Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VII.
Die Deputation der Ungarn.

Im großen Audienzsaal der Kaiserburg sollte sich heute etwas Wichtiges begeben. Die ersten und vornehmsten ungarischen Magnaten waren nach Wien gekommen, um von dem Kaiser eine Audienz zu begehren, nicht als Cavaliere, welche dem Fürsten ihre Aufwartung machen wollen, sondern als eine Deputation des Königreichs, welches sich ihrer Lippen bediente, um dem Kaiser seine Noth zu klagen und Abhülfe zu begehren.

Seit einem Jahr schon, seit die neuen Verordnungen und Gesetze erschienen waren, hatten die ungarischen Magnaten sich stolz zurückgezogen und es vermieden, die Burg zu betreten; heute aber, da das Vaterland ihrer begehrte, heute waren sie gekommen in feierlichem Zuge in ihren reichsten Galagewändern, um von dem Kaiser im Namen des Königreichs eine Audienz zu erbitten.

Joseph hatte ihnen dieselbe bereitwillig zugesagt, und die Magnaten erwarteten jetzt im großen Audienzsaal das Kommen des Kaisers.

Mit düstern Mienen, mit gefurchten Stirnen standen sie schweigend in langen Reihen da, die funkelnden Augen mit trotzigem Ausdruck nach der Thür gewandt, durch welche der Kaiser eintreten mußte.

Endlich öffnete sich die Thür, und Joseph trat ein, nicht im Prunk des Kaisers, begleitet von einem glänzenden Gefolge, sondern in einfacher Uniform, ganz allein und ohne alles Ceremoniell. Mit offenem Blick und einem sanften Lächeln grüßte er die Edelleute, die sich tief vor ihm neigten und dann in ernster Haltung mit düstern Blicken erwarteten, daß der Kaiser sie anredete.

Joseph ließ seine Blicke langsam an der langen Reihe der Magnaten heruntergleiten.

Eine stattliche Deputation, welche mir Ungarn da hersendet, sagte er dann mit einem sanften Lächeln. Es kennt, wie es scheint, seine Söhne sehr gut, denn es hat mir da lauter angesehene Namen und Geschlechter gesandt, als wollte es mit Ihnen allen seine große und schöne Geschichte repräsentiren. Da ist zum Beispiel Graf Palfy, der Sohn jenes treuen Grafen Palfy, den die Kaiserin, meine Mutter, so gern ihren Ritter und auch ihren Vater nannte, da ist der Graf Batthiany, der Sohn meines einstigen Lehrers. Ich freue mich, Sie Alle begrüßen zu können, und hoffe, daß Sie kommen, um als gute und getreue Unterthanen Ihren Kaiser zu begrüßen!

Er sah sie mit einem freundlichen, warmen Blick an, aber dieser Blick begegnete überall nur finstern Mienen und drohenden Stirnen.

Wir sind gekommen als Abgeordnete des Königsreiches Ungarn, um Sr. Majestät unsere Beschwerde vorzutragen, sagte nach einer langen Pause der Graf Palfy, indem er aus der Reihe der anderen Herren hervortrat und sich dem Kaiser gegenüberstellte.

Haben Sie den Grafen zu Ihrem Sprecher ernannt? fragte der Kaiser die Edelleute, und als sie mit einem ernsten, einstimmigen Ja antworteten, fuhr er fort: nun, so sprechen Sie! Ich will Ihre Beschwerden anhören und Ihnen Antwort geben.

Wir kommen zu Ew. Majestät, sagte Graf Palfy ernst, um Ew. Majestät daran zu gemahnen, daß Sie uns beim Anfang Ihrer Regierung im November 1780 eine von Ew. Majestät eigenhändig unterschriebene Erklärung haben zugehen lassen, daß Ew. kaiserliche Majestät unsere Rechte und Freiheiten uns heilig und unverletzt erhalten, und uns dieselben auf keine Weise entziehen wollten. Ungeachtet nun die Stände des Reichs sich durch Ihr königliches Wort vollkommen gesichert glaubten, so müssen sie doch mit Betrübniß ersehen, daß seit der Zeit Vieles vorgefallen, was unsern klaren Gesetzen ganz entgegen ist. Wir nähern uns daher Eurer Majestät höchstem Thron, um über die uns bisher zugefügten Kränkungen uns empfindlich zu beklagen, in der Hoffnung, daß Sie unsere gerechten Klagen gegen Ihre geheiligte königliche Würde nicht freventlich finden werden. Die eigenen Worte der Ungarn in der Beschwerdeschrift der ungarischen Stände. Siehe Hübner II. S. 265.

Und wenn ich sie dennoch freventlich finde? rief der Kaiser lebhaft. Wenn ich, im vollen Gefühl, daß ich für Ungarn, wie für alle Provinzen meines Landes, die väterliche Fürsorge hege, und nur sein Wohl und Bestes will, Euch zurückweise mit Eurem Stolz und Uebermuth?

Wenn Ew. Majestät uns heute zurückweisen, sagte Graf Palfy fest, so werden wir morgen wiederkehren, und übermorgen und alle Tage, denn wir haben den ungarischen Ständen geschworen, daß wir unsere Klagen vor Ew. Majestät Ohren bringen wollen, und wir müssen unsern Schwur halten.

Ich indeß kenne Eure Klagen, bevor Ihr sie aussprecht, rief der Kaiser glühend, und damit Ihr seht, daß ich wohlbewandert in Eurer Geschichte und mit Euren Anforderungen bin, will ich selbst Euch sagen, was Ihr wollt, und mich zum Sprecher machen für Eure Klagen! Zuerst wollt Ihr Euch beschweren, daß ich noch immer nicht nach Ungarn gekommen bin zur Krönung und zur Eidesleistung. Ist's nicht so?

Es ist so, Sire, aber dieser Beschwerde wollen wir die Frage hinzufügen, ob es wahr ist, daß Ew. Majestät heimlich, ohne Anfrage bei den Ständen, die ungarische Krone, die Krone des heiligen Stephan, hat aus dem Schloß von Ofen entführen und hierher nach Wien bringen lassen?

Es ist wahr, ich habe es gethan, rief Joseph, ich habe die Krone hierher zu mir bringen lassen, zu mir, dem sie gehört, aber ich werde sie zurückführen lassen nach Ofen, sobald das für sie bestimmte Gebäude vollendet sein wird.

Das ist wider die Gesetze unseres Landes, rief Graf Palfy, wider die ungarische Reichsverfassung! Sagt, Ihr Magnaten, ist es nicht so?

Ja, es ist so! riefen sie Alle; es ist wider die Reichsverfassung!

Ich habe diese Verfassung nicht beschworen, und ich sehe, daß ich Recht daran gethan, sagte der Kaiser ruhig. Es muß erst Vieles noch geändert und gebessert werden in Ungarn, bevor ich kommen werde, Euch als König meinen Eid zu leisten. Ihr wollt nur die Freiheit für Euch, Ihr wollt nicht blos den Bauer, sondern auch Euren König zu Eurem Leibeigenen machen, ein Werkzeug soll er sein in den Händen der Herren Magnaten, ihm wollt Ihr die Hände binden, daß er das Scepter nicht zu führen vermag, damit Ihr ihm helfen, mit ihm und für ihn regieren müßt. Ich aber sage Euch, ich will nicht einer aristokratischen Republik vorangehen als Puppe des Königthums, sondern ich will ein wirklicher König und Herr sein in allen meinen Landen und Provinzen. Ungarn ist kein Land für sich, sondern es ist ein Theil, eine Provinz meines Reiches. Ich werde mich also in Ungarn ebensowenig krönen lassen, wie ich es in Tyrol, in Böhmen, in Galizien, in Belgien oder in der Lombardei gethan. Alle diese einstigen Kronen sind untergegangen und verschmolzen in der Einen Krone des Kaisers von Oesterreich, und es ist daher gut und billig, daß, wenn es Eurem Kaiser also behagt, er die Kronen, welche ihm gehören, aufbewahrt in seiner Schatzkammer zu Wien. Da das Gute nur Eins sein kann, nämlich jenes, so die größte Zahl betrifft, und da alle Provinzen der Monarchie nur ein Ganzes ausmachen, so müssen vor allen Dingen Vorurtheile und Eifersucht, welche bis jetzt zwischen den verschiedenen Nationen und Provinzen meines Reichs geherrscht haben, zum Schweigen gebracht werden, und die Sonderinteressen müssen verstummen, damit das allgemeine Interesse befördert werde. Des Kaisers eigene Worte. Siehe Briefe Joseph II. Dies ist, was ich Euch über Eure Krone und die Krönung zu sagen habe im Allgemeinen, aber im Einzelnen sage ich Euch noch, daß ich dennoch gewillt bin, dereinst Eure Bitte zu erfüllen, daß ich mich krönen lassen will, aber nur erst dann, wenn alle die Pläne erfüllt sind, welche ich für Ungarn hege, und wenn ich in Ungarn, wie in allen meinen Landen, nicht ein Scheinfürst, sondern ein wirklicher Herrscher sein werde. Und nun, Herr Kanzler von Ungarn, Graf Palfy, nun gebe ich Euch das Wort, sagt mir Eure zweite Beschwerde, ich will Euch nachher Eure dritte nennen.

Unsere zweite Beschwerde ist, daß der ungarischen Nation zur Schmach, mit Hintenansetzung der lateinischen und der Landessprache, das Deutsche bei der bürgerlichen Administration der ungarischen Sachen eingeführt worden. Dies ist der uralten Reichsverfassung und Observanz schnurstracks zuwider, schadet dem Gang des Rechts und der guten Ordnung. Wegen Nichtkenntniß der deutschen Sprache, die doch zur Sache selbst nichts beiträgt, werden hier und dort die rechtschaffensten und verständigsten Männer von öffentlichen Aemtern ausgeschlossen, Andere aber, die mit ihnen gar nicht zu vergleichen sind, erhalten diese Stellen, nur weil sie Deutsch verstehen. Die eigenen Worte der ungarischen Stände. Hübner II. S. 266.

Hier erwiedere ich Euch nur dies: Die deutsche Sprache ist Universalsprache meines Reichs! Warum sollte ich die Gesetze und die öffentlichen Geschäfte in einer einzigen Provinz nach der Nationalsprache derselben traktiren lassen? Ich bin Kaiser des deutschen Reichs; demzufolge sind die übrigen Staaten, die ich besitze, Provinzen, die mit dem ganzen Staat in Verbindung Einen Körper bilden, wovon Ich das Haupt bin. Wäre das Königreich Ungarn die wichtigste und erste meiner Besitzungen, so würde ich die Sprache desselben zur Hauptsprache meiner Länder machen, so aber verhält es sich anders, und die Hauptsprache aller meiner Länder ist und soll die deutsche sein. Des Kaisers eigene Worte. Siehe Briefe Joseph II. S. 76. – Ihre dritte Beschwerde will ich Ihnen jetzt nennen, es ist die, daß ich Eure Güter habe conscribiren und verzeichnen lassen, und daß ich Euch auferlegt habe, im Widerspruch zu Eurer alten Verfassung, die dem ungarischen Adel Steuerfreiheit zuerkennt, Steuern zu zahlen, so gut wie der Bauer und der Bürger. Ich habe dies mit gutem Bedacht gethan, und ich werde dieses Gesetz der Steuerordnung aufrecht erhalten. Die Vorrechte und Freiheiten einer Adelschaft bestehen in allen Ländern und Republiken der Welt nicht darin, daß sie zu den öffentlichen Lasten nichts beitragen, vielmehr ist ihre Belegung, wie zum Beispiel in England und Holland, stärker als irgendwo, sondern sie bestehen einzig darin, sich selbst die für den Staat und das Allgemeine erforderlichen Lasten aufzuerlegen, und durch ihre Verwilligung mit Erhöhung und Vermehrung der Auflagen vorzugehen. Die Freiheit der Personen ist wohl zu unterscheiden von jener der Besitzungen, in deren Rücksicht die Eigenthümer nicht den Edelmann, sondern blos den Feldbauer, den Hauer oder den Viehmäster, und in Städten blos den Bürger und Consumenten, auf der Straße und Ueberfahrt blos den Reisenden und den Uebersetzer vorstellen; in diesen Fällen allen müssen sie zur Erhaltung der allein das System nutzbar machenden freien Concurrenz, nach der Größe ihrer Besitzungen mit allen andern Bürgern und Einwohnern gleich sein. Des Kaisers eigene Worte. Siehe Briefe Joseph II. S. 95. Ein Jeder muß das Seine beitragen zum Wohl des Ganzen, der Edelmann sowohl wie der Bürger, der Bauer wie der Kaiser. Ich kann also dieses Gesetz der neuen Steuerordnung nicht zurücknehmen.

Aber, Sire, rief Graf Palfy, es verträgt sich nicht mit unserer Reichs-Constitution, mit unserer Verfassung!

Hat Ungarn eine Verfassung? rief der Kaiser heftig. Ein tumultuarischer Reichstag, die Exemtion des Adels von allen Geldleistungen, die Leibeigenschaft in ihrer rohesten Gestalt von drei Fünftheilen der Nation, ist das eine Verfassung?

Es ist die Verfassung Ungarns, und Ew. Majestät haben uns die feierliche Versprechung gegeben, uns unsere Rechte und Privilegien zu erhalten, und die ganze Reichs-Constitution unverletzt zu bewahren; aber auch ohne besondere Versicherungen hängt die Verpflichtung der unverletzten Erhaltung der National-Freiheiten mit dem ganzen Successions-Rechte des österreichischen Hauses unzertrennbar und bedingungsweise zusammen. Die eigenen Worte der ungarischen Stände in ihrer Beschwerde an den Kaiser. Hübner II. S. 263.

Sie wagen es, mir zu drohen? rief der Kaiser mit zornflammenden Augen.

Nein, Sire, wir wagen es nur, unserm Schmerz Worte zu geben, und wir fühlen uns verpflichtet, einem wahrheitsliebenden Monarchen die Wahrheit rein und lauter zu sagen. Wir haben schon unter Ew. Majestät Vorfahren und Voreltern einiges leiden müssen, was sich mit unserer Constitution und unsern Gesetzen nicht wohl vertrug. Aber unsere Fundamental-Gesetze mindestens waren bis zum Tode Maria Theresia's unangegriffen, denn obwohl Maria Theresia in den letzten Jahren ihrer Regierung den ungarischen Landtag nicht hatte zusammentreten lassen, so hat sie doch sonst stets unsere Privilegien heilig halten. Sie hat sich krönen lassen, sie hat den Eid geschworen. Auch Carl der Sechste, auch Joseph der Erste haben das gethan. Es verträgt sich sehr wohl, wie auch die Verfassung anderer Reiche zeigt, – Erbrecht und Nationalfreiheiten. Die eigenen Worte der Stände.

Aber in Ungarn giebt es keine Nationalfreiheiten, sondern nur Edelmannsfreiheiten, keine Nation, sondern nur Herren und Sclaven, und das gerade ist es, was ich ändern und abschaffen will. Ihr sprecht von Freiheiten! Die Freiheit verträgt sich nirgends mit der Sclaverei, und Ihr wollt die Freiheit nur für den Edelmann, die Sclaverei für das Volk!

Und meinen Ew. Majestät wirklich, daß die allgemeine Freiheit gefördert werde durch die Conscription?

Ah, da kommt der vierte Beschwerdepunkt, rief der Kaiser. Ja, die Conscription, das ist Euch ein Dorn im Auge, denn diese legt auch dem Adel Pflichten auf, und macht den Edelmann zum Bürger und Sohn seines Landes. Sie giebt ihm das Schwert in die Hand, und fordert ihn auf zum Dienst des Vaterlandes, nicht weil er ein Edelmann, sondern weil er ein Mann ist, und weil das Vaterland Rechte auf ihn hat!

Wir haben dem Vaterland niemals unsern Arm und unsere Hülfe versagt, rief Graf Palfy, wir haben es mit unserm Blut und Leben gegen alle unsere Feinde vertheidigt, und Niemand hat es bis hierher wagen dürfen, seine Rechte, seine Freiheiten anzugreifen, denn wir waren da, sie zu vertheidigen. Aber wir haben freiwillig, aus innerstem Drang unsers Herzens, für unser Vaterland gekämpft, nicht gezwungen und auf Commando. Wir, und auch das ganze Volk von Ungarn, glauben nicht an die Glückseligkeit eines conscribirten Volkes. Wir Alle wissen gar wohl, welche Wirkungen die Conscription in den benachbarten schlesischen, böhmischen und mährischen Landen hervorbringt. Unser ganzes Volk fühlt daher mit uns einen Abscheu vor der Conscription. Unser Volk kennt auch die Freiheiten unsers ganzen Reiches, daß Niemand wider seinen Willen zu Kriegsdiensten gezwungen werden kann, und dies ist den Gemüthern so fest eingedrückt, daß nichts es davon abzubringen und zum Gegentheil zu überreden vermag. Wenn Reichsstände und Gutsherren mit ihren Unterthanen auf gleiche Weise conscribirt werden sollen, so würde dieser den Vorrechten unsers Adels angethane Schimpf jedes adlige und empfindliche Herz mit Recht verwunden. Und wenn wir alle Beweggründe und Folgen der Conscription genau untersuchen und erwägen, so bleibt uns nur die Schlußfolgerung: daß auch wir, die wir in süßester Freiheit geboren wurden, in den traurigsten Zustand der Sclaverei gebracht, und auf dem Fuß der übrigen deutschen Provinzen regiert werden sollen. Aber ehe wir uns diesem unterwerfen, opfern wir lieber in unterthäniger Treue Blut und Leben auf, und wollen lieber in süßer Freiheit sterben, als in verworfener Sclaverei leben! Die eigenen Worte der Stände.

Und ich, rief Joseph mit tiefer Zornesröthe auf den Wangen, ich sage Euch Allen, Ihr werdet leben, wie ich, Euer König und Euer Herr, Euch befehle zu leben!

Ein drohendes Gemurmel durchlief die Reihen der Edelleute, mit flammenden Wuthblicken schauten sie hinüber auf den Kaiser, der, Er allein gegen so Viele, dennoch in ungebeugter Herrscherwürde ihnen gegenüber stand.

Ah, rief der Kaiser mit einem verächtlichen Lachen, die Herren dünken sich hier auf dem polnischen Reichstag und vermeinen, das Brummen ihres Veto's genüge, um die Befehle und den Willen ihres Königs zu annulliren! Der König von Polen ist schmachvoll zu Grunde gegangen an diesem Veto seiner murrenden Edelleute. Ich aber will nicht zu Grunde gehen, und deshalb will ich kein Veto hören, und weder Euer Brummen noch auch Euer Beifall wird Einfluß haben auf meinen Willen und auf meine Entschließungen! Mein Wille ist es, Ungarn mächtig, stark und groß zu machen, nicht durch seine Edelleute, sondern durch sein ganzes gemeinsames Volk! Deshalb habe ich das barbarische Feudalsystem abgeschafft, weil es die Aufklärung und die Entwickelung des Landes hemmt. Deshalb habe ich die Reichsstellen und die Statthaltereien in den Mittelpunkt des Landes gelegt, deshalb habe ich eine neue Gerichtsordnung und die Conscription eingeführt, deshalb auch die allgemeine neue Steuerordnung, welche gleich der Conscription den Edelmann dem Bürger und Bauern gleichstellt, und die Vorrechte und Privilegien des Einzelnen zu Gunsten des Ganzen aufhebt, deshalb endlich will ich Ungarn den deutschen Staaten näher bringen, damit es annehme von deutscher Sitte und Cultur, damit es sein Barbarenthum ablege und eintrete in die Reihe der gebildeten Völker. Aber Ihr, Ihr Edelleute, Ihr wollt mich daran hindern! Da giebt es Privilegien, Freiheiten und Nationalverfassung, welche durch das neueingeführte Gute verletzt oder umgestoßen werden. Da zieht Ihr alte Pergamente hervor, auf denen seit dreihundert Jahren geschrieben steht, daß das Königreich Ungarn von seiner Barbarei kein Haarbreit abweichen, daß dieses mächtige und große Volk auf ewige Zeiten aller Verbesserung, alles höhern Wohlstandes unfähig und unzugänglich sein solle. Die Britten würden ihre Charta Magna, wenn sie ihnen auf diese Art geflucht hätte, längst zerrissen und ihre Stücke in die Themse geworfen haben. Aber der Ungar schützt das Alterthum und die Gesetzmäßigkeit seiner Mißbräuche vor und will hinter diesem Schilde aller Verbesserung und aller Cultur Trotz bieten. Ich aber sage: hinweg mit diesem verrosteten Schilde mittelalterlichen Barbarenthums! Ein neues Jahrhundert ist angebrochen, ein neues Licht ist aufgegangen für Alle, und nicht blos die Privilegirten und adlig Gebornen sollen es sehen, sondern auch die, welche Ihr bisher ausgestoßen hattet von aller Glückseligkeit und aller Menschenwürde, die Ihr zu Sclaven gemacht hattet, damit Ihr desto mehr die Herren sein konntet. Dieses Licht, das heißt die Cultur, welche die Geister erleuchtet und auch den Niedriggeborenen erhebt zur Würde des freien Menschenthums. Die Cultur will ich dem Ungarvolke bringen, und wenn sie sich nicht verträgt mit Euren alten Privilegien, und dem, was Ihr Eure Reichsconstitution nennt, so wird die Cultur diese bei Seite schieben, und wenn es sein muß, auch zerreißen, damit sie ihren freien und siegreichen Einzug halten kann in das Land, das bis jetzt nur von Edelleuten und Leibeigenen bewohnt ward, in welchem es aber in der Zukunft ein freies, glückliches und seinem König und Herrn gehorsames Volk geben soll! Dies ist meine alleinige und unabänderliche Antwort auf alle Eure Beschwerden! Kehrt heim, Ihr Magyaren, und bringt sie den Ständen, Gespannschaften und Edelleuten, welche Euch hergesandt; mein Wille ist unabänderlich, und alle die neuen Gesetze und Verordnungen, welche ich gegeben, bleiben in voller Gültigkeit, nichts soll und darf an ihnen verändert und gedeutelt werden, denn niemals nehme ich zurück und widerrufe, was ich nach reiflicher Ueberlegung und nach bester Einsicht beschlossen und befohlen habe! Ich bin jetzt König in Ungarn, nicht mehr die Magyaren, ich bin es, der die Gesetze giebt, ich bin Eure Reichsconstitution, und mir seid Ihr Gehorsam und Unterwerfung schuldig. Kehrt heim und sagt den Magyaren: Der Kaiser hat seine Gesetze gegeben, daß sie gehalten werden, an Euch ist es, ihnen zu gehorchen!

Er wandte ihnen mit einem leichten Kopfneigen den Rücken, und ehe noch die Edelleute Zeit gehabt, sich von ihrem Erstaunen und ihrem Zorn zu einer Antwort zu sammeln, war der Kaiser schon durch die Seitenthür verschwunden.

Die Magyaren schauten einander an mit flammenden Blicken und drohenden Gebärden.

Er widerruft nie! sagte Graf Palfy nach einer langen Pause. Habt Ihr's gehört, Magyaren, der Kaiser widerruft nie, und wenn unsere Constitution seinen Neuerungen im Wege steht, so wird er sie bei Seite drängen, und wenn es sein muß, zerreißen. Werden wir das dulden, Magyaren?

Wir werden das nicht dulden! riefen sie Alle mit begeistertem Ton. Wer unsere Constitution antastet, der greift uns selber an, und wer uns angreift, gegen den vertheidigen wir uns, so lange noch ein Athemzug in uns ist!

So sei es! sagte Palfy ernst und feierlich. Der Kaiser hat uns den Fehdehandschuh hingeworfen, wir nehmen ihn auf und sind bereit zum Kampf. Wir werden ja sehen, wer der Sieger bleibt, er oder wir. Einst in ihrer höchsten Noth rettete sich die Königin Maria Theresia zu uns. Mit ihrem kleinen Sohn Joseph auf dem Arm trat sie ein in unsere Reichs-Versammlung, und bat uns um Hülfe und Beistand. Damals riefen die Magyaren in edler Begeisterung: moriamur pro rege nostro Maria Theresia! – Damals wäre Oesterreich verloren gewesen ohne Ungarn, heute aber soll Ungarn verloren gehen durch Oesterreich, und heute rufen wir: moriamur pro rege nostro Constitutione!

Moriamur pro rege nostro Constitutione! riefen Alle, glühend vor Begeisterung, die Rechte zum Himmel emporgehoben.

Und jetzt, Ihr Magyaren, sagte Graf Palfy, jetzt laßt uns still von hinnen gehen, und den Handschuh, welchen der Kaiser uns hingeworfen, unsern Freunden zeigen. Nicht hier, sondern in Ungarn muß dieser Kampf ausgefochten werden, in Ungarn wollen wir den Kaiser erwarten!


 << zurück weiter >>