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44. Der Hausfreund

Elisabeth hatte die Adventszeit ganz für sich verlebt. Sie hatte die Mutter gleich im ersten Briefe eingeladen zu kommen, weil ihr Mann ja besser war, aber der Geheimerath lag selbst an einem gastrischen Fieber, zwar nicht gefährlich, aber Elise konnte ihn doch nicht verlassen. Die Großmama war von der langen ungewöhnlichen Aufregung angegriffen, und da ihr Großmutterherz nichts mehr zu sorgen hatte, lebte sie gern in lieber gewohnter Stille mit dem Großpapa.

Die Genesung des lieben Kranken ging den gewöhnlichen langsamen Gang, in der ersten Woche schlief er fast immer, in der zweiten begann er zu essen, und Elisabeth hatte herrlich viel zu kochen. Jetzt gab es erst so viele liebe Arbeit bei der Pflege, und wenn jetzt ihr Mann zuweilen ungeduldig wurde, wenn es auch nur mit dem gewissen schnellen fragenden Blicke war, dann freute sie sich, – er war doch zu erschrecklich sanft gewesen. Als er aber den Doctor fragte, wann er wohl aufstehen und wann er dann ausgehen dürfe, und dieser ihm verkündete, daß er in einigen Wochen das Aufstehen versuchen und auch das Gehen wieder lernen solle, da ging es mit seiner Ungeduld über die Blicke hinaus, er verbat sich solchen wunderlichen Scherz.

Elisabeth hatte liebkosend seine Hand genommen. Der Doctor ließ sich indeß nicht bange machen: er versicherte den Kranken ernsthaft, dies Aufwachen seines Temperamentes sei ein herrliches Zeichen der Genesung, und profezeihete, daß nach dieser langen Krankheit seine Lebenskraft und sein Lebensmuth sich um das Doppelte steigern würden, ja daß er ohne Zweifel den verloren gegangenen Spitznamen jetzt wieder zu Ehren bringen würde.

Da mußte er doch lächeln, und als seine Blicke auf den Burschen fielen, der dabei stand und der mit dem ganzen Gesichte bei dieser Profezeihung lachte, sagte er scherzend: Nun, Wilhelm, was meinst Du zu der Erinnerung an die guten alten Zeiten?

Ich habe gar nichts dagegen, war die schmunzelnde Antwort des guten Dieners, der mit dem Doctor dann das Zimmer verließ.

Und Lieschen, was meinst Du dazu? wandte sich Kadden jetzt vergnügt zu seiner Frau.

Ich fürchte mich auch nicht, sagte sie lächelnd.

Er sah sie nachdenklich an. Ja ich weiß es, Du fürchtest Dich nicht mehr vor mir, sagte er getrost, und dem Wilhelm habe ich neulich in einer vertraulichen Stunde aus einander gesetzt, warum ich ihn damals als glücklicher Bräutigam so gut behandelte, daß der Grund aber nicht ausreichend war, und daß ich nun dem Herrn Gott zu Gefallen ihm wollte ein braver Herr sein, – er hat es auch vollständig eingesehen. Er ist gescheiter als sein Herr, dem hast Du es damals auf dem Ball gleich so verständig vorgestellt, und der wollt es doch nicht glauben. Aber wenn ich mir nachher überlegte, fügte er nach einer Pause hinzu, warum ich Dich gleich so sehr herzlich liebgewonnen, und es selbst nicht recht wußte, – es war sicher nur, weil Du mir gleich so vielen guten Rath gegeben hast.

Elisabeth war ganz einverstanden damit, und als sie schon von ihm gegangen war, um ihre Hausfrauenpflichten zu besorgen, dachte er noch lange an den ersten Ballabend, wo er so hoch erhaben war über einen Kinderglauben und über Engeltheorien, wo er mit einem so armseligen Himmel groß that, und so entsetzlich gewissenhaft war. Er schämte sich jetzt freilich, aber er mußte sich doch entschuldigen, daß er zu unwissend war, – zu vernachlässigt und verwahrlost, wie Fritz damals sagte.

Endlich am ersten Weihnachtstage sollte der Genesende den ersten Versuch mit dem Aufstehen machen, die Großeltern waren feierlich dazu eingeladen, und sie hatten versprochen zu kommen. Am heiligen Abend aber sollte den Kindern und den Leuten in der Krankenstube bescheert werden, es war alles dazu köstlich vorbereitet und aufgebaut. Als es dämmerte, ging Elisabeth mit Friedrich in die Christvesper, Herr von Stottenheim trug den Jungen, er hatte in diesen Tagen fleißig beim Vorbereiten der Bescheerung geholfen, weil er versicherte, daß, wenn er den Tag über in seiner einsamen Stube gewesen, er ein ordentliches Heimweh nach der Krankenstube habe.

Er war aber auch ein Hausfreund wie er im Buche steht: er zog allerhand praktische Erkundigungen ein, war zu allerhand kleinen häuslichen Hilfen bei der Hand, er putzte dem kleinen Friedrich das Kittelchen ab, er band ihm die Schnürstiefelchen zu, und putzte ihm, wenn es darauf ankam, die Nase. Der kleine Friedrich dagegen war wieder sehr vertraut mit ihm, er kletterte auf seinen Knieen herum, und als er einst darauf stand, mit seinem Haar spielte, und zu seiner Verwunderung bemerkte, daß oben eine kleine kahle Stelle war, sagte er auch verwundert: Onkel Stottenheim, Du wirst gewiß noch so groß wie Papa, Du wächst ja schon durch Deine Haare. – Stottenheim freute sich herzlich darüber und erzählte es selbst, weil er den Jungen so lieb hatte und ihn bewundert wissen wollte.

Jetzt trug er ihn also in die Christvesper, er hatte ihn in seinen Paletot gehüllt und der Junge sagte ihm wieder zu seiner Herzensfreude alle die kleinen Verse und Lieder her, die er dem Christkindchen zu Ehren gelernt. In der Kirche nahm Elisabeth ihr liebes Kind selbst auf den Schooß, sie saßen beide mit gefaltenen Händen und hatten beide das Christkind in der Seele. Der kleine Junge sah schon Wunder genug in der erleuchteten Kirche und den singenden Kindern, die immer von der einen Seite und wieder von der andern antworteten, Elisabeth schaute höher hinauf zu dem lieben Christkind, zu dem Stern von Bethlehem, der ja ihres Herzens Sehnen und ihres Glaubens Seligkeit war.

Beim Ausgange aus der Kirche traten die Frau Pastor Kurtius und Frau Assessor Borne zu Elisabeth. Sie war ihnen schon öfters auf dem Kirchwege begegnet und war, wie sie es gewohnt war, mit einem leichten und verlegenen Gruße an ihnen vorübergegangen. Beim jedesmaligen Begegnen war ihr die Vergangenheit vor die Seele getreten, wo sie so sicher und getrost ihr weltliches Leben diesen Frauen gegenüber vertheidigen wollte. Sie schämte sich dieser Zeit, aber sie dachte nicht daran, sich nun von einer besseren Seite zu zeigen, sie war zufrieden, daß der Herr ihr Herz kannte. Aber das ist wieder so wunderbar: wenn unser einziges Verlangen ist, nur mit dem Herrn zu leben, nur Ihm unser Herz zu geben, so bleibt es am wenigsten verborgen, wie es mit uns steht. – Pastor Kurtius hatte Elisabeth zuweilen in der Krankheitszeit besucht, und seiner Frau und auch deren Freundin brannte das Herz, einen anderen Gruß als diesen verlegenen von Elisabeth zu erhalten. Sie waren darum an sie heran getreten, sie sprachen ihre herzliche Theilnahme über die Genesung ihres Mannes aus und sagten, daß sie mit ihren Gedanken und Gebeten oft bei ihr in der Krankenstube waren. Elisabeth dankte ihnen so warm, so ganz ohne Rückhalt, sie wußte kaum warum die Frauen so herzlich gegen sie waren, aber es that ihr wohl.

Nach dem kleinen Verzuge eilte sie desto schneller nach Hause; der Weg von der Kirche nach dem Thor war nicht ganz nahe, aber die Sterne funkelten über dem weißen Schnee, es war ein rechter Weihnachtsabend. – Als sie ihrem Hause näher kamen, bemerkte Elisabeth, daß es in der Feststube ungewöhnlich hell wurde. Was ist das nur, sagte sie erstaunt, wer steckt denn unsern Weihnachtsbaum an?

Mama, das Christkind steckt ihn an, belehrte der kleine Friedrich, und Stottenheim war wieder entzückt über den Jungen.

Sie waren die Treppe hinauf geeilt und fanden den Burschen im Vorsaal mit einem besonders vergnügten Gesichte. In dem Augenblick erschien auch Johanne mit der kleinen, jetzt schon ganz verständigen Marie, und die Köchin erschien, und kaum hatten die Kirchgänger ihre Sachen abgelegt, als die Thüre der Feststube sich öffnete und der Hausherr selbst die Harrenden einließ. – Die Ueberraschung war zu groß. – Selbst Friedrich hätte darüber fast den Christbaum vergessen, – er hatte den Papa so lange nicht auf und in Uniform gesehen; da aber heute nicht ihm, sondern der Mama die erste Begrüßung ward, ließ er sich bald von Stottenheim zum brennenden Baum und zu seinen Soldaten und Waffen und Pfefferkuchen führen. Auch den Leuten wußte Stottenheim ihre Plätze anzuweisen.

Während alle Aufmerksamkeit auf die Bescheerung gerichtet war, saß Elisabeth neben ihrem Mann im Sofa, sie war völlig zufrieden mit ihrem Christgeschenk und dachte nicht daran, daß es noch etwas anderes für sie geben könne. Als sie aber doch aufstand, um ein kleines Tischchen aus dem Nebenzimmer zu holen, das sie mit den Geschenken für ihren Mann bereitet hatte, und als sie das Tischchen vor ihn hin setzte, stand vor ihrem Platze schon ein Tisch. Ihre Augen sahen verwundert hin und strahlten in heller Freude; außer anderen Geschenken, lagen in der Mitte des Tisches die Wangeroger gemalten Rosen, und darum war ein Kranz von prächtigen großen Muscheln gestellt.

O meine Rosen! sagte sie. Und wo hast Du die Muscheln her? fügte sie verwundert hinzu.

Die habe ich Dir in Wangeroge zum Christgeschenk gekauft, entgegnete er. Nachdem ich Dir die verheißenden Worte unter die Rosen schreiben mußte, durfte ich sie doch auch im Herzen haben, setzte er hinzu.

Elisabeth sah ihn glücklich an, sie konnte nichts sagen, es war ihr als höre sie das Meer rauschen, als sähe sie die silberne Brandung und fühle das erquickliche Rauschen der Fluth. Er aber dachte ernsthaft: Es war doch gut, daß sie mir die Gedanken ihrer Seele nie verbergen konnte, sie mußte mich doch immer wieder stärken im Glauben; ich aber will sie wie mein Herzblatt bewahren.

Sie saßen bald darauf mit Stottenheim beim Abendessen. Stottenheim, der natürlich auch beschenkt war und sich überhaupt in einer gemüthlichen Stimmung befand, sprach sehr aufrichtig und gefühlvoll. Als Kadden das Tischgebet laut gesprochen, versicherte er gleich: er finde das wunderschön in einem vertrauten Kreise, das Herz wolle doch auch seinem Schöpfer danken für die Wohlthaten, die es täglich von ihm empfange.

Nur in einem vertrauten Kreise? fragte Kadden.

Ja, liebster Freund, entgegnete Stottenheim achselzuckend, in unsere Art von Gesellschaft paßt es nicht hinein, wir ändern die Menschen damit auch nicht.

Du meinst also auch, sagte Kadden ruhig, für unsere Verhältnisse, für unseren Stand, für unser ganzes Leben paßt ein gottesfürchtiges Leben nicht.

Ein gottesfürchtiges Leben paßt wohl, sagte Stottenheim altklug, aber man muß damit nicht heraustreten: man behält es in der Stille für sich und sein Familienleben, und schließt sich so gut es geht den herkömmlichen Formen und Sitten an. Wenn man mit der gehörigen Klugheit und Umsicht zu Werke geht, so sollt ich glauben, müßte sich das aufs beste vereinigen lassen.

So hättest Du innerlich gegen den Bibelglauben nichts einzuwenden? fragte Kadden.

Nein wahrhaftig nicht, entgegnete Stottenheim, es giebt da freilich noch manche Dinge, die mir unverständlich sind, ich lasse sie gern bei Seite liegen, ich kann mich kaum darin selbst verstehen, aber es zieht mich wahrhaftig zu dem Ernst des Lebens hin, ich fühle jetzt eine Befriedigung darin, die mir unendlich wohl thut.

Du würdest also, fuhr Kadden fort, wenn Du Dein eigener Herr wärest, wenn Du z.B. auf dem Lande wohntest, wenn Du ein Gutsbesitzer wärest, unabhängig von der ganzen Welt, wenn Du Dir Umgang nach Belieben wählen könntest, Du würdest Dich dann entschieden auf die Seite der Gläubigen stellen?

Ja wahrhaftig, das würde ich, ich würde mir einen gläubigen Pastor anschaffen und nach meines Herzens Gefallen leben. Wenn ich mir dazu denke, fuhr er lächelnd fort, daß Du ganz in meiner Nähe wohntest, auch in ähnlichen Verhältnissen lebtest, auch ein selbständiger Mann wärest, ich versichere Dich, ich würde Deinen ganzen Hausstand mir zum Muster nehmen, ja ich gestehe es, ich würde mich gern von Dir etwas in das Schlepptau nehmen lassen.

Stottenheim, begann Kadden lächelnd, wenn die Sachen so stehen, dann erlaube mir, daß ich Dich hier schon in das Schlepptau nehme. Wir wollen einmal thun, als ob wir freie Männer wären, ich verspreche Dir, ich will Dich durch all die kleinen und großen Klippen, die Du in unserer Stellung siehst, glücklich durchbringen, ich habe mir einen guten Steuermann angeschafft.

Liebster Freund, begann Stottenheim pathetisch, denke Dir, ob wir überhaupt hier in unserer Stellung bleiben könnten, wenn wir uns aus der Gesellschaft zurückziehen, wenn wir die wirklich aufrichtige Gesinnung mancher Freunde vor den Kopf stoßen? – Kadden schwieg und seufzte unwillkürlich, und Stottenheim, durch diesen Seufzer muthiger gemacht, begann die unzähligen Klippen ausführlich zu schildern und schloß mit der Versicherung, man könne mit der wahren Gesinnung im Herzen doch äußerlich mit der Welt, die, wenn man eben eine andere Ueberzeugung habe, uns auch nichts schaden könne, gemüthlich fortleben.

Kadden seufzte aber nur in der Erinnerung an seine eigene Thorheit und Schwäche und Menschenfurcht; Stottenheim hatte jetzt dieselben Ansichten, wie Elisabeths Mutter, auf die sich das Töchterchen immer so schön berufen, und die er selbst so gern hörte und so gern bestätigte. Er schwieg aber, er wollte nicht mit Worten streiten, dabei kam nicht viel heraus, es drängte ihn, mit dem Leben zu beweisen. Ein treues Herz, das wirklich den Herrn Christus lieb hat, muß es auch bezeugen vor der Welt, es kann nicht in den geringsten Kleinigkeiten der Welt nachgeben und auch nicht in den geringsten Kleinigkeiten den Herrn vom Thron herabstoßen, den Er in seiner Seele einnimmt. »O daß du kalt oder warm wärest!« hat der Herr Christus gesagt, und damit hat er Hunderten von Christen das Urtheil gesprochen. Es giebt Christen, die da wohl bewegt sind von der Erscheinung des Herrn, von seiner Lehre und von seinen verheißenden Segensworten, Christen, die nicht mit der Welt rufen: Kreuzige, kreuzige ihn! die mitleidig und gerührt und Thränen vergießend am Wege stehen, wenn Er an ihnen vorübergeht, um auf Golgatha ein Erlöser zu werden. Ja, sie weinen wohl, aber sie weinen nicht Thränen über die eigene Sünde und nicht Thränen der Buße; solche Thränen sind zu bitter und zu unbehaglich und ernsthaft, nach solchen Thränen läßt sich die Sünde nicht leicht nehmen, das Leben in der Welt nicht so klüglich vertheidigen. Da heißt es entweder: Du verleugnest die Welt und trägst dem Herrn das Kreuz nach und hast in ihm deinen Erlöser, oder du bleibst mit deiner Herzensbewegung und deinen Rührungsthränen in der Ferne stehn, da kannst du nach dem Gefallen deines Herzens mit der Welt liebäugeln und auch hinüber schauen nach dem Kreuze, wie es dir gerade passend scheint. Daß der Herr ein Erlöser ist, das leugnest du freilich damit nicht, aber damit ist er immer noch nicht der deine, du hast nichts von deinen Rührungsthränen, und es wird dir nichts helfen, dort auf deinem Wachtposten zu stehen. Entweder du mußt der Welt entschieden absagen, die Sünde ernst nehmen und jede Gelegenheit zu ihr fliehen, und den Herrn Christus auch zu deinem Erlöser annehmen; oder du mußt über kurz oder lang mit der Welt rufen: Kreuzige, kreuzige ihn!

Stottenheim hatte indessen herrlich gesprochen und sich selbst mit großer Befriedigung gehört. Er hatte den Herrn Christus mit der Wirklichkeit, der Wahrheit des Lebens, wie er sie mit dem Obersten nannte, gut Freund gemacht. Elisabeth schwieg gern dazu, sie bewunderte aber ihren Mann, daß er es ertragen konnte, ihn so reden zu hören. Es waren ja freilich ihre eigenen klugen Ansichten von ehemals, aber Stottenheims so oberflächliche, wort- und blumenreiche Art klang wirklich als wie eine Parodie auf Kaddens frühere Reden. – Kaddens Schweigen hatte den armen Stottenheim begeistert, jetzt glaubte er sich vom Freunde anerkannt und gänzlich mit ihm einverstanden. Ich freue mich wahrhaftig, schloß er seine Betrachtungen, auf den schönen Winter, den wir jetzt vor uns haben, ich werde auch jetzt mit diesen erhabenen Gefühlen mich erhaben über der Welt fühlen, und in dem Sinne erst Genuß haben, und das danke ich Dir, mein lieber Freund. Uebrigens müssen wir uns gestehen, daß wir nur freundschaftliche Gesinnungen hier genossen haben, daß es ein allerliebster Kreis ist, in dem wir leben. Ich versichere Dich, Kadden, man sehnt sich ordentlich nach Eurer lieben Gesellschaft, im vergangenen Winter hat man erst die Erfahrung gemacht, wie sehr Du mit Deiner lieben Frau in unserem Kreise fehltest.

Fräulein Adolfine seufzt wohl nach Tänzern, scherzte Kadden, und Fräulein Keller nach Edelknaben, und mein Lieschen soll wieder mit Dir das trauernde Königspaar vorstellen?

Nein, wahrhaftig nicht! lachte Stottenheim, Ihr werdet beide nur zu den jugendlichsten Rollen verwandt werden können, auch sind genug andere liebenswürdige Damen da, Du brauchst nicht mit Fräulein Adolfine zu tanzen.

Elisabeth sah ihren Mann lächelnd an, er aber that ernsthaft und sagte: Du hast Recht, Stottenheim, das Tanzen können wir noch nicht aufgeben, dazu sind wir beide zu jung. – Stottenheim nickte ganz vergnügt. – Ich habe die Absicht, nur mit meiner Frau zu tanzen, fuhr Kadden fort, Friedrich und mein Töchterlein ist wieder ein Paar, und wenn Du für Dich eine Dame besorgst, erlaube ich Dir, an unserem Tanzvergnügen Theil zu nehmen.

Allerliebst, wirklich allerliebst! lachte Stottenheim, und Kadden fuhr fort:

Auch von Tableaux bin ich ein großer Freund, aber auch dazu, habe ich mich überzeugt, bedarf ich keiner fremden Personen, meine Frau und meine Kinder sind darin geborene Künstler.

Stottenheim, der durchaus nichts Besonderes hinter diesen Worten suchte, sagte entzückt: Ja wahrhaftig, Du bist ein glücklicher Mann. Uebrigens halte ich Dich beim Wort mit der Erlaubniß, eine Dame hier in diesen glücklichen Kreis einführen zu dürfen. Ja wahrhaftig, Kadden, setzte er feierlich hinzu, wenn Du mir eine passende Frau verschaffen könntest, ich hätte Lust, mir auch einen eigenen Heerd zu gründen.

Das Geschäft überlasse ich meiner Frau, sagte Kadden, die versteht das besser als ich.

Elisabeth lächelte und dachte: Ich weiß schon eine. – Stottenheim aber fuhr etwas pathetisch fort: Ich verspreche dann ganz gewiß, mein Leben nach dem Leben einzurichten, was ich hier bei Ihnen habe kennen lernen. Das soll mir stets ein Vorbild sein.

Versprich nicht zu viel! warnte Kadden.

Gewiß nicht! versicherte Stottenheim. Ich muß mir freilich eine Frau nehmen, die an einem glücklichen häuslichen Leben Freude findet, die überhaupt einfach und anspruchslos ist, denn Luxus treiben kann ich in meinen Verhältnissen nicht, und eben nur in Folge meiner jetzigen Lebensansichten habe ich den Entschluß, mich zu verheirathen, fassen können. Meine Frau muß den Muth haben, hier in unserem Kreise immer die einfachste sein zu können.

Den hat sie auch, scherzte Elisabeth.

Kadden sah sie fragend an. Du siehst nun, an welchen geschickten Geschäftsführer ich Dich gewiesen habe, wandte er sich dann zu Stottenheim. Nun sage aber, Elisabeth, wen Du meinst.

Da werde ich mich wohl hüten, entgegnete Elisabeth, ich will Herrn von Stottenheim gewiß nicht darauf bringen, ich will kein Geschäftsführer sein.

Geschäftsführer gerade nicht, sagte Stottenheim, aber man läßt sich doch gern von guten Freunden helfen. Ich, meine verehrteste Frau, habe Ihnen auch erst Ihren Gemahl zugeführt, ohne mich wäre er nicht auf den Ball gekommen, hätte Sie nie gesehen.

Ja, das ist wahr, sagte Elisabeth und sah freudig auf zu ihrem Gemahl, sie gedachte des Abends, wo sie zum ersten Mal seine hohe Gestalt zwischen den fremden Herren erblickte, und wo sie dann seine Augen immer so warm und fragend über sich sah. Ja, ich bin Ihnen sehr dankbar, sagte sie, und wenn Sie mich nur irgend etwas errathen lassen, so will ich Ihnen wieder erkenntlich sein.

Und dann, Elisabeth, wenn wir Stottenheim hier ein Verlobungsfest geben, ziehst Du ein weißes Kleid mit blauen Schleifen an, bestimmte der glückliche Gemahl.


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