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IV.
Der Türkenkrieg.

[V. fehlt in der Numerierung der Kapitel.]

Der lange erwartete Schlag war endlich gefallen; der Krieg Rußlands mit der Pforte war ausgebrochen. Als der Kaiser heimkehrte von seiner traurigen Fahrt nach der Villa des Grafen Dietrichstein, waren soeben Couriere angekommen aus Petersburg, Constantinopel und Berlin. Der Courier aus Petersburg brachte ihm, nebst vielen Depeschen seines Gesandten, des Grafen Cobenzl, ein eigenhändiges Schreiben der Kaiserin. Katharina mahnte ihn in demselben an sein ihr in Petersburg gegebenes, in Cherson erneuertes Gelübde: wenn es wieder zum Krieg Rußlands mit der Türkei komme, dann treu zu ihr zu stehen, und mit ihr seine Armee in den Kampf ziehen zu lassen wider die Türkei.

Und jetzt war die Stunde gekommen, in welcher der Kaiser sein Gelübde erfüllen mußte, denn der Krieg Rußlands mit der Türkei, dieser Krieg, welcher so lange unter der Asche des Scheinfriedens geschlummert hatte, er war jetzt wieder in vollen Flammen emporgeschlagen.

Diesmal indessen war es die Türkei gewesen, welche die Flammen angeblasen. Schon im Sommer des vorigen Jahres hatte die Pforte den Frieden gebrochen, indem sie den russischen Gesandten wegen willkürlich herbeigeführter Streitigkeiten gewaltsam gefangen nehmen und in die Siebenthürme festsetzen ließ. Rußland hatte schon damals der Türkei den Krieg erklärt, wenn sie nicht sofort ihren Gesandten frei lasse und volle Genugthuung gebe. Die Pforte dagegen hatte an Rußland die Bedingung gestellt, es solle ihr die Krim wiedergeben und seine Flotte wieder aus dem schwarzen Meer entfernen.

Den beiden feindlichen, streitenden Mächten hatte sich damals der österreichische Internuntius zum Vermittler angeboten, und da er von beiden Mächten angenommen worden, hatten seitdem fortwährende Versuche zur Versöhnung und Verständigung stattgefunden.

Aber weder Rußland, noch auch die Pforte, noch auch Oesterreich hatten an das abermalige Zustandekommen des Friedens geglaubt, und ganz offen hatten alle drei Mächte ihre Rüstungen begonnen, alle Drei nur bemüht, Zeit zu gewinnen, um diese Rüstungen zu Ende führen und dann eine imponirende Streitmacht entwickeln zu können.

Und jetzt, im Frühling des Jahres 1788, war die Zeit dieses Hinhaltens und Wartens vorbei, jetzt hatte der österreichische Internuntius die Friedens-Verhandlungen für abgebrochen erklärt, und der Kampf zwischen der Türkei und Rußland war nun mit erneuerter Wuth schon wieder begonnen.

Das war es, was die Couriere aus Petersburg und Constantinopel dem heimkehrenden Kaiser meldeten. – Joseph nahm die Nachrichten mit freudigem Muth auf. Er athmete hoch auf, denn es schien ihm, als nähmen diese Briefe eine Last von seiner Brust, die Last des Kummers und des Grams.

Jetzt werde ich genesen von diesen Schmerzen, sagte er, indem er mit raschen Schritten, die Depeschen in der Hand, in seinem Cabinet auf und nieder ging. Gott ist sehr gnädig gegen mich, denn er zeigt mir das Mittel, um Trost und Beruhigung zu finden, er zeigt mir den Weg, den ich wandeln muß, um wieder zu fühlen als Kaiser und als Mann! Oh, mir wird wohl werden, wenn die Kugeln mich umsausen, wenn die Schlacht mich umtobt. Für mich giebt es keine Myrthen, aber vielleicht Lorbeern. Das hat das Schicksal mir sagen, daran hat es mich mahnen wollen. Sei mir also willkommen, Krieg, vielleicht bringst Du mir Lorbeern, vielleicht auch den Tod! Ich fühle meine alte Kraft wieder in mir erwachen, ich fühle, daß ich noch immer ein Mann bin, der noch den Muth besitzt, dem Kummer zu trotzen und dem Unglück die Stirn zu bieten! Auf zum Kampf gegen die Türken!

Er klingelte hastig und befahl dem eintretenden Kammerhusaren sogleich nach dem Feldmarschall Lacy zu senden und ihn zu bitten, sich unverzüglich zum Kaiser zu verfügen.

Dann las er wieder in den Depeschen, von Zeit zu Zeit ungeduldige Blicke hinüberwerfend nach der Thür, durch welche Lacy eintreten mußte. Endlich öffnete sich die Thür, und der Kammerhusar meldete den Feldmarschall Grafen Lacy.

Der Kaiser ging seinem langjährigen, vielbewährten Freund mit einem strahlenden Lächeln entgegen.

Lacy, sagte er, von heute an sollen Sie wieder mit mir zufrieden sein. Sie haben mich in letzter Zeit oft mit unwilligen und mißvergnügten Blicken angesehen, – oh, versuchen Sie nicht zu streiten, ich habe es wohl bemerkt, und wenn ich nichts sagte, war es vielleicht, weil ich mich schuldig fühlte, – Sie haben oft über meine Schwermuth und Verzagtheit geseufzt. Von heute an sollen Sie wieder mit mir zufrieden sein, von heute an bin ich wieder bereit, dem Schicksal zu trotzen und mit dem Unglück zu kämpfen.

Oh, wie freue ich mich, Ew. Majestät so zu sehen, rief Lacy, des Kaisers dargereichte Hand zärtlich in der seinen drückend. Jetzt sind Sie wieder mein Held, mein Kaiser, und der Siegesmuth leuchtet von Ihrer Stirn. Oh, mit diesen flammenden Augen, diesem stolzen, siegreichen Blick gleichen Ew. Majestät dem Schlachtengott selber, und wenn Ihr Heer Sie so sieht, wird es mit begeistertem Jubelruf Ihnen folgen, wohin Sie es auch führen wollen.

Ah, rief Joseph mit einem heitern Lachen, Sie haben es also schon errathen, Sie wissen es schon, daß es zur Schlacht geht! Ja, ich weiß es wohl, der Krieg wird Ihnen und Tausenden in meinem Heer willkommen sein! Ich weiß auch, daß das, was ich Ihnen jetzt sagen will, Sie erfreuen wird. Lacy, ich lade Sie ein, mir in der bevorstehenden Campagne wider die Türken Gesellschaft zu leisten, ich übertrage Ihnen sogleich die Oberaufsicht über meine Heere, über alles das, was zum Feldzug gehört, nachdem wir mit den Russen ausgezogen sind, die Osmanen zu besiegen. Sie haben sich durch Ihren Patriotismus immer rühmlich ausgezeichnet, Sie sind ein General, dessen Dienste ich so annehmen muß, als wenn Sie sie mir freiwillig leisteten, denn Jahre, Ruhm und vollkommen erfüllte Pflichten würden mir alle rechtlichen Ansprüche auf die Fortsetzung derselben rauben. Des Kaisers eigene Worte. Siehe: Hübner II. S. 466.

Aber Ew. Majestät wissen, daß es mein größter Stolz, meine größte Freude ist, Ihnen meine Dienste zu weihen, so lange ich lebe, rief Lacy glühend, daß ich glücklich sein werde, an Ihrer Seite zu fechten, und Zeuge zu sein, wie sich mein Kaiser seine Lorbeeren verdient?

Und nicht wahr, fragte der Kaiser, Sie sind es auch noch ganz besonders zufrieden, daß wir ausziehen gegen dieses übermüthige Türkenvolk?

Lacy schwieg einen Augenblick. Ich würde ganz glücklich sein, sagte er dann zögernd, wenn Oesterreich freiwillig und selbstständig in den Krieg zöge wider die Türken.

Oh, unsere Bundesgenossen, die Russen, geniren Sie? fragte der Kaiser lächelnd. Sie lieben also die Russen noch immer nicht?

Sire, ich erlaube mir kein Urtheil über Diejenigen, welche es Ew. Majestät seit einiger Zeit beliebt, Ihre Bundesgenossen zu nennen!

Ehrlich, Lacy, keine Winkelzüge! Sie haben mir ja Ihr Wort gegeben, mir immer die Wahrheit zu sagen. Ehrlich also, es ist Ihnen zuwider, daß wir in diesem Krieg mit den Türken die Bundesgenossen Rußlands sind?

Nun denn, Sire, wenn ich die Wahrheit sagen soll, ja! Ich würde mich noch mehr freuen, wenn Ew. Majestät als selbstständiger Kriegsherr gegen die Pforte aufgetreten wären. Rußland denkt immer nur an sich, hat immer nur Vergrößerungspläne für sich im Auge, und wird Ew. Majestät Hülfe nur benutzen wollen, um sich selber neue Eroberungen zu sichern.

Aber ich werde solche Eroberungen nicht dulden, rief Joseph heftig. Katharina mag ihren Kampf gegen die Türkei auskämpfen, es ist als ihr Bundesgenosse und als Mann von Wort meine Pflicht, ihr beizustehen, wie ich es versprochen habe. Aber zu neuen Eroberungen werde ich nicht meine Hand bieten. Ich habe es geduldet, daß die Pforte Tauris an Katharina abtrat, denn dies brachte mir nicht allein keinen Nachtheil, sondern den unberechenbaren Vortheil, daß meine Staaten dadurch vor jedem Angriff der Türken geschützt sind, weil diese die Truppen und Schiffe der Krim fürchten, und dann entzweite sich bei dieser Gelegenheit der Petersburger Hof mit dem Berliner, wodurch dem Letztern ein mächtiger Alliirter geraubt ward. Des Kaisers eigene Worte. Siehe Groß-Hoffinger III. S. 428. Dies bestimmte mich, Rußland im Besitz der Krim nicht zu hindern; aber jetzt hat Alles eine andere Gestalt; ich werde nicht dulden, daß sich die Russen in Konstantinopel niederlassen! Die Nachbarschaft der Turbane wird für Wien immer noch weniger gefährlich sein, als die der Hüte. Des Kaisers eigene Worte. Siehe Groß-Hoffinger III S. 429. Aber Rußland bietet mir eine Gelegenheit, auch meinerseits die Scharte auszuwetzen, welche die Türken in das Schwert der Habsburger geschlagen. Wir müssen Belgrad wieder haben, ich muß die Niederlage rächen, welche mein Vater vor Belgrad von den Türken erfahren. Der Sohn muß wieder erobern, was man seinem Vater genommen, Belgrad muß wieder zu Oesterreich gehören, die Türken müssen es mir wiedergeben. Oh, diese Barbaren des Orients haben seit mehr denn zweihundert Jahren alle möglichen Treulosigkeiten gegen meine Vorfahren begangen, Tractate verletzt, so oft es ihrer Raubbegierde gefiel, Verheerungen anzustellen, und alle Aufrührer unterstützt, die sich dem rechtmäßigen König entgegenstellten. Meineidiger Weise verletzten sie alle Friedensbündnisse, und als sie in den Ungaraufständen Tökely und Ragotzy gegen meinen Ahn Kaiser Leopold unterstützten, mißhandelten sie die Einwohner von Ungarn auf die grausamste Art. Die Zeit ist gekommen, wo ich als Rächer der Menschheit auftrete, wo ich es über mich nehme, Europa für die Drangsale zu entschädigen, die es ehemals von den Türken erdulden mußte, und wo ich es hoffe dahin zu bringen, daß ich die Welt von einem Geschlecht Barbaren reinige, die ihr so lange zur Geißel geworden. Des Kaisers eigene Worte. Siehe: Briefe Josephs II. S. 135.

Und mir wollen Ew. Majestät die stolze Freude gönnen, rief Lacy, daß ich in diesem großen Kampf der Cultur und des Christentums gegen den Moslem und das Barbarenthum Ew. Majestät zur Seite stehen, mit Ihnen fechten, mit Ihnen siegen darf? Dies ist eine Gnade, die ich Ew. Majestät lohnen will mit dem letzten Tropfen meines Blutes, wenn das Schicksal mir vergönnen will, es für Sie auf dem Schlachtfelde zu vergießen!

Der Kaiser reichte ihm seine Hand dar und nickte ihm freundlich zu. Ich wußte, daß Sie das freuen würde, Lacy, und daß Sie gern mit mir hinausziehen in's Feld. Diesmal wird's kein Zwetschkenrummel werden, sondern ein ernster, wirklicher Krieg. Wir sind gerüstet und also mag der Kampf beginnen! Jetzt zu den Vorbereitungen! In einer Stunde muß der Courier abgehen, welcher mein Kriegsmanifest an die Pforte bringt. Nein, Lacy, fuhr der Kaiser fort, als Lacy Miene machte, sich zurückzuziehen, als mein erster commandirender General müssen Sie den Stand der Angelegenheiten genau kennen, und ich bitte Sie daher, hier zu bleiben und den beiden Manifesten zuzuhören, die ich jetzt meinem Secretair dictiren will. Das erste ist an die Pforte gerichtet, und bringt ihr meine Kriegserklärung. Das zweite ist eigentlich kein Manifest, sondern ein Brief, und zwar an den König Friedrich Wilhelm den Zweiten, den Nachfolger des großen Friedrich. Se. preußische Majestät, in geistvoller Vorausahnung, daß ich jetzt nicht länger zögern würde, auch meinerseits der Pforte den Krieg zu erklären, hat geruht, sich freundschaftlichst an mich zu wenden und mir seine Vermittelungen zwischen mir und der Pforte anzubieten! Ich habe seinen Vemittelungsbrief soeben durch einen expressen Courier erhalten und will ihn sogleich beantworten! Haben Sie die Güte, mir zuzuhören und dann mir zu sagen, ob Sie mit meiner Antwort einverstanden sind!

Lacy verneigte sich, und Joseph öffnete die Thür des Cabinets, um einen seiner Geheim-Secretaire in sein Cabinet zu rufen.

Setzen Sie sich und schreiben Sie, was ich Ihnen dictiren werde, sagte der Kaiser, als der Secretair eintrat.

Dieser nahm vor dem großen, mit Papieren beladenen Schreibtisch des Kaisers Platz und harrte mit der Feder in der Hand des kaiserlichen Wortes. Lacy durchschritt leise auf den Zehen das Gemach und zog sich in die Fensternische zurück, um dort, die Arme über der Brust zusammengeschlagen, das edle, ernste Antlitz beschattet von den dunkelrothen Fenstervorhängen, zuzuhören.

Joseph aber ging unruhig und mit hastigen Schritten auf und ab, und dictirte mit rascher, zürnender Stimme das Manifest an die Pforte, in welchem er, hinweisend auf die Verträge mit Rußland und auf das Scheitern seiner Vermittlungsversuche, der Pforte anzeigte, »daß er nunmehr sich veranlaßt und genöthigt sehe, die ihm selber als getreuem Freunde und Alliirten der Kaiserin von Rußland obliegenden Pflichten in die vollständigste Erfüllung zu bringen und an dem Kriege unverzüglichen, wirklichen Antheil zu nehmen.« Hübner II. S. 468.

Jetzt, sagte Joseph zu seinem Secretair, als das Manifest beendigt war, jetzt nehmen Sie ein anderes Blatt und schreiben Sie: An Se. Majestät den König von Preußen. – Er ging eine Zeit lang, die Hände auf dem Rücken gefaltet, sinnend und tief ernst auf und ab. Dann begann er mit lauter Stimme, und so rasch und heftig, daß der Secretair kaum mit den flüchtigen Zügen und Zeichen seinen Worten zu folgen vermochte.

»Mein Herr Bruder! In der That, es ist die unangenehmste Aeußerung, die ich zu machen genöthigt bin, daß ich Ew. Majestät die angebotene Vermittelung in Ansehung der mit der Pforte entstandenen Irrungen auf das Freundschaftlichste verbitten muß. Ich muß den Degen ziehen, und er wird nicht wieder in die Scheide kommen, bis ich Genugthuung, bis ich wieder habe, was man meinem Hause entzogen hat. Ew. Majestät sind Monarch, und als Solchem sind Ihnen die Rechte der Könige nicht unbekannt. Und ist die Unternehmung gegen die Ottomanen etwas Anderes, als ein wiedergesuchtes Recht auf einige meinem Hause entrissene Provinzen, deren Besitz Zeit, Schicksal und Verhängniß meiner Krone geraubt hat?«

»Die Türken (und vielleicht nicht sie allein) haben es zur Maxime, das, was sie in widrigen Zeiten verloren, bei der ersten für sie günstigen Gelegenheit wieder zu suchen, – das heißt, man läßt dem Schicksal seinen Lauf und unterwirft sich den Fügungen der Vorsehung.«

»Das Haus Hohenzollern ist auf eben die Art zum Gipfel seiner Größe gelangt. – Albrecht von Brandenburg entriß seinem Orden das Herzogthum Preußen, und seine Nachfolger behaupteten sogar in dem Frieden zu Oliva die Souverainetät über dieses Land.«

»Eurer Majestät verstorbener Oncle entzog meiner Mutter Schlesien zu einer Zeit, da sie, von Feinden umringt, keinen andern Schutz als die Größe ihrer Seele und die Treue ihres Volkes hatte.«

»Was haben die Höfe, die dermalen von dem Gleichgewicht in Europa so viel Posaunens machen, was haben diese dem Hause Oesterreich zum Aequivalent seiner nur in diesem Jahrhundert verlornen Besitzungen gethan?«

»Meine Vorfahren mußten im Utrechter Frieden Spanien – in dem zu Wien die Königreiche Neapel und Sicilien – etliche Jahre darauf Belgrad und die Fürstenthümer in Schlesien, in dem zu Aachen Parma, Piacenza, Guastalla, und vorher noch Tortona und einen Theil der österreichischen Lombardei an ihre Nachbarn überlassen. Hat Oesterreich dafür eine andere Acquisition von Wichtigkeit binnen diesem Jahrhundert des Verlustes gemacht?«

»Einen Theil vom Königreich Polen! Und hiervon hat Preußen einen bessern Antheil als ich.« –

»Ich hoffe, daß Ew. Majestät die Ursachen meines Entschlusses, die Pforte zu bekriegen, sehr einleuchtend finden, daß Sie die Gerechtigkeit meiner Ansprüche nicht verkennen werden, und daß Sie nicht minder mein Freund sein werden, wenn ich auch die Orientalen etwas travestire. Ew. Majestät können sich von mir versichert halten, daß ich bei ähnlichen Gelegenheiten die nämlichen Grundsätze in Ansehung der Erwerbungswege seiner verlornen Besitzungen von Ihnen auch gegen mich anwenden lasse, und daß jetzt alle Vermittelungsgeschäfte einige Jahre Ruhe haben.«

»Ich empfehle mich der Fortdauer Ihrer Freundschaft und bin mit vieler Hochachtung Ew. Majestät Freund und guter Bruder

Joseph

Siehe Briefe Kaiser Josephs II. S. 121 folg.

 

Nachdem der Kaiser diesen Brief zu Ende dictirt, winkte er dem Secretair, hinaus zu gehen, und ließ sich erschöpft und hoch aufathmend in einen Lehnstuhl niedergleiten.

Nun, Lacy, sagte er nach einer Pause, sind Sie zufrieden mit meinem Brief? Hat derselbe, wie ich es wünschte, auch Sie überzeugt, daß ich eine Art von Pflicht, jedenfalls aber das Recht habe, mein Schwert zu ziehen und es gegen die Moslems zu richten?

Sire, sagte der Feldmarschall, sich dem Kaiser nähernd, ich danke Ew. Majestät von ganzer Seele, daß Sie mir gestatteten, diesem Brief an den König von Preußen zuzuhören, und ich weiß nicht, was ich, während Ew. Majestät dictirten, mehr bewundert habe, Ihre allzeit präsente Kenntniß der Geschichte Ihres Hauses, oder die ruhige Schärfe Ihrer Darstellung. Das aber weiß ich, daß, wenn Ew. Majestät mich auch nicht aufgefordert hätten, Sie zu begleiten, ja, wenn Sie es mir selbst verbieten wollten, an diesem Feldzug Theil zu nehmen, ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben Ew. Majestät ungehorsam sein würde, und als gemeiner Soldat verkleidet diesen Krieg mitmachen würde, wenn Ew. Majestät mir untersagten, es auf andere Weise zu thun.

Das ist mein Lacy, mein tapferer Freund, rief der Kaiser, dem Grafen seine beiden Hände darreichend. Auf denn, an's Werk! Ertheilen Sie heute noch Ihre Ordres, setzen Sie die Regimenter in Bewegung. In zwei Tagen müssen zweimalhunderttausend Mann marschiren, und sich in sechs Heeres-Colonnen den Grenzen nähern. Vom Dniester bis zum adriatischen Meer müssen wir einen Riesencordon ziehen, um unsere Grenzen gegen die türkischen Räuberhorden zu sichern. Die Hauptarmee aber rückt vorwärts auf Semlin und Futak zu. Wir Beide führen die Hauptarmee, und schon in drei Tagen müssen wir aufbrechen und – nein, unterbrach sich der Kaiser, und der Glanz seiner Augen erlosch plötzlich, nein, in drei Tagen kann ich noch nicht fort. Ich muß erst alle meine Anordnungen treffen, muß erst abschließen mit allen Beziehungen des Lebens, muß reisefertig sein, um, wenn es sein muß, die große Reise in das Jenseits antreten zu können, muß mich erst losreißen von Allem, was mir theuer ist, und dem letzten Traum meines Lebens entsagen! In acht Tagen, Lacy, gehen wir zur Armee ab, die uns immerhin langsam vorangehen mag! Oh, und wenn wir erst im Feldlager sind, dann werden wir nicht Zeit haben, unserer Träume und unserer Schmerzen zu gedenken, und das ist am Ende auch ein Glück!


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