noch einmal selbst in den Garten, zog die frischen rothen Radieschen selbst aus dem Beete und nahm noch allerhand Kleinigkeiten vor, bis es endlich Sieben schlug.

Das Abendessen war bereit, längst bereit, Elisabeth wartete vergebens. Als es Acht schlug, nahm sie betrübt, aber auch mit neuer Unzufriedenheit, Hut und Tuch, und ging wieder in den Garten. Sie ging gedankenvoll weiter, durch die Gatterthür der niedrigen Hecke, gegenüber auf dem Grasrain an einem blühenden Roggenfeld hinauf. Hier war es still und friedlich, die volle sommerliche Abendsonne legte ihr Gold auf Wald und Feld, einige Lerchen noch sangen hoch oben in der klaren Luft, und Kornblumen und rother Mohn und weiße große Sternblumen standen so lieblich im abendlichen Sonnenlicht. Elisabeth wagte keine Blume zu pflücken. Ihr steht hier so lieblich, in meiner Hand würdet ihr nur verblühen, dachte sie. Ja, ich möchte auch so zart und rein sein, daß sich alle Herzen über mich freuen könnten. Sie schaute auch höher hinauf, in das tiefe klare Blau, was so tröstlich in ihr zagendes Herz hinabschaute. Lieber Herr, verzeihe mir! Ja zu Dir darf mein trauriges Herz immer kommen, Du bist immer wieder liebreich und freundlich, auf Menschen und auf das eigene Herz darf man sich nicht verlassen. Mir ist es heut so einsam in der Welt, als noch nie; aber das soll es sein, damit ich erinnert werde, daß ich mich nicht verlasse auf Menschen. – Als sie die Hände faltete, berührte sie unwillkürlich ihren Trauring. – Selbst Menschen, die man lieb hat, können ungerecht und lieblos sein, und darüber wird das eigene Herz auch kalt; ich könnte mir jetzt noch, weniger helfen, als heut Nachmittag. So lange, lange Stunden hat er es aushalten können, jetzt kann ich doch unmöglich fröhlich und glücklich sein, lieber Herr, hilf mir und mache Du alles gut, denn ich kann gar nichts. – Sie saß noch eine ganze Zeit zwischen den Blumen am blühenden Roggenstück, und als die letzten Sonnenstrahlen über das Grün blitzten, ging sie heim wie ein müdes Kind.

In der Stube war es schon tiefe Dämmerung, sie setzte sich an den Schreibtisch, zündete ihr kleines Licht an und las in der Bibel, – bis zehn Uhr, ihre gewohnte Zeit, wollte sie aufbleiben. – Sie las im Evangelium Matthäi die Bergpredigt, die Verkündigung des Himmelreiches, das schon hier auf Erden in den Herzen der Gläubigen mit seiner Macht und seinem Frieden und seiner Herrlichkeit leben soll. Den Kopf in die Hand gestützt, saß sie nachdenklich, als plötzlich schnelle Männertritte die Treppe herauf kamen. Sie erschrak und zitterte heftig. Das war er. Was sollte nun werden? – Ihr erstes Gefühl war, die Bibel fortzulegen, er sollte es nicht wissen, in welcher Stimmung sie war, freundlich wollte sie dennoch sein, aber ihren Kummer wollte sie allein tragen, die Gedanken ihres Herzens sollte er nicht erfahren, das hatte er nicht verdient. Sie hatte die Hand schon an die Bibel gelegt, da fühlte sie das Zürnen des Herrn: Wenn ich dir helfen soll, mußt du erst demüthig sein.

Herrn von Kaddens Absicht war es nicht gewesen, so lange auszubleiben, Stottenheim hatte ihn aber gleich mit einer Lobrede empfangen, daß er endlich so vernünftig sei und allein ausgehe, und nicht immer bei seiner Frau sitze, und hatte ihn in einen Kaffeegarten geführt, wo auch die anderen Kameraden versammelt waren. Sie kegelten zusammen und Kadden ließ sich durch Ernst und Scherz überreden, einmal einen Abend mit ihnen in der gewohnten alten Weise zu verleben. Elisabeth – das war seine Beruhigung – hatte heute auch nicht das Recht, sich darüber zu beklagen, sie war, ungeachtet er sein Unrecht eingesehen, dennoch unfreundlich geblieben. Freilich sie den ganzen Abend vergeblich warten zu lassen, war vielleicht zu viel, dachte er, und gerade dies leise Gefühl des Unrechts veranlaßte ihn, sich mit Ruhe und Kälte zu waffnen, wenn sie ihm mit neuen Vorwürfen oder doch wenigstens zürnend möchte entgegen kommen. – Er trat schnell ein, blieb aber unwillkürlich an der Thür stehen. Bei dem kleinen Lichte saß sie vor der Bibel, – es ward ihm im Herzen alles klar, es bedurfte gar keiner Erklärung weiter, er wußte ihre Stimmung.

Elisabeth stand auf und reichte ihm hastig ihre Hand, als wollte sie sich ihren Sieg durch seinen unfreundlichen Empfang nicht wieder streitig machen lassen.

Er aber war nicht unfreundlich, er mußte sich nur einen Augenblick sammeln. Liebe Elisabeth, sagte er weich, verzeihe mir, daß ich Dich so lange warten ließ.

Da war es vorbei mit allen vernünftigen Vorsätzen. Reden konnte sie zwar nicht, ehe sie nicht ihrer Thränen Herr geworden, aber dann gab sie Antwort auf alle seine liebevollen Fragen. Ja sie schüttete ihr ganzes Herz aus, erzählte ihm ihre Ungeduld, ihren Kummer, ihre Reue, den ganzen Abend, selbst ihre Betrachtungen bei den Blumen.

Er hörte alles an mit bewegtem Herzen, seine Liebe war bereit sie zu trösten, er fühlte sich wieder angeweht von der Kraft des Reiches Gottes, von der Wunderwelt dort über sich, er griff auch zum Schlusse nach der Bibel, und beide lasen die Bergpredigt noch einmal zusammen.

Als Elisabeth am andern Morgen aufstand, war ihr Mann schon fortgeritten zur gewöhnlichen Uebung, und als sie an ihren Schreibtisch trat, fand sie hier im frischen hellen Wasserglase Kornblumen, rothen Mohn und weiße Sternblumen, – so lieblich und friedlich schauten sie zu ihr auf und mit dankbaren Herzen neigte sie sich zu ihnen hinab. Ja Herr, ich danke Dir, daß Du mir auch in dieser Kleinigkeit geholfen hast! Wie würde es mir heut wohl sein, wenn ich mich in meinem Hochmuth nicht besinnen konnte?

Aus Kleinigkeiten besteht das ganze Leben, mit Kleinigkeiten übt der Böse seine Macht an den Menschenseelen, eine Kleinigkeit nach der andern macht sie matter und matter, bis sie weder zart fühlen noch zart aufmerken können, und ohne es recht zu merken, gerathen sie in das Elend hinein, und die Liebe, die da immer zarter und aufmerksamer werden soll, ist dann eine Flitterwochenliebe gewesen.

Gegen Mittag, die gewöhnliche Zeit, wo das Militär in die Stadt zurückkehrte, hörte Elisabeth die wundervolle Militärmusik schon aus der Ferne. Sie hatte ja darauf gewartet, sie eilte an das Fenster, schaute durch die Scheiben, und sah wie die Sonne auf den hellen Kürassen blitzte. Als der prächtige Zug aber näher kam, trat sie, wie sie es immer that, zurück an die Gardine, bis ein Reiter den Kopf noch einmal wandte und grüßend hinauf sah.


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